Epistemologische Überzeugungen - Zur Didaktik des Verhältnisses zur Welt


Diplomarbeit, 2004

86 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Modelle epistemologischer Überzeugungen
2.1 Perry: Forms of Intellectual and Ethical Development
2.2 Chandler: Epistemological Loneliness
2.3 Belenky et al.: Women´s Way of Knowing
2.4 Baxter Magolda: Epistemological Reflection
2.5 King/Kitchener: Reflective Judgment
2.6 Kuhn: Argumentative Reasoning
2.7 Schommer: Epistemological Beliefs
2.8 Zusammenfassung

3. Neuere Ansätze und Ergänzungen
3.1 Brownlee et al.: Core Beliefs and Peripheral Beliefs
3.2 Hammer/Elby: Correctness and Productivity; Contextuality
3.3 Mayer: Eine Rezension zum Sammelband „Personal Epistemology“
3.4 Constructivist Epistemological Assumptions
3.5 Zusammenfassung

4. Ziel einer Didaktik des Verhältnisses zur Welt
4.1 Zum epistemologischen Standpunkt des Autors
4.1.1 Evolutionäre Erkenntnistheorie
4.1.2 Rorty: Neopragmatismus
4.1.3 Zusammenfassung
4.2 Kritik an Modellen epistemologischer Überzeugungen
4.3 Didaktische Zieldiskussion

5. Möglichkeiten und Grenzen einer Didaktik epistemologischer Überzeugungen
5.1 Bendixen: A Process Model of Epistemic Belief Change
5.2 Dole/Sinatra: Cognitive Reconstruction of Knowledge Model
5.3 Ciompi: Affektlogik
5.4 Konstruktivistische Lernumgebungen
5.5 Hypermediale Lernumgebungen
5.6 Kulturelle Kontexte
5.7 Epistemic Nudging
5.8 Zusammenfassung

6. Resümee

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Anfang der 70er Jahre gibt es Modelle und Untersuchungen, die sich mit der Entwicklung von epistemologischen Überzeugungen beschäftigen. Dabei werden epistemologische Überzeugungen definiert als Ansichten über Wissen und Wissenserwerb: „(…) individuals’ beliefs about the nature of knowledge and the processes of knowing” (Hofer/Pintrich 1997, S. 117). Aus dieser Definition wird deutlich, dass es nicht um reflektierte Überzeugungen von Personen geht, die sich mit erkenntnistheoretischen Fragen beschäftigt haben, sondern um alltagstheoretische Überzeugungen, was Wissen und Lernen betrifft. Diese Überzeugungen entwickeln sich im Laufe eines menschlichen Lebens. Am Anfang der Entwicklung, so lässt sich grob über alle Modelle zusammenfassen, steht eine dualistische Auffassung von Wissen. Die dualistische Auffassung von Wissen ist dadurch gekennzeichnet, dass Wissen entweder wahr/richtig oder unwahr/falsch ist, wobei die Unterscheidung von wir/vertraut im Gegensatz zu andere/fremd Auswirkungen darauf hat, was als richtig (vertraut) oder falsch (fremd) angesehen wird. Das dualistische Weltbild wird dann abgelöst durch eine relativistische Auffassung von Wissen. Die Erfahrung von Relativität wird allmählich gemacht, so z.B. durch den Besuch einer Universität. Daher beschäftigen sich die meisten Untersuchungen auch mit der Entwicklung der epistemologischen Überzeugungen bei Studierenden. Es wird gezeigt, dass das Erkennen von Relativität zu verschiedenen Reaktionen führt. So reagieren manche Studierende mit starken epistemologischen Zweifeln, was zu einer Ablehnung jeglichen Anspruchs von Wissen führt und dabei auch so etwas wie epistemologische Einsamkeit entstehen lässt. Manche reagieren mit extremem Subjektivismus, sodass „anything goes“ zur Leitmaxime wird. Die Entwicklung mündet dann aber manchmal in einen ‚vermittelnden Relativismus’. Dabei kann man von einer diskursiven Anerkennung des bisher gesammelten Wissens sprechen. Es besteht eine Ablehnung von einem naiven Objektivitätsbegriff und man entscheidet sich reflektierend für bestimmte Positionen. Das heißt, dass das, wofür man sich entscheidet, nicht als objektiv gegeben hingenommen wird, sondern dass man sich bewusst für eine Position z.B. in einer Diskussion entscheidet.

In dieser Arbeit werden zunächst im ersten Teil einige Modelle vorgestellt, die sich mit einer derartigen Entwicklung beschäftigen. Diese Modelle werden im zweiten Teil durch weitere Ansätze und Erweiterungen ergänzt, die in den aktuellen Darstellungen und Zusammenfassungen (z. B. Hofer/Pintrich 1997, 2002) kaum oder keine Beachtung finden.

Im dritten und wichtigsten Teil dieser Arbeit soll geklärt werden, was das Ziel einer Didaktik des Verhältnisses zur Welt, und damit einer Didaktik, die sich mit epistemologischen Überzeugungen befasst, sein könnte. Es ist davon auszugehen, dass die erkenntnistheoretischen Überzeugungen des Autors Einfluss auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung in dieser Arbeit haben. Deswegen findet eine Reflexion dieser Überzeugungen statt. Zu diesem Zweck erfolgt eine Darstellung des Neopragmatismus nach Richard Rorty sowie eine Darstellung der Evolutionären Erkenntnistheorie. Nach der Darstellung der eigenen Position erfolgt eine Kritik an den vorgestellten Modellen. Die Autoren dieser Modelle reflektieren ihre eigenen epistemologischen Überzeugungen kaum und somit erfolgen auch keine ausreichend begründeten Erklärungen dafür, was das Ziel einer Entwicklung epistemologischer Überzeugungen sein könnte. Mit dem Bewusstsein, dass die eigenen Überzeugungen auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung einen Einfluss ausüben, wird dann eine Diskussion didaktischer Ziele versucht, die explizit eine Reflexion dieser Überzeugungen beinhaltet.

