Die Entwicklung des deutschen Roadmovie-Romans im Kontext gesellschaftlicher Umbruchsprozesse

Peter Handkes "Der kurze Brief zum langen Abschied", Christian Krachts "Faserland" und Thomas Klupps "Paradiso"


Magisterarbeit, 2012

102 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

2. Die Entstehung des Roadmovie-Romans im Kontext der Umbruchsprozesse in den westlichen Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg
2.1 Jack Kerouacs On the Road als Prototyp des Roadmovie-Romans
2.2 Sozialwissenschaftliche Analyse von On the Road auf der Basis von Ulrich Becks Individualisierungs-These, Heiner Keupps Theorie der „Patchwork-Identität“ und Gerhard Schulzes Theorie der „Erlebnisgesellschaft“

3. Peter Handkes Roadmovie-Roman Der kurze Brief zum langen Abschied (1972)
3.1 Peter Handkes Der kurze Brief zum langen Abschied als Phänomen der „neuen Innerlichkeit“ in der deutschsprachigen Literatur der 1970er-Jahre
3.2 Der kurze Brief zum langen Abschied als Geschichte der „Freisetzung“, „Entzauberung“ und „Reintegration“ des Protagonisten

4. Christian Krachts Roadmovie-Roman Faserland (1995)
4.1 Christian Krachts Faserland als literarische Provokation der „Alt-68er“ und Manifest der „Erlebnisgesellschaft“
4.2 Die Reise des Protagonisten in Faserland als misslungener Versuch, einen individuellen Lebensstil in der „Erlebnisgesellschaft“ zu behaupten

5. Thomas Klupps Roadmovie-Roman Paradiso (2009)
5.1 Thomas Klupps Paradiso als Phänomen der „neuen Ernsthaftigkeit“ in der deutschen Literatur der 2000er-Jahre
5.2 Die Reise des Protagonisten in Paradiso im Zeichen des Existenzkampfes im bedrohten „Selbstverwirklichungsmilieu“

6. Schluss

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nach der Veröffentlichung von Peter Handkes Der kurze Brief zum langen Abschied im Jahr 1972 fand sich die aus dem Filmjargon stammende Genre-Bezeichnung „Roadmovie“ in kaum einer der Rezensionen. Im Allgemeinen versuchte man sich stattdessen mit den Begriffen literarischer Gattungen zu behelfen, die traditionellerweise mit dem Reisemotiv in Verbindung stehen:

„Auch darin liegt ein Anklang an die Bildungsromane der Tradition: Der Grüne Heinrich unternimmt eine große Ausfahrt, Anton Reisers Name schon deutet auf seinen Bewegungsdrang, und Wilhelm Meister schließt sich gar an fahrendes Volk an. Bei Handke für die Reise durch die USA […].“ [1]

Auch im Rahmen der Veröffentlichung von Christian Krachts Faserland im Jahr 1995 wurde der Begriff „Roadmovie“ kaum verwendet. Immerhin wurde Krachts Roman vereinzelt, wie beispielsweise in einer Rezension in Der Spiegel [2], in Zusammenhang mit Jack Kerouacs Roadmovie-Roman On the Road gebracht.

Mittlerweile scheint sich der Begriff „Roadmovie“ bei Literaturkritikern etabliert zu haben. In der Folge der Veröffentlichung von Thomas Klupps Paradiso (2009), einem der erfolgreichsten Roadmovie-Romane der jüngeren Vergangenheit fand er sich in der Mehrheit der Rezensionen.

Trotz der zunehmenden Verbreitung des Begriffs „Roadmovie“ sowie der seit den 1960er-Jahren anhaltenden Popularität der Roadmovie-Romane bei der deutschen Leserschaft finden sich im deutschsprachigen Raum erstaunlicher Weise kaum literaturwissenschaftliche Untersuchungen, die sich ausführlich mit den Eigenheiten des Genres auseinandersetzen. Da das „Leitmedium“ des Genres spätestens seit der „Blütezeit“ der „filmischen Roadmovies“ [3] in den 1970er-Jahren der Film war und es sich zudem ursprünglich um ein dezidiert amerikanisches Genre handelte, ist die überwiegende Mehrheit wissenschaftlicher Arbeiten über das Roadmovie filmwissenschaftlichen Ursprungs und wurde zumeist von amerikanischen Autoren verfasst. Als einer der ersten deutschsprachigen Filmwissenschaftler befasste sich Martin Bertelsen in Roadmovies und Western: Ein Vergleich zur Genre-Bestimmung des Roadmovies (1991) mit dem Genre, insbesondere dem Problem einer präzisen Genre-Definition. Im Rahmen seiner Recherche stellte Bertelsen fest, dass es „common sense“ sei, Auto, Highway und Reisemotiv als Genre-konstituierende Elemente anzusehen. [4] Bertelsen ging seinerseits der Frage nach, ob es Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA und der Entstehung des Roadmovies gibt. Dabei erarbeitete er eine Genre-Definition, in der das Roadmovie als moderne Version des Western-Films aufgefasst wird. Bertelsen stützte diese These unter anderem mit der Beobachtung einer Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen Western-Helden und „Roadmovie-Helden“, die sich beide durch Freiheitsstreben, Draufgängertum und Außenseitertum auszeichnen. [5]

Einer der wesentlichen Unterschiede, die Martin Bertelsen zwischen den beiden Heldentypen feststellte, war dagegen, dass der „Roadmovie-Held“ im Gegensatz zu den Western-Helden in einer allgegenwärtigen Zivilisation „gefangen“ ist. Das ununterbrochene Autofahren des Roadmovie-Helden interpretierte Bertelsen vor diesem Hintergrund nicht als Symbol eines befreienden Ausbruchs aus der Gesellschaft, sondern als Symbol einer Suche nach einer freieren Lebensform innerhalb der Gesellschaft.

Mit seiner Analyse des Roadmovies stellte Martin Bertelsen unter Beweis, dass ein wesentlicher Grund für die Popularität des Genres seit seiner Entstehung darin gründete, dass die Roadmovies im Gegensatz zu den Western-Filmen in einer Gegenwart spielten, in der sich die Lebenswirklichkeit der Zuschauer widerspiegelt. Dass das „Identifikationsangebot“ der Protagonisten der Roadmovies vor allem ein junges Publikum ansprach, wurde oft vorschnell dem Aufleben der Gegenkulturen in den westlichen Gesellschaften in den 1960er-Jahren zugeschrieben. Der rebellische Gestus der Roadmovie-Helden Billy und Wyatt aus dem Film Easy Rider schien die rebellische Haltung einer ganzen Generation zu repräsentieren. In derart einseitigen politischen Interpretationen des Genres wird allerdings vergessen, dass der „literarische Prototyp“ des Roadmovies, nämlich Jack Kerouacs Roadmovie-Roman On the Road (1957), aus einer Zeit stammt, in der die Jugendkultur noch nicht von politischen Zielen vereinnahmt war. So wurden politische Fragen, die angesichts des Kalten Krieges durchaus vorhanden waren, in On the Road nicht direkt thematisiert.

