Die Intrige und die Bedeutung von Dolch und Gift in Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti und Miss Sara Sampson

Ein Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Die Methode der Intrige

3. Charakterisierung Marwood, Thematik der Zurückweisung und ntrige-Motivation

4. Charakterisierung Gräfin Orsina, Thematik der Zurückweisung und Intrige-Motivation

5. Die Intrigen im Vergleich und die Bedeutung von Dolch und Gift

6. Schluss

7. Literatur

8. Anhang

1. Einleitung

Miss Sara Sampson ist das erste bürgerliche Trauerspiel der neueren deutschen Literatur. Das knapp 20 Jahre später aufgeführte Stück Emilia Galotti ist ein Drama der Aufklärung, das dem damals vorherrschenden Vorbild Frankreichs widerspricht und sich auch von der Regelpoetik Gottscheds absetzt. Das Stück ist vor allem ein politisches Stück, jedoch ist die Liebe zentrales Thema in beiden Dramen. In dieser Hausarbeit werde ich die Intrige in beiden Stücken diskutieren, die durch verschmähte Liebe resultierend, das dramatische Ende zur Folge hat. Hierzu wird die Methode der Intrige vorgestellt, um anschießend beide Intrigantinnen, Marwood und Gräfin Orsina, zu charakterisieren. Darauf folgend wird das Augenmerk auf die Thematik der Zurückweisung gerichtet. Diese ist Auslöser bzw. Motivation, die beide Frauen intrigieren lässt und somit das dramatische Geschehen einleitet. Folglich wird beschrieben, wie die Intrige der beiden Frauen aufgebaut ist. Ein näheres Betrachten und Vergleichen der Vorgehensweise der Intrigantinnen in beiden Werken wird aufzeigen, welche Gemeinsamkeiten bei Lessings Werken vorherrschen und durch welche Schlüsselszenen, die Intrige schließlich fruchtet bzw. welche Folgen daraus resultieren. Hierzu ist es von Bedeutung auf die Hilfsmittel einzugehen, die unter anderem der Kernpunkt meiner Arbeit ist. In beiden Werken spielen Dolch und Gift jeweils eine wichtige Rolle. In meiner Arbeit wird versucht die Symbolik beider Gegenstände zu erläutern sowie dazulegen, wer welche der todbringenden Hilfsmittel verwendet und welche Bedeutung dahinter steckt. Wieso stirbt Emilia mit dem Dolch, während Sara durch das Gift stirbt? Warum versucht Marwood Mellefont mit dem Dolch zu erstechen und wie stirbt dieser schließlich? Welche Folgen das für die Liebenden hat, wird sich nach Klärung dieser Fragen zeigen.