Auch wenn der Versuch einer Zielbestimmung einer Didaktik des Verhältnisses zur Welt nicht zu einem einheitlichen und eindeutigen Ergebnis führt, so soll doch im vierten Teil der Arbeit der Versuch unternommen werden, Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Didaktik aufzuzeigen.

2. Modelle epistemologischer Überzeugungen

Es werden verschiedene Modelle zu epistemologischen Überzeugungen soweit wie möglich chronologisch dargestellt, da einige Modelle auch teilweise aus der Kritik an älteren Modellen entstanden sind. In der Zusammenfassung werden zudem die Modelle tabellarisch miteinander verglichen.

2.1 Perry: Forms of Intellectual and Ethical Development in the College Years

Fast alle Arbeiten, die sich mit Epistemologischen Überzeugungen beschäftigen, beziehen sich auf Arbeiten von William Perry (1970). Perry untersuchte in den 50er Jahren in einer Langzeitstudie College-Studenten in den USA. Ihn interessierte die Frage, wie Studenten unterschiedlich auf die pluralistisch intellektuelle und soziale Umgebung einer Universität reagieren. Nachdem 313 Studienanfänger mithilfe eines Fragebogens untersucht wurden, kamen 32 Studierende zu jährlichen Interviews. Perry und seine Mitarbeiter zogen bei der Auswertung der Interviews den Schluss, dass die Art und Weise, wie Studierende ihre Welt konstruieren, nicht ein Zeichen ihrer Persönlichkeit ist, sondern dass es einen logischen kognitiven Entwicklungsprozess gibt. So wurde daraufhin ein Schema intellektueller und ethischer Entwicklung erstellt und in einer zweiten Langzeituntersuchung eingesetzt, um es zu validieren. Untersucht wurden Studienanfänger zweier Jahrgänge über einen Zeitraum von vier Jahren.

Das Schema besteht aus insgesamt neun Positionen, die innerhalb eines Entwicklungsprozesses durchlaufen werden. Diese neun Positionen werden zum Teil zusammengefasst zu vier sequenziellen Kategorien (vgl. Hofer/Pintrich 1997, S. 91).

Die erste Position wird bestimmt durch eine wahr/falsch Sicht der Welt. Wahrheit über die Welt wird von Autoritäten, wie z. B. Professoren, gewusst und kann durch sie erworben werden. Der Erwerb erfolgt durch Auswendiglernen und harte Arbeit.

In der zweiten Position wehrt sich der Student gegen aufkommende Heterogenität und weist dabei kritisches Denken zurück. Diversität und Komplexität erscheinen ihm fremd.

Diese beiden Positionen bilden die Kategorie Dualismus (Dualism).

In Position drei werden Unsicherheit und Komplexität nicht mehr als von Autoritäten erzeugte Hindernisse verstanden sondern als unabhängig existierend. Unterschiedliche Autoritäten haben unterschiedliche Meinungen, weil bisher die Wahrheit noch nicht gefunden wurde, so diese Ansicht. Erste Zweifel kommen daran auf, dass durch reines Auswendiglernen alles erreicht werden könne.

Position vier zeichnet sich dadurch aus, dass Bereiche angenommen werden, in denen es keine absoluten Gewissheiten und demzufolge keine Autoritäten gibt. Der Student vermutet, dass alle Ansichten und Überzeugungen in diesen Bereichen die gleiche Berechtigung haben und jeder das Recht auf seine eigene Meinung hat. Diese Vermutung resultiert auch aus dem von Autoritäten geforderten Relativismus, wobei aber immer noch an Autorität geglaubt wird.

Aus diesen zwei Positionen besteht die Kategorie Vielfältigkeit (Multiplicity).

Ab Position fünf kommt dann Relativismus auf. Die dualistische Sichtweise wird aufgegeben zugunsten eines kontextuellen Relativismus. Es wird erkannt, dass man selbst ein aktiver Konstrukteur von Wissen ist. Dies wird beschrieben als der Scheidepunkt in der Entwicklung.

Bei der Position sechs wird Wissen als relativ, kontingent und kontextuell angenommen und es keimt die Einsicht auf, dass man gezwungen ist, sich zu entscheiden, und dass die eigenen Entscheidungen von einem selbst bejaht werden müssen. Diese Erfahrung von Verpflichtungen auf bestimmte Positionen (commitment) muss aber erst noch gemacht werden.

Mit Position fünf und sechs wird die Kategorie Relativismus (Relativism) beschrieben.

Die nachfolgenden Positionen von sieben bis neun unterscheiden sich untereinander nur noch qualitativ und nicht mehr strukturell. Sie werden zusammengefasst als „commitment within relativism“ (vgl. Hofer/Pintrich 1997, S. 91). Bei diesen Positionen, so wird festgestellt, spielen Verantwortung, Engagement und Verpflichtungen auf bestimmte Positionen innerhalb eines immer noch akzeptierten Relativismus die wichtigsten Rollen. Relativistisches Denken ist immer noch wichtig, doch zugleich finden Festlegungen auf bestimmte Überzeugungen statt, wobei diese Festlegungen flexibel sind.

