Eine Kompetenzmatrix zur Personalgewinnung und Mitarbeiterqualifizierung im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe

"Denn sie wissen, was sie tun!"


Masterarbeit, 2013

612 Seiten, Note: 1,85


Leseprobe


Inhalt

Abstract

0. Einleitung
0.1 Ziel der Master-Thesis
0.2 Inhaltliches Vorgehen
0.3 Vorbemerkungen

1. Arbeitsfeld Sozialpädagogische Familienhilfe
1.1 Hilfe zur Erziehung
1.1.1 Beratung und Bewilligung
1.1.2 Hilfeplanung
1.2 Zielgruppe und Merkmale der Hilfeform
1.3 Inanspruchnahme
1.4 Ausgangspunkte der praktischen Arbeit
1.5 Prozesse und Wirkungen
1.6 Organisatorische Faktoren
1.6.1 Rahmenbedingungen und Standards
1.6.2 Personalmodelle und Fallzahlen
1.6.3 Kosten und Finanzierung
1.7 Qualitätsdimensionen
1.7.1 Ergebnisqualität
1.7.2 Prozessqualität
1.7.3 Strukturqualität

2. Personalauswahl und Personalgewinnung
2.1 Effektivität und Effizienz der Personalauswahl
2.2 Ziel des Personalauswahlverfahrens
2.3 Zentrale Inhalte der Personalauswahl
2.3.1 Stellen- und Funktionsbeschreibungen
2.3.2 Anforderungsprofile
2.3.2.1 Stellenwert
2.3.2.2 Struktur
2.3.2.3 Anforderungskriterien
2.3.2.4 Gesetzliche Aspekte
2.3.3 Stellenausschreibungen
2.3.4 Einstellungsgespräche
2.3.4.1 Ziele
2.3.4.2 Varianten
2.3.4.3 Gesprächsleitfäden

3. Personalbindung und Personalentwicklung
3.1 Gewinn und Nutzen
3.2 Grundprinzipien der Förderung
3.3 Förderungs- und Entwicklungsinstrumente
3.3.1 Zielvereinbarungen
3.3.2 Mitarbeitercoaching
3.3.3 Mitarbeitergespräche

4. Aufgaben und Kompetenzen einer Fachkraft in der sozialpädagogischen Familienhilfe
4.1 Forschungsfrage und Forschungsplan
4.1.1 Ausgangspunkt und Fragestellung
4.1.2 Grundlagen und Definitionen
4.1.2.1 Aufgaben
4.1.2.2 Kompetenzen
4.1.2.3 Kompetenzbereiche
4.1.2.3.1 Fachkompetenz
4.1.2.3.2 Methodenkompetenz
4.1.2.3.3 Soziale Kompetenz
4.1.2.3.4 Selbstkompetenz
4.1.2.3.5 Kommunikative Kompetenz
4.1.2.3.6 Führungskompetenz
4.1.2.3.7 Sozialadministrative Kompetenz
4.1.2.3.8 Sonstige Kompetenzen
4.1.3 Gliederung und Ablaufplan der Forschung
4.2 Konkrete Forschung und Ergebnisse
4.2.1 Praxisforschung
4.2.1.1 Erhebungsrahmen und -verfahren
4.2.1.2 Aufgabensammlung
4.2.1.2.1 Fallarbeit
4.2.1.2.2 Institutionelle Vernetzung
4.2.1.2.3 Verwaltungsaufgaben
4.2.1.3 Abgeleitete Kompetenzen
4.2.2 Fallforschung
4.2.2.1 Erhebungsrahmen und -verfahren
4.2.2.2 Allgemeines Hilfeverlaufsmodell
4.2.2.3 Aufgabensammlung
4.2.2.3.1 Familie J.
4.2.2.3.2 Familie M.
4.2.2.3.3 Familie S.
4.2.2.3.4 Familie N.
4.2.2.3.5 Familie F.
4.2.2.4 Abgeleitete Kompetenzen
4.2.3 Literaturforschung
4.2.3.1 Erhebungsrahmen und -verfahren
4.2.3.2 Ermittelte Kompetenzen
4.2.4 Interviews
4.2.4.1 Erhebungsrahmen und -verfahren
4.2.4.2 Interviewleitfaden
4.2.4.3 Ermittelte Kompetenzen

5. Kompetenzmatrix – Fachkräfte in der sozialpädagogischen Familienhilfe

6. Anwendung der Kompetenzmatrix in der Praxis
6.1 Befragungshintergrund und Befragte
6.2 Aufgabenstellung und Fragebogen
6.3 Ergebnisse der Anwendungsüberprüfung
6.3.1 Ranking der Kompetenzbereiche
6.3.2 Stellenbeschreibung
6.3.3 Stellenausschreibung
6.3.4 Einstellungsgespräch
6.3.5 Mitarbeiterqualifizierung
6.3.6 Bemerkungen zur Kompetenzmatrix
6.4 Zusammenfassung und Fazit
6.4.1 Unterschiede und Gemeinsamkeiten
6.4.1.1 Gewichtung der Kompetenzbereiche
6.4.1.2 Auswahl der Kompetenzen
6.4.1.3 Identische Kompetenzen
6.4.2 Gesamtbetrachtung der Ergebnisse

7. Flexibilität und Variabilität der Kompetenzmatrix
7.1 Eierlegende Wollmilchsau
7.2 Vom Allgemeinen zum Individuellen
7.3 Gewichtung und Differenzierung der Kompetenzen
7.4 Tendenzen und Fokussierungen
7.4.1 Hilfe, Schutz und Kontrolle
7.4.2 Wirkungsorientierung
7.4.3 Arbeitsverdichtung
7.4.4 Belastung und Überforderung
7.5 Anschlussfähigkeit und Verwertungsperspektive
7.6 „Denn sie wissen, was sie tun!“

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

A 1 Praxisforschung
A 1.1 Aufgabensammlung
A 1.2 Abgeleitete Kompetenzen

A 2 Fallforschung
A 2.1 Aufgabensammlung
1. Familie J.
2. Familie M.
3. Familie S.
4. Familie N.
5. Familie F.
A 2.2 Abgeleitete Kompetenzen

A 3 Literaturforschung
A 3.1 Zitatesammlung
A 3.2 Ermittelte Kompetenzen

A 4 Interviews
A 4.1 Transkribierte Interviews
1. Frau S. – Wissenschaftlerin
2. Frau C. – Klientin
3. Frau D. – Pädagogische Fachkraft
4. Frau K. – Jugendamtsmitarbeiterin
5. Herr B. – Einrichtungsleiter SPFH
A 4.2 Ermittelte Kompetenzen

A 5 Gesamtauswertung der Forschung

A 6 Anwendungsüberprüfung der Kompetenzmatrix
A 6.1 Fragebogen für Personalverantwortliche
A 6.2 Ergebnisse der Befragung
1. Frau I.
2. Herr G.

A 7 Differenzierung der Kompetenzen

0. Einleitung

0.1 Ziel der Master-Thesis

Pädagogische Fachkräfte für die sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) sind nicht leicht zu finden. Die vielfältigen Aufgaben und die umfangreichen Anforderungen in diesem Bereich der sozialen Arbeit setzen eine gewisse Eignung voraus, die nicht bei jedem Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen vorliegt. Zudem kann die Arbeit mit Familien zu einer großen Herausforderung für die eigene Person und Persönlichkeit werden, der sich nicht jeder stellen kann und will.

Eine Fachkraft muss sicherlich keinen Superheldenstatus innehaben und übernatürliche Fähigkeiten besitzen, um in der SPFH arbeiten zu können. Aber sie sollte über einen individuellen Kanon an Kompetenzen verfügen, der es ihr ermöglicht, die Tätigkeit adäquat auszuüben und innerhalb des Arbeitsfeldes zu bestehen.

Wie setzt sich dieser Kanon zusammen? Welche Kompetenzen benötigt eine pädagogische Fachkraft in der SPFH?

Ausgehend von dieser Fragestellung führte der Verfasser der hier vorliegenden Arbeit eine vielschichtige und mehrdimensionale Forschung im Bereich der SPFH durch. Im Rahmen dieser Forschung wurden u. a. die gesetzlichen Grundlagen der SPFH, Teile der Fachliteratur zu dieser Hilfeform und diverse Fallakten analysiert. Zudem wurden „Experten-Interviews“ durchgeführt. Ziel dabei war es, aus konkreten zu lösenden Aufgaben einzelne Kompetenzen abzuleiten, über die eine pädagogische Fachkraft in der SPFH verfügen sollte, um eben diese Aufgaben bewältigen zu können. Die ermittelten einzelnen Kompetenzen wurden gesammelt, definiert und in insgesamt acht Kompetenzbereiche unterteilt. So entstand die Kompetenzmatrix, die das Kernelement der Master-Thesis darstellt.

Mit Hilfe dieser Kompetenzmatrix können für das Arbeitsfeld SPFH Stellenaus-schreibungen prägnant verfasst und Stellenbeschreibungen deutlich formuliert werden. Auf Basis der Matrix ist es möglich, explizit auf das Arbeitsfeld bezogene Fragen und Themen zu generieren, die im Rahmen eines Einstellungsgesprächs verwendet bzw. angesprochen werden können. Darüber hinaus kann die Matrix auch bei der inhaltlichen Planung der Mitarbeiterqualifizierung verwendet werden. Die Kompetenzmatrix ist somit als ein Instrument zu verstehen, das nicht nur im Bereich der Personalgewinnung sondern auch für die Personalentwicklung eingesetzt werden kann.

0.2 Inhaltliches Vorgehen

Die Master-Thesis setzt sich im 1. Kapitel mit dem Arbeitsfeld SPFH auseinander. Zunächst erfolgt eine Definition der Hilfeform und deren Zielgruppe anhand des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe). Darauf aufbauend werden die Gründe für die Inanspruchnahme, die praktische Arbeit der pädagogischen Fachkräfte und die möglichen Ergebnisse einer SPFH näher ausgeführt. Dem schließt sich eine Betrachtung des organisatorischen Rahmens der Hilfe und eine Sammlung von notwendigen Schritten zur Qualitätssicherung an. Die Ausführungen zum Arbeitsfeld SPFH und zur Hilfeform an sich werden innerhalb der Master-Thesis immer wieder in Beziehung zur Kompetenzen-Forschung und zur daraus resultierenden Matrix gestellt.

Im Mittelpunkt der Kapitel 2 und 3 stehen verschiedene ausgewählte Kriterien der Personalgewinnung und -qualifizierung. Hier werden einige Maßnahmen, Instrumente, Faktoren und Aspekte der allgemeinen Personalauswahl und Personalentwicklung definiert und vorgestellt, die im weiteren Verlauf der Master-Thesis ebenfalls mit der erforschten Kompetenzmatrix gekoppelt werden.

Die Personalgewinnung und Mitarbeiterqualifizierung im Arbeitsfeld SPFH ist neben der Kompetenzmatrix Gegenstand der Kapitel 4 bis 6. Den Ausgangspunkt bildet dabei die der Matrix zugrundeliegende Kompetenzen-Forschung. Die präzise Veranschaulichung und Erläuterung des Forschungsplans sowie die detaillierte Dokumentation des gesamten Forschungsprozesses und aller Teilergebnisse erfolgt in Kapitel 4. Als Ergebnis der Forschung wird in Kapitel 5 die komplette Matrix mit den für die Arbeit in der SPFH bedeutsam erscheinenden Kompetenzen präsentiert. Hinsichtlich ihrer Eignung für die Praxis wurde die Kompetenzmatrix Personal-verantwortlichen zum Test und zur Begutachtung vorgelegt. Die Ergebnisse dieses „Eignungsüberprüfung“ und die Bewertung der Matrix durch die Führungskräfte befinden sich in Kapitel 6.

Den Abschluss der Master-Thesis bildet Kapitel 7, in dem ausgewählte aktuelle Entwicklungen im Bereich der SPFH vorgestellt und daraus resultierende Anforderungen und Herausforderungen für Träger, Personalverantwortliche und pädagogische Fachkräfte hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Kompetenzmatrix betrachtet werden

0.3 Vorbemerkungen

Im nachfolgenden Textverlauf werden die in der sozialpädagogischen Familienhilfe tätigen Personen, aufgrund ihrer vielfältigen Professionen und Ausbildungen, allgemein als „pädagogische Fachkräfte“ bezeichnet.

