Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2010 in Deutschland 187.027 Ehen geschieden. Ungefähr die Hälfte der geschiedenen Eheleute hatten minderjährige Kinder. Insgesamt waren im Jahr 2010 145.146 Kinder unter vierzehn Jahren von Ehescheidungen betroffen. Es gibt wahrscheinlich kaum eine Person, die nicht im engen oder entfernteren Familienkreis mit Scheidungen konfrontiert wurde oder ist. Welche Auswirkungen aber haben Trennungen und Scheidungen auf die sozialisatorische Entwicklung von Kindern? Welche langfristigen Folgen tragen diese Kinder davon, wenn sie beispielsweise mit nur einem Elternteil aufwachsen? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, damit Kinder vor negativen Einflüssen bestmöglich bewahrt werden? Diesen Fragen und der Frage nach der Bedeutung einer feinfühligen Bezugsperson für die Resilienz von Scheidungskindern soll im Rahmen dieser Hausarbeit nachgegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Das Bindungsverhalten von Kindern.
3. Die Resilienz eines Kindes.
3.1 Risikofaktoren.
3.2 Schutzfaktoren.
4. Scheidung und Trennung.
4.1 Folgen für die Kinder
4.2 Bezugspersonen als Schutzfaktoren.
5. Fazit
Literaturverzeichnis.
1. Einleitung
Laut Erhebungen des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2010 in Deutschland 187.027 Ehen geschieden. Ungefähr die Hälfte der geschiedenen Eheleute hatten minderjährige Kinder. Insgesamt waren im Jahr 2010 145.146 Kinder unter vierzehn Jahren von Ehescheidungen betroffen. [1] Es gibt wahrscheinlich kaum eine Person, die nicht im engen oder entfernteren Familienkreis mit Scheidungen konfrontiert wurde oder ist. Welche Auswirkungen aber haben Trennungen und Scheidungen auf die sozialisatorische Entwicklung von Kindern? Welche langfristigen Folgen tragen diese Kinder davon, wenn sie beispielsweise mit nur einem Elternteil aufwachsen? Welche Maßnahmen können ergriffen werden, damit Kinder vor negativen Einflüssen bestmöglich bewahrt werden? Diesen Fragen und der Frage nach der Bedeutung einer feinfühligen Bezugsperson für die Resilienz von Scheidungskindern soll im Rahmen dieser Hausarbeit nachgegangen werden.
2. Das Bindungsverhalten von Kindern
Kommt ein Kind zur Welt ist es existentiell von anderen Menschen abhängig. Wäre niemand für das Kind da, würde niemand es mit Nahrung versorgen, beschützen oder lieben, so würde es sterben. Allein ist ein Säugling nicht überlebensfähig. Die Bindung zu mindestens einer Bezugsperson ist ein angeborenes, biologisches Grundbedürfnis und ist lebensnotwendig für seine psychische und physische Entwicklung. Wird ein Säugling mit Angst, Stress, Verunsicherung oder emotionaler Überforderung konfrontiert, so werden Bindungssysteme aktiviert. Es schreit, weint und sucht vehement den Blickkontakt und die Nähe zur Bezugsperson. Diese emotionale Kommunikation zwischen dem Kind und beispielsweise seiner Mutter dient dem Schutz und der Regulation der Bindungsbeziehung. [2] Werden diese Bedürfnisse und Signale des Kindes von einer feinfühligen Bindungsperson wahrgenommen und befriedigt, so bildet sich eine sichere Bindung und ein Vertrauen in die Welt als verlässlich und vertrauenswürdig. [3] Werden die Bedürfnisse in der Interaktion unzureichend bzw. inkonsistent befriedigt oder ist das Kind über einen längeren Zeitraum von der primären Bezugsperson getrennt, entsteht eine unsichere Bindung, die zu emotionalen Narben, tiefgreifenden Beunruhigungen und Rückzug auf Seiten des Kindes führen können. [4] In den ersten sechs Monaten nach der Geburt ist ein Neugeborenes zunächst bindungsoffen. Erst langsam verfestigt sich die Bindung zu einer primären und exklusiven Bezugsperson. Diese Entwicklung hat ihren Höhepunkt, wenn das Kind circa zwölf Monate alt ist. In dieser Zeit fremdelt es, hat kaum Bindungstoleranz und die primäre Bindungsperson ist nicht mehr einfach austauschbar. Die Furcht, von den Eltern getrennt zu werden, ist in dieser Lebensphase am größten [5] . Erst danach beginnt das Kind sich von seiner primären Bezugsperson zu lösen und geht sekundäre Bindungsbeziehungen als zusätzliche Versicherung ein. Während dieser sensiblen Phase in den ersten zwei Jahren, ist es notwendig, dass sich Bindungen entwickeln. Trennung oder Frustration in dieser Zeit können gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung und spätere Lebensabschnitte