Perry beschreibt Position sieben als diejenige, in der man anfängliche Verpflichtungen (commitments) auf Meinungen in einigen Bereichen eingeht. In Position acht erfährt der Student, was es bedeutet, sich für einen Standpunkt zu entscheiden und welche Konsequenzen eine daraus resultierende Verantwortung hat. Position neun beschreibt den Umstand, dass der Student eine Verfestigung seiner Identität bei gleichzeitiger multipler Verantwortung erlebt, und dass „commitment“ ein fortlaufender Prozess ist, in dem sich der „life-style“ ausdrückt (Perry 1970, S. 10).

Perry konnte mit seinen Untersuchungen die Entwicklung durch die einzelnen Stufen bis auf die Unterscheidungen in der letzten Kategorie empirisch nachweisen. Jedoch sind seine Ergebnisse nur begrenzt aussagefähig, da die Untersuchung nur an einem einzelnen College mit Freiwilligen stattfand und diese zum größten Teil weiße, männliche Studenten waren.

2.2 Chandler: Epistemological Loneliness

Chandler beschreibt in seinem Aufsatz von 1975 mit dem Titel: „Relativism and the Problem of Epistemological Loneliness“ drei verschiedene Wege, wie mit der Erfahrung von Relativität umgegangen wird.

Der erste Weg besteht darin, Konformität mit der Gruppe zu erzeugen, in der man sich befindet. Das bedeutet, dass Stereotypen erfüllt werden. Als Beispiel nennt er die Gruppe der „peers“. Hier wird in der Gruppe alles verhandelt (negotiation). Jedoch wird dieser Weg als sehr problematisch beschrieben, da ein solcher ‚Gruppendruck’ leicht zu einem Dogmatismus geraten kann.

Mit dem zweiten Weg wird gerade Dogmatismus als Lösung beschrieben. Chandler unterscheidet hier zwischen religiösem und methodischem Dogmatismus. Dabei wird aber beides negativ bewertet, denn es wird jeweils Intoleranz gefördert. Ein „methodological rigor“ führt genauso zu „scientific intolerance“ (ebd.) wie religiöser Dogmatismus zu weltanschaulicher Intoleranz.

Als dritter Lösungsweg aus dem Relativismusproblem wird eine Zunahme des abstrakten Denkens beschrieben. Dabei werden auftauchende Dissonanzen durch einen höheren Level an Abstraktion vermieden. Dies wird aber als ebenso problematisch beschrieben, da dadurch kaum Probleme lösbar gemacht werden. Vorhandene Problematiken werden unter einem höheren Abstraktionslevel verdeckt und damit auch verdrängt.

Chandler charakterisiert diese drei verschiedenen Wege des Umgangs mit Relativismus als unangemessen. Er betont die Möglichkeit von dialektischen Lösungen, um mit dem Relativismusproblem fertig zu werden. Dabei sollen die „dialectical solutions" zu einer „common embrace" (ebd.), einer ‚gemeinsamen Umarmung' führen. Hier wird zwar kein Modell einer Entwicklung epistemologischer Überzeugungen dargestellt aber dennoch beschrieben, wie mit der Erfahrung von Relativität umgegangen wird. Dabei scheinen die oben genannten drei Wege zu verdeutlichen, dass es nicht immer nur eine Entwicklung zu einem angemessenen Umgang mit Relativität gibt, sondern auch mit Dogmatismus und Konformität auf diese Erfahrung reagiert wird.

2.3 Belenky et al.: Women´s Way of Knowing

Belenky et al. (1986) führten eine Interviewstudie dazu durch, welche Perspektiven Frauen bezüglich Wahrheit, Wissen und Autorität haben. Anlass war vor allem die Kritik an den Untersuchungen von Perry, die fast nur mit Männern durchgeführt wurden. Die Untersuchungen von Belenky et al. bestanden aus halbstrukturierten Interviews an 135 Frauen, von denen sich 90 an akademischen Institutionen befanden.

Das Modell „Women’ s Way of Knowing” beschreibt fünf verschiedene epistemologische Positionen, wie Frauen die Welt sehen, wobei nicht explizit eine Entwicklung angenommen wird.

In der Position „silence“ werden Frauen als passive, stimmlose Personen beschrieben, die lediglich Autoritäten zuhören.

Die nächste Position „received knowledge“ wird als eine „entweder/oder“ Position dargestellt. Es gibt auf Fragen nur eine wahre oder eine falsche Antwort. Wissen kann zwar reproduziert werden, aber die Entstehung von Wissen erfolgt extern.

Die Position „subjective knowledge“ ist auch dualistisch, jedoch wird Wissen als etwas angesehen, was in einem selbst liegt. Im Vergleich zu Männern in der Studie von Perry wird Wahrheit (truth) allerdings nicht so interpretiert, dass jeder das Recht auf eine eigene Meinung und damit einen eigenen Wahrheitsanspruch hat, sondern dass Wahrheit das Ergebnis einer intuitiven Reaktion ist, wobei gute Gefühle eine Rolle spielen.

„Procedural knowledge" wird als die Position beschrieben, in der Frauen begründet reflektieren und systematisch analysieren. Es wird bei dieser Position noch unterschieden zwischen „separate knowing" und „connected knowing". Ersteres wird bestimmt durch Logik und Analyse und zielt auf ein korrektes und präzises Wissen, während das Zweite charakterisiert wird durch Empathie und Zusammenarbeit und dabei auf Dialog und Verständigung abzielt. In beiden Fällen erfolgt eine Anerkennung der Vorgehensweisen bei der Erzeugung von Wissen, wobei nach der Erkenntnis gesucht wird, wie die Welt wirklich ist.