Vielmehr bestätigt ein Blick auf die Reise von Kerouacs Protagonisten Sal Paradise Martin Bertelsens Beobachtung, dass die Protagonisten der Roadmovies in der Regel nicht gegen die Gesellschaft rebellieren, sondern vielmehr versuchen würden, eine freiere Lebensform innerhalb der Gesellschaft zu finden. [6] Dass die in On the Road dargestellte Suche nicht zu einem uneingeschränkt erfolgreichen Ende kommen würde, nahm Jack Kerouac bereits mit dem Titel seines Roadmovie-Romans vorweg. Mit der Verwendung der amerikanischen Redewendung On the Road bezog sich Kerouac auf das typisch amerikanische Nomadentum, das sich bis in die Zeit der Pioniere zurückverfolgen lässt, und suggerierte damit, dass auch die neuen Lebensformen von Rastlosigkeit und Orientierungslosigkeit geprägt sein würden. Dass die Mobilität dieses neuen Nomadentums von einer außer-ordentlichen Dynamik geprägt war, wurde beim Lesen von On the Road schnell deutlich. Sal und seine Freunde befinden sich in ständiger Bewegung, legen im Verlauf ihrer Reisen mehrere Tausend Kilometer zurück und probieren dabei immer jene neue Lebensformen aus, die ihnen die sich im Aufbruch befindende amerikanische Gesellschaft bietet.

In Anbetracht der Tatsache, dass die gesellschaftlichen Umbruchsprozesse und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Entwicklung junger Menschen für ein Verständnis von On the Road von derart zentraler Bedeutung sind, liegt es nahe für die Untersuchung von Kerouacs Roadmovie-Roman sozialwissenschaft-liche Theorien hinzuziehen, die eine Analyse der damaligen, gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichen. Einer der prominentesten deutschen Sozial-wissenschaftler, der sich mit den fraglichen gesellschaftlichen Umbruchsprozessen auseinandergesetzt hat, ist Ulrich Beck. In Risikogesellschaft (1986) beschrieb Beck das enorme Wohlstandswachstum der westlichen Nachkriegsgesellschaften in den 1950er-Jahren als „Fahrstuhleffekt“. Infolge dieses Effekts begann laut Beck der Prozess der Individualisierung, in dem sich die ehemalige „Klassengesellschaft“ in eine Reihe von nebeneinander liegenden sozialen Milieus ausdifferenzierte, so dass die Individuen zunehmend sich selbst überlassen wurden. Den Vertretern der jungen Generation, denen Jack Kerouacs On the Road zum Manifest werden sollte, boten sich gemäß Becks Theorie neue Chancen, aber auch neue Risiken.

Auf Ulrich Becks Individualisierungs-These soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit in Punkt 2.2 eingegangen werden. Ferner werden in Punkt 2.2 zwei weitere bekannte Theorien eingeführt, die unter Bezugnahme auf Becks Individualisierungs-These erarbeitet wurden, nämlich die Theorie Gerhard Schulzes, die in Die Erlebnisgesellschaft (1992) entwickelt wurde, sowie die Theorie Heiner Keupps, die in Identitätskonstruktionen - Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne (2006) formuliert wurde. Im Gegensatz zu Beck liefern Schulze und Keupp in ihren Werken ein Instrumentarium, mit dem individuelle Verhaltensweisen angesichts der Herausforderung der Individualisierung erfasst werden können.

Schulzes Theorie ermöglicht die Ermittlung des „Individualisierungs-Fortschritts“ der amerikanischen Gesellschaft der 1950er-Jahre sowie die Interpretation der Suche des Sal Paradise als Phänomen einer neuen, kollektiven „Erlebnis-orientierung“. Mithilfe der Theorie Heiner Keupps kann hingegen untersucht werden, welche psychologischen Anforderungen die Individualisierung an die Individuen in den 1950er-Jahren stellte und welche Strategien bzw. „Ressourcen“ als Voraussetzung dafür angesehen werden können, die neuen Herausforderungen zu meistern.

Nachdem die Theorien Gerhard Schulzes und Heiner Keupps in Punkt 2.2 eingeführt wurden, soll in einem zweiten Schritt versucht werden, die Suche Sal Paradises nach einer freien Lebensform, die zuvor in Punkt 2.1 nachvollzogen wurde, unter Zuhilfenahme der Theorien Schulzes und Keupps zu analysieren. Die Erkenntnisse dieser sozialwissenschaftlichen Analyse von On the Road sollen in der folgenden Untersuchung der Roadmovie-Romane Peter Handkes, Christian Krachts und Thomas Klupps als Richtmaß dienen, mit dessen Hilfe in den Punkten 3.2, 4.2 und 5.2 die Entwicklung des deutschen Roadmovie-Romans im Kontext gesellschaftlicher Umbruchsprozesse aufgezeigt werden soll.

Um die gesellschaftlichen Umbruchsprozesse mit der in den Roadmovie-Romanen dargestellten Wirklichkeit vergleichen zu können, wird zu Beginn der Punkte 3, 4 und 5 ein kurzer Überblick über die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland zum Zeitpunkt der jeweiligen Veröffentlichung gegeben werden.

Bei der Auswahl geeigneter Roadmovie-Romane, die die Analyse der Entwicklung des Genres über einen längeren Zeitraum ermöglichen, erwies sich Peter Handkes Der kurze Brief zum langen Abschied als nahezu unerlässlich. Handkes Roman aus dem Jahr 1972 repräsentiert eines der frühen Musterbeispiele des Genres innerhalb der deutschsprachigen Literaturlandschaft und weist eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit den amerikanischen Vorbildern auf.

Christian Krachts Faserland bietet sich für eine Untersuchungder Entwicklung des deutschen Roadmovie-Romans aufgrund der Tatsache an, dass infolge der Veröffentlichung und des außerordentlichen Erfolgs Ende der 1990er-Jahre eine regelrechte „Blütezeit“ deutscher Popliteratur einsetzte, deren Folgen bis in die Gegenwart spürbar sind. Dass sich die Auswirkungen dieser „Blütezeit“ bis heute bemerkbar machen, zeigte sich im Rahmen der Veröffentlichung von Thomas Klupps Paradiso. Klupps Roadmovie-Roman, der im Rahmen der vorliegenden Arbeit Aufschluss darüber geben soll, wie sich das Genre innerhalb der deutschen Literaturlandschaft gegenwärtig entwickelt, wurde von den Rezensenten wiederholt in eine Traditionslinie mit Krachts Faserland gebracht.

Im Rahmen der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist Christian Krachts Roadmovie-Roman aus einem weiteren Grund von Interesse. Infolge der Veröffentlichung von Faserland entfaltete sich nämlich eine intensive Literaturdebatte, die inhaltliche Parallelen zur „Fiedler-Debatte“ des Jahres 1968 aufwies. Symptomatisch für die „Neuauflage“ dieser Debatte im Jahr 1995 war die Spaltung der Positionen in zwei unterschiedliche Lager. Vertreter der „hohen Kultur“, die sich unter anderem an der vermeintlichen literarischen Minderwertigkeit Faserlands störten, und das Lager derer, die wie einst Leslie Fiedler dazu aufriefen, den „Graben“ zwischen „hoher Kultur“ und Massenkultur zu schließen, standen sich unversöhnlich gegenüber. Die Tatsache, dass ausgerechnet ein Roadmovie-Roman, siebenundzwanzig Jahre nachdem Leslie Fiedler seine Vorstellungen postmoderner Literatur vorgetragen hatte, derart emotionale Reaktionen zu provozieren vermochte, legt nahe, dem Literatur-verständnis, das in Überquert die Grenze, schließt den Graben! entwickelt wurde, in der folgenden Untersuchung besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Um die stilistischen Charakteristika, die den Genre-Konventionen des Roadmovie-Romans geschuldet sind, besser von den stilistischen Besonderheiten Peter Handkes, Christian Krachts und Thomas Klupps abgrenzen zu können, wird in den Punkten 3.1, 4.1 und 5.1 versucht werden, den jeweiligen Roadmovie-Roman sowohl in den Kontext der zeitgenössischen Literaturlandschaft als auch in den Kontext des Werks des betreffenden Autors bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einzuordnen.

