Die Säuglingsforschung nimmt mittlerweile einen wichtigen Teil in der Entwicklungspsychologie ein. Nach Papousek (1995, S.2) gibt es besonders für das Säuglingsalter wenig umfassende Forschung über die günstige Mutter-Kind-Beziehung, bzw. über die Ursachen von Störungen. Auch die Entwicklungspsychopathologie hat hierzu bisher wenig beigetragen, was nicht zuletzt auf die schwierigen methodischen Anforderungen zurückzuführen ist.
Um so interessanter ist es für uns, eine Studie in dieser relativ neuen Forschungsrichtung durchzuführen und dabei einen direkten Bezug zur Praxis herstellen zu können.
Die Psychopathologien von Neugeborenen und Kleinkindern manifestieren sich beim Kind als Fütter- oder Schlafstörungen, Bindungsstörungen oder frühe Verhaltensstörungen wie zum Beispiel das überdurchschnittliche Schreien. Die genannten Störungen treten im Rahmen der Interaktion mit der Bezugsperson auf. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Interaktion die Ursache für derartige Störungen sein muß (Brisch, 1999; Stern, 1995, S.79). Die frühen Verhaltensauffälligkeiten weisen noch zahlreiche Fragen auf. Besonders im Bereich der therapeutischen Behandlung und Krisenintervention werden neue Methoden entstehen bzw. bereits vorhandene Ansätze modifiziert werden. Nicht das Baby allein oder die Eltern werden hier zum Klienten in der Therapie, sondern die Eltern-Kind-Interaktion, das heißt das gesamte Spektrum an Kommunikation und Interaktion, wird betrachtet.
In der vorliegenden Studie stellen wir zunächst die Grundlagen zum Thema Schreibaby dar. Das exzessive Schreien von Säuglingen und Kleinkindern wird nicht nur in Fachkreisen zunehmend erforscht, sondern erlangt auch im allgemeinen Bewußtsein von Eltern und Laien eine größere Bedeutung.
Aufgrund dieses wachsenden Interesses erschien es uns wichtig, eine psychotherapeutische Einrichtung zur Behandlung von Schreibabys auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen.
Es handelt sich hierbei um die „Schreibabyambulanz“ des Nachbarschafts- und Selbsthilfezentrums der Ufa-Fabrik in Berlin.
Die "Schreibabyambulanz" bietet Eltern, deren Kleinkinder an einem Schreibabysyndrom, ersten psychosomatischen Symptomen oder sehr starken Unruhezuständen leiden, eine Krisenintervention an. Diese umfaßt höchstens 10 Sitzungen. Neben der direkten Auseinandersetzung mit den bis zu zwei Jahre alten Kleinkindern gehört hierzu auch Hilfe und Unterstützung der betroffenen Eltern.
Inhaltsverzeichnis
- I INHALTSVERZEICHNIS
- II THEORETISCHER TEIL
- 1 Einleitung
- 1.1 Beschreibung der Institution
- 1.1.1 Aufteilung der Studie
- 1.1.2 Persönliches Interesse
- 1.1.3 Entwicklung einer Fragestellung
- 2 Darstellung der Grundlagen zum Thema Schreibaby
- 2.1 Definition von Schreibabys
- 2.2 Häufigkeit
- 2.3 Kulturelle Unterschiede
- 2.4 Direkte Folgen des Schreiens für die Bezugspersonen
- 2.5 Zeitliche Verteilung des Schreiens
- 2.6 Ursachen des primär exzessiven Schreiens
- 2.6.1 Schreien als normaler Entwicklungsbestandteil
- 2.6.2 Temperament
- 2.6.3 Gastrointestinale Störungen
- 2.6.4 Interaktionsstörungen zwischen Bezugspersonen und Säugling
- 2.6.4.1 Interaktionstheorie nach Carey
- 2.6.4.2 Entwicklungspsychopathologisches Modell nach M. Papousek
- 2.6.4.3 Kommunikationsproblem nach Bensel & Haug-Schnabel
- 2.6.4.4 Elterliche und kindliche Inkompetenzen nach Wolke
- 2.6.4.5 Die Bedeutung des Tragens in der Mutter-Kind-Interaktion
- 2.6.4.6 Die Bedeutung der Berührung in der Mutter-Kind-Interaktion
- 3 Der Blick auf den Säugling und seine Beziehungsfähigkeit aus Sicht der Bindungsforschung und der modernen Säuglingsforschung
- 3.1 Die moderne Säuglingsforschung nach D. Stern
- 3.2 Bindungstheoretische Bemerkungen
- 3.3 Integrative und selbstregulatorische Fähigkeiten des Säuglings
- 3.4 Die intuitiven Kompetenzen in der vorsprachlichen Kommunikation
- 3.5 Belastungs- und Risikofaktoren in der frühen Eltern-Kind-Beziehung
- 4 Körperpsychotherapeutische Ansätze in der Behandlung von Schreibabys
- 4.1 Grundlagen der Körperpsychotherapie