Der Begriff „Personalverantwortliche“ schließt alle Führungskräfte ein, die in jedweder Form für die Personalgewinnung und Mitarbeiterqualifizierung in ihrem Unternehmen zuständig sind.

Aus Gründen der flüssigeren Lesbarkeit des Textes erfolgt die Schreibweise der Master-Thesis in ausschließlich maskuliner Form.

Feststehende Begriffe werden nach einmaliger vollständiger Schreibweise im weiteren Textverlauf allgemeingültig abgekürzt. So wird zum Beispiel das „Sozialgesetzbuch – Achtes Buch: Kinder- und Jugendhilfe“ nach seiner ersten Erwähnung in der Folge als „SGB VIII“ bezeichnet. Eine Liste aller verwandten Abkürzungen und deren jeweiliger Bedeutung befindet sich im Abkürzungsverzeichnis am Ende des Textes.

Im Anhang befinden sich neben den Transkriptionen der durchgeführten Interviews auch die mit Codes versehenen Datentabellen der einzelnen Forschungsteile (Praxis-, Fall- und Literaturforschung, Interviews), die Datentabelle der Gesamtauswertung und die Unterlagen aus dem „Praxistest“. Diese umfangreichen Schriftstücke und Erfassungen wurden nicht in den Textteil der Master-Thesis eingebunden, da sie diesen auf lange Strecken unterbrochen und somit schwer lesbar gemacht hätten.

1. Arbeitsfeld Sozialpädagogische Familienhilfe

Die sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) als eine Form der Hilfe zur Erziehung findet ihre Grundlagen im Sozialgesetzbuch – Achtes Buch: Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII). Folglich sind alle Träger, die SPFH anbieten, diesem Gesetz verpflichtet und haben ihr Angebot entsprechend zu gestalten. Mit der Verankerung der SPFH im SGB VIII ist eine Definition der potentiellen Hilfeempfänger nebst deren möglichen Bedarfen verbunden. Um diese Hilfeempfänger in ihren jeweiligen Situationen adäquat betreuen zu können, sind die Träger der SPFH u. a. verpflichtet, die Qualität ihres Angebots zu sichern und geeignetes pädagogisches Fachpersonal zu beschäftigen. Somit präsentiert sich die SPFH als ein Arbeitsfeld, das einerseits diverse Handlungsfreiheiten und –stile zulässt, aber andererseits an viele Vorgaben und Prinzipien gebunden ist. Diese Facetten werden nachfolgend konkret beleuchtet.

1.1 Hilfe zur Erziehung

1.1.1 Beratung und Bewilligung

Die Hilfe zur Erziehung (§§ 27ff. SGB VIII) stellt einen individuellen Rechtsanspruch der Personensorgeberechtigten auf eine staatliche Leistung dar.

§ 27 Abs. 1 SGB VIII[1]:

„Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.“

Daraus resultierend haben Personensorgeberechtigte einen Anspruch auf individuelle Hilfe durch das SGB VIII, wenn

1. Sozialisationsbedingungen vorliegen, die die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen hemmen oder behindern,
2. die Erziehung durch die Personensorgeberechtigten die wesentlichen Bedürf-nisse eines Kindes oder Jugendlichen nicht ausreichend berücksichtigt,
3. eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegt,
4. das Kind bzw. der Jugendliche Verhaltensauffälligkeiten und/oder Entwick-lungsbeeinträchtigungen zeigt. (vgl. Harnach 2007, S. 103)

Trifft mindestens einer dieser Fälle zu, so liegt ein erzieherischer Hilfebedarf vor. Die Personensorgeberechtigten haben dann das Recht auf Unterstützung und Beratung bei der Ausübung ihres im Grundgesetz verankerten Elternrechts bzw. Anspruch auf eine Hilfe, die es ihnen ermöglicht, dieses Elternrecht adäquat auszuüben. Der Feststellung des Hilfebedarfs folgt das Leistungsangebot der Jugendhilfe, welches wiederum an bestimmte Bedingungen geknüpft ist: Die Hilfe muss zum einen geeignet und zum anderen notwendig sein (§ 27 Abs. 1 SGB VIII). Das Jugendamt, vertreten durch den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), ist daher dazu verpflichtet, zu ermitteln, ob der beispielsweise von den Eltern angemeldete erzieherische Bedarf tatsächlich existiert. Wenn dem so ist, muss der ASD Eltern und Kinder oder Jugendliche über bedarfsgerechte und mögliche Hilfeformen informieren. Anschließend trifft das Jugendamt als Behörde die Entscheidung über die endgültige Gewährung der Hilfe und die Hilfeform. Die Ausgestaltung der Hilfe wird dann später zusammen mit der Hilfe erbringenden Instanz (z. B. einem freien Träger) und den Betroffenen geplant. (vgl. Harnach 2007, S. 99)

Während des gesamten Prozesses steht es den Eltern frei, ob sie die vom ASD angebotene Hilfe in Anspruch nehmen oder sich dagegen entscheiden.[2] Von Seiten des Jugendamtes sind hinsichtlich der Auswahl der Hilfemaßnahmen alle ambulanten, teilstationären und stationären Hilfeformen gleichrangig zu behandeln und ausschließlich am individuellen Bedarf der Betroffenen orientiert zu gewähren. Das SGB VIII benennt in den §§ 28 bis 35 beispielhaft solche möglichen Hilfeformen. Die SPFH ist eine von ihnen. Sie findet ihre gesetzliche Grundlage in § 31 SGB VIII. (vgl. Urban 2004, S. 30)

Mit der Gewährung einer Hilfe zur Erziehung übernimmt das Jugendamt die Garantenstellung in Bezug auf die Förderung und Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen. Da die gewährte Hilfe einen bestimmten erzieherischen Bedarf zu decken hat, ist der ASD verpflichtet zu prüfen, ob die eingesetzte pädagogische Fachkraft und / oder die Einrichtung bzw. der Träger dafür geeignet sind (§ 36 Abs. 1 SGB VIII). Bei der Auswahl des Hilfeträgers und an der Erstellung des Hilfeplans, nebst dessen möglicher Fortschreibung, sind immer wieder die Eltern und der betroffene junge Mensch zu beteiligen (§ 36 Abs. 2 SGB VIII). (vgl. Hülsermann 2009, S. 16f.)

1.1.2 Hilfeplan ung

Der Prozess von der ersten Beratung der Personensorgeberechtigten bis zur Beendigung einer Hilfe zur Erziehung wird allgemein als Hilfeplanung (vgl. Urban 2004, S. 33), oder synonym: als Hilfeprozess (vgl. NDV 2006, S. 343), bezeichnet.

Der Hilfeplan hat seine rechtliche Verankerung in § 36 Abs. 2 SGB VIII und kann somit als wesentliches Element der Hilfeplanung bezeichnet werden. Der ASD als Vertreter der öffentlichen Jugendhilfe hat die Aufgabe, zusammen mit den Personensorgeberechtigten oder der betroffenen Familie, einen solchen Hilfeplan aufzustellen. Dieser dient als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe. Wenn an der Durchführung der Hilfe noch andere Personen, Dienste oder Einrichtungen beteiligt sind, so sind sie oder deren pädagogische Mitarbeiter oder Fachkräfte ebenfalls an der Aufstellung des Hilfeplans beteiligt. Der Hilfeplan enthält Feststellungen über den Bedarf, die zu gewährende Hilfeform sowie die notwendigen Leistungen. Laut Wiesner et al. (1995, S. 482f.) zählen insbesondere dazu:

- Eine Beschreibung der Lebens- und Erziehungssituation in der Familie.
- Eine Sammlung der Gründe, die die Gewährung einer Hilfe zur Erziehung notwendig erscheinen lassen.
- Die Beschreibung der gemeinsamen Zielsetzung der pädagogischen Intervention.
- Die Festlegung eines voraussichtlichen Zeitpunkts für die Beendigung der Hilfe bzw. die nächste Überprüfung der zusammen erarbeiteten Ziele.

Viola Harnach (2007, S. 109) erkennt zwei Funktionen des Hilfeplans. In ihm wird zum einen die Hilfe begründet und zum anderen die Hilfeerbringung präzisiert. Dabei sind die Einzelheiten der Hilfe von den an der Erstellung des Hilfeplans beteiligten Personen genau zu überdenken und in einer vorläufigen Schrittfolge festzulegen. Dies hat in einer Weise zu geschehen, dass nach fachlicher Prognose die größtmögliche Chance besteht, das Ziel der Hilfe zu erreichen.

Wiesner et al. (1995, S. 483f.) stellen fest, dass der Hilfeplan ein Instrument der Erziehungs- und Entwicklungsplanung in der Hand des für die Leistung der Hilfe zur Erziehung zuständigen örtlichen Trägers ist. In der Praxis werden durch den hilfeleistenden Träger oder die zuständige pädagogische Fachkraft eventuell noch weitere auf dem Hilfeplan aufbauende Behandlungs-, Therapie- oder Entwicklungs-pläne verfasst und geführt. Diese einrichtungsbezogenen oder –internen Instrumente sind zwar nicht Gegenstand des Hilfeplans nach § 36 SGB VIII, orientieren sich aber von ihren Inhalten her an den dortigen Festlegungen und Zielen.

Martin Schmidt (2007, S. 36) stellt fest, dass sich die formale Struktur und die inhaltliche Qualität nicht nur im Vergleich der Hilfepläne verschiedener örtlicher Jugendämter erheblich unterscheiden sondern auch die Ausführungen der einzelnen ASD eines Jugendamtes sehr verschieden sind. Daraus resultierend erkennt Schmidt ein deutliches Standardisierungsdefizit.

Der Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (NDV 2006, S. 346ff.) legt in seinen Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII den zuständigen ASD die Kooperation mit Schule, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Arbeitsvermittlung und Justiz nahe. Allein schon der Empfehlungscharakter der Publikation macht deutlich, dass es sich hier nicht um einen Standard handelt. Am Beispiel der Schule wird deutlich, wo sich der NDV eine Kooperation mit den genannten Instanzen vorstellen kann:

„Es ist deshalb bei jeder Hilfeplanung zu erwägen, ob, mit welchen Erwartungen und in welcher Form eine Einbeziehung der Schulakteure angestrebt werden sollte. Diese Entscheidung muss selbstverständlich die Zustimmung von den Eltern und dem Kind oder dem Jugendlichen haben.“ (NDV 2006, S. 346)

Die Eventualität der Einbeziehung der schulischen Instanz und deren Form liegen in den Händen des zuständigen ASD. Hingewiesen sei an dieser Stelle noch darauf, dass der NDV die Kooperation mit der Schule innerhalb der Hilfeplanung nahe legt, dabei allerdings eine Beteiligung der Bildungsinstanz am Hilfeplan unerwähnt lässt.

Eine Beteiligung der anderen Instanzen ist vielfach bereits gesetzlich geregelt, so dass eine Empfehlung zur Zusammenarbeit unnötig erscheint: Die Kooperation mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie beschränkt sich ausschließlich auf den § 35a SGB VIII (Eingliederung für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche), wo sie gesetzlich verankert ist. Die Arbeitsverwaltung ist in Hilfeplanung und Hilfeplan nach § 27 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII, § 13 Abs. 2 SGB VIII und gegebenenfalls auch nach § 36 Abs. 3 Satz 2 einzubeziehen. Die Einbeziehung der Justiz ergibt sich wenn nötig aus den §§ 10, 12, 38 und 50 Jugendgerichtsgesetz (JGG) und gegebenenfalls aus den §§ 36a und 52 SGB VIII. (vgl. Hülsermann 2009, S. 17ff.)

1.2 Zielgruppe und Merkmale der Hilfeform

Zur Zielgruppe der SPFH gehören vor allem Familien, die weitestgehend als „sozial benachteiligt“ betrachtet werden können und / oder Schwierigkeiten in diversen Lebensbereichen haben. Eine SPFH unterstützt zumeist Familien, die in Bezug auf Einkommen, Bildung, Gesundheit, Wohnung, Arbeit, soziale Partizipation oder aufgrund einer nicht ausreichenden Verfügbarkeit sozialer oder gesundheitlicher Dienste unterversorgt sind. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 7; Woog 2010, S. 6f.)

