Leseprobe
Gliederung
1) „Yo pisaré las calles nuevamente“ von Pablo Milanés
1.1) Analyse
1.2) Interpretation
2) „A Cuba“ von Víctor Jara
2.1) Analyse
2.2) Interpretation
3) Vergleich
4) Fazit
5) Literaturverzeichnis
Im Folgenden sollen die Lieder „Yo pisaré las calles nuevamente“ von Pablo Milanés und „A
Cuba“ Víctor Jara und im Hinblick auf politische Inhalte und ihren außerliterarischen Kontext analysiert werden.
1) „Yo pisaré las calles nuevamente“ von Pablo Milanés
„Yo pisaré las calles nuevamente” wurde 1974 von Pablo Milanés verfasst, einem der bedeutendsten Vertreter der Nueva Trova, der musikalischen Bewegung die sich in den sechziger Jahren in Kuba herausbildete (vgl. Criegern de Guiñazú 2010: 39).
1.1) Analyse
Das zur Nueva Trova gehörende Lied „Yo pisaré las calles nuevamente“ besteht aus sechs Strophen, die erste und die letzte Strophe sind identisch und bilden den Refrain. In diesen Strophen ist in Bezug auf die Silbenzahl ein Wechsel von endecasílabos und dodecasílabos zu finden. Die anderen Strophen setzen sich aus je vier Versen zusammen. Diese sind endeca- sílabos und assonieren im umarmenden Reim. Die dritte Strophe fällt aus diesem Schema heraus.
„Yo unido al que hizo mucho y poco al que quiere la patria liberada dispararé las primeras balas más temprano que tarde, son reposo” (V.9ff).
Zwar assoniert sie, wie die anderen Strophen im umarmenden Reim, die Verse sind jedoch in ihrer Silbenzahl unregelmäßig. So handelt es sich hier um einen decasílabo im Wechsel mit einem endecasílabo.
Zudem fällt auf, dass die ersten drei Verse, sowie auch der letzte mit yo beginnen. In Bezug auf die ersten drei Verse ist hier also eine Anapher zu finden.
„Yo pisaré las calles nuevamente […]
Yo vendré del desierto calcinante […]
Yo unido al que hizo mucho y poco” (V.1/5/9).
In Vers sieben findet sich ein Enjambement, da dieser ohne die Informationen aus dem achten Vers nicht verständlich wäre. Mit „mucho y poco“ (V.9) findet sich eine Umschreibung. Was er viel und wenig macht, bezieht sich auf alles, was er gemacht hat, denn entweder macht man etwas viel (oft) oder wenig (selten) oder eben gar nicht. In Vers dreizehn finden wir eine Per- sonifikation der Bücher und Lieder, da diese nicht zurückkehren können. Das Verb Zurück- kehren impliziert eine Eigenbewegung, dadurch wird deutlich, dass es sich um eine Eigen- schaft von lebendigen Wesen handelt, die unbelebten Dingen nicht zu eigen ist. Ein weiteres rhetorisches Mittel findet sich in Vers 19. Das Wort canto wird hier im selben Vers wieder- holt „y ese canto será el canto […]“ (V.19). Es handelt sich hier um eine Repetition.
Desweiteren gibt es ein lyrisches Ich in diesem Lied, dass sich in der Konjugation der Verben und in Ausdrücken wie „mis hermanos“ (V.8) und „mi pueblo“ (V.15) zu erkennen gibt. Zwar finden sich noch weitere rhetorische Mittel, im Rahmen dieser Hausaufgabe erscheint es je- doch unnötig alle zu nennen. Zu erwähnen bleibt nur noch, dass das gesamte Lied im futuro simple verfasst wurde.
