GULag. Der stalinistische lager-industrielle Komplex an der Kolyma und der Beitrag Varlam Šalamovs gegen das Vergessen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung…

2. Institutionsgeschichte
2.1 Erschließung des Raumes an der Kolyma
2.2 Aufbauphase und punitiv-ökomische Durchdringung des Gebietes
2.3 Entwicklung der Region zum politischen „Sonderstatus“

3. „Ein Kombinat besonderen Typs“ - Umgestaltung des hohen Nordens zum „Sonderlager“
3.1 Der Kolyma-Raum unter der „Einheitsleitung“ des NKVD
3.2 Spezielle „Sonderrechte“ des lager-industriellen Großprojekts.…
3.3 Erste Zeichen des Umbruchs an der Kolyma

4. Raum im Wandel – Kontinuierlicher Zerfall eines Großprojekts…
4.1 Der „Staat im Staate“ vernichtet sich selbst
4.2 Umgestaltung und Reformierung des Systems in der Zeit der „Tauwetterperiode“

5. Entstalinisierung und zivile Erschließung des Kolyma-Gebietes
5.1 Umstrukturierungen des „Herrschaftsraums“
5.2 Umstrukturierungen des „Wirtschaftsraums“
5.3 Umstrukturierungen des „Erfahrungsraums“

6. Zwischenfazit…

7. Raum in der Literatur Varlam Šalamovs
7.1 Allgemeines
7.2 Eckpunkte im Leben Varlam Šalamovs
7.3 Raumterminologie und Raumwahrnehmung im Lager

8. Literaturwissenschaftliche Perspektiven der Literatur Varlam Šalamovs
8.1 Wirkung der „neuen Prosa“
8.2 Motivik der Literatur Šalamovs…

9. Fazit…

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Das, was ich gesehen habe – soll ein Mensch nicht sehen und nicht einmal wissen.“[1] Diese Aussage legt der Schriftsteller Varlam Šalamov einer seiner Figuren in den „Erzählungen aus Kolyma“[2] in den Mund. Er verweist damit auf sein zutiefst bitteres Schicksal und gleichermaßen auf das unsägliche Leid, welches das stalinistische „Terrorregime“ in den Weiten des hohen Nordostens der Sowjetunion im Zeitalter des GULag hunderttausenden von Menschen zugefügt hat.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Rahmen des Hauptseminars „Raum(ge)schichten Osteuropas, 18.-20. Jahrhundert“ mit der punitiven und ökonomischen Durchdringung des Raumes an der Kolyma im Zuge des Aufstiegs der „Stalin-Ära“, der Wandlung des Raumes zum separierten „industriellen Lagerkomplex“ bis hin zur schrittweisen Auflösung des „Sondergebietes“ im Rahmen der „Tauwetterperiode“. Der vollständigen Umwandlung des Raumes in politischer, wirtschaftlicher und mentaler Hinsicht wird dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Der spezielle Fokus liegt im Anschluss an die Institutionsgeschichte auf der Raumwahrnehmung in der Literatur Varlam Šalamovs, wobei sowohl auf die spezifische Lagerterminologie hinsichtlich der Raumempfindung als auch auf den „raumlos“ wirkenden Stil der „neuen Prosa“ des Schriftstellers eingegangen wird. Abschließend bleibt nach einer teilweisen literaturwissenschaftlichen Analyse der „Erzählungen aus Kolyma“ zu klären, welchen Stellenwert das Werk Šalamovs im Rahmen der Verdrängungsmechanismen nach der Umgestaltung des „Sondergebietes“ zur regulären oblast‘ einnimmt.

Vor dem Hintergrund des Seminars, welches die räumlichen Aspekte der geschichtlichen Welt in das Zentrum der Betrachtung rückt, soll auch der vorliegenden Arbeit der „Raum“ als Maßstab der Analysen dienen. Die „Raum-Formel“ des Geografie-Historikers Hans-Dietrich Schulz, „Räume sind nicht, Räume werden gemacht!“[3], gilt somit als Ausgangsbasis für alle Überlegungen, welche der vorliegenden Arbeit zugrunde liegen.

Bei der Verwendung von Sekundärliteratur zur Thematik wurde hauptsächlich auf die Aufsätze der Themenhefte „Aufbruch aus dem GULag?“ und „Das Lager Schreiben. Varlam Šalamov und die Aufarbeitung des Gulag“ zurückgegriffen.[4] Die insgesamt berücksichtigten Sekundärwerke sind alle nach der Öffnung der russischen „GULag-Archive“ verfasst worden und reihen sich somit in den Kreis der wissenschaftlich fundierten und archivgestützten Literatur ein.