Eltern, die sich langfristig in einer vielschichtigen Krisensituation und Notlage befinden, sind nur selten in der Lage eine kontinuierliche und verlässliche Versorgung, Fürsorge und Erziehung ihrer Kinder zu realisieren. Nicht selten sind es in der Folge die Kinder oder Jugendlichen aus benachteiligten oder problembelasteten Familien, die in ihrem sozialen Umfeld aufgrund eines auffälligen Verhaltens, einen Hilfe- und Unterstützungsbedarf signalisieren.

Vor dem Aufkommen der SPFH als Hilfeform wurde in der Trennung von den Eltern vielfach die einzige Möglichkeit gesehen, das Wohl dieser Kinder und Jugendlichen nachhaltig zu gewährleisten. Die Trennung zog eine mehrjährige Fremdunterbringung der Heranwachsenden nach sich und führte in nicht wenigen Fällen zur Auflösung einer Familie. Nach der Herausnahme wurden nahezu keine Maßnahmen in die Wege geleitet, um familiäre Systeme zu verändern oder deren mitunter desolaten Zustände zu beheben. Dies erschwerte jegliche Form einer Rückführung der Kinder oder Jugendlichen. Versuche der Reintegration von Minderjährigen in ihre Herkunftsfamilie scheiterten regelmäßig. Mit der SPFH entstand eine ambulante Hilfe zur Erziehung, die dies verhindern und Veränderungen in der Familie bewirken sollte. Eine intensive und direkte Betreuung von Familien schien, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Kostenreduzierung, vor allem für die Kinder und Jugendlichen eine gute Alternative darzustellen. (vgl. Christmann/Müller 1986, S. 13; BMJFFG 1990, S. 79; Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 7; Woog 2010, S. 26)

Zu Beginn der 70er Jahre wurden von der Berliner Gesellschaft für Heimerziehung die ersten Einsätze einer intensiven und direkten Hilfe vermittelt. Der zunächst pragmatische Charakter der Unterstützung in Form einer Haushaltsstabilisierung zur Vermeidung von Heimunterbringungen wich zunehmend einem umfangreicheren Verständnis von Familienunterstützung. Die SPFH setzte sich allmählich als sozialpädagogische Maßnahme durch. Als erste Behörde finanzierte die Berliner Senatsverwaltung die Hilfeform über Honorarsätze und Honorarkräfte. Bei den ersten in der SPFH tätigen „Fachkräften“ handelte es sich um Studenten und arbeitslose Absolventen sozialer und pädagogischer Ausbildungen und Studiengänge. Ausgehend von Berlin erfolgte etwa ab der Mitte der 70er Jahre die Einrichtung der SPFH in diversen Städten und Landkreisen des Bundesgebietes. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 6f.)

Die SPFH wurde erstmalig im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), welches am 01.01.1991 das bis dahin gültige Jugendwohlfahrtsgesetz (JWG) ablöste, als Pflichtaufgabe der öffentlichen Jugendhilfe festgelegt. Diese Festlegung änderte sich auch nicht, als dem KJHG am 14.12.2006 das Sozialgesetzbuch VIII - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) folgte. Trotz diverser Modifikationen und Ergänzungen hat sich die gesetzliche Grundlage der SPFH bis zur heute gültigen Fassung des SGB VIII nicht verändert:

§ 31 SGB VIII:

„Sozialpädagogische Familienhilfe soll durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie.“ (AGJ 2012, S. 53f.)

Das Angebot der SPFH richtet sich an die gesamte Familie und nicht nur an einzelne Familienmitglieder, auch wenn der Anlass der Hilfe gemäß § 27 Abs. 1 SGB VIII das „Kindeswohl“ ist. Der Ansatz der Hilfe ist entsprechend mehrdimensional. Im Mittelpunkt des Handelns stehen Kinder und Jugendliche sowie die Erwachsenen, die für deren Erziehung die Verantwortung tragen. Eltern sollen, unter Berücksichtigung und Aktivierung ihrer Ressourcen, in ihren Bemühungen zur Lebensbewältigung gestärkt und unterstützt werden, damit der familiäre Lebensraum für die Heranwachsenden erhalten bleibt. Das engere soziale Umfeld der Kinder und Jugendlichen ist dabei, gemäß § 27 Abs. 2 SGB VIII, einzubeziehen.

Aufgrund der intensiven Begleitung der Eltern, deren Unterstützung bei der Bewältigung von Alltags- und Erziehungsproblemen, der Mobilisierung der innerfamiliären Ressourcen und der Einbeziehung des sozialen Umfeldes in den Handlungskontext unterscheidet sich die SPFH erheblich von der klassischen bzw. traditionellen Erziehungs-, Eltern- oder Familienberatung. (vgl. Woog 2010, S. 27)

Des Weiteren handelt es sich bei der SPFH, im Gegensatz zu einer Beratung in einer bestimmten Einrichtung, um eine aufsuchende ambulante Hilfe („Geh-Struktur“), deren Stundenkontingent am jeweiligen familiären Bedarf orientiert ist. Vorwiegend suchen die zuständigen pädagogischen Fachkräfte also die Familien in ihrem Wohnraum auf. (vgl. Pluto et al. 2007, S. 205; Urban-Stahl 2012, S. 267)

Auf dieser Grundlage kann die SPFH einerseits Lern- und Wachstumsprozesse anstoßen oder steuern und andererseits lebensnahe Unterstützung bei der situativen Krisenbewältigung und bei der Konfliktlösung im Rahmen des familiären Alltags bieten. Dies geschieht unter Einbeziehung der in das Umfeld führenden Sozialkontakte und unter Berücksichtigung der Einflüsse dieser auf die gesamte Familie oder einzelne Familienmitglieder. Die SPFH geht folglich über Beratung hinaus, da sie die Familie als ein System versteht und dessen Vernetzung mit dem sozialen Umfeld beachtet. (vgl. Woog 2010, S. 27)

In der SPFH wird zudem, wie in keinem anderen Leistungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, der im Laufe der vergangenen Jahre immer bedeutsamer gewordene Kinderschutzdiskurs offensichtlicher. Dies geht mit einer sich kontinuierlich verstärkenden öffentlichen Kontrolle der privaten Erziehungs- und Versorgungstätigkeit und –fähigkeit einher. So wird die SPFH zunehmend mit Kontrollaufträgen in vermeintlichen Kinderschutzfällen oder gar auf familiengerichtlichen Beschluss (häufig gegen den Willen der Familie) zur Sicherung des Kindeswohls eingesetzt. (vgl. BMFSFJ 2013, S. 336)

1.3 Inanspruchnahme

Zwischen den Jahren 1995 und 2005 war ein konstantes, aber recht moderates Wachstum der Fallzahlen in der SPFH festzustellen. In den Folgejahren zwischen 2006 und 2010 hat sich die Zahl der Hilfen je 10.000 Familien mehr als verdoppelt. Tabelle 1 verdeutlicht die Entwicklung der Fallzahlen in Deutschland zwischen den Jahren 1995 und 2010 (Aufsummierung der zum 31.12. eines Jahres andauernden und innerhalb eines Jahres beendeten Leistungen, Angaben absolut und pro 10.000 Familien)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Entwicklung der Fallzahlen in der SPFH

(Quelle: BMFSFJ 2013, S. 488. - Eigene Darstellung)

Laut Angaben der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik hatten etwa 30 % der im Jahr 2010 mit einer SPFH erreichten 204.526 Kinder und Jugendlichen mindestens einen Elternteil mit ausländischer Herkunft. Bei 52 % der durch eine SPFH unterstützten Familien handelte es sich um Alleinerziehendenhaushalte, bei 15 % um Stieffamilienkonstellationen und bei lediglich 32 % der Familien lebten beide Eltern zusammen. (vgl. Statistisches Bundesamt 2012)

Insgesamt 67 % der 2010 im Rahmen einer SPFH betreuten Familien bezogen sozialstaatliche Transferleistungen – insbesondere Arbeitslosengeld II. Dadurch wird belegt, dass Familien, die SPFH in Anspruch nehmen (müssen), besonders häufig an der Armutsgrenze leben. Bei den Alleinerziehenden, die 2010 durch eine SPFH unterstützt wurden, steigert sich die Zahl der Transferleistungsempfänger noch einmal. Sie liegt hier bei 77 %. (vgl. BMFSFJ 2013, S. 338)

Die am häufigsten genannten Gründe für die Gewährung einer SPFH waren bei den im Jahr 2010 begonnenen Hilfen:

-Eingeschränkte Erziehungskompetenz der Eltern (34,5 %)
-Unzureichende Betreuung, Förderung und / oder Versorgung des / der jungen Menschen in der Familie (17,2 %)
-Belastungen des / der jungen Menschen durch Problemlagen der Eltern (10,4 %)

Etwa 40 % der in 2010 neu begonnenen SPFH wurden durch die Eltern oder Personensorgeberechtigten selbst initiiert. In 54 % der Fälle regten der ASD, Schulen, Kindertageseinrichtungen, Ärzte, Polizei oder ein Gericht die Hilfe an.

Die durchschnittliche Hilfedauer betrug bei den in Jahr 2010 beendeten Hilfen 15 Monate. Dabei wurden etwa 50 % der SPFH innerhalb von zwölf Monaten beendet, während 18,4 % über zwei Jahre liefen. Rund 61 % der 2010 beendeten SPFH endeten planmäßig. Dies spricht für eine vergleichsweise gute Wirksamkeit der Hilfeform. (vgl. BMFSFJ 2013, S. 338)

Die Hilfeintensität ist leicht rückläufig. Im Jahr 2008 wurden durchschnittlich sechs Fachleistungsstunden pro Woche gewährt. 2010 reduzierte sich dieser Wert auf durchschnittlich 5,5 Fachleistungsstunden pro Woche. An der Kostenentwicklung ist erkennbar, dass die Jugendämter versuchen, die Fallkosten niedriger zu gestalten. Während sich zwischen den Jahren 2005 und 2010 die Ausgaben für die SPFH von 364,2 Millionen Euro auf 728,8 Millionen Euro um 100 % erhöhten, betrug die Steigerungsrate bei den Fallzahlen 108 % (vgl. Tabelle 1). Daraus ergibt sich ein rechnerischer Rückgang der finanziellen Aufwendungen pro Hilfe. Diese Feststellung deckt sich mit den Erkenntnissen in der Praxis hinsichtlich einer immer geringer werdenden Anzahl der zur Verfügung stehenden Fachleistungsstunden pro Familie und einer damit einher-gehenden Arbeitsverdichtung. Die Abkehr der örtlichen Jugendämter von einer Pauschalfinanzierung hin zur Fachleistungsstundenfinanzierung der SPFH bewirkt vielfach eine Reduzierung der Stundenzahl. (vgl. Frindt 2010, S. 37; BMFSFJ 2013, S. 338)

Das starke Wachstum der Fallzahlen in der SPFH, insbesondere ab dem Jahr 2006, ist einerseits auf die stärker schutz- und kontrollorientierte Jugendhilfepolitik zurückzuführen und andererseits mit der deutlichen Zunahme von strukturell fragilen Familienkonstellationen, materiell prekären Lebenslagen und / oder individuellen Problemlagen der Eltern verbunden. Da die innerfamiliären Schwierigkeiten und Problemlagen einzelner Familienmitglieder häufiger als vor 2006 und nicht selten kumuliert auftreten, besteht auch ein erhöhter Unterstützungsbedarf durch eine aufsuchende und alltagsnahe sowie an die gesamte Familie adressierte Hilfe. Dem gesteigerten Bedarf können viele Jugendämter aufgrund begrenzter Ressourcen bzw. finanzieller Mittel nur mit einer Reduzierung der Fallkosten begegnen, die zu einer Reduzierung der Betreuungsintensität führen. (vgl. BMFSFJ 2013, S. 338)

1.4 Ausgangspunkte der praktischen Arbeit

Von zentraler Bedeutung für die praktische Arbeit der SPFH ist das Menschenbild, das ihr zugrundeliegt: Menschen werden als handlungs- und veränderungsfähige Individuen betrachtet, die nicht hilflos sind. Folglich haben alle Familienmitglieder die Fähigkeit zur Veränderung ihres Handelns, um dann ihre Angelegenheiten selbständig besser wahrnehmen oder regeln zu können.