2. Die Entstehung des Roadmovie-Romans im Kontext der Umbruchsprozesse in den westlichen Gesellschaften nach dem Zweiten Weltkrieg

Obwohl Jack Kerouac seinen Roadmovie-Roman On the Road bereits Anfang der 1950er-Jahre verfasst hatte, war das Medium, das das Genre in der Folge für sich vereinnahmte, insbesondere nach dem Erfolg von Easy Rider im Jahr 1969, der Film. Das „filmische“ Roadmovie entstand in den USA vor dem Hintergrund des Niedergangs des „klassischen Hollywood“. In dieser auch als „Golden Age“ bezeichneten Zeit hatten sich neben einer Reihe von großen Filmstudios eine Riege großer Regisseure und Schauspielerstars sowie diverse populäre Genres mit jeweils festgeschriebenen, spezifischen Konventionen etabliert. Dabei war den meisten Genres gemeinsam, dass die gemäß den Konventionen hervorgebrachten Filme darauf abzielten, die gesellschaftliche Situation in den USA geschönt darzustellen und auf diese Weise den Mythos des amerikanischen Traums zu festigen. [7]

Nach 1945 gerieten die etablierten Filmstudios allerdings infolge einer neuen Gesetzgebung, die den Filmmarkt in den USA liberalisierte und den Weg frei machte für die Neugründung von unabhängigen Studios sowie infolge der gesellschaftlichen Dynamik der Nachkriegszeit in den USA zunehmend unter wirtschaftlichen Druck.

Die fortschreitende Verbreitung von Autos führte dazu, dass die Menschen in die Vorstädte zogen, in denen es zur damaligen Zeit noch kaum Kinos gab. Die sich dort niederlassende Mittelschicht entwickelte infolge des „Babybooms“ bald einen neuen Trend zur Häuslichkeit. Darüber hinaus verbreitete sich das Fernsehen so rasch, dass bereits Ende der 1950er-Jahre neunzig Prozent aller amerikanischen Haushalte mit einem Fernsehgerät ausgestattet waren und von nun an ihr Programm individuell wählen konnten.

Der „Babyboom“ führte nicht nur zu einer neuen Häuslichkeit, sondern auch dazu, dass das Kinopublikum in den folgenden Jahren immer jünger wurde. Dieses nun heranwachsende Publikum war „medial gereifter“ und „filmerfahrener“ [8] als die Generation der Eltern und somit bekam das „klassische Hollywood“ den Hunger nach innovativen Filmen zu spüren. Da sich die großen Studios nicht in der Lage zeigten, dieses Verlangen zu stillen, wurden neue, von Hollywood unabhängige Produktionsfirmen gegründet, die sich die entstandene Marktlücke zunutze machten. Die ersten unabhängigen Produktionsfirmen, die es schafften, sich neben den Hollywood-Studios auf dem Markt zu positionieren waren, die Exploitation-Independent-Studios. [9]

Im Gegensatz zu den großen Studios waren die „Exploitation-Independents“ in der Lage, mit ihrer billigen, aber schnellen Produktionsweise zeitnah auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen insbesondere Entwicklungen in der Jugendkultur zu reagieren. Jugendrelevante Themen, die im „klassischen Hollywood“ Tabu waren, wie z.B. Drogenkonsum oder außerehelicher Geschlechtsverkehr, trugen dazu bei, die Popularität der Exploitationsfilme bei der jungen Generation zu festigen.

Die Filmemacher dieser unabhängigen Studios nutzten für ihre „Exploitationsfilme“ häufig erfolgreiche Hollywood-Genres wie z.B. Western-Filme und reicherten diese mit einem Übermaß an „Action“ und „Schaulust“ an. Allerdings wurden dabei auch neue Genres geprägt, wie z.B. die sogenannten Biker-Filme, die im Milieu der damals neu entstandenen Motorrad-Szene spielten. Die Filme über die „Cowboys auf Rädern“ wurden später zu einem Vorbild für Roadmovies wie Easy Rider, in denen sich die Hauptfiguren ebenfalls auf Motorrädern fortbewegten. [10]

Das Aufleben der Gegenkultur in den USA in den 1960er-Jahren lieferte schließlich den entscheidenden Impuls, der es jungen Filmemachern ermöglichte, den Niedergang des klassischen Hollywood zu besiegeln und die Ära des „New Hollywood“ einzuleiten. 1969 gelang es dem Roadmovie Easy Rider als einer der ersten unabhängigen Produktionen den großen Studios Hollywoods nicht nur, wie die Exploitation-Independent-Studios, Konkurrenz zu machen, sondern diese mit dem eigenen wirtschaftlichen Erfolg in den Schatten zu stellen. Mit seinem Erfolg ebnete Easy Rider nicht nur den Weg für die Ära des „New Hollywood“, sondern auch für das neue Genre des Roadmovies, das vor allem in den 1970er-Jahren eine regelrechte „Blütezeit“ erfuhr. [11]

Easy Rider fesselte die jungen Zuschauer durch den Bruch mit den bisher geltenden darstellerischen Konventionen des „klassischen Hollywood“. Die Dekonstruktion von Gestaltungsmitteln, wie das der „narrativen Geschlossenheit“ oder das der „psychologischen Motivation der Figuren“ [12], die bis dahin eingesetzt worden waren, um die gesellschaftlichen Konventionen auf die Leinwand zu übertragen und zu bestätigten, kam der kritischen Haltung des jungen Publikums entgegen.

Ein weiterer Grund für die Popularität des Genres bei den jungen Vertretern der Gegenkultur der 1960er-Jahre war, dass die Roadmovies typischerweise den Zustand der von der älteren Generation geerbten Gesellschaft kritisch auf moralische Schwachstellen durchleuchteten. Zu diesem Zweck wurde die gesellschaftliche Wirklichkeit im Gegensatz zu den Filmen des „klassischen Hollywood“ in ungeschönter Weise dargestellt. Aufgrund der durch diesen ungeschönten Blick gewonnenen Erkenntnis der zunehmenden Pluralisierung der Lebensstile versuchten die Filmemacher der Roadmovies, dem jungen Publikum entgegen der Forderung des konservativen Mainstreams nach allgemein gültigen moralischen Standards, neue und zeitgemäße moralische Standards anzubieten.

Die Protagonisten der Roadmovies bewegen sich im Spannungsfeld dieser Konflikte. Der Impuls ihrer Reise lässt sich typischerweise darauf zurückführen, dass sie nicht länger willens sind, die Bürde der gesellschaftlichen Regeln zu ertragen und sich stattdessen ganz der Realisierung ihrer individuellen Freiheit verschreiben. Die ersten Etappen der Reise der Protagonisten sind vor diesem Hintergrund geprägt von der Hoffnung, „außerhalb“ der Gesellschaft ein besseres Leben führen zu können. In der Regel müssen die Protagonisten der Roadmovies allerdings nach und nach feststellen, dass ein derartiger Ausbruch unmöglich ist und dass eine einseitige Ausrichtung auf den Wert der individuellen Freiheit in eine Sackgasse führt. [13] Das Freiheitsstreben der Protagonisten gerät nämlich allzu oft in Konflikt mit der Freiheit der Nebenfiguren, so dass die Gefahr sich zu isolieren zu einem ständigen und bedrohlichen Begleiter der Reise gerät.