1.2) Interpretation
Pablo Milanés verfasste „Yo pisaré las calles nuevamente“ 1974, kurz nach dem Staatsstreich vom 11. September 1973 in Chile. Dieser fand vorwiegend am Palast des chilenischen Präsi- denten, La Moneda statt. Während dieses Staatsstreichs kam der damalige Präsident Salvador Allende ums Leben, was die Diktatur von Augusto Pinochet zur Folge hatte (vgl. Gayango 1974: 191ff). La Moneda wir auch explizit von Milanés genannt „a una vida segada en La Moneda“ (V.20). Dieses zerstörte Leben kann sich auf zwei Dinge beziehen. Zum einen könnte es sich um den Tod Allendes handeln, zum anderen und dies erscheint wahrscheinli- cher, kann es sich um die zerstörte Hoffnung auf ein Leben in Demokratie und Freiheit han- deln, die mit dem Tod Allendes zusammenhängt. Mit anderen Worten als um ein zerstörtes demokratisches freies Leben der Bevölkerung. Daher ist davon auszugehen, dass es sich bei Santiago (V.2/7/22) um Santiago de Chile und nicht um Santiago de Cuba handelt. Zwar spielte Santiago de Cuba während des Unabhängigkeitskrieges, ebenso wie zur Zeit der kuba- nischen Revolution eine wichtige Rolle (vgl. Zeuske 2000: 179), durch die Nennung La Monedas und durch das Jahr, in dem Milanés „Yo pisaré las calles nuevamente“ verfasste, ist hier davon auszugehen, dass es sich um Santiago de Chile handelt. Ein weiteres Indiz ist das angehängte Adjektiv „Santiago ensangrentada“ (V.1/22). Dieses verweist ebenfalls auf den 1973 stattgefundenen Staatsstreich. „Y evocaré en un cerro de Santiago“ (V.7) deutet auch auf Chile, da die Hauptstadt Chiles in den Anden liegt.
Dieser bereits angedeutete politische Inhalt des Liedes der Nueva Trova verdeutlicht sich in der lexikalischen Wahl Milanés. Durch Ausdrücke wie „liberada“ (V.3), „ausentes“ (V.4), „calcinante“ (V.5), „asesinas“ (V.14), „traidores“ (V.16) und viele Weitere wird der Bezug zu einem bewaffneten Kampf oder gar einem Krieg deutlich. Dieser Eindruck einer kriegeri- schen oder kriegsähnlichen Situation wird zudem durch „quiere la patria liberada“ (V.10) und „Renacerá mi pueblo de su ruina“ (V.19) verstärkt. „Su ruina“ (V.19) weist auf etwas Zerstör- tes hin. Da die Städte unter Pinochet größtenteils nicht zerstört wurden, muss etwas anderes gemeint sein. Es handelt sich vermutlich um eine politische oder kulturelle Ruine. Wenn die Diktatur beendet ist und somit auch Unterdrückung, Folter und Leid enden, wird das Volk vor einem Neuanfang stehen, sowohl in politischer Hinsicht als auch in kultureller und menschli- cher Hinsicht. Nun stellt sich die Frage wer mit „mi pueblo“ (V.19) angesprochen wird, denn Milanés, der wohl hinter dem lyrischen Ich steht, stammt aus Kuba, doch wie wir bereits er- läutert haben, bezieht sich „Yo pisaré las calles nuevamente“ auf Chile. Es ist also davon aus- zugehen, dass in diesem Fall nicht das Volk eines Landes, sondern das südamerikanische Volk gemeint ist.
Dieses Lied wurde durchgehend im futuro simple verfasst, was auf eine klare Trennung von Gegenwart und Zukunft hindeutet. Durch das futuro simple drückt das lyrische Ich aus, was es sich von der Zukunft erhofft: ein befreites Vaterland (vgl. V.10), Kinder, die wieder auf der Straße spielen können (vgl. V.17) und eine Zukunft, in der die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. V.16). Kinder die auf der Straße spielen kann als Metapher für eine sichere Umgebung und Frieden gesehen werden, denn Kinder können nur draußen spielen, wenn ihnen dort keine Gefahr droht.