2. Institutionsgeschichte

2.1 Erschließung des Raumes an der Kolyma

Sowohl die allgemeine Gründung des sowjetischen „GULag-Imperiums“ als auch der davon separierte, industriell organisierte Lagerapparat an der Kolyma muss in enger Beziehung mit dem politischen Umschwung der sowjetischen Regierung am Ende der Zwanzigerjahre gesehen werden.[5] Dem Rahmen eines repressiv-punitiven Umgangs mit politischen Gegnern der stalinistischen Herrschaft folgte im gleichen Atemzug eine starke Ausrichtung auf technischen Fortschritt, Industrialisierung und erhöhte Rohstoffgewinnung.[6] In diesem Zusammenhang spielte vor allem der vorerst unerschlossene, rohstoffhaltige Raum im hohen Norden und Osten der Sowjetunion eine gewichtige Rolle. Dieses Gebiet entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten unter Stalin stetig zum Synonym für massenhafte Zwangsarbeit, willkürliche Gewalt und Kältetod entwickelte. Eine berüchtigte „Ausnahmeregion“ im gesamten sowjetischen Zwangsarbeitersystem stellt jedoch der besonders durch die Literaten Aleksander Solženicyn und Varlam Šalamov berühmt gewordene Landesteil um den gleichnamigen Fluss Kolyma im Nordosten des Staates dar.[7] In dieser isolierten Region zeigen sich die Ziele des stalinistischen Terrors in der Vernetzung zwischen politischer Repression der Gefangenen und ökonomisch-wirtschaftlichem Gewinnstreben in außerordentlich deutlicher Grausamkeit. Neben den politischen Besonderheiten der Region, welche im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch eingehender betrachtet werden, muss die verbindungslose Lage dieses riesigen, praktisch nicht überschaubaren und bis dahin von Menschen kaum durchdrungenen Raumes hervorgehoben werden: „Ohne eine Vorstellung von dem entlegenen, ebenso riesigen wie menschenfeindlichen Raum, über den sich ‚das Lager‘ erstreckte, sind die stalinistischen Verbrechen in der Region nicht zu denken“.[8] An dieser Stelle müssen ebenfalls die extremen klimatischen Verhältnisse und die damit einhergehenden Probleme der Region ins Blickfeld gerückt werden, welche bei jedweder Untersuchung über das „Sonderlager“ an der Kolyma stets hintergründig in den jeweiligen Gegenstand der Betrachtung einfließen sollten. Varlam Šalamov beschreibt in einem seiner prosaisch verfassten Texte, den „Erzählungen aus Kolyma“, die Kombination aus staatlichem Terror und tödlicher Kälte an der Kolyma mit den Worten:

„Die Natur des Nordens ist nicht gleichgültig, nicht teilnahmslos – sie steht mit jenen im Einvernehmen, die uns hierher geschickt haben.“[9]

2.2 Aufbauphase und punitiv-ökomische Durchdringung des Gebietes

Um das Industriekombinat Dal‘stroj („Fern-Bau“) in Verbindung mit dem Lagerkomplex Sevvostlag(„Nord-östliches Arbeits- und Besserungslager“) an der Kolyma in seiner Besonderheit verstehen zu können, muss der Blick zuerst auf die Entstehung und die anfängliche Entwicklung dieser zunächst unerschlossenen Region zum industriellen Lager gerichtet werden.[10] Feststellen lässt sich parallel zum GULag-System, dass das gigantische Arbeitslager an der Kolyma aus dem Blickwinkel der Ökonomie wie aus dem Nichts geschaffen wurde. Ursprünglich ging diesem Prozess, die Gefangenen in den Lagern mehr und mehr als „Arbeitskräftefonds“ ( trudfond ) zu definieren, der Gedanke der Repression, Isolation und Absonderung der Verurteilten voraus.[11] Die gesamte industrielle- und infrastrukturelle Erschließung des Nord-östlichen Raumes nördlich des Polarkreises muss somit in ihrer Konzeption als groß angelegtes Straflagerprojekt verstanden werden. Ein wichtiger Hinweis hierfür ist unter anderem Stalins Anordnung an den späteren Kommandanten des Kombinats, Eduard Bersin[12], und zwar bereits 1926, „eines der ersten großen Lager in der Region (Wischlag), „zu organisieren“.[13] Die eigentliche Gründung des Sevvostlag fiel dann allerdings „mit der sowjetischen Durchdringung und Ausbeutung dieses rohstoffreichen Gebietes zusammen. Die Region wurde förmlich aus dem Lager geboren, das zugleich Wirtschaftsweise, Eroberungs- und Herrschaftsform war.“[14] Die Autorin Evgenija Ginzburg[15] beschreibt das „merkwürdige Paradox“ der Erschließung des menschenfeindlichen Raumes durch die Strafkolonie: „Der Gulag brachte Schritt für Schritt ‚Zivilastion‘ – wenn man das überhaupt so nennen kann – in die abgelegene Wildnis“.[16]

