Das moralische Urteil im Spannungsfeld von Form und Inhalt. Nabokov und Camus im Vergleich


Hausarbeit, 2011

11 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

1. Die Ethik der moralischen Gefühle als Grundlage

2. Die Kunstform des Romans und der Perspektivwechsel

3. Vergleich der Werke in Bezug auf Form, Inhalt und moralischem Urteil
3.1 Inhalt der Bücher
3.2 Das moralische Urteil

4. Fazit

Einführung

Diese Ausarbeitung vergleicht die Romane Lolita von Vladimir Nabokov[1] aus dem Jahre 1955 und Albert Camus‘ Der Fremde von 1942.[2] Ziel soll es sein, die Frage zu beantworten ob und inwieweit die narratologische Form und Ausgestaltung Einfluss auf das persönliche moralische Urteil nehmen kann. Dazu unternehme ich zunächst ein philosophisch-historischen Rückblick auf die Theorie der moralischen Gefühle von Adam Smith[3] und beziehe mich dabei aber auch auf David Hume.[4] Darauf wird ein Absatz folgen, der sich mit dem Roman als moralisches Leitbild beschäftigt und die Bedingungen für das ethisch-hinterfragende Lesen feststellt. Zuletzt soll natürlich erläutert werden, wie die Eingangsfrage überhaupt beantwortet werden kann, bzw. ob dies überhaupt in ihrer Vollständigkeit möglich ist. Ich habe diese beiden Bücher gewählt, weil sie in ihren Leitmotiven Ähnlichkeiten aufweisen aber gleichzeitig so in ihrer Form variieren, dass sie sich für einen solchen Vergleich anbieten.

1.Die Ethik der moralischen Gefühle als Grundlage

Im Verlauf des Vergleichs der beiden Werke wird das Wissen um die Grundlagen des Perspektivwechsels und des Begriffs der Sympathie unerlässlich sein. Deshalb sollen im Folgenden die Grundzüge dieses Ethikkonzepts dargelegt werden, für welches die Philosophen David Hume und Adam Smith stellvertretend zu Wort kommen.

Um mit David Hume anzufangen, ist zunächst seine Frage „Warum Nützlichkeit gefällt“ aufzuführen. Für ihn ist Nützlichkeit der Kerngedanke alles moralisch Guten, der Ursprung aller moralischen Qualität. Doch worin besteht zunächst diese Nützlichkeit? Im Grunde lässt sich erstens festhalten, dass die Person als ein Teil der Gesellschaft zu betrachten ist. Zweitens spielt hier der Aspekt des Wohlwollens eine Rolle: Eine Person – ein Teil eben dieser Gesellschaft – genießt Wohlwollen eines jeden Anderen wenn sie etwas tut, was der Gesellschaft nützlich ist. Da aber die Person wie gesagt auch ein Teil der Gesellschaft ist, ist ihr mit Wohlwollen entgegnetes Handeln auch ein Gewinn für sie selbst. Außerdem ist diese Art von Einstellung auch als Triebfeder zu verstehen, muss man doch einwenden, dass wir als Nutznießer nützlicher Taten gern unseren Beifall schenken und andersherum auch diesen Beifall schätzen, wenn wir etwas Nützliches vollbringen. So lässt sich auch der Begriff der Eigenliebe einbetten, bedenke man, dass Egoismus zwar Abscheu hervorruft aber die Eigenliebe als vorherrschendes Gefühl wichtig ist. Der Grund dafür liegt im Grunde im oben Gesagten; das nützliche Verhalten des anderen gefällt weil es mir nützt und mein resultierendes Wohlwollen lässt positive Gefühle in meinem Gegenüber wachsen, die er auf Grund seiner Eigenliebe „braucht.“ Es ergibt sich also ein Wechselverhältnis von Handlungen und Wohlwollen wenn man Humes Werk betrachtet: „So hoch wie wir unser eigenes Glück und Wohlergehen bewerten, so nachdrücklich müssen wir auch einer gerechten und menschenfreundlichen Handlungsweise Beifall spenden, durch die allein der gesellschaftliche Bund aufrecht erhalten werden und aufgrund derer allein jeder die Früchte gegenseitigen Schutzes und gegenseitiger Hilfe ernten kann.“ [5]

Vor dem Hintergrund dieser Gedanken, ist Adam Smiths Theorie der ethischen Gefühle der nächste Ansatzpunkt. Hier tauchen die oben erwähnten Begriffe explizit auf. Genauso lässt sich der Begriff des Wohlgefallens wiederfinden, der im Zusammenhang mit der Sympathie eine prägnante Explikation erfährt.