Die letzte Position wird beschrieben als „constructed knowledge“. Hier wird vermittelt zwischen prozeduralem und subjektivem, bzw. rationalem und emotionalem Wissen. Wissen wird aufgefasst als konstruiert und stark vom Konstrukteur abhängig. „All knowledge is constructed and the knower is an intimate part of the known“ (Belenky et al., 1986, S. 137). Wissen und Wahrheit sind demnach vom Kontext abhängig und damit von einem selbst. Aber diese Abhängigkeit kann konstruiert und rekonstruiert werden. Frauen in dieser Position sind hoher Ambiguität gegenüber toleranter. Die Autoren nehmen dies als Indiz für postformales operationales Denken.

2.4 Baxter Magolda: Epistemological Reflection

Ebenfalls 1986 begann Baxter Magolda eine Längsschnittstudie mit 101 zufällig ausgesuchten Studierenden einer Universität über fünf Jahre (Baxter Magolda 2002). Das Modell entstand vor dem Hintergrund der Untersuchungen von Perry sowie von Belenky et al. Es sollten vor allem geschlechtsspezifische Unterschiede erforscht werden. So war das Geschlechterverhältnis der Teilnehmenden auch ausgeglichen. Allerdings wurden nur sehr geringe Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt, die zudem mit zunehmendem Alter abnahmen.

Das „Epistemological Reflection Model" besteht aus vier Stufen, die jeweils noch nach geschlechtlichen Tendenzen unterteilt werden.

Die erste Stufe „Absolute Knowing“ wird unterteilt in „Receiving Knowledge“ und „Mastering Knowledge“. Wissen wird hier wie im Modell von Perry als absolut und unveränderbar angenommen. Jedoch unterscheiden sich die Strategien, wie dieses Wissen aufgenommen wird. Während Männer ihre eigene Rolle beim Lernen betonen und dabei Diskussionen bevorzugen, um ihr Wissen zu verfestigen, neigen Frauen eher dazu zuzuhören und mitzuschreiben. Allerdings kann diese geschlechtsspezifische Zuschreibung nur eine Tendenz angeben, da auch jeweils die andere Strategie bei beiden Geschlechtern gefunden wurde.

Die zweite Stufe wird „Transitional Knowing“ genannt. Hier wird unterschieden zwischen „Interpersonal and Impersonal Patterns“. Wissen ist in vielen Bereichen noch absolut, jedoch gibt es Bereiche, in denen es verschiedene Meinungen zu ein und demselben Thema gibt. Der Fokus wird eher auf Verstehen als auf Auswendiglernen gelegt. Die „Interpersonal Patterns“ beschreiben eine Tendenz, die mehr bei Frauen als bei Männern anzutreffen ist. Es wird vermehrt versucht, unsichere Bereiche zu erkunden und sich mit anderen zu verständigen. „Impersonal Patterns“ hingegen beschreiben die Tendenz, sich durch andere zum Denken anregen zu lassen, aber Lösungen durch Logik zu erreichen. Diese Tendenz ist meist bei Männern anzutreffen.

In die dritte Stufe des „Independent Knowing“ wirkt die vorherige Stufe hinein. Es wird unterschieden zwischen „Interindividual and Individual Patterns“. Diese Stufe wird allerdings den Untersuchungen zufolge erst in den Jahren nach dem College eingenommen. Als Ursache hierfür wird die Entscheidungsfreiheit im Beruf angeführt. Man muss Entscheidungen im Beruf treffen und ist damit freier, die eigenen Ansichten zu etablieren. Wissen wird als relativ und stark vom Individuum abhängig erfahren. Frauen entwickeln dabei in Folge der „Interpersonal Patterns“ eher die Tendenz, sich selbst stärker in Diskussionen einzubringen, da die eigene Meinung dieselbe Berechtigung hat wie andere („Interindividual Patterns"). Die „Impersonal Patterns“ führen hauptsächlich bei Männern dazu, noch stärker an der eigenen ‚logischen’ Meinung festzuhalten („Individual Patterns“).

In der vierten Stufe „Contextual Knowing“ wird diese Überzeugung von der völligen Relativität von Wissen überwunden. Wissen wird als kontextabhängig erfahren. Zudem gibt es nicht mehr so sehr die Unterscheidung zwischen richtig und falsch, sondern es wird unterschieden zwischen besser und schlechter. So wird hauptsächlich die Zusammenarbeit mit Anderen und Supervision dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Überzeugung, dass Wissen stark vom Individuum abhängig ist, ändert.

Zudem unterscheidet Baxter Magolda noch drei verschiedene Phasen in der letzten Stufe, die einen Wechsel von externen zu internen Quellen des Wissens beschreibt. In der ersten Phase werden externe „Rezepte" (formulas) für eine Entscheidungsfindung benutzt, in der zweiten Phase findet ein „searching for internal authority" statt und in der dritten ein „establishing an internal foundation for belief" (Baxter Magolda 2002, S. 97).

2.5 King/Kitchener: Reflective Judgment

Die Arbeiten von King und Kitchener (Kitchener 1983; King/Kitchener 2002) beginnen mit der Unterscheidung von cognition, metacognition und epistemic cognition. Cognition wird beschrieben als der erste Level in dem „individuals compute, memorize, read, perceive, solve problems, etc.“ (Kitchener 1983, S.222). Auf dem zweiten metakognitiven Level beobachten Individuen ihren Fortschritt beim Engagement im ersten Level. Im dritten Level „epistemic cognition, individuals reflect on the limits of knowing, the certainity of knowing, and criteria of knowing” (ebd.). Erkenntnistheoretische Annahmen beeinflussen nach Meinung der Autoren die Art und Weise, wie Individuen die „nature of problems“ (ebd.) verstehen und welche Strategien zur Bewältigung von Problemen geeignet sind. Ihre Untersuchungen führen sie zu dem Schluss, dass die Entwicklung des dritten Levels im Gegensatz zu den beiden ersten erst in der Adoleszenz und im Erwachsenenalter stattfindet. Untersucht wird diese Entwicklung durch die Beobachtung von Strategien, wie mit „ill-structured problems“ (King/Kitchener 2002, S. 38) umgegangen wird. Unter „ill-structured problems“ werden Probleme verstanden, die keine eindeutige Lösung haben und bei denen durch vernünftige Argumentation immer noch verschiedene Lösungen zustande kommen können.