Wie bedeutend der Gesichtspunkt der Ökonomie für die Kolyma-Region war, zeigen die Ergebnisse verschiedener Expeditionen hinsichtlich der Rohstoffe[17] am Ende der Zwanzigerjahre. Eine eigens für die „Kolyma-Frage“ ins Leben gerufene Kommission des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU kommentiert die hohen Anteile von Bodenressourcen in der Region wie folgt:

„Die geologischen Untersuchungen haben ergeben, daß die Goldvorkommen im Indigirka- und Kolymabecken mit über 20 Prozent Anteil an den gesamten bekannten Goldvorkommen der Erde zu den weltweit ergiebigsten gehörten. Die Zinnvorkommen zählten zu den reichsten der UdSSR […].“[18]

Hinsichtlich der Erschließung und gleichzeitigen Ausbeutung der Region stellt dieselbe Kommission jedoch fest, dass

„wir erhebliche Schwierigkeiten bei der Gewinnung von Arbeitskräften für den Norden haben. Eine Konzentrierung vieler Tausender von Häftlingen wird uns helfen, die wirtschaftliche Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Nordens voranzutreiben […] mit einer Reihe von administrativen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Unterstützung entlassener Häftlinge können wir diese dazu bewegen, im Norden zu bleiben und dort die Randgebiete unseres Landes zu besiedeln […].“[19]

Diese, wie die Geschichte zeigt, euphemistische Aussage[20] des Politbüros weist in aller Deutlichkeit auf, mit welchen Methoden die Staatsgewalt der immensen Rohstoffvorkommen im hohen Nordosten des Landes habhaft werden wollte. „Konzipiert als Zwangsarbeiterprojekt“ sollte der bis dahin kaum erschlossene Raum durchdrungen werden, um Rohstoffe abzubauen und „eine auf die Produktion ausgerichtete Infrastruktur zu schaffen“.[21] Ein bedeutungsvoller Nebenaspekt war zudem die Schaffung eines weiteren strategischen und „außenpolitisch wichtigen Standortes“.[22] Jedenfalls wurden die Debatten über die Kolyma-Region nach David Nordlander „nicht im Propagandaton des sozialistischen Aufbaus geführt, sondern in der praxisorientierten Sprache von Investition und Gewinn“.[23] Es sollte ein gewaltiger Gefängnisraum geschaffen werden, um „Staatsfeinde“ zu isolieren und deren Arbeitskraft bis zum Letzten auszubeuten. Die „kasernierte Vergesellschaftung“ des „stalinistischen Terrorsystems“ gehörte [somit] zu den „selektierenden und eliminierenden Herrschaftsmethoden“, wie es sie in den modernen Industriegesellschaften des 20. Jahrhunderts des Öfteren gab.[24] In letzter Konsequenz kann man auf Grund der Herangehensweise der sowjetischen Regierung an dieses riesige Wirtschafts- und Repressionsprojekt feststellen, dass sie zwar nicht mit der beispielslosen Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten verglichen werden kann, wohl aber die Vernichtung durch Arbeit einen Teil des Umgangs mit „Staatsfeinden“ ausmachte.[25] Somit wurde „das Massensterben“ durch die radikale Ausbeutung der Gefangenen „billigend bis schulterzuckend in Kauf genommen“.[26] Die von Aleksandr Solženicyn „für die ‚Besserungsarbeitslager‘ ( ispravitel’no-trudovye lagerja ) präzise gefundene Bezeichnung ‚Vernichtungsarbeitslager‘ ( istrebitel’no-trudovye lagerja ) traf in besonderem Maße für die Lager in dieser Region zu: Der Tod durch Arbeit – nicht nur durch Hunger, Kälte oder Erschießung – lag im Kalkül der politischen Macht.“[27]