Der Konflikt zwischen Freiheit und Moral, dem die Protagonisten der Roadmovies begegnen müssen, indem sie eine Balance zwischen ihrem Freiheitsstreben und den Regeln ihres sozialen Umfelds finden, stellt eines der wesentlichsten Merkmale der Roadmovies dar. [14] Um diesem Konflikt erfolgreich zu begegnen bietet sich den Protagonisten der Roadmovies in der Regel nur eine Möglichkeit: Sie müssen versuchen innerhalb der sozialen Milieus, in denen sie sich bewegen, eigene moralische Standards zu entwickeln und zu etablieren.

Auf der Suche nach derartigen moralischen Standards verfolgen die Protagonisten der Roadmovies typischerweise eine „trial and error“-Strategie. Dass die Protago-nisten in ihrer Suche in einzelnen Episoden in der Manier ambivalenter Antihelden auch moralische Fehltritte begehen bzw. dass der Lösungsversuch des Konflikts zwischen Freiheit und Moral auch misslingen kann, zeigte sich beispielsweise im Fall von Easy Rider. In einer der letzten Szenen des Films erkennt eine der beiden Hauptfiguren, Wyatt, dass seine eigenen moralischen Standards bisher nicht viel besser waren, als die der Gesellschaft, gegen die er rebellierte und der er zu entgehen versuchte:

„In Florida angekommen, wähnt sich Billy am Ziel seiner Träume. ‚We’ve made it!‘, sagt er am Lagerfeuer zu einem niedergeschlagenen Wyatt, der darauf nur antworten kann: ,We blew it!‘ Dieses Eingeständnis in das eigene Versagen verweist auf die Schwierigkeit (die Unmöglichkeit?) den eigenen Idealen gerecht zu werden. Die beiden haben letztlich das Spiel des Establishments mitgespielt, haben die Verfolgung materieller Ziele über den Freiheitsgedanken gestellt. […]. Ihr Drogendeal war nicht der Schlüssel zur Freiheit, sondern trotz seines kriminellen Charakters als kapitalistische Transaktion systemkonform.“ [15]

Eine Eigenart des Roadmovies in der Auseinandersetzung mit Fragen von Freiheit und Moral war von Beginn an, den Konflikt mithilfe einer spezifischen Rollenverteilung der Geschlechter zu inszenieren, in der sich Mann und Frau als Antagonisten gegenüberstehen. Die Frau als Symbol für Häuslichkeit und Familie repräsentierte in der Regel die moralischen Standards des konservativen, gesellschaftlichen Mainstreams. Die überwiegend männlichen Protagonisten repräsentierten dagegen die individuelle Lebensführung, die seit den 1960er-Jahren zunehmend Verbreitung fand. [16] Die Tatsache, dass gelingender zwischen-geschlechtlicher Kontakt in den Roadmovies in der Regel im Rahmen alternativer Beziehungsformen und Lebensweisen zustande kam, stellte die Institution der Ehe und ihre moralische Überlegenheit angesichts der gesellschaftlichen Realität infrage.

2.1 Jack Kerouacs On the Road als Prototyp des Roadmovie-Romans

Die angespannte Lage infolge des Kalten Krieges, der im Rahmen des Koreakriegs Anfang der 1950er-Jahre seinen vorläufigen Höhepunkt fand, führte auch zu einer angespannten innenpolitischen Lage in den USA. In der sogenannten „McCarthy-Ära“ wurden Kritiker, Intellektuelle und jeder, der sich öffentlich äußerte, staatlich überwacht, gegebenenfalls vom so genannten „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ geprüft und mit einem Berufsverbot belegt.

Das Komitee überwachte nicht nur die Filmproduktionen in Hollywood, sondern auch die amerikanische Literaturlandschaft. Dabei wurden die Veröffentlichungen der Schriftsteller daraufhin untersucht, ob darin „kommunistische Propaganda“ zu finden sei. Dem Prüfungsverfahren des „Komitees für unamerikanische Umtriebe“ fielen auch namhafte deutsche Autoren wie z.B. Thomas Mann und Bertolt Brecht zum Opfer. Beide Exilautoren erhielten ein Berufsverbot in den USA.

Die Größe der USA brachte es mit sich, dass sich trotz der strengen Aufsicht während der „McCarthy-Ära“ vor allem in den großen Städten der Ost- und Westküste intellektuelle Zentren bildeten, in denen man sich gegen die Repressalien des konservativen Amerika verwahrte. Vor diesem Hintergrund bildete sich im New York der Nachkriegszeit eine junge Bewegung, die zur so genannten „Beat Generation“ heranwuchs. Die „Beat Generation“ brachte ihre eigenen literarischen Vertreter hervor, zu denen neben Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Lawrence Ferlinghetti unter anderem auch Jack Kerouac gehörte.

Da auch die Beat-Autoren der Aufsicht durch das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ unterlagen, wurde Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen nur indirekt und in verschlüsselter Form vorgetragen. In Jack Kerouacs Roadmovie-Roman On the Road, der nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1957 schnell zu einem Manifest der „Beat Generation“ wurde, erfolgte eine solche Form indirekter Kritik unter anderem in der Art und Weise, wie darin der „American Dream“ dargestellt wurde.

Der „American Dream“ wurde in Jack Kerouacs Roadmovie-Roman zum Bestandteil der individuellen Sinnkrise des Protagonisten Sal Paradise. Dieser begibt sich, getrieben von der Leere seiner Bohème-Existenz in New York, auf die Spuren der amerikanischen Pioniere. Ebenso wie die Pioniere erhofft sich Sal von seiner Reise zur legendären „frontier“ die Überwindung der eigenen, elenden Situation und hofft auf einen Akt der Selbstbefreiung sobald, er sein Ziel erreicht hat. Da die „frontier“ als ehemalige Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis zum Zeitpunkt der Reise Anfang der 1950er-Jahre bereits lange Zeit verschwunden war, gelingt Sal seine Selbstbefreiung allerdings zunächst nicht.

Einerseits wurde die Gesellschaftskritik in On the Road nur indirekt zum Ausdruck gebracht, andererseits äußerte sie sich in der Ablehnung vorgegebener literarischer Konventionen. Mit dem Titel On the Road, der die Bedeutung des Reisemotivs innerhalb der Handlung vorwegnahm, adressierte Jack Kerouac die junge amerikanische Leserschaft. Diese verband mit dem Reisemotiv vor allem das in der amerikanischen Literatur weitverbreitete, traditionsreiche Genre der „Initiationsromane“ bzw. der „Initiationsreisen“.