Die SPFH entlastet Familien nicht direkt, sondern vermittelt ihnen, wie sie sich selbst entlasten oder helfen können. Pädagogische Fachkräfte in der SPFH übernehmen somit keine Erziehungsaufgaben. Sie leiten die Eltern an, damit diese unter Aufwendung ihrer jeweiligen Ressourcen und Fähigkeiten zukünftig in der Lage sind, ihrer erzieherischen Verantwortung adäquater gerecht zu werden.

Darauf aufbauend haben die pädagogischen Fachkräfte vielfältige (praktische) Tätigkeiten zu leisten. Beispiele dafür sind (vgl. Woog 2010, S. 27):

-Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien mit einzelnen Familien-mitgliedern
-Begleitung der Eltern zu Ämtern, Behörden und Institutionen
-Förderung der Heranwachsenden in die Wege leiten
-Koordination sonstiger an der Hilfe beteiligter Instanzen
-Vermittlung in Krisen und bei Konflikten
-Moderation von Gesprächen innerhalb und außerhalb der Familie
-Trainieren von Handlungsalternativen und Erziehungsverhalten

1.5 Prozesse und Wirkungen

Im Jahr 1985 schlossen Heidi Nielsen, Karl Nielsen und C. Wolfgang Müller eine zweijährige Studie ab, deren Ergebnisse noch heute von erheblicher Bedeutung für die Definition und Tätigkeit der SPFH sind. Die Forscher untersuchten familiäre Probleme sowie Prozesse und Langzeitwirkungen der SPFH in Berlin und verglichen die erhobenen Daten miteinander. Anhand von Endergebnissen der Hilfen sollten Erkenntnisse gewonnen werden, die der strukturellen Weiterentwicklung der SPFH als Hilfeform dienlich sein konnten. Zu diesem Zweck wurden Aussagen von SPFH-erfahrenen Familien, pädagogischen Fachkräften und Bezirkssozialarbeitern gesammelt und ausgewertet. Die Wirkungen der SPFH wurden als „erfolgreich“ oder „nicht erfolgreich“ klassifiziert. Dabei verdeutlichte sich „Erfolg“ am Nutzen für die Familien, den diese der SPFH zuschrieben. Die Familien äußerten u.a. die folgenden mit Unterstützung der SPFH erzielten Verbesserungen ihrer Lebenssituation (vgl. Nielsen/Nielsen/Müller 1986, S. 208):

-Aktivierung verschütteter Kompetenzen
-Verbesserung der familiären Kommunikation
-Steigerung des Schulbesuchs der Kinder
-Sicherstellung der ärztlichen Versorgung
-Sicherung von Ansprüchen gegenüber Ämtern
-Stärkung des Antriebs der Eltern
-Ausgleich von Informationsdefiziten
-Durchsetzung nicht vermeidbarer Fremdplatzierungen der Kinder in Koope-ration mit den Eltern

Neben diesen Kriterien, die bei erfolgreich verlaufenen Familienhilfen benannt wurden,

fanden im Rahmen der Studie auch diverse Faktoren erfolgloser Familienhilfen Erwähnung. „Nicht erfolgreich“ war eine SPFH dann, wenn sie nur geringe oder keine Veränderungen bewirkte und damit eine weitere Verfestigung der kritischen Konstellationen einherging. Die befragten Familien benannten u. a. folgende Ursachen für die Erfolglosigkeit der SPFH (vgl. Nielsen/Nielsen/Müller 1986, S. 209; Woog 2010, S. 31):

-Fehlbeurteilung der Familienproblematik im Auftrag des Jugendamts für die SPFH
-Fehlerhafte Vorgehensweise der fallzuständigen pädagogischen Fachkraft
-Zusatzbelastungen, die der Familie aus der SPFH entstanden
-Mangelhafte Kooperation der SPFH mit anderen Einrichtungen
-Fehlende flankierende Maßnahmen
-Fehlende Zustimmung oder Bereitschaft zur SPFH auf Seiten der Familie

Die Erfolglosigkeit einer SPFH stellten die Forscher in Beziehung zu der Art der Probleme und der sozialen Kompetenz der entsprechenden Familie. Diese Verknüpfung führte zu der Entwicklung einer Typologie. Die Familien wurden entsprechend der Intensität ihrer Krisen und der damit verbundenen Erfolgsaussichten einer SPFH in drei nicht trennscharfe Kategorien eingeteilt. (vgl. Nielsen/Nielsen/Müller 1986, S. 208f.)

Typ 1: Familien in Einzelkrisen

Familien, die ihren Lebensalltag weitgehend ohne fremde Hilfe bewältigen konnten, aber durch nicht erwartete Einzelereignisse (z. B. Tod des Ehepartners, Krankheit, Reintegration eines Kindes usw.) in eine Krisensituation geraten sind. Die Familie ist nicht in der Lage, diese Krise aus eigener Kraft zu überwinden. Dennoch ist die grundsätzliche Versorgung aller Familienmitglieder gewährleistet. SPFH stellt für Familien in Einzelkrisen eine geeignete Form der Unterstützung und Begleitung dar.

Typ 2: Familien in Strukturkrisen

Diese Familien haben einen Teil ihrer sozialen Kompetenzen verschüttet und sind häufig von weiteren Deklassierungen bedroht. Dennoch verfügen sie über soziale Kompetenzen, um eine notwendige Anpassung an ihre Umwelt vornehmen zu können. Für Familien in Strukturkrisen kann die SPFH als geeignete Interventionsform betrachtet werden.

Typ 3: Familien in chronischen Strukturkrisen

Familien, die sich in dieser Situation befinden, konnten sich im Laufe ihrer Geschichte nur sehr wenige soziale Fertigkeiten aneignen, um die kontinuierliche Versorgung und Erziehung der Kinder sicherzustellen. Familien in chronischen Strukturkrisen sind für eine SPFH weniger geeignet.

Während die Forscher 1985 noch davon ausgingen, dass SPFH nur in Familien der Typen 1 und 2 erfolgreich sein kann, gibt es inzwischen Erkenntnisse darüber, dass erfolgreiches Arbeiten einer SPFH auch in schwer belasteten, dem Typ 3 ähnlichen Familien möglich ist. Voraussetzung dafür sind jedoch bestimmte Rahmenbedingungen und spezielle Qualifikationen der pädagogischen Fachkräfte, deren Arbeitsansätze und Methoden in besonderer Weise auf diese Familien eingestellt sein müssen. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 17)

Die Bedingungen, unter denen eine SPFH durchgeführt wird, bestimmen deren Ergebnisse. Wenn beispielsweise in einem Stadtteil verschiedene wesentliche Einrichtungen fehlen, gestaltet sich eine Umweltorientierung schwierig. Des Weiteren kann ein vom Jugendamt unklar definierter Auftrag eine gezielte Einflussnahme der SPFH verzögern oder die fehlende Zustimmung seitens der Eltern deren Abwehrhaltung gegenüber der SPFH erzeugen. (vgl. Woog 2010, S. 31)

Zudem ist eine SPFH maßgeblich an die Person der pädagogischen Fachkraft gebunden. Diese hat über angemessene fachliche Qualifikationen zu verfügen. Heidi Nielsen, Karl Nielsen und C. Wolfgang Müller benennen bezüglich ihrer Forschungsergebnisse Kooperationsfähigkeit, Belastbarkeit, Dialogfähigkeit, Konfrontationsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Durchsetzungsfähigkeit als erforderliche Kompetenzen einer pädagogischen Fachkraft in der SPFH. (vgl. Nielsen/Nielsen/Müller 1986, S. 210)

1.6 Organisatorische Faktoren

1.6.1 Rahmenbedingungen und Standards

Diverse organisatorische Rahmenbedingungen beeinflussen die Effizienz der Arbeit in der SPFH und die Fachlichkeit der in ihr tätigen pädagogischen Fachkräfte. Die Art und Weise, wie die SPFH als Hilfeform jeweils vor Ort in organisatorische Strukturen eingebunden ist, spielt hierbei eine ebenso große Rolle, wie die jeweilige Inszenierung bzw. Umsetzung der Hilfe an sich. Folgende Maßgaben und Standards sind daher unbedingt erforderlich (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 105):

1. Der Prozess der Hilfeplanung sollte sich bedarfsorientiert gestalten, für die betroffene Familie transparent organisiert sein und den Familienmitgliedern Raum zur Beteiligung bieten.
2. Die in der SPFH tätigen pädagogischen Fachkräfte sollten fest angestellt und nicht auf Honorarbasis beschäftigt sein. Kontinuierliche Arbeitsbedingungen sind die Voraussetzung für ein sicheres (fachliches) Handeln und eine konstante Qualität des Angebots.
3. Pädagogische Fachkräfte sollten mindestens zu zweit als Team miteinander vernetzt sein, so dass kollegialer Austausch, sichernde Rückkopplung und gemeinschaftliche Reflexion möglich sind.
4. Die Arbeit in der SPFH sollte durch regelmäßige Supervision unterstützt werden. Zusätzliche wöchentliche Teamsitzungen dienen der gegenseitigen (Fall-) Beratung.
5. Die regelmäßige Teilnahme an Fort- oder Weiterbildungen sowie an thematischen Arbeitsgruppen und regionalen Arbeitsgemeinschaften steigert die Professionalität und eröffnet neue Perspektiven.
6. Die Hilfemöglichkeiten und der Handlungsrahmen der pädagogischen Fachkräfte erweitern sich, wenn die SPFH die Familien nicht nur aufsucht sondern auch von einzelnen Familienmitgliedern in entsprechend zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten aufgesucht werden kann.
7. Der SPFH sollten finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, damit Spielmaterial angeschafft, kleine Zuwendungen geleistet und sozialpädagogisch begründete Aufwendungen vorgenommen werden können.
8. Die Mobilität der SPFH wird erhöht, wenn entweder Dienstfahrzeuge zur Verfügung gestellt oder die PKW der pädagogischen Fachkräfte als Dienstfahrzeuge anerkannt werden.
9. Die Tätigkeit in der SPFH erfordert eine flexible Regelung der Überstunden bzw. der Mehrarbeit. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Arbeit in familiären Krisensituationen vorübergehend einen hohen Zeitaufwand erfordert, der entsprechend ausgeglichen werden sollte.
10. Ergebnis-, Prozess- und Strukturqualität der SPFH sind mittels eines adäquaten Qualitätsmanagements zu sichern.

1.6.2 Personalmodelle und Fallzahlen

Je nach Personalmodell, können sich die Beschäftigungsverhältnisse, die Professionen und die Teamkonstellationen der bundesweit in der SPFH tätigen pädagogischen Fachkräfte, grundlegend voneinander unterscheiden. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 106ff.)

Personalmodell 1

Teams aus Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, Fachkräften mit vergleichbaren pädagogischen Hochschulabschlüssen, evtl. Erziehern mit Zusatzqualifikationen, die bei einem freien Träger festangestellt sind.

-Multiprofessionelle Teambildung möglich
-Sehr geringer Anteil an Honorarkräften
-Reflexion und fachlicher Austausch ist gewährleistet
-Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten

Personalmodell 2

Teams aus Sozialpädagogen, Sozialarbeitern, Fachkräften mit vergleichbaren pädagogischen Hochschulabschlüssen, die beim öffentlichen Träger (Jugendamt) angestellt oder als Honorarkräfte tätig sind.

-Multiprofessionelle Teambildung möglich
-Verhältnismäßig hoher Anteil an Honorarkräften
-Reflexion und fachlicher Austausch ist gewährleistet
-Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten
-Eigenständiges fachliches Arbeiten in den Familien auf vertrauensvoller Basis vielfach nur möglich, wenn SPFH durch einen von den anderen Aufgaben des Jugendamtes oder ASD abgegrenzten Fachdienst erfolgt

Personalmodell 3

Festangestellte Teams bei freien oder öffentlichen Trägern, die in besonderer Weise an eine Beratungs- oder Jugendhilfeeinrichtung angebunden oder in einen Stadtteil bzw. in eine Region eingebunden sind, wo sie über ihre Tätigkeit in der SPFH hinaus gemeinwesenorientierte Arbeit leisten.