haben. Die Bindungsmuster, die in diesen ersten zwei Jahren entwickelt werden, sind relativ stabil und doch bis ins Erwachsenenalter veränderbar. Ob diese Beziehungsmuster positiv oder negativ sind resultiert aus dem Verhalten der Bezugspersonen und den Erfahrungen, die ein Kind mit ihnen macht. Neben der Bindung gewinnt die Exploration in diesen ersten Lebensjahren zunehmend an Bedeutung. Das Kind will sich selbst erproben, die Welt erkunden und sein Umfeld erforschen. Um dies zu können braucht es einen sicheren Hafen, eine emotionale Basis als Rückzugsort. Exploration und Bindung hängen demnach unmittelbar zusammen und die Aufgabe in der Interaktion zwischen Kind und Bezugsperson liegt darin, einen Ausgleich zwischen diesen Extremen zu schaffen. [6]
3. Die Resilienz eines Kindes
Resilienz im Allgemeinen bezeichnet die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen. Wenn beispielsweise zwanzig Soldaten in den Krieg ziehen und den gleichen Einsatz haben, warum leiden danach zehn von ihnen an traumatischen Belastungen und die anderen zehn nicht? Die Resilienzforschung befasst sich in diesem Zusammenhang mit Risikofaktoren, die das seelische Gleichgewicht durcheinanderbringen und Schutzfaktoren, die das selbiges schützen. Sowohl Risiko- als auch Schutzfaktoren haben immer eine biologische und eine psychosoziale Komponente und üben großen Einfluss auf die psychische Gesundheit bzw. Erkrankung im Erwachsenenalter aus. [7]
3.1 Risikofaktoren
Schwere bzw. traumatische Belastungen in der kindlichen Entwicklung gelten in der Resilienzforschung als Indikatoren für ein erhöhtes Risiko, sofort oder in späteren Lebensabschnitten psychisch oder psychosomatisch zu erkranken. In diesen Fällen ist von Risikofaktoren die Rede. [8] Risikofaktoren haben immer eine endogene und eine exogene Komponente. Zum Einen das Kind mit spezifischem Temperament, Geschlecht und seiner Intelligenz und zum Anderen die Umwelt in Form von Familie und globalen Einflussfaktoren wie das Leben in Kriegsgebieten. Als gesicherte Risikofaktoren für die Entstehung psychischer Erkrankungen gelten beispielsweise die chronische Disharmonie oder schwere Erkrankungen in der Familie, unsicheres Bindungsverhalten in den ersten zwei Lebensjahren, Abwesenheit des Vaters, eine alleinerziehende Mutter, schlechte schulische Bildung der Eltern oder wenig Wohnraum. [9] Einer dieser Faktoren allein hat nicht zwingend Auswirkungen auf die psychische Gesundheit. Kumulieren diese jedoch und ist ein Kind von mehreren Risikofaktoren betroffen, so erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit späterer Erkrankungen um ein Vielfaches. [10] Emmy E. Werner und Ruth S. Smith haben in einer Langzeitstudie 698 Kinder von den Kauai-Inseln über 30 Jahre hinsichtlich entwicklungsrelevanter Risiko- und Schutzfaktoren untersucht. Dabei stellten sie fest, dass zwei Drittel der Kinder mit vier oder mehr Risikofaktoren in der mittleren Kindheit ernste Lern- und Verhaltensstörungen entwickelten und anfälliger für Kriminalität und psychische Erkrankungen waren. Aufgetretene Risikofaktoren bei dieser Gruppe waren beispielsweise die Trennung von der primären Bezugsperson im ersten Lebensjahr, die väterliche Abwesenheit oder psychische Erkrankungen in der Familie. Eine Kontrollgruppe, bestehend aus widerstandsfähigen Kindern ohne familiäre Schwierigkeiten, wies hingegen keine dieser Probleme in den folgenden Jahren auf. [11] Diese Studie zeigt deutlich, wie viele psychosoziale Kindheitsbelastungsfaktoren ausgerechnet in der Familie liegen können, wo diese dem Kind doch eigentlich den größten Schutz bieten sollte.
[...]
[1] Statistisches Bundesamt 2012, S. 8ff
[2] vgl. Brisch 2001, S. 36; Myers 2004, S. 168
[3] vgl. Myers 2004, S. 170
[4] vgl. Brisch 2001, S. 36; Myers 2004, S. 172
[5] vgl. Myers 2004, S. 170
[6] vgl. Brisch 2001, S. 38
[7] vgl. Egle/Hofmann/Steffens 1997, S. 685
[8] vgl. Egle/Hofmann/Steffens 1997, S. 683
[9] vgl. Egle/Hofmann/Steffens 1997, S. 693
[10] vgl. Ulrich in Egle/Hofmann/Steffens 1997, S. 691
[11] vgl. Werner/Smith 1982
- Arbeit zitieren
- Christopher Hahn (Autor:in), 2012, Die Bedeutung einer feinfühligen Bezugsperson für die Resilienz eines Kindes bei Trennung und Scheidung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/262925
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