Im Mittelpunkt der „Initiationsreisen“ der jugendlichen Protagonisten stand in der Regel deren moralische Festigung. Die Protagonisten, die die vom „American Dream“ vorgegebenen Werte verinnerlicht hatten und diese verkörperten, wurden während ihres Aufenthalts in der Fremde unmoralischen Einflüssen ausgesetzt. Ihre Initiation erfolgte für die jugendlichen Protagonisten zumeist, nachdem sie sich erfolgreich gegen die schlechten Einflüsse behauptet hatten. Vor diesem Hintergrund war die Initiation nicht nur ein entscheidender Punkt in der Entwicklung der Protagonisten, sondern auch ein Akt, in dem der „American Dream“ bekräftigt wurde. [17]

In On the Road dekonstruierte Jack Kerouac dieses klar strukturierte Muster des amerikanischen Initiationsreise-Romans, indem er seinen Protagonisten Sal Paradise nicht nur eine Reise, sondern insgesamt fünf Reisen durch den amerikanischen Kontinent unternehmen ließ. Anders als die klar strukturierten Initiationsreisen, die dem Schema „Aufbruch - Aufenthalt in der Fremde - Rückkehr“ [18] folgten, zeichnete sich On the Road durch ein beständiges Wechselspiel aus „Entropie, Ordnungsvermutung und Rückfall in Entropie“ [19] aus. An die Stelle des syntagmatischen Aufbaus der Initiationsreisen trat in Kerouacs Roadmovie-Roman eine „ästhetische Struktur des offenen Paradigmas“ [20].

Im Gegensatz zu den Initiationsreisen, die das Gefühl einer stabilen, den Individuen Halt bietenden gesellschaftlichen Ordnung vermittelten, erzeugte Jack Kerouac in On the Road auf diese Weise das Gefühl eines dynamischen und unberechenbaren Umfelds, um auf diese Weise den gesellschaftlichen Umbruchsprozessen in den 1950er-Jahren gerecht werden zu können.

Im Rahmen dieser von Jack Kerouac inszenierten gesellschaftlichen Umbruchs-prozesse bieten sich den Figuren seines Roadmovie-Romans einerseits neue Möglichkeiten bei der Gestaltung des eigenen Lebenswegs, andererseits eine Reihe von neuen, individuell zu bewältigenden Risiken. In einem unübersichtlichen Umfeld müssen sie sich selbst orientieren und ein erhöhtes Maß an Kontingenzbewältigung leisten. Die Schwierigkeit, sich selbst zu orientieren, kommt in On the Road in verschiedener Hinsicht zum Ausdruck: Das ziellose Reisen der Figuren, der Konsum von Drogen, der Konsum von Jazzmusik sowie der Hang zu religiösen Praktiken zum Zweck der Selbsterfahrung zeugen vom Wunsch nach Heil und Erlösung angesichts der Ambivalenz der neuen Chancen und Risiken.

Obwohl Jack Kerouac bereits mit dem Titel On the Road implizierte, dass die Selbstorientierung von Sal Paradise im Verlauf der Handlung nicht zu einem erfolgreichen Ende kommen würde, ließ er seinem Protagonisten an verschiedenen Stellen des Romans epiphane Momente zu teil werden, in denen er für den Augenblick über dem chaotischen Umfeld steht. Eine solche Epiphanie ereilt Sal Paradise in On the Road beim Konsumieren von Jazzmusik. Als er Dean Moriarty beobachtet, während dieser zu einem imaginierten Jazz-Rhythmus tanzt, erkennt Sal plötzlich, dass es seinem Freund gelingt, sich auf diese Weise in einen Zustand der Ekstase zu versetzen und somit die kollektive Orientierungslosigkeit zu überwinden:

„Dean stand in der Mitte von ihnen auf dem Teppich und kicherte - kicherte einfach. Er tänzelte im Kreis. Sein Verband wurde immer schmutziger, und er begann sich schon aufzulösen. […]. Er stand vor allen anderen, abgerissen, gebrochen, ein Idiot im Licht der Deckenlampe, mit seinem knochigen, schweißbedeckten Gesicht und pochenden Adern, und er sagte immer nur: ,Ja, ja, ja‘, als ob ihn die ganze Zeit ungeheure Offenbarungen bestimmten, und das taten sie auch, davon bin ich überzeugt, und auch die anderen ahnten es und erschraken.“ [21]

Diese „Jazz-Epiphanie“ hat nicht nur eine befreiende, sondern auch eine verbindende Wirkung, die die beiden Freunde Sal Paradise und Dean Moriarty in dieser Szene vereint. Allerdings erfolgt die Vereinigung der beiden Freunde nicht auf der Basis einer durch die Epiphanie gewonnenen höheren Wahrheit, die sie in Zukunft vor ihrer Verwirrung bewahren wird. Die Vereinigung erfolgt vielmehr wortlos, da es weder Sal noch Dean gelingt den Inhalt der „ungeheuren Offenbarungen“ [22] sprachlich zu erfassen.

Als Sal Paradise Dean Moriarty im weiteren Verlauf der Handlung fragt, was denn der Inhalt der Epiphanie gewesen sei, ist dieser nicht in der Lage begreiflich zu machen, was ihm in diesem Moment widerfahren ist. Das einzige Wort, das ihm zur Beschreibung der Offenbarung einfällt, ist das Wort „ES“ [23]:

„‚Also, der Typ mit dem Altsaxophon, Mann, gestern Abend - der hatte ES, und er hat es festgehalten; ich habe noch nie erlebt, dass einer es so lange halten konnte.‘

Ich wollte wissen, was ‚ES‘ bedeute.

‚Ah‘, lachte Dean‚ ,jetzt fragst du mich Imponderabilien, hmm! Hier steht zum Beispiel ein Typ. Und da ist das Publikum, verstehst du? Seine Aufgabe ist es, auszudrücken, was all die anderen fühlen. Er fängt mit dem ersten Chorus an, treibt dann seine Ideen aneinander, die Leute schreien ‚yeah, yeah, weiter so‘, und dann schwingt er sich zu seinem Schicksal auf, und was er bläst, muss dem gleichwertig sein. Und plötzlich, irgendwo im Chorus, hat er es - alle blicken auf und wissen es; sie lauschen; er greift es auf und führt es weiter. Die Zeit bleibt stehen. Er füllt den leeren Raum mit der Substanz unseres Lebens, […]. Er muss über die Brücken hinweg und wieder zurück, mit einem so tiefen, die Seele auslotenden Gefühl für die Melodie des Augenblicks, dass alle wissen, nicht auf die Melodie kommt es an, sondern auf ES - ‘“ [24]

Gerade weil die „Jazz-Epiphanie“ Sals und Deans in der Lage ist Gemeinschaft zu stiften, ohne dass hierbei die Sprache zum Einsatz kommen muss, ist sie ideal geeignet für eine Art „kleiner Initiation“ in ein Milieu von „Eingeweihten“, die auf Kriegsfuß mit dem herrschenden, repressiven Gesellschaftssystem stehen. [25]

Einerseits wird Sal Paradise in der „Jazz-Epiphanie“ keine aussprechbare höhere Wahrheit zuteil, andererseits scheint sich ihm in der Folge das Geheimnis von Dean Moriartys Lebenskunst zu erschließen. Er erkennt, dass es diesem durch das individuelle Tanzen zu imaginierten Jazzrhythmen gelingt einen Akt der „heilsamen Überschreitung“ [26] zu vollziehen. Ermöglicht wird diese „heilsame Überschreitung“ durch die lebensbejahende Haltung Deans, die ihn in die Lage versetzt, den Unwägbarkeiten seiner Umwelt etwas Positives abzugewinnen. Auf diese Weise, so Sals Erkenntnis, lässt sich die ursprüngliche Verwirrung zumindest für den Moment in „Glückseligkeit“ verwandeln: „Von Gott geschlagen war er - Urgrund aller Gottseligkeit, BEAT und beatific in einem.“ [27]

Während die „Jazz-Epiphanie“ eine verschworene Gemeinschaft zwischen Sal Paradise und Dean Moriarty herzustellen vermag, können die übrigen im Raum befindlichen Personen nicht erkennen, dass hier eine spezifische Form von Lebenskunst offenbar wird. Vielmehr deuten sie Deans Tanz als Ausdruck seines rücksichtslosen Hedonismus auf Kosten anderer. Während er tanzt, konfrontieren sie ihn mit seiner Verlogenheit, mit der er gleichzeitig Beziehungen zu ver-schiedenen Frauen unterhält.