-Einbindung in den Stadtteil: Die SPFH hat ihren Sitz beispielweise in einem Bürgerhaus mit verschiedenen anderen Institutionen oder ist Teil einer multidisziplinären Jugendhilfestation
-Die SPFH-Fachkräfte können z. B. auch in einer Erziehungsberatungsstelle arbeiten oder eine „Elternschule“ anbieten
-Hohe Professionalität und Strukturierungsfähigkeit erforderlich
-Interdisziplinärer Austausch

Personalmodell 4

Einzeln arbeitende Fachkräfte ohne Teamanbindung, die bei einem freien oder öffentlichen Träger festangestellt sind.

-Fachlicher Austausch kaum möglich
-Schwierige Entscheidungen müssen häufig allein, ohne Korrektiv oder Absicherung, getroffen werden
-Vielfach keine Anbindung an regelmäßige Supervision
-Erhöhte Gefahr der Überlastung und Überforderung

Personalmodell 5

Nicht festangestellte Personen ohne qualifizierten Abschluss und ohne Teamanbindung, die auf Honorarbasis beschäftigt sind.

-Häufiger Einsatz von Studenten höherer Semester, arbeitslosen Akademikern oder Erziehern ohne weitere Qualifikation
-Fehlende soziale Absicherung der Mitarbeiter
-Fehlende Ausstattung (Supervision, Gesprächsräume, Arbeitsplatz etc.)
-Hohe Fluktuation der Mitarbeiter verhindert deren Kompetenzerweiterung und Weiterqualifizierung
-Familienhilfe auf Honorarbasis entspricht nicht einer qualifizierten SPFH

Im Jahr 2005 gehörte die SPFH in nahezu allen Jugendamtsbezirken Deutschlands (94 %) zum Spektrum der angebotenen Hilfeformen. Liane Pluto et al. konstatieren in ihrer Strukturanalyse (2007, S. 205f.) einen deutlichen Rückgang des Anteils der Jugendamtsbezirke, in denen SPFH ausschließlich vom öffentlichen Träger angeboten wird. Der Anteil der in öffentlicher Trägerschaft durchgeführten Hilfen sinkt kontinuierlich, während die Anzahl der durch freie Träger geleisteten Hilfen stetig steigt. Zudem hat auch die Zahl der privat-gewerblichen Träger stark zugenommen. Ihr Anteil an den Jugendamtsbezirken mit SPFH im Hilfeangebot betrug 2005 etwa 22 %.

Bundesweit betrachtet, betreut eine pädagogische Fachkraft in der SPFH durch-schnittlich etwa 12 Familien. Allerdings zeigt sich bei der Betrachtung der Fallzahlen der einzelnen Fachkräfte eine deutliche Streuung. Der Median liegt bei sieben Fällen pro Fachkraft. Die großen Unterschiede bei den Fallzahlen lassen darauf schließen, dass nicht nur die pädagogischen Fachkräfte ungleichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind sondern sich auch die jeweiligen Konzepte und organisatorischen Rahmenbedingungen der SPFH-Anbieter erheblich voneinander unterscheiden. Dies ist insofern bemerkenswert, da gerade die SPFH zu den Hilfeformen mit den eindeutigsten Standards gehört (vgl. 1.6.1). Dementsprechend kann es sich nicht immer um SPFH handeln, wenn SPFH angeboten oder gar durchgeführt wird. (vgl. Pluto et al. 2007, S. 206)

Folglich eignen sich die Personalmodelle 4 und 5 lediglich dazu, möglichst viele Familien von einer „pädagogischen Fachkraft“ betreuen zu lassen. Den gesetzlichen Ansprüchen und den Standards der SPFH genügen sie aber kaum.

Die Personalmodelle 1 und 3 hingegen erfüllen sie. Auf Modell 2 trifft dies nur dann zu, wenn die pädagogischen Fachkräfte in einem vom ASD unabhängigen und selbständig agierenden Fachdienst tätig sind. Wenn dem nicht so ist, gerät die SPFH, noch mehr als üblich, in den Verdacht, der verlängerte Arm des Jugendamtes zu sein und mehr zu kontrollieren, als zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund sind dann diverse familienstabilisierende und –verselbständigende sowie vertrauensbildende Maßnahmen der SPFH nur schwer bzw. gar nicht umsetzbar.

In der Theorie bietet Personalmodell 3 den pädagogischen Fachkräften einen standardgemäßen, interessanten und vielfältigen Arbeitsplatz mit diversen Entfaltungsmöglichkeiten. Dieser Arbeitsplatz ist in der Praxis jedoch nur auf Basis einer entsprechenden Finanzierung realisierbar. Werden lediglich die direkten Kontakte der pädagogischen Fachkräfte mit den Familien im Rahmen der SPFH seitens des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe finanziert (vgl. 1.6.3) und lassen sich beispielsweise aus den anderen Tätigkeitsbereichen des freien Trägers keine finanziellen Mittel generieren, werden die Kosten für die Gemeinwesenorientierung nicht gedeckt und das Modell droht diesbezüglich zu scheitern.

Die multiprofessionellen Teams der Personalmodelle 1 und 2 können ihre umfangreichen Handlungs- und Hilfemöglichkeiten nur dann in Gänze einsetzen, wenn neben der personellen auch die räumliche Ausstattung der SPFH stimmt. Damit einzelne Familienmitglieder in einem neutralen und geschützten Rahmen betreut werden können, sollten entsprechend ausgestattete Räumlichkeiten (Besprechungsraum, Spielzimmer etc.) zur Verfügung stehen. Dies ist aber nicht immer so, weil bei den freien Trägern vielfach das Geld für adäquate Räume fehlt. Somit ist die Form der Finanzierung auch für Personalmodell 1 von Bedeutung. Inwieweit eine bestimmte Flexibilität in der Arbeit möglich ist oder nicht, hängt also auch davon ab, ob die Finanzierungsform der SPFH eine solche zulässt. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 106)

1.6.3 Kosten und Finanzierung

Eine Kostenbeteiligung der Hilfeberechtigten ist bei der Bewilligung einer SPFH nicht vorgesehen. Zwischen den Hilfeberechtigten und dem Träger der SPFH wird ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen, der für das Jugendamt als öffentlichem Träger unmittelbar keine Pflichten beinhaltet. Erst mit der Kostenzusage ändert sich dies. Dann wird auch der öffentliche Jugendhilfeträger rechtlich eingebunden. Soweit die Theorie. In der Praxis wird der privatrechtliche Vertrag zwischen der Familie und der SPFH häufig erst dann abgeschlossen, wenn die Finanzierung der Hilfe bereits im Rahmen des Hilfeplanungsprozesses geklärt wurde. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 111)

Im SGB VIII finden sich keine Angaben zur Höhe und Art der Kostenerstattung des öffentlichen Trägers der Jugendhilfe an den freien Träger der SPFH. In § 77 SGB VIII ist jedoch festgelegt, dass die Jugendhilfeträger ein entsprechendes Abkommen miteinander zu schließen haben:

§ 77 SGB VIII:

„Werden Einrichtungen und Dienste der Träger der freien Jugendhilfe in Anspruch genommen, so sind Vereinbarungen über die Höhe der Kosten der Inanspruchnahme zwischen der öffentlichen und der freien Jugendhilfe anzustreben. Das Nähere regelt das Landesrecht. (…)“

Da der öffentliche Träger verpflichtet ist, ein solches Leistungsangebot sicher zu stellen, muss die Finanzierung der SPFH über eine geringfügige Subvention oder Förderung hinausgehen. Von den freien Trägern fordert der Gesetzgeber „eine angemessene Eigenleistung“ (§ 74 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII). Zudem gilt

§ 74 Abs. 3 SGB VIII:

„Über die Höhe der Förderung entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. (…) Bei der Bemessung der Eigenleistung sind die unterschiedliche Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen.“

Die Höhe der Eigenleistung darf dabei aber kein Maßstab für die Höhe der Förderung sein. Die öffentliche Finanzierung wächst also nicht mit der Höhe der Eigenleistung. Die Angemessenheit der Eigenleistung ergibt sich aus einer Beurteilung der Gesamtsituation (v. a. der finanziellen Verhältnisse) des jeweiligen Trägers. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 111f.)

Im Rahmen von pauschalen oder auf den Einzelfall zugeschnittenen Entgelt-vereinbarungen werden Form und Höhe der Erstattung geregelt. In die Finanzierung sollten neben den Personal- und Personalnebenkosten auch die Leitungskosten, die Kosten für Fortbildung und Supervision, Sach- und Verwaltungskosten, gegebenenfalls Investitionskosten und die Reisekosten der mobilen SPFH-Fachkräfte einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund haben sich im Wesentlichen die drei folgenden Formen zur Finanzierung von SPFH etabliert (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 112f.):

Die pauschale Projektfinanzierung

Das SPFH-Angebot eines freien Trägers wird unabhängig von den Einzelfällen finanziert. Mitunter hat ein Gesamtnachweis der geleisteten Stunden beim Kostenträger bzw. dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu erfolgen.

Die pauschale Einzelfallfinanzierung

Die Einzelfälle der SPFH werden pauschal nach Stunden-, Tages- oder Monatssatz abgerechnet. Für die jeweils unterstützten Familien werden Zeitdeputate ausgehandelt und abgerechnet.

Zu dieser Gruppe gehören auch die Formen der Finanzierung nach sogenannten Fachleistungsstunden.

Einzelfallfinanzierung

Hier handelt es sich zumeist um berechnete Stundensätze von Honorarkräften - Es werden nur die tatsächlich abgeleisteten Stunden bezahlt. Entsprechend örtlicher Vereinbarungen können auch Zeiten für Supervision und Team als „tatsächlich abgeleistete Stunden“ betrachtet und abgerechnet werden.

Mit Blick auf die Standards der SPFH (vgl. 1.6.1) und unter Berücksichtigung der ihnen zuträglichen Personalmodelle (vgl. 1.6.2) kann die reine Einzelfinanzierung im weiteren Verlauf vernachlässigt werden, da auf ihrer Grundlage zumeist nur die Formen von SPFH abgerechnet werden, die in sehr geringem Maße den allgemeingültigen Standards entsprechen. Grundsätzlich sollte eine pauschale Projektfinanzierung den Varianten der Einzelfallfinanzierung vorgezogen werden. Sie stiftet größere fachliche Freiheiten und erlaubt eine höhere Flexibilität v. a. in den Zeitstrukturen und bei den fallüber-greifenden Arbeiten. Den pädagogischen Fachkräften ist es möglich, kurzfristig mehr Familien zu übernehmen oder mehr Zeit für Kriseninterventionen zu nutzen. Die Stundenzahl kann je nach fachlichem Bedarf und Situation ohne großen Aufwand oder langwierige Absprachen mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe unbürokratisch erhöht oder reduziert werden. So können fachliche Entscheidungen und Handlungen unabhängig von finanziellen Faktoren vorgenommen werden. Eine pauschale Einzelfinanzierung ist aus fachlicher Sicht für die SPFH geeignet, wenn sie ebenfalls eine flexible und unbürokratische Durchführung der Hilfe ermöglicht.

Vielfach verbreitet ist die Finanzierung der SPFH nach Fachleistungsstunden. Der pädagogischen Fachkraft steht hier ein im Hilfeplan festgeschriebenes, meist wöchentliches, Stundendeputat zur Verfügung. Sollte während der Betreuung bzw. innerhalb eines laufenden Hilfeplanzeitraums eine kurzfristige oder nachträgliche Änderung des Deputats nötig werden, dann ist nicht selten ein erheblicher zusätzlicher Zeit- und Begründungsaufwand nötig, um dies zu erwirken. Ein großes Problem der Abrechnung nach Fachleistungsstunden ist darin zu finden, dass der freie Träger das Risiko einer Unterbelegung bzw. niedrigen Auslastung trägt. Bei diversen freien Trägern müssen die festangestellten pädagogischen Fachkräfte in der SPFH eine bestimmte Anzahl von Familien betreuen, damit die Finanzierung gesichert ist. Bricht eine Familie dann beispielsweise die Hilfe kurzfristig ab und die zuständige Fachkraft kann nicht sofort wieder mit einem neuen Fall belegt werden, entstehen sofort Finanzierungslücken.