Die Entwicklung der „epistemic cognition" wird mit Hilfe von sieben Stufen beschrieben, die jedoch in drei Perioden zusammengefasst werden. Zudem wird in den Stufen noch unterschieden zwischen „View of Knowledge" und „Concept of Justification" (King/Kitchener 2002, S. 41f.).

Die Periode „Pre-Reflective Thinking” besteht aus den Stufen eins bis drei:

In der ersten Stufe wird Wissen als absolut und konkret aufgefasst und kann durch direkte Beobachtung gewonnen werden. Daher ist auch keine Rechtfertigung von Wissen nötig, da ja das, was gewusst wird und das, was ist, genau dasselbe ist.

In der zweiten Stufe wird angenommen, dass Wissen absolut sicher, jedoch nicht direkt erreichbar ist, sondern über den Umweg der Sinne oder durch Autoritäten erworben wird. Falls eine Rechtfertigung des Wissens nötig sein sollte, so besteht diese darin, dass das eigene Wissen mit dem Wissen einer Autorität übereinstimmen muss.

Stufe drei ist gekennzeichnet durch die Annahme, dass Wissen absolut sicher und nur manchmal zeitweise und in wenigen Bereichen unsicher ist. Ist Wissen unsicher, so kann man sich nur auf seine eigene Meinung verlassen, bis sicheres Wissen erlangt wird. Sicheres Wissen befindet sich im Besitz von Autoritäten und die Berufung auf diese wird als Ausweis für richtiges Wissen benutzt. In unsicheren Bereichen werden Überzeugungen als Meinungen verteidigt, solange, bis die Wahrheit gefunden wird.

Die nächsten beiden Stufen werden zusammengefasst unter der Periode „Quasi-Reflective Thinking“:

Wissen ist in der vierten Stufe generell unsicher und idiosynkratisch. Dies wird damit begründet, dass situationelle Variablen „such as incorrect reporting of data, data lost over time, or disparities in access to information” (ebd. S. 41) dafür sorgen, dass Wissen immer ein Element von Ambiguität enthält. Eine Rechtfertigung von Wissen erfolgt über Begründungen, jedoch sind diese Begründungen auch idiosynkratisch.

In Stufe fünf wird Wissen als kontextuell und subjektiv erfahren, weil es durch die Aufnahme durch eine Person über bestimmte Beurteilungskriterien beeinflusst wird. Gewusst werden können nur Interpretationen von Ereignissen. Das gewonnene Wissen wird im Rahmen eines Kontextes gerechtfertigt, für den auch Regeln der Wissensfindung gelten können. Jedoch ist anderes Wissen aufgrund der Verbindung zu anderen Kontexten möglich.

Die letzte Periode in der Entwicklung besteht aus den Stufen sechs und sieben und wird als „Reflective Thinking“ bezeichnet.

In der sechsten Stufe wird Wissen als konstruiert aufgefasst. Jedoch werden Informationen aus einer Vielzahl von Quellen geschöpft. Wissen wird über die Evaluation von Evidenzen über Kontexte hinweg erworben und die Reputation von anderen Personen wird beachtet. Überzeugungen werden gerechtfertigt durch die Beachtung der Perspektiven vieler Kontexte und durch die Evaluation von Kriterien „such as the weight of the evidence, the utility of the solution, or the pragmatic need for action“ (ebd. S.42).

Die siebte und letzte Stufe wird ebenfalls bestimmt durch eine konstruktivistische Auffassung von Wissen. Betont werden aber die Begründung des Wissens und die Aktualität. Dazu gehört dann auch die erneute Bearbeitung einer Problematik, wenn „relevant new evidence, perspectives, or tools of inquiry become available" (ebd.). Gerechtfertigt wird diese Auffassung mit der Begründung, dass es unterschiedliche Überzeugungen gibt und diese unterschiedlich evident sind und unterschiedlich stark begründet werden. Es gibt aber das Risiko von Fehlern und andere Überzeugungen können andere Folgen haben und deswegen muss das komplette Zusammenspiel dieser Faktoren berücksichtigt werden. Der aus einer umfassenden Betrachtung eines Problems resultierende Schluss repräsentiert demnach „the most complete, plausible, or compelling understanding of an issue on the basis of the available evidence" (King/Kitchener 2002, S. 42).

2.6 Kuhn: Argumentative Reasoning

Kuhn (1991) untersuchte Anfang der 90er Jahre, wie Individuen in alltäglichen Problemsituationen ihre Entscheidungen begründeten. Dazu wurden ebenfalls wie bei King/Kitchener Probleme betrachtet, die keine eindeutige Lösung zuließen. Ein Teil der Untersuchung konzentrierte sich dabei auf die erkenntnistheoretische Perspektive. Es wurden Personen in vier Altersgruppen untersucht: Teenager, Twens, Personen in den 40er und Personen in den 60er Lebensjahren. In jeder Gruppe befanden sich 40 Personen, die vom Geschlechterverhältnis und vom Erziehungsstand her ähnlich waren. Es wurden Interviews durchgeführt, in denen aktuelle soziale Probleme dargestellt und die Personen nach begründenden Erklärungen gefragt wurden.