Sal erklärt Dean in dieser Szene dagegen überschwänglich zu einem „HEILIGEN SCHWINDLER“ [28], der die Zeichen der Zeit erkannt und die Ehe als unzeitgemäße Institution entlarvt hat, die aufgrund ihrer Statik nicht mehr den Anspruch erheben kann, als einzig moralisches Lebensmodell betrachtet zu werden.

Sals Euphorie, durch die Lebenskunst des „Heiligen Schwindlers“ Dean eine Aussicht zu haben, der eigenen Orientierungslosigkeit zu entkommen, führt dazu, dass er ihn in dieser Situation gegen die Vorwürfe zu verteidigen versucht:

„Am liebsten wäre ich hingegangen und hätte den Arm um Dean gelegt und gesagt: Jetzt seht mal her, ihr alle, und vergesst eines nicht: dieser Typ hier hat ebenfalls seine Probleme, und er hat nie geklagt, und außerdem hat er euch allen verdammt gute Stunden geschenkt, einfach indem er so war, wie er ist, und wenn euch das nicht genügt, dann stellt ihn doch vors Hinrichtungskommando […]. In Denver hatte es Zeiten gegeben, da alle im Dunkeln mit ihren Mädchen beisammensaßen, während Dean redete und redete, und er redete mit einer Stimme, die etwas Hypnotisches hatte und gleichzeitig fremd war und von der es hieß, sie könne die Mädchen herumkriegen, einfach durch Überzeugungskraft und den Inhalt dessen, was er sagte. Damals war er fünfzehn, sechzehn Jahre alt. Inzwischen waren seine Jünger verheiratet, und die Frauen seiner Jünger wollten ihn sich vorknöpfen wegen seiner Sexualität und wegen all der Dinge, die er in ihr Leben gebracht hatte.“ [29]

Nachdem Sal Paradise die Lebenskunst Deans verinnerlicht und auf diese Weise seine anfängliche Orientierungslosigkeit überwunden hat, trennen sich die beiden Freunde in der letzten Episode von On the Road allerdings im Streit, nachdem sie noch einmal auf die Frage von Deans untreuem Liebesleben zurückgekommen sind. Sal, der sich vor seinem „Leben unterwegs“ von seiner Ehefrau geschieden hat, hat mittlerweile wieder eine feste Freundin. Auch wenn offen bleibt, ob Sal diese in absehbarer Zeit heiraten wird, verdeutlicht der Streit mit Dean, dass er offenbar vorhat, ihr die Treue zu halten.

Der moralische Reifeprozess, der bei Sal gegen Ende von On the Road sichtbar wird, versetzt ihn in die Lage, künftig eine Balance zu finden zwischen Lebensbejahung, d.h. dem Streben nach Freiheit trotz überwältigender Orientierungslosigkeit, und Moral. Dean Moriarty, der offenbar nicht zu einem derartigen moralischen Reifeprozess in der Lage ist, fällt zum Schluss von Kerouacs Roadmovie-Roman der Schattenseite seiner Lebenskunst, nämlich der Vereinzelung anheim.

2.2 Sozialwissenschaftliche Analyse von On the Road auf der Basis von Ulrich Becks Individualisierungs-These, Heiner Keupps Theorie der „Patchwork-Identität“ und Gerhard Schulzes Theorie der „Erlebnisgesellschaft“

Ebenso wie Jack Kerouac seine Figuren Sal Paradise und Dean Moriarty in On the Road ihre Lebenskunst als Antwort auf die gesellschaftlichen Umbruchsprozesse entwickeln ließ, reagierten auch die Vertreter der Sozialwissenschaften auf die Veränderungen in den USA und in den westlichen Gesellschaften. Im Kern zielte der Paradigmenwechsel in den Sozialwissenschaften auf die Erarbeitung neuer Theorien ab, mit denen die dynamischen Prozesse in den westlichen Gesellschaften adäquat erfasst werden sollten.

Auf der Makroebene verabschiedete man sich in den Sozialwissenschaften von dem nun als überholt angesehenen Begriff der „Klassengesellschaft“ und bevorzugte stattdessen neue Gesellschaftstheorien, in denen man die Realität mithilfe eines Modells zu erfassen suchte, in dem soziale Milieus nebeneinander koexistieren. Auf der Mikroebene verlor die Vorstellung einer „kohärenten Identität“ der Individuen, die durch ein stabiles soziales Umfeld aufrechterhalten wird, zunehmend an Bedeutung. Man glaubte nicht länger daran, dass die Individuen nach der Adoleszenz eine Initiation erfahren, um danach eine feste Rolle in der Gesellschaft einzunehmen.

In diesem Erneuerungsprozess hatten die Sozialwissenschaften in den USA eine Vorreiterrolle inne. Erst mit einiger Verzögerung machte sich der Paradigmenwechsel in den Theorien europäischer Sozialwissenschaftler bemerkbar. Einer der deutschen Sozialwissenschaftler, die vor diesem Hintergrund auch über deutsche Grenzen hinaus Bedeutung erlangten, war der Sozialpsychologe Heiner Keupp. Als Rechtfertigung seines Modells der „Patchwork-Identität“, welches er in den 1990er-Jahren entwickelte, macht Keupp seinerzeit darauf aufmerksam, dass eine „Dekonstruktion moderner Identitätsvorstellungen“ [30] anstehe und die Theorien von einem „autonomen, männlichen Subjekt“, das jederzeit „kognitive Kontrolle über seine innere und die äußere Natur“ [31] ausübt und nach der Adoleszenz und der Initiation in die Gesellschaft eine kohärente Identität erreicht, überholt seien. Bedeutende Psychologen wie Erik H. Eriksons, die derartige Identitätstheorien in der Vergangenheit entwickelt hatten, stuft Keupp dagegen als Romantiker ab. [32]

Die Forderung Heiner Keupps nach einer Dekonstruktion des modernen Identitätsbegriffs basierte unter anderem auf Ergebnissen von Interviews, die er mit jungen Erwachsenen aus West- und Ostdeutschland Mitte der 1990er-Jahre geführt hatte. Dabei hatte Keupp festgestellt, dass die Befragten darunter litten, dass sie in den unterschiedlichen Bereichen ihres Alttagslebens gezwungen waren, unter-schiedliche Rollen anzunehmen.