„Was auch immer jedoch die Ursache der Sympathie sein und auf welche Weise sie auch erregt werden mag, sicher ist, daß nichts unser Wohlgefallen mehr erweckt, als einen Menschen zu sehen, der für alle Gemütsbewegungen unserer Brust Mitgefühl empfindet, und daß uns nichts so sehr verdrießt, als wenn wir an einem Menschen kalte Gefühllosigkeit beobachten.“[6]

Adam Smith zeigt, dass der Perspektivwechsel das zentrale Moment von sozialem Zusammenleben ist. Anhand eines Gedankenmodells sieht man das idealtypische Szenario von Handlungsbewertungen: Eine Person erfährt durch eine zweite Schaden. Die Gefühle des Leidenden sind sichtbar. Die dritte Perspektive wird von einem Beobachter eingenommen, der von der gesamten Aktion weder physisch noch indirekt betroffen ist. Trotzdem fällt es ihm nicht schwer, die Verletzung als schlecht zu bewerten. Genauso wäre es bei einer „Rachehandlung“ – zwar ist der Zorn des erst Verletzten nachvollziehbar doch ist sein Verhalten aus der Sicht des Beobachters nicht gerechtfertigt, nicht gut. Jetzt ist es wichtig zu betonen, dass es sich hier um ein Modell handelt. Hier soll weniger eine Situation beschrieben werden. Vielmehr soll der Begriff der Unparteiligkeit veranschaulicht werden. Deshalb ist die unabhängige und unbeeinflusste Position des Beobachters wichtig.

Der nächste Schritt ist, die Person des Beobachters aufzulösen. Gemeint ist damit das Bestreben, handelnde und erleidende Person zu befähigen, zu jeder Zeit jede Position – auch die eines unabhängigen Beobachters – einzunehmen. „Suchet den Umgang mit Fremden, […]“ [7]

In dieser aphoristischen These konzentriert sich das gesamte Vorgehen des Perspektivwechsels insgesamt.

Zusammen mit diesen Beobachtungen ist also der Ausdruck Sympathie maßgeblich. Heute würde man wahrscheinlich dazu tendieren, ihn mit Empathie zu übersetzen. Unabhängig davon steht der Inhalt des Begriffs, welcher eine Fähigkeit sich in die Lage einer jeden anderen Person zu versetzen beschreibt. Es gilt also, mit der Aufforderung bezüglich des Fremden, diese Fähigkeit zu schulen und dabei im Hinterkopf zu behalten, dass Adam Smith diese Fähigkeit mit Annahme eines moralischen Sinns als basale Eigenheit des Menschen offenlegt.

[...]


[1] Vladimir Nabokov, Lolita, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2001.

[2] Albert Camus, Der Fremde, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011.

[3] Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, hrsg. Von W. Eckenstein, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1977.

[4] David Hume, Eine Untersuchung der Grundlagen der Moral, hrsg. von K. Hepfer, Vandenhoeck/Ruprecht, Göttingen 2002.

[5] David Hume, Op. Cit., Seite 44.

[6] Adam Smith, Op. Cit., Seite 9.

[7] Ebenda, Seite 243.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Das moralische Urteil im Spannungsfeld von Form und Inhalt. Nabokov und Camus im Vergleich
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
11
Katalognummer
V262555
ISBN (eBook)
9783656508427
ISBN (Buch)
9783656508786
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Albert Camus, Vladimir Nabokov, Ethik, Moral, Kunst, Empathie, Moralische Gefühle, Lolita, Der Fremde
Arbeit zitieren
Florian Risch (Autor:in), 2011, Das moralische Urteil im Spannungsfeld von Form und Inhalt. Nabokov und Camus im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262555

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