Wenn Fachleistungsstundensätze weniger als Finanzierung einer Maßnahme, dafür aber mehr als Preis für eine erbrachte Dienstleistung verstanden werden, dann gehen mit dieser Veränderung der Betrachtungsweise diverse weitreichende Schwierigkeiten und Folgen einher: Große freie Träger können ihre SPFH billiger anbieten als kleine und somit günstigere Preise aushandeln, da sie in der Lage sind, ihre Kosten umzuverteilen oder Querfinanzierungen mit anderen Angeboten vorzunehmen. Sobald sich ein örtliches Jugendamt von den „Preisen“ einer Fachleistungsstunde leiten lässt und dabei die fachlichen Standards außer Acht lässt, bewirkt es, dass die freien Träger ihre SPFH immer günstiger anbieten müssen, um im Geschäft zu bleiben. Dies könnte in der Folge bedeuten, dass vermeintlich teure pädagogische Fachkräfte nicht mehr finanzierbar sind und die Hilfe nur noch von unzureichend qualifiziertem und entsprechend schlecht bezahltem Personal durchgeführt wird.

Für die SPFH sind immer wieder prägnante Qualitätsmerkmale und –maßstäbe zu definieren. Ansonsten droht die Gefahr, dass fachliche Standards reduziert und minderqualifizierte Fachkräfte zu schlechten Tarifen eingestellt werden. Des Weiteren wird das beschäftigte und erfahrene Personal kaum zu binden sein, weil es sich aufgrund der zunehmend schlechter werdenden fachlichen und organisatorischen Arbeitsbedingungen beruflich umorientiert. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 113f.)

1.7 Qualitätsdimensionen

Der Qualitätsbegriff hat, wie in so vielen Bereichen, auch in der sozialen Arbeit im Laufe der vergangenen Jahre zunehmend an Komplexität gewonnen. Daher erscheint es sinnvoll, den Begriff differenziert zu betrachten. Avedis Donabedian entwickelte Anfang der 80er Jahre ein Modell zur detaillierten Betrachtung des Qualitätsbegriffs. Demnach setzt sich Qualität aus drei Ebenen zusammen: Ergebnisqualität, Prozessqualität und Strukturqualität. Nachfolgend werden Donabedians Ebenen von Qualität erläutert und in den Bezug zur SPFH gestellt. Da die Übergänge zwischen den einzelnen Ebenen fließend sind und manche Aspekte auch einer anderen Ebene zugeordnet werden könnten, ist die Dreiteilung nicht trennscharf sondern vielmehr als Orientierung anzusehen. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 314; Wetzler 1999, S. 109)

1.7.1 Ergebnisqualität

Bei der Ergebnisqualität geht es vor allem darum, welche Resultate die betreute Familie mit Unterstützung der SPFH erzielt hat. Zwei Aspekte sind dabei von zentraler Bedeutung:

(a.) Wirkvariablen

Soziale Arbeit zielt darauf ab, mittels Interaktion und Kommunikation Wirkungen auszulösen. Dies geschieht in einem zweiseitigen Prozess, an dem die Fachkraft und der Klient beteiligt sind. Der Prozess ist allerdings kausal nicht eindeutig bestimmbar. Demzufolge ist auch die Qualität der Dienstleistung SPFH nicht vorhersehbar. Es ist nie in Gänze zu klären, ob das Handeln der pädagogischen Fachkraft in der Interaktion mit der Familie der (alleinige) Wirkfaktor für Veränderung in der Familie ist, oder ob noch weitere bzw. andere Variablen Einfluss genommen haben. Vor diesem Hintergrund kann eine SPFH nicht per se als einzige Lösung für bestimmte Probleme in einer Familie betrachtet werden. Dennoch hat sie, sofern sie professionell und adäquat durchgeführt wird, Anteil an der Lösung oder dem erreichten Ergebnis.

(b.) Bewertungen

Die Ergebnisqualität einer sozialen Dienstleistung wie der SPFH ist immer in doppelter Hinsicht personenbezogen. Die pädagogischen Fachkräfte produzieren die Leistung und die Familien sind an dieser Produktion mitbeteiligt. Hierbei werden Ergebnisse erzielt. Vermeintliche Erfolge oder Misserfolge werden sichtbar und als solche bewertet. Die Einschätzung des Ergebnisses schließt sowohl subjektive als auch objektive Bewertungen ein. Für Familien, die von einer SPFH unterstützt werden, wird das Ergebnis vielfach nur dann als Erfolg betrachtet, wenn ein unmittelbarer Nutzen oder Gewinn wahrgenommen wird. Für die SPFH selbst sieht das etwas anders aus:

Obwohl nur schwer ermittelt werden kann, wie hoch der Anteil der SPFH an einem erzielten Ergebnis ist, so kann das Resultat dennoch als Erfolg oder Misserfolg eingeordnet oder bewertet werden. Dies geschieht anhand von Indikatoren. An ihnen ist ablesbar, ob ein Ergebnis erreicht oder nicht erreicht wurde. Solche Indikatoren können z. B. die Verhaltensänderung eines Familienmitglieds, die gesteigerte Sozialraum-orientierung der Familie oder der erfolgreiche Schulabschluss eines Kindes sein. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 314; Wetzler 1999, S. 109ff.)

Die nachfolgenden konkreten Maßnahmen und Mittel stellen wichtige Beiträge zur Sicherung der Ergebnisqualität im Bereich der SPFH dar:

1. Die Interaktion zwischen den pädagogischen Fachkräften und den betreuten Familien steht im Zentrum der SPFH. Die Fachkräfte sollen daher u. a. zielorientiert sein und verschiedene Techniken der Gesprächsführung beherrschen. Zudem sollen sie in der Lage sein, offen und variabel mit anderen Menschen kommunizieren zu können. Bei der Personalauswahl für die SPFH ist auf die Existenz dieser Fähigkeiten bei den Bewerbern zu achten.
2. Der Träger soll die pädagogischen Fachkräfte in ein standardisiertes Dokumentationswesen einbinden, in dem es möglich ist,

(a.) die Ziele einer betreuten Familie zu sammeln,
(b.) entsprechende SPFH-Maßnahmen zu planen und festzuhalten,
(c.) Ergebnisse anhand von Indikatoren zu evaluieren.

3. Eine pädagogische Fachkraft in der SPFH hat Teil eines sich regelmäßig treffenden Fachteams zu sein. In den Teamsitzungen haben neben dem fachlichen Austausch u. a. auch Fallvorstellungen, Zielevaluationen und Maßnahmenplanungen bzw. –korrekturen stattzufinden. Hier sind Ergebnisse zu interpretieren, Erfolge zu feiern, Misserfolge zu analysieren, Fehler zu bearbeiten und neue Ziele nebst Indikatoren anzudenken. Ein Fachteam stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung und Steigerung der Ergebnisqualität dar.

1.7.2 Prozessqualität

Für die Prozessqualität der SPFH ist relevant, wie ein Ergebnis bzw. ein Ziel in der Interaktion zwischen der pädagogischen Fachkraft und der Familie oder einzelnen Familienmitgliedern erreicht wurde. Dementsprechend geht es vor allem um jene Handlungen der SPFH, die geeignet oder notwendig sind, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. (vgl. Merchel 2004, S. 39)

Dieses Ziel resultiert aus einem expliziten familienspezifischen Bedarf. Folglich sind auch die an diesem Ziel orientierten Handlungen der pädagogischen Fachkraft individuell auf die betreute Familie zugeschnitten. Das ist auch sinnvoll, da sich Familien, die nicht individuell und zielorientiert, sondern normiert und oberflächlich betreut werden, wenig ernstgenommen, geringschätzig behandelt und unbeachtet fühlen. Familien wollen nicht ziel- oder konzeptlos betreut werden. Sie wollen auch nicht von einer pädagogischen Fachkraft bevormundet oder gemaßregelt werden. Familien, die im Rahmen eine SPFH betreut werden, wollen gesehen, beachtet und respektvoll behandelt werden. Pädagogische Fachkräfte haben dies in ihrer Arbeit zu berücksichtigen und ihre Handlungen entsprechend auszulegen. So ist es beispielsweise notwendig, eine tragfähige und von gegenseitigem Vertrauen geprägte Arbeitsbeziehung aufzubauen bzw. zuzulassen.

Demnach liegt die Prozessqualität der SPFH in den Händen einer jeden pädagogischen Fachkraft. Dies betrifft die Effizienz und die Effektivität der Abläufe und des Ressourceneinsatzes sowie die Qualität der Zusammenarbeit und der Beziehungs-gestaltung zwischen Familie und Fachkraft. Prozessqualität ermöglicht eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Qualitätsprüfung. Zudem bewirkt sie eine Optimierung des prozessualen Ablaufs der SPFH. (vgl. Paulitsch 2009, S. 3)

Zur Sicherung der Prozessqualität in der SPFH sind die folgenden Gegebenheiten unerlässlich:

1. Die pädagogischen Fachkräfte erhalten in ihrem Fachteam regelmäßig (Fall-) Supervision. Der Träger sollte zudem im Bedarfsfall eine gewisse Anzahl an Einzelsupervisionen finanzieren.
2. Der Träger hat die pädagogischen Fachkräfte in der SPFH zu Fort- und Weiterbildungen anzuhalten bzw. zu motivieren. So kann eine zunehmende Professionalität und Arbeitssicherheit des Einzelnen und eine umfangreichere (Handlungs-) Vielfalt des Teams erreicht werden. Nicht unterschätzt werden sollten die aus Fortbildungen der Mitarbeiter stammenden neuen Impulse, Anregungen und Aktualisierungen. Die Fachkräfte sind aufgrund ihrer Fortbildungen stets über die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit informiert und zeigen sich in ihrem Umgang mit den Familien und in ihrem Handeln zunehmend flexibler, kreativer und klientenorientierter. Daraus resultiert eine Steigerung der Effektivität und Effizienz der Abläufe und somit auch eine Steigerung der Prozessqualität.
3. Der Träger sollte Anreizsysteme schaffen, die dazu einladen, umfangreiche und zeitintensivere Weiterbildungen, wie z. B. Aufbaustudiengänge, zu besuchen. Bei solchen Anreizsystemen könnte es sich z. B. um eine von der gängigen Praxis abweichende Form der Kostenbeteiligung des Trägers oder um eine erhöhte Freistellung der Fachkraft handeln. Die Anerkennung und Bewilligung intensiver Qualifizierungsmaßnahmen trägt erheblich dazu bei, dass sich Fachkräfte längerfristig an den Träger binden und somit ihr Knowhow und ihre Erfahrungen dauerhaft in die Arbeit mit den Familien und ins Team einbringen.

1.7.3 Strukturqualität

Die Strukturqualität bezieht sich auf die objektiven organisationsbezogenen Rahmenbedingungen sowie auf die Ausstattung des Trägers, die einer pädagogischen Fachkraft bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in der SPFH zur Verfügung steht. (vgl. Merchel 2004, S. 39)

Dazu gehören u. a. das Konzept und / oder das Leitbild des Trägers, institutionelle und finanzielle Rahmenbedingungen, die Strukturierung des Personaleinsatzes, bauliche und räumliche Gegebenheiten, dienstliche Kommunikations- und Informationsabläufe sowie fallübergreifende Ressourcen. Grundlage der Qualitätsdimension „Strukturqualität“ ist die Annahme, dass optimale strukturelle Voraussetzungen zu einem adäquaten Ergebnis führen. Entsprechend geht es um die Frage, ob und in welcher Form die Möglichkeiten zur Qualitätserbringung vorhanden sind. (vgl. Helming/Blüml/Schattner 1998, S. 314f.; Paulitsch 2009, S. 2f.)