Übertragen in seine Theorie beschrieb Heiner Keupp in der Folge die Lebenssituation der Individuen wie folgt: Um die verschiedenen „Teilidentitäten“ für Bereiche wie „Arbeit“, „Freizeit“ oder „Familie“ bewältigen zu können, müssten sich die Individuen ihre Identität gewissermaßen wie einen Flickenteppich bzw. wie ein „Patchwork“ in mühsamer „Identitätsarbeit“ zusammenknüpfen. Mit Blick auf die Vergangenheit würden gemäß der Theorie Heiner Keupps die „lebensbereich- bzw. lebensphasisch spezifischen Teilidentitäten“ [33] nach ihrer Relevanz selektiert und zu einer „biographischen Kernnarration“ [34] verdichtet.Mit Blick auf die Zukunft würden „Identitätsentwürfe“ von „optionalen Selbsten“ [35] imaginär durchexerziert und zu „Identitätsprojekten“ konkretisiert, die sich im Kern auf die Frage konzentrieren: „Wer will ich sein?“ [36] Im Gegensatz zu den „Identitätsentwürfen“ haben „Identitätsprojekte“ in Heiner Keupps Theorie einen „inneren Beschlusscharakter“ [37], d.h. sie werden von den Individuen in der Regel in die Tat umgesetzt.

Bei der Entwicklung seines Konzepts der „Patchwork-Identität“ stützte sich Heiner Keupp unter anderem auf die Theorien des Soziologen Ulrich Beck. In seiner aufsehenerregenden Veröffentlichung im Jahr 1986 mit dem Titel Risikogesellschaft setzte sich Beck mit dem Individualisierungsschub auseinander, der die westdeutsche Gesellschaft [38] Ende der 1950er-Jahre verändert hatte. Im Rahmen seiner Individualisierungs-These beschrieb Ulrich Beck die Transformation der gesellschaftlichen Strukturen von einer Klassengesellschaft hin zu horizontal nebeneinander liegenden Milieus. Verantwortlich für die Individualisierung machte Beck in erster Linie den allgemein wachsenden Wohlstand, ein Phänomen, das er mit dem Begriff des „Fahrstuhleffekts“ zu erfassen suchte.

[...]


[1] Jacobs, Jürgen: Peter Handkes Weg zum Bildungsroman. In: Frankfurter Hefte, Januar 1973.

[2] Vgl. Hüetlin, Thomas: Das Grauen im ICE-Bord-Treff. In: Der Spiegel 20.02.1995.

[3] Im Folgenden wird der Begriff „filmisches Roadmovie“ verwandt, um gegebenenfalls eine eindeutige Unterscheidung zum Begriff des Roadmovie-Roman zu ermöglichen. Dass der Begriff in Anführungszeichen steht, trägt der Tatsache Rechnung, dass die Zuordnung zum Medium Film durch das Adjektiv „filmisch“ eigentlich nicht notwendig wäre, da bereits das englische Wort „Movie“ eine Zuordnung zum Medium Film gewährleistet.

[4] Bertelsen, Martin: Road Movie und Western. Ein Vergleich zur Genre-Bestimmung des Road Movies. Verlag an der Lottbek, Ammersbek bei Hamburg 1991. S.19ff.

[5] Bertelsen 1991, S.25ff.

[6] Bertelsen 1991, S.35ff.

[7] Dammann, Lars: Kino im Aufbruch. New Hollywood 1967-1976. Schüren-Verlag, Marburg 2007. S.46.

[8] Dammann 2007, S.25.

[9] Dammann 2007, S.28f.

[10] Dammann 2007, S.28ff.

[11] Dammann 2007, S.74ff.

[12] Dammann 2007, S.47.

[13] Roadmovies spielen in einem modernen Umfeld, in dem bereits jeder Rest von Wildnis getilgt wurde. Vor diesem Hintergrund ist jeder Ausbruchsversuch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Unmöglichkeit eines endgültigen Ausbruchs wurde in den ersten amerikanischen Roadmovies oftmals im Zusammenhang mit dem Verschwinden der „frontier“, der ehemaligen Grenze zwischen Zivilisation und Wildnis, die den nordamerikanischen Kontinent von Norden nach Süden durchquerte, dargestellt. Das ältere Genre des Westerns diente in diesem Kontext dazu, die unterschiedlichen Voraussetzungen des „Überlebenskampfs“ der Western-Helden und der Protagonisten herauszustellen. (Vgl. Bertelsen 1991, S.27ff.).

[14] Bertelsen 1991, S.25ff.

[15] Dammann 2007, S.81.

[16] Basierend auf diesen Gender-Konventionen des Roadmovies versuchte Amelie Soyka in ihrer Arbeit Raum und Geschlecht -Frauen im Road Movie der 90erJahre eine Genre-Defintion vorzunehmen. Dabei stellte Soyka Roadmovies wie Thelma & Louise, in denen die Protagonisten untypischer Weise weiblich sind in den Mittelpunkt. Soyka kam zu dem Schluss, dass das antagonistische Verhältnis Frau vs. Mann auch trotz dieses Rollentauschs bestehen bleibt. Eine Besonderheit der Arbeit Soykas bestand darin, dass ein Zusammenhang zwischen Gender-Konventionen und Raumkonventionen erarbeitet wird. Soyka stellt heraus, dass die räumlichen Dichotomien, die das Roadmovie prägen, wie z.B. Innen- und Außenraum, Heim und Heimatland oder auch Zivilisation und Wildnis, jeweils geschlechtsspezifisch konnotiert sind. (Vgl. Soyka, Amelie: Raum und Geschlecht. Frauen im Road Movie der 90er Jahre. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2002.).

[17] Vgl. Heller, Arno: Odyssee zum selbst. Zur Gestaltung jugendlicher Identitätssuche im neueren amerikanischen Roman. Amoe Verlag Innsbruck 1973. S.23f.

[18] Vgl. Freese, Peter: Initiationsreise. Studien zum jugendlichen Helden im modernen amerikanischen Roman. Stauffenberg Verlag, Tübingen 1998. S.157ff.

[19] Warning, Rainer: Erzählen im Paradigma. Kontingenzbewältigung und Kontingenzexposition. In: Kablitz, Andreas/ König, Bernhard (Hrsg.): Romanistisches Jahrbuch. Walter de Gruyter Verlag, Berlin, New York 2002. S.208.

[20] Rainer Warning beschreibt in seinem Aufsatz Erzählen im Paradigma - Kontingenzbewältigung und Kontingenzexposition eine Erzählweise, die nicht den Gesetzen des syntagmatischen Aufbaus der Handlung unterworfen ist, demzufolge die anfängliche Offenheit einer Geschichte notwendiger-weise am Schluss aufgelöst werden muss. Im Rahmen des von Warning beschriebenen „Erzählens im Paradigma“ wird die Erzählung durch die Erwartung einer „Ordnungsvermutung“ (Warning 2002, S.208) vorangetrieben, die allerdings nicht befriedigt wird. Die Geschichten, die im Zeichen des „Erzählens im Paradigma“ stehen, basieren laut Warning im Wesentlichen auf der „Alternanz von Entropie, Ordnungsvermutung und Rückfall in Entropie“. (Warning 2002, S.208) Aus dieser Verweigerung jeder Form von syntagmatischer Organisation folgt eine „Dezentrierung des Textraums“, die sich in einer Aneinanderreihung lose verknüpfter Episoden äußert. Die auf diese Weise ermöglichte Darstellung von Kontingenzexposition hält Warning für besonders typisch für Geschichten, die sich vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Umbruchsprozesse vollziehen. Gemeint sind dabei allerdings keine „radikalen“ politischen Umbrüche in Form von Revolutionen (Warning 2002, S.186), sondern „Beschleunigungsprozesse“, die das gesellschaftliche Ordnungs-system „kontingenzanfällig“ (Warning 2002, S.180) machen.