2.3 Entwicklung der Region zum politischen „Sonderstatus“

Die „sowjetische Eroberung“ und geologische Erschließung des entsprechenden Raumes im Nordosten des Landes „setzte im November 1931 mit der Gründung des Industriekombinates Dal’stroj […] ein“.[28] Vorerst unterstand der sich im Aufbau befindliche Industriekomplex unter der Leitung des Rates für Arbeit und Verteidigung (STO SSSR), welcher speziell für „militärische Fragen“ und „industrielle Entwicklung“ gegründet wurde.[29] Den größten Teil der Arbeiter[30] in dem neu zu erschließenden Wirtschaftsraum machten die verhältnismäßig wenigen Strafgefangen des 1932 gegründeten nordöstlichen Lagerkomplexes Sevvostlag aus. Das Straflager unterstand bis zum „großen Terror“ in den Jahren 1937/38 der Hauptverwaltung der Lager und kann somit, zumindest für diese Zeit, als „regulärer“ Teil des riesigen „GULag-Imperiums“ gesehen werden.[31] Dass dieser neue, sich langsam ausbreitende Großkomplex aus Lager und Industrie am äußeren Rande der Sowjetunion aber einen „Sonderstatus“ im Repressionssystem des Staates einnehmen sollte, zeigen die Geheimhaltungsbestrebungen der stalinistischen Regierung hinsichtlich des Projekts. Die enge Verbindung zwischen Dal’stroj und Sevvostlag wurde gleich zu Beginn mit allen Möglichkeiten verschleiert, um das Gesamtkonzept zumindest für die Außenwelt als normales wirtschaftliches Unternehmen zu präsentieren.[32] Die gesamte Region an der Kolyma sollte auf längere Sicht einen Großteil der „Staatsfeinde“ vom umfassenden System des sowjetischen Staates isolieren und gleichzeitig überdurchschnittlich hohe wirtschaftliche Erträge gewährleisten.

Bedingt durch die rauen klimatischen Bedingungen, die extreme Abgeschiedenheit der Region[33] sowie dem Mangel an Fachkräften verliefen die Fortschritte in den anfänglichen Jahren des Kombinats äußerst langsam. Das gigantische Gebiet, welches ein Siebtel der gesamten Sowjetunion ausmacht, musste zudem erst infrastrukturell erschlossen werden. Mit dem Bau der Kolymatrasse, dem zentralen Hauptverkehrsweg durch die Region, wurde der noch unbekannte Raum hinter der neu gegründeten Stadt Magadan Stück für Stück erschlossen.[34] Meist folgte „das Lager“ den geologischen Erschließungstrupps; und die Strafgefangenen, schon bald hunderte von Kilometern im Inland, wurden zu ihrer menschenunwürdigen Arbeit gezwungen. Zwar konnten so die „weißen Flecken“ auf der Landkarte der Region nach und nach vermindert werden, doch brachte die gewaltige Expansion in den Raum auch unvorhergesehene, aber praktisch unbeachtete Schwierigkeiten mit sich. Während man immer mehr Arbeiter in die jeweiligen Schürfungsgebiete des Inlands deportierte, wurden die Haft- und Arbeitsbedingungen der Strafgefangenen kontinuierlich schlechter. So mangelte es besonders an den Außenposten auf Grund der jeweiligen peripheren Lage und den extremen klimatischen Bedingungen an Nahrung, Kleidung und Organisation.[35] Nichtsdestotrotz waren „die Haftbedingungen in der Anfangsphase des Sevvostlag […][im Vergleich zu den Jahren nach 1938] vergleichsweise ‚milde‘.“[36] So waren die Lagerinsassen unter Eduard Berzin als Kommandant des Industriekombinates während der Arbeit größtenteils unbewacht und erhielten, bei Einhaltung des vorgegebenen Plans, eine geringe Bezahlung für ihre Tätigkeit.[37] Zudem gingen die wenigen frei angeworbenen Arbeiter mit den Gefangenen des Sevvostlag gemeinsam der Arbeit bei Infrastrukturprojekten und (vorerst vereinzelt) im Bergbau nach.[38] Für Berzin standen hauptsächlich die Produktionsergebnisse und weniger die Repression, Einschüchterung und Umerziehung der Strafgefangenen im Vordergrund.[39] Den aufgezeigten Sachverhalt der „guten“ Behandlung der Gefangenen während der „Berzin-Ära“ beschreibt der Autor Varlam Šalamov Jahre später wie eine Erinnerung an ein „goldenes Zeitalter des Sevvostlag“:

„[…], da es ausgezeichnete Verpflegung gab, im Winter vier bis sechs Stunden und im Sommer zehn Stunden täglich gearbeitet wurde, die Gefangenen kolossale Löhne erhielten, was es ihnen ermöglichte, als wohlhabende Leute ins Leben zurückzukehren, wenn ihre Strafe abgelaufen war… Aus jener Zeit gibt es so wenige Friedhöfe, dass die frühen Bewohner der Kolyma denen, die später kamen, als unsterblich gegolten haben müssen.“[40]

Im letzten Drittel der 1930er Jahre unterlag der bis dahin offiziell getrennte Gefängnis- und Wirtschaftsraum an der Kolyma jedoch grundlegenden Veränderungen. Mit dem Beginn des „großen Terrors“[41], welcher durch den Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees der KPdSU über „antisowjetische Elemente“ seinen Anfang nahm, ging ein Strategie- und Führungswechsel in der Administration von Dal’stroj und Sevvostlag einher.[42] Neben einer vollständigen Umgestaltung, der unter anderem auch Eduard Berzin zum Opfer fiel[43], begann nun die große Inhaftierung der „Konterrevolutionäre“ und „politischen Agitatoren“ in der menschenfeindlichen Region. Die überwiegende Mehrzahl der Festgenommenen wurde „auf Anweisung des Gulag […] in [die] entlegenen Grenzregionen, zum Arbeitseinsatz […][an] der Kolymatrasse oder in Goldminen und Zinngruben, geschickt.“[44] Varlam Šalamov schreibt über die willkürliche Gefangennahme Tausender Menschen im gesamten Raum der Sowjetunion:

[...]


[1] ŠALAMOV Künstler der Schaufel, S. 28.

[2] ŠALAMOV Erzählungen aus Kolyma (3 Bde. – siehe Anhang).

[3] SCHENK Der spatial turn und die Osteuropäische Geschichte, „URL“ vgl. Bibliographie.

[4] Zur Verwendung der einzelnen Aufsätze vgl. Bibliographie.

[5] Vgl. GESTWA Aufbruch aus dem GULag?, S. 483f.

[6] Vgl. ebd. S. 484.

[7] Vgl. hierzu bes.: SOLŽENICYN Der Archipel Gulag; ŠALAMOV Erzählungen aus Kolyma (3 Bde. – siehe Anhang).

[8] SPRAU Entstalinisierung verortet, S. 535.

[9] ŠALAMOV Durch den Schnee, S. 102.

[10] Einen Überblick über die Entstehung des Industriekombinats geben u.a.: SPRAU Entstalinisierung verortet, S.536ff.; SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 67ff.; PANIKAROV Kolyma, S. 269ff.; KHLEVNIUK The History of the Gulag, S. 30f.; McCANNON Red Arctic, S. 168ff.; STEPHAN The Russian far East, S. 225ff.

[11] Vgl. GESTWA Aufbruch aus dem GULag?, S. 484.

[12] Bersin war ab der Gründung von Dal’stroj (1931) oberster Direktor des Industriekombinats. Im Dezember 1937 wurde er gefangen genommen und im August 1938 exekutiert. Vgl. KHLEVNIUK The History of the Gulag, S. 347.

[13] Vgl. APPLEBAUM GULAG, S. 122.

[14] SPRAU Entstalinisierung verortet, S. 535. Vgl. hierzu u.a. Anm. 23.

[15] Ginsburg verbrachte 18 Jahre ihres Lebens an der Kolyma und verfasste danach ihr Lebenswerk Krutoj maršrut.

[16] Zitiert in: APPLEBAUM GULAG, S. 127.

[17] Für einen Überblick über Rohstofferträge von Dal’stroj vgl. SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 71.

[18] Zitiert in: PANIKAROV Kolyma, S. 269. Vgl. hierzu: SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 67.

[19] Zitiert in: PANIKAROV Kolyma, S. 269.

[20] Vielen Insassen der Lager wurde nach der „Freilassung“ keine Möglichkeit für eine Rückkehr in die Heimat gegeben. Somit waren sie oftmals gezwungen, unter konzentrationslagerähnlichen Bedingungen ihr Dasein, direkt „neben dem Lager“, zu fristen. Vgl. hierzu: GESTWA Aufbruch aus dem GULag?, S. 481.

