Für eine Partei besitzt ein Wort eine positive Konnotation und wird als Fahnenwort in den eigenen Parteijargon übernommen. Für den politischen Rivalen kann dasselbe Wort allerdings einen solch negativen Beigeschmack entwickeln, dass man es durch Begriffsbesetzung, Konkurrenz- oder Gegenvokabeln zu einem Stigmawort zu verschlechtern versucht. Gelingt dies, kennt die allgemeine Öffentlichkeit dann entweder nur noch die Definition der politischen Gegenseite oder das Wort erfährt in der breiten Öffentlichkeit sogar eine negative Konnotation.
Doch was ist nun konkret „Begriffsbesetzung“? Der Urheber ebendieses Wortes war der Juraprofessor und ehemalige CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf: „Statt der Gebäude der Regierungen werden die Begriffe besetzt, mit denen sie regiert, die Begriffe, mit denen wir unsere staatliche Ordnung (…) beschreiben.“ (Biedenkopf 1973: 61). Und weiter schrieb er: „Indem die SPD positiv besetzte Begriffe (…) für sich beschlagnahmt (…) macht sie ihn [d. Verf.: gemeint ist der politische Gegner] im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos.“ (Biedenkopf 1982: 194). Auch wenn dank dieser Worte Biedenkopfs nach dem 22. Bundesparteitag der CDU in Hamburg ’73 sogar eine parteieigene ‚Projektgruppe Semantik‘ ins Leben gerufen wurde: Inhaltlich teilen nicht alle Linguisten diese Interpretation von ‚Begriffsbesetzung‘ (vgl. Klein 1991: 44). Ungeachtet der appellativen Funktion eines Wortes „kann der begriffliche Inhalt an Bedeutung stark variieren.“ (Dieckmann 1969: 104). Doch ebenso kann der gleichartige Inhalt von Wörtern durch unterschiedliche Bezeichnungen verschieden gewichtet werden.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit vier Krisenbegriffen, die allesamt im Deutschen Bundestag zur Anwendung kamen und dort von den fünf Fraktionen mit unterschiedlicher Häufigkeit und Intention verwandt wurden. Dabei kommt es nicht selten zu intensiven Streitdebatten über die notwendige Begriffsverwendung und die Unverfrorenheit derer, die das nicht für notwendig erachten. Doch was bezweckt eine Partei mit einer bewusst anderen Sprache als ihr politischer Gegner? Welche Ideologien stecken hinter heterogenem parlamentarischem Sprachgebrauch? Und wie kann der ‚Kampf um Wörter‘ die Probleme der realexistierenden Krise beseitigen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Aspekte
- Die aktuelle Forschungslage
- Was ist Begriffsbesetzung?
- Angewandte Arten der Sprachaneignung
- Analyse der Bundestagsprotokolle 151 - 215 (Amtsjahr 2012)
- „Bankenkrise“ vs. „Staatsschuldenkrise“
- „Finanzkrise“
- „Euro-Krise“
- Diagnose eines parlamentarischen Streitgesprächs
- Fazit & Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Verwendung von Begriffen in der politischen Debatte im Deutschen Bundestag. Sie konzentriert sich auf die Analyse von vier Krisenbegriffen, die im Amtsjahr 2012 im Bundestag verwendet wurden und untersucht, wie diese Begriffe von den verschiedenen Fraktionen mit unterschiedlicher Häufigkeit und Intention eingesetzt werden. Die Arbeit analysiert die Strategien der „Begriffsbesetzung“ im Parlament und beleuchtet, wie diese den Wahrnehmungsprozess der Öffentlichkeit beeinflussen können.
- Strategien der „Begriffsbesetzung“ im Deutschen Bundestag
- Analyse der Verwendung von Krisenbegriffen im Kontext politischer Debatten
- Die Rolle von Sprache in der Konstruktion von Realität
- Die Bedeutung der öffentlichen Wahrnehmung in politischen Diskursen
- Der Einfluss von Sprachgebrauch auf die Beurteilung von politischen Ereignissen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der „Begriffsbesetzung“ in der Politik ein und beleuchtet die Rolle von Sprache in der politischen Kommunikation. Die Arbeit fokussiert auf die Analyse von Krisenbegriffen im Bundestag und untersucht, wie diese Begriffe von den verschiedenen Fraktionen verwendet werden.
- Theoretische Aspekte: In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit erläutert. Es wird die aktuelle Forschungslage zum Thema „Begriffsbesetzung“ beleuchtet und die verschiedenen Ansätze und Theorien in diesem Bereich vorgestellt. Das Kapitel beleuchtet auch die Definition von „Begriffsbesetzung“ und analysiert die verschiedenen Strategien der Sprachaneignung im politischen Diskurs.
- Analyse der Bundestagsprotokolle 151 – 215 (Amtsjahr 2012): Dieser Abschnitt analysiert die Verwendung von Krisenbegriffen in den Bundestagsprotokollen des Jahres 2012. Es werden die Begriffe „Bankenkrise“, „Staatsschuldenkrise“, „Finanzkrise“ und „Euro-Krise“ untersucht und die Häufigkeit und Intention ihrer Verwendung durch die verschiedenen Fraktionen analysiert. Der Abschnitt beleuchtet auch die politischen Debatten, die sich um diese Begriffe entwickelt haben und die Bedeutung dieser Begriffe für die politische Kommunikation.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Schlüsselbegriffen „Begriffsbesetzung“, „Krisenbegriffe“, „politischer Diskurs“, „Sprache und Politik“, „Sprachaneignung“, „Parlamentarische Kommunikation“, „Öffentliche Wahrnehmung“ und „Medienwirkung“. Der Fokus liegt auf der Analyse der Verwendung von Begriffen wie „Bankenkrise“, „Staatsschuldenkrise“, „Finanzkrise“ und „Euro-Krise“ im Deutschen Bundestag im Amtsjahr 2012.
- Arbeit zitieren
- Riccardo Altieri (Autor:in), 2013, Besetzte Begriffe in der Politik. Gibt es einen Kampf um Wörter?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262297