Die nachfolgenden Mittel und Wege können wichtige Beiträge zur Sicherung des notwendigen organisatorischen Rahmens leisten:

1. Der Träger sollte neben einem Leitbild auch über eine Konzeption der SPFH verfügen, die er regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktualisiert. Im besten Falle liegt die jeweils aktuelle Fassung der Konzeption dem örtlichen Jugendamt vor.
2. Die pädagogischen Fachkräfte sollten festangestellt und nach Tarif bezahlt werden. Des Weiteren sind Reisekosten, die den Fachkräften bei Nutzung des eigenen PKW zu Dienstzwecken entstehen, angemessen zu erstatten.
3. Viele freie Träger sind wirtschaftlich darauf angewiesen, dass ihre SPFH von den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe kontinuierlich angefragt wird und die pädagogischen Fachkräfte ohne größere Unterbrechungen voll belegt sind. Dies ist jedoch nur schwer steuerbar. Als Reaktion darauf werden Fachkräfte in der SPFH bis an die persönliche Belastungsgrenze (und nicht selten darüber hinaus) mit Fällen belegt. Diese Maßnahme soll Belegungseinbrüchen vorbeugen und die Einrichtung finanziell absichern. Die negativen Auswirkungen, die ein solches Vorgehen auf die Fachkräfte hat, werden vielfach außer Acht gelassen:

- Erhöhtes Krankheitsaufkommen
- Sinkende Motivation und Arbeitsmoral
- Überforderung und Überlastung
- Einschränkung des kollegialen Austauschs
- Sinkende Ergebnis- und Prozessqualität
- Fehlende Bereitschaft für fallübergreifende oder trägerinterne Tätig-keiten

Vor diesem Hintergrund ist schwer verständlich warum pädagogische Fachkräfte in einem Anfragenhoch überbelegt werden, um ein eventuell folgendes Tief ausgleichen zu können. Dieses Vorgehen erscheint wenig probat und sollte daher das letzte Mittel der Wahl sein. Zuvor können mitarbeiterfreundlichere Maßnahmen zur kontinuierlichen Auslastung ergriffen werden. So könnte der Träger beispielsweise prüfen, ob es längerfristig sinnvoll ist, pädagogische Mitarbeiter ausschließlich in der SPFH zu beschäftigen. Denkbar wäre auch der Einsatz der Fachkräfte in anderen Angeboten des Trägers.

4. Für die Existenzsicherung ist es kaum ausreichend, wenn sich ein Träger nur über die Qualität seiner Fachkräfte und deren professionelle Arbeit in der SPFH definiert. Das Trägerprofil muss breiter und tiefer sein. Dies ist möglich, wenn der Träger z. B. seine Fachkräfte politisch und fachlich an unterschiedlichen Stellen und auch in externen Gremien, Ausschüssen und Foren mitdiskutieren lässt oder von sich aus Diskussionen und Themen anregt. Die großen freien Träger haben schon immer die politische Diskussion oder den fachlichen Austausch im externen Bereich gesucht. Allerdings geschah und geschieht dies vielfach auf höherer Ebene oder ausschließlich unter Beteiligung der Führungsetagen. Zwangläufig wirken somit auch die pädagogischen Fachkräfte der großen freien Träger in nur sehr geringem Maße an einer deutlicheren Profilierung ihrer Angebote vor Ort mit. Dies wäre aber nötig, da die Themen vor Ort nicht immer den übergeordneten Themen entsprechen. Zudem zahlt es sich aus, wenn nicht nur die Tätigkeiten des Trägers bekannt sind, sondern dieser Träger auch durch die pädagogischen Fachkräfte, die im Austausch mit anderen stehen, vor Ort ein „konkretes“ Gesicht bekommt.

2. Personalauswahl und Personalgewinnung

2.1 Effektivität und Effizienz der Personalauswahl

In modernen Unternehmen werden immer weniger klassische Mitarbeiter, die ausschließlich mit ihren klar beschreibbaren fachlichen Fähigkeiten zum Erfolg der Organisation beitragen, benötigt. Zunehmend werden mitdenkende und mitverant-wortende Persönlichkeiten gesucht, die sich als Unternehmer im Unternehmen bewähren. In der einstmals stark verbreiteten tayloristisch orientierten Organisation stand die fachliche Eignung eines Bewerbers im Mittelpunkt der Personalauswahl. Heute reicht dieser Ansatz nicht mehr aus. Aufgabe der modernen Personalauswahl ist es demnach, (hoch-) spezialisierte Fachkräfte zu finden, die neben ihrem fachlichen Know-how, auch über eine hohe soziale Kompetenz verfügen und bereit sind, persönliches Engagement in ihre Arbeit mit einzubringen. (vgl. Jetter 2008, S. 18; Böhm/Poppelreuter 2009, S. 23)

Waren früher mehrere Mitarbeiter mit einer Aufgabe beschäftigt, die bisweilen von mehreren Vorgesetzten kontrolliert wurden, so wird heute möglicherweise dieselbe Aufgabe von nur noch einem Mitarbeiter erfüllt. (vgl. Jetter 2008, S. 19)

Aufgrund der Entwicklungen auf dem modernen Arbeitsmarkt sind Unternehmen verstärkt darauf angewiesen, sich mit der gesamten Persönlichkeit künftiger Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Die Leistungserwartungen in Unternehmen, Betrieben und Verwaltungen werden ebenso weiter zunehmen, wie die auf Seiten der Kunden. Dies führt zu einer steigenden Bedeutung der Ressource Mensch. (vgl. Böhm/Poppelreuter 2009, S. 24)

Folglich ist festzustellen, dass der qualitative Anspruch an die Personalauswahl immer weiter steigen wird. Moderne Unternehmen haben also sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter in der Lage sind, an der Beständigkeit und Ausweitung des unternehmerischen Erfolgs mitzuarbeiten, indem sie ihre gesamte Persönlichkeit sowie ihre fachliche und soziale Kompetenz einbringen. Solche Mitarbeiter können nicht allein mittels einer Akzentverschiebung bei der Personalauswahl gefunden werden. Es ist von existentieller Bedeutung für ein Unternehmen, die richtigen Mitarbeiter für sich zu interessieren, diese auszuwählen und an sich zu binden. Entsprechend ist zwar die Entwicklung einer qualitativ hochwertigen Personalauswahl, nebst der Verwendung entsprechender ihr zuträglicher Instrumente, von außerordentlicher Relevanz, jedoch nicht das einzige Kriterium für den unternehmerischen Erfolg. Die Effektivität einer adäquaten Personalauswahl an sich hängt ebenfalls maßgeblich davon ab, inwieweit ein Unternehmen einerseits potentielle Mitarbeiter von außen anspricht und andererseits bereits beschäftigte Mitarbeiter bindet, indem es sie beispielsweise fördert oder ihnen bei Eignung Aufstiegschancen einräumt. Human Resources sind also nicht nur zu entdecken, sie sind auch nachhaltig zu pflegen. (vgl. Jetter 2008, S. 19; Böhm/Poppelreuter 2009, S. 23f.)

Ein weiterer wesentlicher Faktor der Personalauswahl ist deren Wirtschaftlichkeit. Nur wenige moderne Unternehmen sind noch dazu bereit (oder in der Lage), kostenintensive und zeitaufwendige Auswahlverfahren durchzuführen, um den immer weiter steigenden Anforderungen bei der Personalauswahl gerecht zu werden. Ein teures Verfahren kann und will sich kaum noch jemand leisten. Vor allem die sozialen Dienst-leistungsunternehmen bzw. freien Träger haben hier nicht selten ein Finanzierungs-problem. Somit hat die Personalauswahl möglichst kostengünstig und effizient zu sein. Selbiges gilt auch für die anzuwendenden Instrumente, wie z. B. für das Einstellungs-gespräch. (vgl. Jetter 2008, S. 19f.)

Trotz alledem sollte nicht aus dem Blick geraten, welch wichtige Grundlage für eine stabile und erfolgreiche Unternehmensführung mit einer sachgerechten und sorgfältigen Auswahl der Mitarbeiter geschaffen wird. Eine unterschätzte und wenig durchdachte Personalauswahl kann zu gravierenden Fehlern führen, die sich später kaum noch durch Entwicklungs- und Fördermaßnahmen korrigieren lassen und mit erheblichen Folgekosten verbunden sind. Falsche Personalentscheidungen können zu Umsatz-einbußen, Kundenabwanderungen und internen Schwierigkeiten führen, die wiederum finanzielle Verluste in nicht unerheblicher Höhe nach sich ziehen können. Je länger an minderwertigen Personalauswahlverfahren festgehalten wird bzw. je weniger in qualitativ hochwertige Verfahren investiert wird, umso größer werden die finanziellen Einbußen. Solche Verluste sind sicherlich kaum deutlich messbar, sondern eher schleichend, aber dennoch existent. (vgl. Böhm/Poppelreuter 2009, S. 25)

Mangelnder Erfolg eines Unternehmens ist immer als die Summe verschiedener Teile zu verstehen. Einer dieser Teile ist unter Umständen in einer wenig professionellen Personalauswahl zu finden.

2.2 Ziel des Personalauswahlverfahrens

Ziel einer professionellen Personalauswahl ist es, den am besten geeigneten Bewerber aus einer Gruppe von potentiell geeigneten Interessenten für eine zu besetzende Stelle auszuwählen. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, sind die folgenden Voraussetzungen zu erfüllen (vgl. Böhm/Poppelreuter 2009, S. 24f.):

1. Ein Stellenangebot sollte so ansprechend gestaltet sein, dass es sowohl bereits beschäftigte Mitarbeiter des Unternehmens als auch externe Bewerber interessiert. Damit sollen diejenigen Mitarbeiter neu gewonnen bzw. weiterhin gehalten werden, die möglichst optimal zum Erfolg des Unternehmens beitragen.
2. Es ist nicht unbedingt das Ziel, möglichst viele, sondern möglichst geeignete interne und externe Bewerber auf ein Stellenangebot aufmerksam zu machen.
3. Die Entscheidung darüber, welcher Bewerber eingestellt wird und welcher nicht, orientiert sich in allererster Linie an dessen zu erwartender Leistung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bewerber neben seiner fachlichen Qualifikation auch überfachliche Kompetenzen, wie z. B. Anpassungs-, Integrations- und Kommunikationsfähigkeit sowie eine Identifikation mit dem Unternehmen aufweisen sollte.

2.3 Zentrale Inhalte der Personalauswahl

2.3.1 Stellen- und Funktionsbeschreibungen

Bevor ein Anforderungsprofil für eine zu besetzende Stelle entwickelt werden kann, ist es unabdingbar, die genaue Funktion dieser Stelle in einer Stellen- bzw. Funktions-beschreibung zu erfassen. Stellenbeschreibungen sind als Organisations- und Führungsinstrumente zu verstehen, die dem Mitarbeiter seinen Platz im Unternehmen zuordnen und dessen Rolle definieren. Sie beinhalten u. a. folgende Punkte (vgl. Jetter 2008, S. 114; Böhm/Poppelreuter 2009, S. 92):

-Funktionsbezeichnung
-Tätigkeitsbereich, Abteilung etc.
-Zweck bzw. Hauptziele der Funktion / Tätigkeit
-Hauptaufgaben und Zuständigkeiten
-Kompetenzen in Bezug auf die Hauptaufgaben und Zuständigkeiten
-Abgrenzung der Verantwortlichkeiten
-Kooperation mit anderen Stellen
-Rahmenbedingungen
-Grundanforderungen (z. B. Ausbildung, Qualifikation, Kenntnisse, Erfahrungen)

2.3.2 Anforderungsprofile

2.3.2.1 Stellenwert

Die Mitarbeiter sind der wichtigste Erfolgsfaktor für ein Unternehmen. Von den Mitarbeitern wird erwartet, dass sie ihre Aufgaben effektiv erledigen und somit dazu beitragen, das Unternehmen in seiner Entwicklung voranzubringen und erfolgreich zu machen. Diese Erwartungen können aber nur erfüllt werden, wenn das Unternehmen seine Anforderungen klar und verständlich definiert. Anforderungsprofile tragen erheblich zu dieser klaren Formulierung von Erwartungen bei. Sie sind ein unverzichtbares Instrument für jedes Unternehmen, da sie in sämtliche Bereiche des Personalwesens hineinwirken. Jede Maßnahme in der Personalplanung, der Personal-beschaffung, der Personalauswahl oder der Personalentwicklung setzt präzise Anforderungsprofile voraus. Erfolgreiche Nachwuchsplanung und Potentialentwicklung kann nur dann durchgeführt werden, wenn ein Überblick darüber besteht, welche Stellen mit welchen Anforderungen zukünftig zu besetzen sind, welches Mitarbeiterpotential dem gegenübersteht und in welche Richtung welche Fähigkeiten der Mitarbeiter weiterentwickelt oder ausgebaut werden müssen. Präzise Anforderungs-profile liefern qualifizierte Daten für diese Überlegungen.