Dadurch, dass diese Dinge in der Zukunft niedergeschrieben wurden, wird deutlich, dass dies in der Gegenwart nicht der Fall ist. Wie diese sich Gegenwart gestaltet wird in „me detendré a llorar por los ausentes“ (V.4) und „a mis hermanos que murieron antes“ (V.8) verdeutlicht. Dass er sich vom Weinen über die Verschollenen abhalten wird, bedeutet, dass diese in der Gegenwart verschwinden und das „antes“ der Zukunft ist das Heute. Interessant ist zudem, dass er das Wort „hermanos“ (V.8) verwendet. Wie bereits herausgestellt, geht es in diesem Lied um Chile. Die Bezeichnung der Chilenen als Brüder weist auf eine Verbundenheit der Länder hin. Weiterhin wird mit dem Satz „y pagarán su culpa los traidores“ (V.16) verdeut- licht wie diese Zeit zu charakterisieren ist. Es ist also eine Zeit, die von Verrat und Unsicher- heit bestimmt wird, in der keine Hoffnung auf Gerechtigkeit besteht, da die Verräter und Mis- setäter nicht zur Rechenschaft gezogen werden und sie so nicht daran gehindert werden ihre Gräueltaten fortzusetzen.
Es ist deutlich geworden, dass es sich um die Situation in Chile handelt, denn dort begann 1973 die Diktatur unter Pinochet, die erst 1990 enden sollte.
2) „A Cuba“ von Víctor Jara
„A Cuba” wurde 1969 von Víctor Jara verfasst und gehört zur Nueva Canción Chilena, eine Mitte der sechziger Jahre entstandene musikalische Bewegung in Chile (vgl. Criegern de Guiñazú 2010: 38).
2.1) Analyse
Die Nueva Canción „A Cuba“ besteht aus drei Strophen, die erste und dritte bestehen aus je vierzehn Versen, die zweite Strophe setzt sich aus zwölf Versen zusammen und bildet den Refrain. Zunächst soll dieser genauer betrachtet werden, um anschließend näher auf die anderen zwei Strophen des Liedes einzugehen.
Die zwölf Verse des Refrains weisen eine unterschiedliche Anzahl der Silben auf. Zum einen tauchen endecasílabos auf und zum anderen tridecasílabos. Der neunte Vers passt in mehrfacher Hinsicht nicht in das eingesetzte Schema, worauf an späterer Stelle noch kurz genauer eingegangen werden soll.
Die ersten zwei Verse des Refrains „Si quieres conocer a Martí y a Fidel, a Cuba, a Cuba, a Cuba iré” (V.15f; 25f).
wiederholen sich am Ende, sodass sie auch die letzten zwei Verse des Refrains bilden. Es handelt sich jeweils um einen tridecasílabo und einen endecasílabo. Dieses Schema von tridecasílabos und endecasílabos setzt sich in den übrigen Versen fort, wobei „a Cuba, a Cu- ba, a Cuba iré“ (V.16ff) jeden zweiten Vers bildet. Jeweils zwei Verse bilden einen Satz, es handelt sich hier um mehrere Enjambements, sodass der Refrain aus insgesamt sechs Sätzen besteht. Innerhalb dieser Sätze bildet der tridecasílabo den Nebensatz und der endecasílabo „a Cuba, a Cuba, a Cuba iré“ (V.16ff) den Hauptsatz. Desweiteren assonieren die Verse auf e, wobei hier der vierte und sechste Vers auszuschließen sind. Diese assonieren weder auf e, noch sind sie in eine der Strophen einordbar. Kennzeichnend scheint hier zudem der Einsatz von Anaphern. Geht man von der bereits erwähnten Satzstruktur aus, beginnt jeder Satz mit „Si quieres […]“ (V.15ff), mit Ausnahme des neunten Verses. Der nachgestellte Hauptsatz ist in jedem Fall identisch.
Der neunte Vers „en un barquito se va el vaivén“ (V.23) unterscheidet sich in mehreren As- pekten von den anderen Versen. Zum einen handelt es sich um einen endecasílabo, der sich aufgrund eines verso agudo zusammensetzt, sodass hier zwei endecasílabos aufeinanderfol- gen. Zum anderen beginnt er nicht mit „Si quieres […]“ (V.15ff) sondern „en un barquito […]“ (V.23). Interessant ist weiterhin, dass Víctor Jara den ersten Si-Satz (Si+presente+futuro simple) eingesetzt hat, da dieser bekanntlich die Sicherheit der Aussage unterstreicht.
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