Während der Verdolmetschung geht der Dolmetscher1 über die Grenzen seiner Rolle hinaus und ihm ist bewusst, dass er „es in der Hand hat, die Kommunikation in die eine oder andere Richtung zu lenken.“ (Kolb 2005: 64) Stellen wir uns vor, dieser Satz wäre von einer Dozentin in einer Vorlesung zum Thema Dolmetschwissenschaft gesagt worden. Nehmen wir zudem an, sie würde ihren Studierenden damit erklären, worin die Arbeit eines Dolmetschers eigentlich besteht und dass genau dieses Überschreiten der eigenen Kompetenzen ein Ideal sei, nach dem sie streben sollten. Geht man von der allgemeinen Lehrmeinung in diesem Bereich aus, würde man in der Dozentin eine Dilettantin sehen. Dennoch erscheint eine solche Ansicht als interessante Perspektive, denn es rückt ein Thema in den Vordergrund, über das sonst wenig gesprochen wird. Die vorliegende Arbeit widmet sich jedoch nicht der Didaktik im Fach Dolmetschwissenschaft. Eine solche Betrachtung würde an dieser Stelle zu weit führen. Die folgenden Kapiteln sind vielmehr der Figur des Dolmetschers der Diktatoren gewidmet: Eugen Dollmann. Da er Italienisch und Deutsch sprach, versteht es sich von selbst, dass es um die zwei Diktatoren Adolf Hitler und Benito Mussolini geht. Ein solches Thema zu behandeln, lag nahe, da gerade Fragen wie z.B. „was bedeutet es eigentlich, für Diktatoren zu dolmetschen?“ oder „wie durfte sich ein Dolmetscher im Beisein von Hitler und Mussolini verhalten?“, „was durfte er dolmetschen?, was nicht?“ interessante Antworten zu Tage fördern könnten. Die Rolle Dollmanns als Dolmetscher der Diktatoren ist zentraler Gegenstand dieser Arbeit. Dabei wird insbesondere der Missbrauch der eigenen Funktion als Dolmetscher thematisiert, der weit über „die Funktion des Brückenbauers und Vermittlers [zweier Sprachen und Kulturen]“ (Feldweg 1996: 312) hinausgeht und dabei eigene Interessen verfolgt. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Handlungsspielraum Dollmanns. Mit der vorliegenden Untersuchung wird versucht, eine Antwort auf die Frage nach dem Umfang dieses Handlungsspielraums zu geben. Dies soll anhand von Szenen aus Eugen Dollmanns autobiographischen Buch „Dolmetscher der Diktatoren“ dargelegt werden, in denen Dollmann seine Position als Dolmetscher für eigene Zwecke missbraucht und dadurch Macht über die eigentlich mächtigeren Diktatoren ausübt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Berufsethik im Dolmetschbereich
- AIIC Verhaltenskodex als Vergleichsmaßstab
- Eugen Dollmann: Analyse seines Verhaltens und seiner Funktion als Dolmetscher
- E. Dollmann: der Beginn seiner Laufbahn als Dolmetscher
- E. Dollmann: seine Vorstellung vom Dolmetschen
- Annehmlichkeiten des Dolmetscherberufs
- Macht und Möglichkeiten seiner Stellung
- Die Macht der Sprache, Schwächen und Fehler bei der Verdolmetschung
- Der Dolmetscher als eigenmächtiger Akteur
- E. Dollmann: mehr als nur ein Dolmetscher
- Identitätsverlust eines Dolmetschers?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Handlungsspielraum des Dolmetschers Eugen Dollmann, der für Hitler und Mussolini arbeitete. Sie analysiert sein Verhalten und seine Funktion als Dolmetscher, insbesondere den Missbrauch seiner Position zur Machtausübung. Die Arbeit beleuchtet einen bisher wenig erforschten Aspekt des Dolmetschbereichs: deviantes Verhalten und eigenmächtiges Handeln von Dolmetschern. Sie dient auch als Lehrbeispiel für angehende Dolmetscher, um Fehler und ethische Herausforderungen in diesem Beruf zu verdeutlichen.
- Berufsethik im Dolmetschbereich und der AIIC-Kodex als Vergleichsmaßstab
- Analyse von Eugen Dollmanns Verhalten und seinem Missbrauch der Dolmetscherfunktion
- Dollmanns Handlungsspielraum und die Ausübung von Macht
- Die Rolle des Dolmetschers als Vermittler und potentieller eigenmächtiger Akteur
- Identitätsverlust als mögliche Erklärung für deviantes Verhalten
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach dem Handlungsspielraum von Dolmetschern, insbesondere im Kontext der Arbeit für Diktatoren, vor. Sie führt den Fall Eugen Dollmann ein und betont die Relevanz der Untersuchung von dessen Verhalten, um Aspekte des Dolmetschberufs zu beleuchten, die bisher wenig erforscht sind, nämlich der Missbrauch der Dolmetscherposition und die Ausübung von eigenmächtiger Macht. Die Arbeit fokussiert auf Dollmanns autobiografisches Buch als Quelle für die Analyse.
Berufsethik im Dolmetschbereich: Dieses Kapitel untersucht die Berufsethik im Dolmetschbereich, indem es den AIIC-Verhaltenskodex als Referenzrahmen heranzieht. Es definiert Normen und deren Bedeutung für das Funktionieren der Dolmetschgemeinschaft. Der Kodex wird als Maßstab zur Bewertung von Dollmanns Handlungen vorgestellt. Das Kapitel hebt den Unterschied zwischen dem heutigen ethischen Standard und den Bedingungen zu Dollmanns Zeiten hervor, wo es keine formellen Ausbildungen oder Aufsichtsbehörden für Dolmetscher gab.