Anforderungsprofile sichern professionelle Personalarbeit und tragen somit zum Unternehmenserfolg und zur Attraktivität eines Unternehmens aus Mitarbeitersicht bei. (vgl. Wilk 2011, S. 49f.)

2.3.2.2 Struktur

Anforderungsprofile sind immer unabhängig von Personen zu gestalten. In ihnen werden fachliche und persönliche Kriterien festgelegt, die für das erfolgreiche Ausüben einer bestimmten Funktion notwendig sind. Anforderungsprofile sind „Soll-Profile“, die losgelöst von derzeitigen Stelleninhabern und deren individuellen Qualifikationen zu erstellen bzw. zu formulieren sind. Ein personenbezogenes Anforderungsprofil ist nicht dauerhaft nutzbar und wirft bei der Neubesetzung einer Stelle immer wieder die Frage auf, welche Qualifikationen oder persönliche Fähigkeiten nun eigentlich wirklich für diese Position benötigt werden. (vgl. Wilk 2011, S. 52)

Aussagekräftige Stellen- und Funktionsbeschreibungen sind die Voraussetzung dafür, dass Anforderungsprofile präzise verfasst werden können, da die Anforderungen aus den Funktionen und Verantwortungen einer Stelle resultieren. Zudem stehen Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile immer in einer engen Verbindung zu den unternehmensstrategischen Zielen. Prozessoptimierungen, eventuelle personelle Umstrukturierungen oder Unternehmenserweiterungen können zielorientiert und effektiv durchgeführt werden, wenn Stellenbeschreibungen prozessorientiert, prägnant und knapp formuliert wurden und mit entsprechend strukturierten Anforderungsprofilen unterlegt sind. (vgl. Wilk 2011, S. 53ff.)

Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung von Anforderungsprofilen ist eine klare und übersichtliche Gliederung. Es sollte auf einen Blick deutlich werden, welche Fähigkeiten und Qualifikationen zur erfolgreichen Ausübung einer bestimmten Funktion benötigt werden. Ein Beispiel für eine solche überschaubare Gliederung (vgl. Wilk 2011, S. 57f.):

1. Fachanforderungen

a) Schul- und Berufsausbildung
b) Studium mit Fachrichtung
c) (Anerkannte) Weiterbildungen, Aufbaustudium
d) Spezielle Fachausbildungen
e) Methodenkompetenzen(Fähigkeiten zur Umsetzung und Anwendung von Fachwissen)

2. Persönlichkeitsanforderungen

a) Soziale Kompetenzen(Fähigkeiten, mit anderen Menschen im Rahmen der betrieblichen Zusammenarbeit zu kommunizieren und zu kooperieren)
b) Persönliche Kompetenzen(Persönliche Fähigkeiten im Umgang mit sich selbst und im Umgang mit den im Unternehmen definierten Anforderungen)
c) Führungskompetenzen (ggfs.) (Fähigkeiten zur Anleitung und Steuerung von Mitarbeitern und Teams sowie zur Umsetzung komplexer Zielsetzungen)

Die hier benannten Persönlichkeitsanforderungen, auch: „Schlüsselkompetenzen“ genannt, sind nicht durch eine Ausbildung oder ein Studium zu erlangen. Sie liegen in der individuellen Persönlichkeitsstruktur des betreffenden Menschen. Schlüssel-kompetenzen beinhalten neben angeborenen Charaktereigenschaften auch aufgrund beruflicher oder persönlicher Erfahrungen erworbene Eigenschaften und Verhaltens-merkmale.

2.3.2.3 Anforderungskriterien

Den in der Grundstruktur des Anforderungsprofils enthaltenen Schlüsselkompetenzen sind einzelne Anforderungskriterien zuzuordnen, die dazu dienen, die Fach- und Persönlichkeitsanforderungen zu spezifizieren. Diese Anforderungskriterien sind der Maßstab für strategische Personalprozesse und müssen sich durch Messbarkeit, Beobachtbarkeit und eine eindeutige Verhaltensbeschreibung auszeichnen. Deshalb ist eine reine Aufzählung solcher Kriterien zu wenig. Jedes Anforderungskriterium braucht eine klare Definition, um greifbar zu werden. Mit eindeutigen und unternehmens-bezogenen Definitionen wird verhindert, dass individuelle Deutungen der verschiedenen Anforderungskriterien zur Anwendung kommen und dadurch das Anforderungsprofil verfälscht wird.

Als Anforderungskriterien für die einzelnen Schlüsselkompetenzen eignen sich nur solche Kriterien, die zum wesentlichen Erfolg in der Funktion und damit zum Erfolg des Unternehmens beitragen. Diese Kriterien können mit Hilfe einer Analyse der „erfolgskritischen Situationen“ (Critical Incidents) eruiert werden. Gemeint sind hier v. a. die Situationen, die den Stelleninhaber in besonderem Maße (heraus-) fordern und die gegebenenfalls Auswirkungen auf das Unternehmen selbst oder auf Unternehmens-prozesse haben können. (vgl. Wilk 2011, S. 59f.)

Mit Hilfe der Critical Incident Technique (CIT), die 1954 von John C. Flanagan entwickelt wurde, lassen sich anhand kritischer Situationen die Reaktionen und Verhaltensweisen von Personen in diesen Situationen ermitteln. Aus den beobachtbaren Verhaltensweisen werden Fähigkeiten abgeleitet, die zur erfolgreichen Bewältigung der Situation erforderlich sind. Abbildung 1 veranschaulicht die praktische Vorgehensweise der CIT.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Stufen und Leitfragen der Critical Incident Technique (CIT)

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jetter 2008, S. 119 und Wilk 2011, S. 63)

Die relevanten Anforderungskriterien einer Tätigkeit lassen sich auch auf andere Art und Weise ermitteln. So kann z. B. die gezielte Befragung eines entsprechenden Vorgesetzten diverse Anhaltspunkte darüber liefern, welche Arbeitssituationen bei einer Funktion „erfolgskritisch“ sind. Unterstützende Leitfragen könnten hierbei u. a. sein (vgl. Jetter 2008, S. 125):

-Durch welche Tätigkeit entsteht die größte Wertschöpfung in dieser Funktion?
-Welche dieser Tätigkeiten stellen besondere Herausforderungen dar?
-In welchen Situationen unterscheiden sich erfolgreiche von weniger erfolgreichen Stelleninhabern?

Zudem können die folgenden Methoden und Verfahren zur Präzisierung der Definitionen erfolgsrelevanter Anforderungskriterien beitragen (vgl. Böhm/Poppel-reuter 2009, S. 43ff.; Lucas 2011, S. 11f.):

1. Beobachtung
Mit Hilfe der direkten Beobachtung eines Stelleninhabers während der Ausübung seiner Tätigkeit, können Aufgaben und Leistungssolls (die im Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle stehen) identifiziert werden. Diese Methode lässt sich einträglich für die Analyse einfacher manueller Tätigkeiten, bei denen kontrollierte Arbeitsabläufe in kurzen Zyklen vorkommen, einsetzen (z. B. Fließbandproduktion). Der Nachteil der Methode ist, dass sie nur bei bereits vorhandenen Stellen zum Einsatz kommen kann. Des Weiteren sollte die Wirkung der Beobachtung auf den Stelleninhaber nicht außer Acht gelassen werden. Dieser könnte unter Beobachtung sein Arbeitsverhalten verändern. Nicht einsetzbar ist die Methode bei geistigen und schöpferischen Arbeiten und somit auch bei fast allen Stellen, die mit Führungsaufgaben oder Managementtätigkeiten verbunden sind.
2. Beobachtungsinterview
Diese Methode ist für das Erfassen längerer Arbeitszyklen und umfangreicherer Tätigkeiten geeignet. Der befragte Mitarbeiter artikuliert verbal die Inhalte seiner Arbeit. So können auch nicht-physische Aufgaben beschrieben werden.
3. Schriftliche Befragung
Mit Hilfe von Fragebögen können viele Informationen in standardisierter Form gesammelt werden. Allerdings sollten die Fragen klar und verständlich formuliert sein, damit es nicht zu Fehlinterpretationen und somit zu falschen Informationen von Seiten des Mitarbeiters kommt.
4. Selbstdurchführung
Die Ausführung einer Arbeitstätigkeit durch einen „Analytiker“ kann einen detaillierten Einblick in die Charakteristika und die Struktur einer Arbeit ermöglichen. Besondere Eignungen und Fähigkeiten eines Mitarbeiters können so erlebt und offensichtlich werden. Kritisch anzumerken ist hier, dass die Selbstdurchführung in bestimmten Tätigkeiten nicht möglich ist, da der „Analytiker“ für diese nicht ausgebildet ist und somit die Arbeit nicht selbst erledigen kann (z. B. Augenoperation).
5. Dokumentenanalyse
Informationen über die Anforderungen, die ein bestimmter Stelleninhaber zu erfüllen hat, können auch aus vorhandenen Unterlagen, wie z. B. Unternehmens-handbüchern oder Arbeitsablaufprotokollen, generiert werden.

2.3.2.4 Gesetzliche Aspekte

Seit 2006 gilt in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ziel des Gesetzes ist es,

„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (§ 1 AGG[3])

Das AGG ist auch bei der Gestaltung von Personalauswahlprozessen zu berücksichtigen. Da Anforderungsprofile die Grundlage für solche Prozesse darstellen, sollten die Bestimmungen des AGG bereits bei deren Erstellung berücksichtigt werden. Eine wesentliche Voraussetzung für die Gesetzeskonformität wird mit der Personenunabhängigkeit eines Anforderungsprofils erfüllt. Wichtig ist, dass die Erarbeitung der Anforderungskriterien eng und ausschließlich an die jeweilige Stelle geknüpft wird. Entsprechend sollte die Stellenbeschreibung bei der Erarbeitung des Anforderungsprofils vorliegen. Aus der Stellen- und Funktionsbeschreibung (s. 2.3.1) lassen sich bestimmte zur Ausführung dieser Stelle relevante Fähigkeiten und Kompetenzen ableiten. Anforderungen, die auf diesem Wege ermittelt werden, sind immer stellenbezogen und personenunabhängig. Die zu ermittelnden Anforderungs-kriterien müssen sich immer konkret auf das Fachgebiet beziehen und fachlich begründbar bleiben.

Zudem ist ein Anforderungsprofil als „AGG-konform“ zu betrachten, wenn sich keines der in ihm enthaltenen Anforderungskriterien in irgendeiner Weise an eine bestimmte Rasse, eine ethnische Herkunft, ein Geschlecht, eine Religion, eine Weltanschauung, eine Behinderung, ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte sexuelle Orientierung knüpft. (vgl. Jetter 2008, S. 315; Wilk 2011, S. 61f.)

[...]


[1]Fassung vom 22.12.2011. (AGJ 2012, S. 52)

[2]Diese Entscheidungsfreiheit bewegt sich jedoch im Rahmen der Bestimmungen des §1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und endet, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt.

[3]Fassung vom 05.09.2009.

Ende der Leseprobe aus 612 Seiten

Details

Titel
Eine Kompetenzmatrix zur Personalgewinnung und Mitarbeiterqualifizierung im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe
Untertitel
"Denn sie wissen, was sie tun!"
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Veranstaltung
Management in sozialen Organisationen
Note
1,85
Autor
Jahr
2013
Seiten
612
Katalognummer
V262396
ISBN (eBook)
9783656515517
ISBN (Buch)
9783656515531
Dateigröße
2522 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Enthält 410 Seiten Anhang
Schlagworte
SPFH, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kompetenzen, Fachkraft, Personal, Personalgewinnung, Qualifizierung, Mitarbeiterqualifizierung, Personalauswahl, Qualitätsdimensionen, Einstellungsgespräch, Anforderungsprofil, Stellenausschreibung, Stellenbeschreibung, Personalbindung, Personalentwicklung, Qualitätsmanagement, Forschung
Arbeit zitieren
Oliver Hülsermann (Autor:in), 2013, Eine Kompetenzmatrix zur Personalgewinnung und Mitarbeiterqualifizierung im Bereich der sozialpädagogischen Familienhilfe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262396

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