- 4.2 Sanfte Bioenergetik nach Eva Reich
- 4.3 Das Konzept der Emotionalen Ersten Hilfe nach Thomas Harms
- 4.4 Die Biodynamische Psychologie
- 4.5 Erden und Zentrieren
- 4.6 Übertragung und Gegenübertragung
- 4.7 Das Arbeitskonzept von Diederichs
- 4.8 Eigene Stellungnahme zu den körperpsychotherapeutischen Ansätzen in Bezug auf die Schreibabyambulanz
- 5 Beschreibung unseres Forschungsplans
- 5.1 Überblick über den Forschungsplan
- 5.1.1 Die Entscheidung über das methodische Vorgehen
- 5.1.2 Überblick über die Methoden der Videoauswertung
- 5.1.2.1 Die Videokamera als Beobachtungsinstrument
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Diplomarbeit evaluiert eine Krisenambulanz für Eltern mit Kleinkindern. Ziel ist es, die Wirksamkeit der angebotenen Interventionen zu untersuchen und Verbesserungsvorschläge zu formulieren. Die Arbeit basiert auf einem umfassenden Literaturreview zu Schreibabys und relevanten therapeutischen Ansätzen.
- Ursachen und Folgen exzessiven Säuglingsschreiens
- Körperpsychotherapeutische Behandlungsansätze
- Eltern-Kind-Interaktion und Bindung
- Methodische Evaluation einer Krisenintervention
- Entwicklung eines verbesserten Behandlungskonzepts
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Dieses Kapitel führt in das Thema der Diplomarbeit ein, beschreibt die Institution, die evaluiert wird – eine Krisenambulanz für Eltern mit Kleinkindern – und erläutert die persönliche Motivation der Verfasser. Es skizziert den Aufbau der Studie und die zentrale Fragestellung, die im weiteren Verlauf der Arbeit untersucht wird. Die Einleitung dient als umfassende Einführung in das Forschungsvorhaben.
2 Darstellung der Grundlagen zum Thema Schreibaby: Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über die Definition, Häufigkeit und kulturelle Unterschiede von Schreibabys. Es beleuchtet die Auswirkungen des exzessiven Schreiens auf die Bezugspersonen sowie die zeitliche Verteilung des Schreiens. Im Kern konzentriert sich das Kapitel auf die verschiedenen Ursachen des primär exzessiven Schreiens, beginnend bei normalen Entwicklungsaspekten und reichend bis zu komplexeren interaktiven und psychopathologischen Faktoren. Es werden dabei verschiedene theoretische Ansätze, wie die Interaktionstheorie nach Carey oder das Modell von Papousek, umfassend vorgestellt und diskutiert, um ein vielschichtiges Verständnis der Problematik zu ermöglichen.
3 Der Blick auf den Säugling und seine Beziehungsfähigkeit aus Sicht der Bindungsforschung und der modernen Säuglingsforschung: Dieser Abschnitt integriert die Erkenntnisse der modernen Säuglingsforschung nach Daniel Stern und der Bindungstheorie. Er erörtert die integrativen und selbstregulatorischen Fähigkeiten des Säuglings sowie dessen intuitive Kommunikationskompetenzen in der vorsprachlichen Phase. Besonderes Augenmerk liegt auf den Belastungs- und Risikofaktoren in der frühen Eltern-Kind-Beziehung, um ein ganzheitliches Bild des Säuglings und seiner Interaktionsfähigkeit zu zeichnen. Die Verknüpfung verschiedener Forschungsperspektiven ermöglicht ein tieferes Verständnis der komplexen Dynamik in der frühen Eltern-Kind-Beziehung.
4 Körperpsychotherapeutische Ansätze in der Behandlung von Schreibabys: Dieses Kapitel stellt verschiedene körperpsychotherapeutische Ansätze zur Behandlung von Schreibabys vor. Es beginnt mit den Grundlagen der Körperpsychotherapie, insbesondere dem Energiemodell von Wilhelm Reich und dem Konzept der sanften Bioenergetik nach Eva Reich. Weitere Ansätze, wie die Emotionale Erste Hilfe nach Harms, Biodynamische Psychologie, sowie die Methode des Erdens und Zentrierens werden detailliert beschrieben und in ihrem Bezug zur Behandlung von Schreibabys erläutert. Schließlich wird das Arbeitskonzept von Diederichs im Detail analysiert und die Prinzipien, Gefahren und Vorteile der Körperpsychotherapie werden umfassend diskutiert. Das Kapitel liefert eine detaillierte und differenzierte Übersicht über ein breites Spektrum an therapeutischen Ansätzen.