[21] SPRAU Entstalinisierung verortet, S. 536.

[22] SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 68.

[23] APPLEBAUM GULAG, S. 123.

[24] Vgl. GESTWA Aufbruch aus dem GULag?, S. 483.

[25] Vgl. PANIKAROV Kolyma, S. 268.

[26] Vgl. zu dieser Diskussion u.a.: ARMANSKI Maschinen des Terrors, S. 187ff.

[27] THUN-HOHENSTEIN Poetik der Unerbittlichkeit, S. 42.

[28] Vgl. SPRAU Entstalinisierung verortet, S. 536.

[29] SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 68f.

[30] Mit mäßigem Erfolg wurde versucht, auch freie Arbeiter in dem entlegenen Gebiet anzusiedeln. Am Ende des Jahres 1936 betrug die Zahl der Häftlinge ( Seki ) über 60.000. Die Zahl der angeworbenen „freien“ Arbeiter nur 10.000. Vgl. hierzu: PANIKAROV Kolyma, S. 276.

[31] Von der eigentlichen spezifischen Herrschaftsform eines „Lager-industriellen Komplexes“ kann erst mit der Übernahme von Dal’stro j und Sevvostlag durch den NKVD im März 1938 gesprochen werden. Vgl. hierzu: SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 68f.

[32] Vgl. APPLEBAUM GULAG, S. 125.

[33] Die einzige Verbindung zwischen der Kolyma-Region und dem Rest des Landes war die Schiffsroute Wladiwostok-Magadan. Vgl. hierzu: McCANNON Red Arctic, S. 169.

[34] PANIKAROV Kolyma, S. 274.

[35] Vgl. ebd., S. 269ff.

[36] Vgl. ebd., S. 271.; Vgl. McCANNON Red Arctic, S. 169.

[37] Vgl. PANIKAROV Kolyma, S. 270.

[38] In den ersten Jahren von Dal’stroj wurde ein Großteil der Arbeitskraft auf Infrastrukturprojekte verwendet. Die Förderung von Gold und anderen Bodenressourcen blieb vorerst auf sehr niedrigem Niveau. Vgl. hierzu: SPRAU Gold und Zwangsarbeit, S. 71.

[39] Vgl. APPLEBAUM GULAG, S. 125.

[40] Zitiert in: ebd., S. 126.

[41] Die Verhaftungswelle der Jahre 1937/1938 unter NKVD-Chef Nikolai Jeschow wird allgemein als der „große Terror“ bezeichnet und kann als der Höhepunkt der Massenrepression in der SU angesehen werden. Vgl. hierzu: KHLEVNIUK The History of the Gulag, S. 140ff.; APPLEBAUM GULAG, S. 131ff.

[42] Vgl. PANIKAROV Kolyma, S. 278.

[43] Berzin wurden u.a. angebliche Spionagetätigkeiten für das japanische Militär vorgeworfen. Vgl. hierzu: McCANNON Red Arctic, S. 169.

[44] Vgl. PANIKAROV Kolyma, S. 276.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
GULag. Der stalinistische lager-industrielle Komplex an der Kolyma und der Beitrag Varlam Šalamovs gegen das Vergessen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Osteuropäische Geschichte und Landeskunde)
Veranstaltung
Raum(ge)schichten Osteuropas, 18.-20. Jahrhundert
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
33
Katalognummer
V263226
ISBN (eBook)
9783656522515
ISBN (Buch)
9783656523451
Dateigröße
607 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anm. d. Dozenten: Die Hausarbeit hat mir ausgesprochen gut gefallen. Sie gibt einen sachkundigen, informativen Überblick über Dal'stroj und präsentiert kluge Schlussfolgerungen. [...] Literatur- und Strukturgeschichte werden umsichtig miteinander verwoben. Der Stil ist flüssig, es gibt begriffliche Pointierungen. Die Forschungsliteratur ist breit gesichtet und ausgewertet worden.
Schlagworte
gulag, komplex, kolyma, beitrag, varlam, vergessen
Arbeit zitieren
Jonathan Haß (Autor:in), 2011, GULag. Der stalinistische lager-industrielle Komplex an der Kolyma und der Beitrag Varlam Šalamovs gegen das Vergessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263226

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