Das von Kuhn entwickelte Modell besteht aus drei Kategorien, nach denen die Individuen eingeteilt wurden.

Die „Absolutists“ betrachten Wissen als sicher und absolut. Sie benennen Fakten und Erfahrungen als die Basis von Wissen und sind sich ihrer eigenen Überzeugungen sehr sicher.

„Multiplists“ negieren hingegen die Möglichkeit von Sicherheit und sind Expertentum gegenüber skeptisch eingestellt. Sie neigen zu radikaler Subjektivität und bewerten Emotionen und Ideen höher als Fakten. Zudem schreiben sie jeder Überzeugung das gleiche Recht zu und betrachten von ihrer Position abweichende Meinungen als gleichwertig.

„Evaluativists" lehnen ebenfalls die Möglichkeit von sicherem Wissen ab, jedoch erkennen sie Expertentum an und beurteilen ihre eigene Meinung als unsicherer im Vergleich zu der von Experten. Sie sehen, dass es Vorzüge hat, verschiedene Meinungen miteinander zu vergleichen und zu evaluieren und dass dabei möglicherweise Theorien entstehen können.

2.7 Schommer: Epistemological Beliefs

Das Modell von Schommer (1990) wird noch an dieser Stelle dargestellt, obwohl es eher eine Kritik an den bisherigen Modellen bietet. Es könnte also genauso gut im nächsten Kapitel stehen.

Schommer kritisiert die Eindimensionalität und Stufeneinteilung der bisherigen Modelle. Daher entwickelte sie ein Modell, in dem fünf mehr oder weniger unabhängig nebeneinander stehende Dimensionen vorkommen. Diese Dimensionen werden bezeichnet als (1)Struktur, (2)Sicherheit und (3)Quelle von Wissen sowie als (4)Kontrolle und (5)Geschwindigkeit beim Wissenserwerb. Schommer entwickelte einen Fragebogen anhand dieser Dimensionen. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden mittels einer Faktorenanalyse bearbeitet, woraus sich vier Faktoren ergaben. Diese vier Faktoren werden beschrieben als „Fixed Ability, Quick Learning, Simple Knowledge and Certain Knowledge" (Hofer/Pintrich 1997, S. 106f.).

Diese beschreiben jeweils ein Kontinuum möglicher Einstellungen, auch wenn sie ihre Namen von der jeweils naiven Anfangsposition haben.

„Fixed Ability“ bezieht sich auf die Einstellung zu Intelligenz. Auf der naiven Seite des Spektrums wird Intelligenz als feststehend und nicht veränderbar bezeichnet und auf der anderen Seite eher als veränder- und verbesserbar.

„Quick Learning“ bezeichnet auf der einen Seite die Einstellung, dass man entweder gut und schnell lernen kann oder fast überhaupt nicht, und auf der anderen Seite die Einstellung, dass es ein Kontinuum gibt, was die Lerngeschwindigkeit und -fähigkeit anbelangt und dass diese veränderbar sind.

Mit „Simple Knowledge“ wird beschrieben, dass es eine Spannweite von Überzeugungen gibt, die von der Überzeugung, dass Wissen aus isolierten Teilen besteht, bis zu der Überzeugung reicht, dass Wissen stark miteinander verknüpfte Konzepte darstellt.

Der vierte Faktor „Certain Knowledge“ wird bezeichnet als das Kontinuum zwischen der Überzeugung, dass Wissen absolut ist, und der Überzeugung, dass Wissen konstruiert wird und sich entwickelt.

2.8 Zusammenfassung

Aus der Darstellung der Modelle wird deutlich, dass eine Entwicklung epistemologischer Überzeugungen angenommen wird, und diese konnte in den Untersuchungen auch nachgewiesen werden. Die Entwicklung beginnt bei einer naiven Vorstellung von Welt. Wissen über die Welt wird als sicher angenommen. Erst die Erfahrung von Diversität lässt ein Individuum an der Universalität von Wissen zweifeln. Es wird die erkannt, dass verschiedene Menschen auch verschiedene Meinungen haben können. Zwar kann man sich in einer solchen Situation immer noch auf die Autorität von Experten berufen, aber dieser Rettungsanker geht spätestens dann verloren, wenn die Beobachtung gemacht wird, dass sich auch Experten untereinander streiten. Dadurch und durch die Erfahrung von Selbstständigkeit mit ansteigendem Alter lässt sich auch die Entwicklung zu einem radikalen Subjektivismus erklären. Wenn sich schon die Experten untereinander streiten, dann kann es überhaupt kein sicheres Wissen geben, so die Annahme in dieser Entwicklungsstufe. Die Entdeckung, dass Wissen konstruiert wird und nicht das Ergebnis einer Abbildung von Welt ist, wird im Modell von Perry als der entscheidende Wendepunkt angenommen und besitzt auch in den anderen Modellen einen hohen Stellenwert. Jedoch reicht diese Entdeckung allein nicht aus, die Stufe des radikalen Subjektivismus zu überwinden. Wenn Wissen das Ergebnis eines Konstruktionsprozesses ist, warum sollte dann das Ergebnis des Konstruktionsprozesses einer Person den Ergebnissen von anderen Personen, und seien diese auch Experten, in irgendeinem Punkte nachstehen? Die Erkenntnis, dass Welt nicht abgebildet wird, führt aber zu dem Problem, welche Kriterien überhaupt auf Wissen angewendet werden können. Spätestens, wenn über diese Frage reflektiert wird, keimt eine Einsicht darüber auf, dass es Kriterien dafür gibt. Diese Kriterien sind nicht absolut, sondern sie gelten innerhalb der Gesellschaft in der ein