[21] Kerouac, Jack: Unterwegs. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2004. S.238-239. Im Folgenden zitiert mit „On the Road“. Da es im Deutschen keine Redewendung gibt, die wie die Redewendung „On the Road“ das amerikanische Lebensgefühl zum Ausdruck bringt, welches seit der Zeit der Pioniere von extremer Mobilität geprägt war, wurde der Titel in allen deutschen Übersetzungen mit „Unterwegs“ übersetzt. Im Roman selbst wurde „on the road“ dagegen mit „Leben unterwegs“ übersetzt, um zu verdeutlichen, dass eigentlich ein bestimmter Lebensstil zum Ausdruck gebracht werden soll. Allerdings wird auch in dieser Übersetzung nicht deutlich, dass sich „life on the Road“ nicht nur auf Sal Paradise, sondern potenziell auf alle Amerikaner bezog. Um der Schwierigkeit einer adäquaten Übersetzung zu entgehen, wird in vorliegender Arbeit der englische Titel On the Road verwendet.

[22] On the Road, S.239.

[23] Das Wort „ES“ wird in der Folge in Kerouacs Roadmovie-Roman wiederholt zur Beschreibung weiterer epiphaner Erlebnisse gebraucht. Immer wieder werden dabei einzelne Wörter durch Großschreibung hervorgehoben. Gemeinsam ist den verschiedenen Epiphanien, dass sie jeweils nicht sprachlich erfassbar sind und Bestandteil des subjektiven Erlebens der einzelnen Figuren bleiben.

[24] On the Road, S.253.

[25] Die Idee einer „vereinigende Funktion“ der Jazzmusik wurde bereits Ende der 1940er-Jahre von der französischen Philosophin Simone de Beauvoir beschrieben. De Beauvoir, die zusammen mit weiteren Vertretern der französischen Existenzialisten einen besonderen Einfluss auf die „Beat Generation“ ausübte, hatte sich im Vorfeld ihres erfolgreichsten Werks Das andere Geschlecht (1949) zunächst mit der Unterdrückung der Afro-Amerikaner in den USA auseinander gesetzt. Dabei kam de Beauvoir zu dem Schluss, dass der Konsum der Jazzmusik die Vereinigung der Afro-Amerikaner gefördert habe. Aufgrund der Tatsache, dass das „Initiationsritual“, also der Konsum von Jazzmusik, den Bereich des sprachlich vermittelbaren überstieg, wäre es den Afro-Amerikanern so de Beauvoirs These gelungen, sich den Repressalien der gesellschaftlichen Autoritäten zu entziehen und zu einer verschworenen Gemeinschaft zu werden. (Vgl. Nettelbeck, Colin W.: Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir and the Paris jazz scene. In: Modern & Contemporary France, Vol. 9, Nr. 2. Routledge Publishing London 2001. S.177f.). Die Eigenart der Jazzmusik, eine verschworene Gemeinschaft herstellen zu können, scheint in On the Road von Jack Kerouac in ähnlicher Weise gebraucht zu werden. Angesichts der Repressalien durch das „Komitee für unamerikanische Aktivitäten“ war dieser Gebrauch des Jazz ideal geeignet, um gemeinschaftliche Kritik zu üben, ohne dabei der Zensur zum Opfer zu fallen.

[26] Simone de Beauvoir gebrauchte den Begriff der „heilsamen Überschreitung“ im Hinblick auf ein bestimmtes Phänomen beim Konsum von Jazzmusik, welches sie im Rahmen ihrer Recherchen über die Segregation in den USA beobachtet hatte. De Beauvoir zeigte sich fasziniert von der befreienden Wirkung des Jazz, der es den unterdrückten Afro-Amerikanern ermöglichte eine „salutory transgression“ bzw. einen Akt der „heilsamen Überschreitung“ herbeizuführen, durch den eine Reinigung von kulturellen Fesseln für den Moment bewirkt werden könnte. (Vgl. Nettelbeck 2001, S.177f.). Simone de Beauvoirs Überlegungen zur „heilsamen Überschreitung“ weisen Parallelen zu Ausführungen aus, die Jack Kerouac später selbst bezüglich der befreienden Wirkung des Jazz anstellte und die zur Namensgebung der „Beat Generation“ beitragen sollten. In Kerouacs Theorie war die Musik ein Medium für die junge Generation, um sich aus dem Zustand zu befreien, den er mit dem Begriff „beat“ (engl. „beat“ (Adj.)= leblos, müde) beschrieb. Durch den Konsum des Jazz, so Kerouacs These, könne man sich in den Zustand versetzen, für den er das Wort „beatific“ (engl. „beatific“ (Adj.) = glückselig, selig) gebrauchte. (Vgl. Sante, Luc: On the Road Again. In: The New York Times 19.08.2007.)

[27] On the Road, S.238-239.

[28] On the Road, S.238.

[29] On the Road, S.238.

[30] Keupp, Heiner (u.a.): Identitätskonstruktionen. Das Patchwork der Identitäten in der Spätmoderne. 3.Auflage. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006. S.16ff.

[31] Keupp 2006, S.13.

[32] Keupp 2006, S.78.

[33] Keupp 2006, S.193.

[34] Keupp 2006, S.193ff.

[35] Keupp 2006, S.194.

[36] Keupp 2006, S.193.

[37] Keupp 2006, S.194.

[38] Die Tatsache, dass Ulrich Beck keine präzisen Angaben zum räumlichen Geltungsbereich seiner Individualisierungs-These über Westdeutschland hinaus definierte, wurde seit der Veröffentlichung von Risikogesellschaft wiederholt kritisiert. (Vgl. (u.a.) Joas, Hans: Das Risiko der Gegenwartsdiagnose. In: Matthes, Joachim/ Weiß, Johannes (Hrsg. u.a..): Soziologische Revue 14/ 1. Oldenburg Verlag 1988. S.2.). Andererseits lässt sich Ulrich Becks Individualisierungs-These gerade aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Formulierung in einer Untersuchung ohne größere Probleme auf Länder wie die USA übertragen. Mit Becks Theorie kann beispielsweise die zu Beginn von Punkt 2 (siehe S.9) erwähnte Entwicklung des „Babybooms“ in den USA in den 1950er-Jahren nachvollzogen werden. Auch im Rahmen des „Babybooms“ führte der enorme Zuwachs an Wohlstand zu einem „Fahrstuhleffekt“, so dass sich den Menschen neue Chancen und Risiken boten.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung des deutschen Roadmovie-Romans im Kontext gesellschaftlicher Umbruchsprozesse
Untertitel
Peter Handkes "Der kurze Brief zum langen Abschied", Christian Krachts "Faserland" und Thomas Klupps "Paradiso"
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
102
Katalognummer
V262853
ISBN (eBook)
9783656513261
ISBN (Buch)
9783656513193
Dateigröße
893 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Christian Kracht, Roadmovie, Popliteratur, Peter Handke, Thomas Klupp, Jack Kerouac, On the Road, Ulrich Beck, Erlebnisgesellschaft, Patchwork-Identität, Heiner Keupp, Gerhard Schulze
Arbeit zitieren
Christoph Galle (Autor:in), 2012, Die Entwicklung des deutschen Roadmovie-Romans im Kontext gesellschaftlicher Umbruchsprozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262853

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