5 Beschreibung unseres Forschungsplans: Das Kapitel beschreibt den Forschungsplan der Diplomarbeit, einschließlich der Entscheidung für die gewählte Methodik und einen detaillierten Überblick über die Methoden der Videoauswertung. Es legt dar, wie die Videokamera als Beobachtungsinstrument eingesetzt wird, um Daten zu sammeln und zu analysieren. Der Fokus liegt auf der Transparenz und Begründung des methodischen Vorgehens.
Schlüsselwörter
Schreibaby, exzessives Schreien, Säuglingsentwicklung, Eltern-Kind-Interaktion, Bindung, Körperpsychotherapie, Krisenintervention, Evaluationsstudie, Behandlungsansätze, Videoanalyse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Evaluation einer Krisenambulanz für Eltern mit Schreibabys
Was ist der Gegenstand dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit evaluiert eine Krisenambulanz für Eltern mit Kleinkindern, die von exzessivem Schreien ihrer Babys betroffen sind (sog. "Schreibabys"). Ziel ist die Untersuchung der Wirksamkeit der angebotenen Interventionen und die Formulierung von Verbesserungsvorschlägen.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt umfassend die Ursachen und Folgen exzessiven Säuglingsschreiens, verschiedene körperpsychotherapeutische Behandlungsansätze, die Bedeutung der Eltern-Kind-Interaktion und Bindung, die methodische Evaluation der Krisenintervention und die Entwicklung eines verbesserten Behandlungskonzepts.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel zu den Grundlagen des Themas "Schreibaby", ein Kapitel zur Säuglingsforschung und Bindungstheorie, ein Kapitel zu körperpsychotherapeutischen Ansätzen und schließlich ein Kapitel zur Beschreibung des Forschungsplans mit der gewählten Methodik (Videoanalyse).
Welche Ursachen für exzessives Schreien werden untersucht?
Die Arbeit untersucht verschiedene Ursachen, von normalen Entwicklungsaspekten über Temperament und gastrointestinale Störungen bis hin zu komplexeren interaktiven und psychopathologischen Faktoren. Dabei werden verschiedene theoretische Ansätze wie die Interaktionstheorie nach Carey oder das Modell von Papousek diskutiert.
Welche körperpsychotherapeutischen Ansätze werden vorgestellt?
Die Arbeit beschreibt verschiedene Ansätze wie sanfte Bioenergetik nach Eva Reich, Emotionale Erste Hilfe nach Thomas Harms, Biodynamische Psychologie, Erden und Zentrieren, sowie das Arbeitskonzept von Diederichs. Die Prinzipien, Gefahren und Vorteile dieser Ansätze werden kritisch diskutiert.
Welche Methode wird zur Evaluation der Krisenambulanz verwendet?
Die Evaluation basiert auf einer Videoanalyse. Das Kapitel zum Forschungsplan beschreibt detailliert die methodischen Vorgehensweisen und die Rolle der Videokamera als Beobachtungsinstrument.
Welche Erkenntnisse aus der Säuglings- und Bindungsforschung werden berücksichtigt?
Die Arbeit integriert Erkenntnisse der modernen Säuglingsforschung nach Daniel Stern und der Bindungstheorie. Sie beleuchtet die integrativen und selbstregulatorischen Fähigkeiten des Säuglings sowie seine intuitiven Kommunikationskompetenzen. Belastungs- und Risikofaktoren in der frühen Eltern-Kind-Beziehung werden ebenfalls betrachtet.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schreibaby, exzessives Schreien, Säuglingsentwicklung, Eltern-Kind-Interaktion, Bindung, Körperpsychotherapie, Krisenintervention, Evaluationsstudie, Behandlungsansätze, Videoanalyse.
Welche Fragestellung steht im Mittelpunkt der Arbeit?
Die zentrale Fragestellung ist die Untersuchung der Wirksamkeit der Interventionen in der evaluierten Krisenambulanz für Eltern mit Schreibabys und die Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Eltern von Schreibabys, Fachkräfte in der Säuglings- und Kleinkindbetreuung, Therapeuten, die mit Familien arbeiten, sowie Wissenschaftler im Bereich der Säuglingsentwicklung und -psychologie.
- Arbeit zitieren
- Jule Dräger (Autor:in), Christian Werner (Autor:in), 2000, Psychotherapeutische Hilfe für Eltern mit Schreibabys, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26148