Tabelle 1

Modelle epistemologischer Überzeugungen (in Anlehnung an Tabellen von Hofer/Pintrich, 1997, S. 92 und Brownlee et al., 2002, S. 6)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Individuum lebt. In den einzelnen Modellen wird dies allerdings so nicht explizit dargestellt. Wenn Perry von „Commitment within Relativism“ schreibt, oder Baxter Magolda von „Contextual Knowing“, so wird aber deutlich, dass es in diesen Stufen auch um die Anerkennung dessen geht, was bisher als Wissen galt. Einen Endpunkt in der Entwicklung epistemologischer Überzeugungen zu definieren, ist bei allen Modellen der schwierigste und umstrittenste Aspekt. So konnten in den Untersuchungen von Perry auch keine empirischen Nachweise für die letzten Positionen (Position sieben bis neun in der Kategorie „Commitment within relativism“) erbracht werden. Zudem werden die Darstellungen eines möglichen Endpunktes in der Entwicklung sicherlich auch stark von den Überzeugungen der Autoren der Modelle abhängen. Für eine bessere Übersicht werden die Modelle in Tabelle 1 vergleichend dargestellt.

Darin wird deutlich, dass die Modelle sich grundsätzlich kaum unterscheiden. Dies kann aber auch daran liegen, dass sich fast alle Modelle explizit auf das Modell von Perry beziehen. Die Terminologien weichen jedoch voneinander ab und die Zäsuren bei der Feststellung einzelner Entwicklungsstufen sind unterschiedlich. Hofer und Pintrich haben in ihrem Aufsatz von 1997 die meisten der hier dargestellten Modelle bereits miteinander verglichen. Dabei lässt sich das Spektrum der Entwicklung über alle Modelle hinweg meiner Meinung nach am ehesten als eine Entwicklung von naiven hin zu sophistischen und konstruktivistischen Überzeugungen beschreiben. Der Begriff ‚sophistisch’ wird in diesem Zusammenhang aus pragmatischen Gründen als die Übersetzung des Begriffes ‚sophisticated’ (vgl. Schommer 1990) benutzt, da es eine Vielzahl möglicher lexikalischer Entsprechungen in der deutschen Sprache gibt, wobei der englische Begriff jedoch positivere Konnotationen als der deutsche Begriff hat, dem eher der Begriff ‚sophistic(al)’ entspricht.

Im folgenden Kapitel werden neuere Ansätze und Ergänzungen vorgestellt. Eine Unterscheidung zwischen Weiterentwicklungen und Alternativvorschlägen erscheint allerdings sehr schwierig, da die Grenzen fließend sind.

3. Neuere Ansätze und Ergänzungen

Im Anschluss an die vorgestellten Modelle wird in diesem Kapitel eine Arbeit von Brownlee et al. (2002) vorgestellt, die ein Rahmenmodell entwickelt haben, um Erkenntnisse zu studentischem Lernen zu integrieren. Die Arbeiten von Hammer und Elby (2000, 2002) beziehen sich ebenfalls auf die genannten Modelle und kritisieren dabei eine Nichtbeachtung von Kontexten sowie Auswirkungen auf die Produktivität von Lernprozessen. Die Rezension von Mayer (2003) verdeutlicht überblickshaft die bisherigen Probleme der zusammengefassten Arbeiten im Sammelband „Personal Epistemology" (Hofer/Pintrich 2002). Im letzten Unterkapitel erfolgt die Darstellung von Arbeiten, die im „Journal of Constructivist Psychology“ erschienen sind, und zu den bisher dargestellten Modellen fast keinen Bezug haben, sich aber dennoch mit demselben Thema beschäftigen.

3.1 Brownlee et al.: Core Beliefs and Peripheral Beliefs

Brownlee et al. (2002) kritisieren den Umstand, dass bisher zwar in den Modellen zu epistemologischen Überzeugungen auch Überlegungen dazu dargestellt wurden, wie diese Überzeugungen sich auf das Lernen auswirken, dass es aber bisher keine Versuche gegeben hat, diese Einflüsse mithilfe eines Modells zu beschreiben. Sie haben daher ein „framework for conceptualising epistemological beliefs holistically as both core beliefs about knowing and peripheral beliefs about learning” (ebd., S. 7) entwickelt, in dem sie sich vor allem auf eine Arbeit von Milton Rokeach (1968) beziehen.

Rokeach unterscheidet fünf verschiedene Typen von Überzeugungen einer Person, die entlang eines Kontinuums von zentral zu peripher existieren. Dabei sind zentrale Überzeugungen mit anderen stärker verknüpft und zudem schwerer zu verändern. Periphere Überzeugungen hingegen stehen mehr für sich allein, werden aber durch zentralere Überzeugungen beeinflusst und lassen sich leichter ändern.

Überzeugungen des Typs A werden von Rokeach als zentral beschrieben. Sie sind existenziell, werden mit anderen geteilt, sind dabei aber oft auch unbewusst und beziehen sich auf die Verlässlichkeit der eigenen Sinne oder auf Autoritäten als Quellen von Wissen. Diese epistemologischen Überzeugungen werden als nicht hinterfragt beschrieben, sodass einem die Möglichkeit von Alternativen, „(…) for example that our senses may not be a reliable way of knowing" (Brownlee et al., 2002, S. 7), nicht in den Sinn kommen muss.

Überzeugungen des Typs B sind nach Rokeach von primitiver Natur und müssen nicht mit anderen geteilt werden. Dies sind zum Beispiel Phobien, Wahnvorstellungen oder selbstbezogene Überzeugungen.