Eugen Dollmann: Analyse seines Verhaltens und seiner Funktion als Dolmetscher: Dieser zentrale Teil der Arbeit analysiert Dollmanns Verhalten und seine Funktion als Dolmetscher anhand von Anekdoten und Ereignissen aus seinem autobiografischen Buch. Es beleuchtet Dollmanns Vorstellung vom Dolmetscherberuf, seine Wahrnehmung der damit verbundenen Macht und Möglichkeiten, und wie er seine Position für eigene Zwecke missbrauchte, die weit über die reine Sprachvermittlung hinausgingen. Die verschiedenen Facetten seines Verhaltens, sowohl die positiven als auch die negativen Aspekte seiner Rolle, werden ausführlich diskutiert.
Identitätsverlust eines Dolmetschers?: Dieses Kapitel erörtert den Identitätsverlust als mögliche Erklärung für Dollmanns deviantes Verhalten und die Überschreitung der Grenzen eines angemessenen Handlungsspielraums. Es untersucht, wie Dollmanns Rolle als Dolmetscher seine Identität beeinflusst und möglicherweise zu einem Verhalten geführt hat, das aus heutiger Sicht unethisch und inakzeptabel ist. Die Diskussion knüpft an die vorherigen Kapitel an und versucht, die komplexen Faktoren zu beleuchten, die zu Dollmanns Handlungen beigetragen haben könnten.
Schlüsselwörter
Eugen Dollmann, Dolmetscher, Diktatoren, Hitler, Mussolini, Berufsethik, AIIC-Kodex, Handlungsspielraum, Macht, Identitätsverlust, deviantes Verhalten, Sprachvermittlung, Autobiografie.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Arbeit über Eugen Dollmann
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Handlungsspielraum des Dolmetschers Eugen Dollmann, der für Hitler und Mussolini arbeitete. Sie analysiert sein Verhalten und seine Funktion als Dolmetscher, insbesondere den Missbrauch seiner Position zur Machtausübung. Ein besonderer Fokus liegt auf dem devianten Verhalten und eigenmächtigen Handeln von Dolmetschern, ein bisher wenig erforschter Aspekt des Berufs.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die Hauptquelle für die Analyse ist das autobiografische Buch von Eugen Dollmann. Zusätzlich wird der AIIC-Verhaltenskodex als Vergleichsmaßstab für die Berufsethik im Dolmetscherbereich herangezogen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zur Berufsethik im Dolmetschbereich, ein zentrales Kapitel zur Analyse von Eugen Dollmanns Verhalten und seiner Funktion als Dolmetscher, ein Kapitel zum Thema Identitätsverlust und ein Fazit. Jedes Kapitel wird in der Zusammenfassung der Kapitel ausführlicher beschrieben.
Was ist die Zielsetzung der Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, den Handlungsspielraum von Dolmetschern zu untersuchen, insbesondere im Kontext der Arbeit für Diktatoren. Sie analysiert den Missbrauch der Dolmetscherposition und die Ausübung von eigenmächtiger Macht durch Dollmann. Sie dient als Lehrbeispiel für angehende Dolmetscher, um ethische Herausforderungen und potenzielle Fehler im Beruf zu verdeutlichen.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Berufsethik im Dolmetscherbereich und den AIIC-Kodex als Vergleichsmaßstab, die Analyse von Eugen Dollmanns Verhalten und seinem Missbrauch der Dolmetscherfunktion, Dollmanns Handlungsspielraum und die Ausübung von Macht, die Rolle des Dolmetschers als Vermittler und potentieller eigenmächtiger Akteur, sowie den Identitätsverlust als mögliche Erklärung für deviantes Verhalten.
Wie wird der AIIC-Kodex in die Arbeit eingebunden?
Der AIIC-Verhaltenskodex dient als ethischer Maßstab zur Bewertung von Eugen Dollmanns Handlungen. Die Arbeit vergleicht die ethischen Normen des Kodex mit den Bedingungen zu Dollmanns Zeiten, in denen es keine formellen Ausbildungen oder Aufsichtsbehörden für Dolmetscher gab.
Welche Rolle spielte Eugen Dollmann?
Eugen Dollmann war Dolmetscher für Hitler und Mussolini. Die Arbeit analysiert, wie er seine Position als Dolmetscher für eigene Zwecke missbrauchte und über die reine Sprachvermittlung hinausging, Macht ausübte und sein Handlungsspielraum ausnutzte. Sowohl positive als auch negative Aspekte seiner Rolle werden diskutiert.
Wird der Identitätsverlust von Eugen Dollmann thematisiert?
Ja, die Arbeit erörtert den Identitätsverlust als mögliche Erklärung für Dollmanns deviantes Verhalten und die Überschreitung ethischer Grenzen. Es wird untersucht, wie seine Rolle als Dolmetscher seine Identität beeinflusste und möglicherweise zu seinem unethischen Handeln beitrug.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Eugen Dollmann, Dolmetscher, Diktatoren, Hitler, Mussolini, Berufsethik, AIIC-Kodex, Handlungsspielraum, Macht, Identitätsverlust, deviantes Verhalten, Sprachvermittlung, Autobiografie.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Studierende der Dolmetschwissenschaft, für Dolmetscher und Übersetzer, für Historiker und alle, die sich für Berufsethik, Machtstrukturen und die Rolle von Dolmetschern in historischen Kontexten interessieren.
- Quote paper
- Eugenio Saponara (Author), 2013, Zu Eugen Dollmanns "Dolmetscher der Diktatoren", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262349