Typ C-Überzeugungen hingegen werden als ähnlich zu Typ A-Überzeugungen betrachtet, nur dass diese Überzeugungen bewusst reflektiert sind. Sie entstehen aus dem Bewusstsein, dass externe Wissensquellen und die eigenen sensorischen Erfahrungen fehlbar sein können. Es wird zwar Autoritäten vertraut, aber festgestellt, dass man nicht immer mit ihnen übereinstimmen muss. Diese Überzeugungen werden von Rokeach als sehr wichtig erachtet und obwohl sie peripherer sind als die Typ A- und Typ B-Überzeugungen, so sind sie doch ähnlich schwer zu verändern.

Überzeugungen, die als Typ D charakterisiert werden, sind diejenigen, die man als erworben erlebt. Beeinflusst wird der Erwerb solcher Überzeugungen durch die Überzeugungen zentraleren Typs. So kann man entweder an externe Wissensquellen glauben und anhand dieser dann Überzeugungen über die Welt erwerben, oder aber man betrachtet sich selbst als einen Konstrukteur von Wissen und beruft sich dann auf eigene Erfahrungen.

Typ E-Überzeugungen sind nach Rokeach diejenigen, die in Verbindung stehen mit dem persönlichen Geschmack. Sie sind leicht veränderbar und haben in der Regel keine Auswirkungen auf zentralere Überzeugungen.

Brownlee et al. beschreiben Überzeugungen bezüglich Wissen als diejenigen des Typs A und C und Überzeugungen die das Lernen betreffen als solche des Typs D. Für sie haben die Ansichten über Wissen also nach diesem Modell einen zentraleren Stellenwert als Ansichten über Lernen. Eine ähnliche Unterscheidung treffen Hofer und Pintrich (1997), auf die sich Brownlee et al. auch beziehen. Ohne das Modell von Rokeach zu erwähnen, machen Hofer und Pintrich dieselbe Unterscheidung von zentralen und peripheren Überzeugungen. Sie schlagen sogar vor, das Konstrukt „Epistemologische Überzeugungen“ auf „… beliefs about the nature of knowledge and the processes of knowing“ (Hofer/Pintrich, 1997, S. 117) einzuschränken und grenzen sich damit vor allem vom Modell Schommers ab. Sie glauben, „… that this delimination of the construct will provide clarity to the research and theorizing in the field ...” (ebd.).

Brownlee et al. stellen sich auch die Frage, inwieweit solche zentraleren Überzeugungen generalisierbar sind, oder ob sie nur kontextspezifisch sind. Es werden einige Untersuchungen angeführt, die eine Generalisierbarkeit vermuten lassen und andere, die feststellen, dass auch solche zentralen Überzeugungen kontextspezifisch sind. Mit Bezug auf Hofer und Pintrich, die ebenfalls dieses Problem erkannt haben, weisen sie darauf hin, dass eine Debatte hierüber stattfindet und weiterführende Diskussionen nötig sind.

Bezugnehmend auf Untersuchungen zum studentischen Lernen stellen sie fest, dass sophistische epistemologische Überzeugungen effektives Lernen fördern. Sie betonen daher, dass Lehrer die Schüler darin unterstützen sollen, über ihre epistemologischen Überzeugungen zu reflektieren, sodass eine Entwicklung sophistischerer Überzeugungen möglich wird und „constructivist learning behaviours occur" (Brownlee et al. 2002, S. 13).

3.2 Hammer/Elby: Correctness and Productivity; Contextuality

Hammer und Elby kritisieren in ihren Texten die Eindimensionalität in den Modellen epistemologischer Überzeugungen (Hammer/Elby 2000, 2002; Elby/Hammer 2001). Es werden weder Kontexte beachtet noch wird bei der stets positiven Beschreibung sophistischer epistemologischer Überzeugungen darauf eingegangen, inwieweit solche Überzeugungen auch für das Lernen wirklich förderlich sind. Ihrer Meinung nach führen auch gerade diese Vernachlässigungen bei den empirischen Untersuchungen zu fehlerhaften Ergebnissen. Hammer und Elby arbeiten mit vielen Beispielen und machen deutlich, dass die Eindimensionalität der Modelle der Komplexität dieses Themas nicht angemessen ist. Gerade bezüglich der Kontextualität werden viele Probleme dargestellt, die deutlich machen, dass Überzeugungen z. B. nicht über alle Domänen hinweg gleich sind. So werden Informationen in den naturwissenschaftlichen Domänen weniger kritisch betrachtet als Informationen aus den Geisteswissenschaften. Wissen wird in einem Bereich als sehr sicher angenommen, während in anderen Bereichen Wissen immer nur als Vermutung interpretiert wird. Bei der kritischen Betrachtung der Untersuchungen mit Fragebögen wird für sie schnell deutlich, dass es einen großen Einfluss hat, für welchen Bereich man die Frage nach der Sicherheit von Wissen stellt. So beeinflussen die Fragen je nach Kontext die Einschätzung, ob jemand naive Überzeugungen hat oder sophistische. Neben dieser Kritik, die vor allem auch auf die Methoden der Erhebung von epistemologischen Überzeugungen abzielt, wird vor allem deutlich, dass epistemologische Überzeugungen sehr wohl vom Kontext abhängen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Epistemologische Überzeugungen - Zur Didaktik des Verhältnisses zur Welt
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Pädagogik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
86
Katalognummer
V26253
ISBN (eBook)
9783638286510
Dateigröße
1154 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Epistemologische, Didaktik, Verhältnisses, Welt
Arbeit zitieren
Dipl. Päd. Wolfgang David (Autor:in), 2004, Epistemologische Überzeugungen - Zur Didaktik des Verhältnisses zur Welt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26253

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