2. Die Methode der Intrige

Der Germanist Peter von Matt versucht sich evolutionstheoretisch dem Thema Intrige zu nähern, indem er die Aussage „Die Schöpfung lügt“1. Nach Darwin und seinem „survival of the fittest“ bedienen sich Pflanzen wie Tiere des Mittels der Verkleidung. Von Matt nennt als Beispiel für Tarnung die Teufelsblume, die eine Fangschrecke ist und sich als Pflanze tarnt. Zur Sicherung der Fortpflanzung wird die Fliegenragwurz genannt, deren Blüte aussieht wie ein Insekt und somit andere Insekten anlockt, damit die Pollen weitergetragen werden. Der Kuckuck ist ein typisches Beispiel für Arterhaltung, da er seine Eier in fremde Nester legt, damit diese von anderen großgezogen werden. Diese ganzen Beispiele könnte man ohne weiteres auf die Menschenwelt übertragen, wie z.B. Trickbetrüger, Heiratsschwindler, etc.). Was unterscheidet aber diese s.g. Täuschung der Tierwelt mit der Täuschung der Menschen? Die Aktion der Teufelsblume hat einen Zweck, die des Menschen ein Ziel.2 Die Simulation innerhalb der Tierwelt ist also genetisch begründet. Das Geschehene spielt sich unterbewusst ab, während das menschliche Handeln bewusst abläuft und somit ein speziell gewähltes Mittel zur Realisierung eines, zum eigenen Vorteil gerichteten, Zieles ist. Wendet man nun dieses Wissen in der Literatur an, im diesem Fall auf das Trauerspiel, kann man nun festmachen, dass der zukünftige Intrigant, sich aus der Not gerichtet, weil er in einer Thematik unterlegen ist, ein Ziel ansteuert, welcher in einem Plan mündet, der zur Verwirklichung des Ziels dient. Dieser Vorgang wird von Peter von Matt als Planszene bezeichnet. Die Planszene in ihrer moralischen Dimension ist von großer Bedeutung für das Drama des 17. und 18.Jahrhunderts. In ihr wird das geltende Normsystem wiedergegeben. Die Unterscheidung zwischen Tugend und Laster, sowie Gut und Böse gibt gleichzeitig Aufschluss über die entstehungszeitliche Anthropologie und die Rezeption von Determination und Freiheit.3 Damit die Intrige fruchtet, muss der Intrigant sich verstellen. Peter von Matt richtet sein Augenmerk auf die Verkleidung. Diese ist bei ihm der Inbegriff für Freiheit. Er spricht von einer temporären Rückkehr in den paradiesischen Zustand und von der kurzzeitigen Befreiung der Erbsünde. Hier kann von Matt zugestimmt werden. Ist man verkleidet, kann man leichter agieren bzw. frei agieren. Auch wenn man beobachtet wird. Wird die Intrige entdeckt, kann eine Gegenintrige erfolgen: Actio-Reactio Prinzip. Daraus resultierend, kann man sagen, dass eine Intrige nicht durchwegs negativ sein muss. Eine Gegenintrige kann eine negative Ausgangssituation korrigieren. Der Soziologe Richard Utz, versucht die Intrige anhand der idealtypischen Methode von Max Weber zu erklären. Das heißt, dass man von einer Konstruktion eines idealtypischen Gegenstandes ausgeht, welcher so in der Realität nicht vorhanden ist, oder vorhanden sein wird, sondern nur als fixer Bezugspunkt für diverse Ausformungen dessen, was man als Intrige bezeichnet, dient. Die Intrige bei Richard Utz kennzeichnet sich durch eine Triade zwischen Intrigant, Intrigenopfer und Intrigenvollstrecker. Wichtig ist, dass die Täuschung bzw. Lüge geheim gehalten wird. Der aus der Not handelnde Intrigant muss die Lüge und eine damit temporär konstruierte Scheinwelt aufrecht erhalten, damit Dritte, die nicht dieselbe Ansicht ergo Motivation des Intriganten teilen, instrumentalisiert werden können. Der letzte Punkt, der die Intrige ausmacht, ist die Konfliktivität. D.h. der Streit um einen bestimmten Wert. Hierbei ist es nicht von Bedeutung, ob der Intrigant aus reiner Missgunst oder auf Grund von Interessenüberschneidung handelt. Nach Peter Utz ergibt sich folgende Kurzformel: Die Intrige ist der geheime Streit in der Triade.4 Nach Georg Simmel ist Wissen Element einer jeden Wechselbeziehung. Das Wissen ist nie allumfassend und entwickelt sich in der soeben genannten Wechselbeziehung.5 Betrachtet man die Triade, so muss das Wissen innerhalb dieser ungleich verteilt sein. Das Geheimnis der Intrige verbirgt die Absicht der Intrige. Die Intrigenlüge jedoch gibt falsche Handlungsmotive vor. Die Konfliktivität betreffend ist der Intrigant ohne Regeln und Normen. Genau dies zwingt ihn zum indirekten Handeln. Das Einschalten einer dritten Instanz ergo des Intrigenvollstreckers ist notwendig, damit eine Eskalation der Situation verhindert wird.

3. Charakterisierung Marwood, Thematik der Zurückweisung und Intrige-Motivation

Marwood, im späteren Verlauf auch Lady Solmes genannt, ist die frühere Geliebte des Mellefont. Sie ist nicht mittellos und aus einem gut situierten Hause, wie man im Gespräch mit Sara mitbekommt und zum Zeitpunkt des Kennenlernens mit Mellefont Witwe:

„ Marwood ist aus einem guten Geschlechte. Sie war eine junge Witwe, als sie Mellefont bei einer ihrer Freundinnen kennen lernte. “ 6 Im Weiteren beschreibt sie sich selbst als „Schönheit“ und das es ihr nicht an Anmut mangelt. Denn ohne diese, so sagt sie, wäre die Schönheit tot. Wie bereits erwähnt, stammt Marwood aus gutem Hause. Daraus lässt sich schließen, dass sie auch wohlhabend ist bzw. war, wie man im Folgenden von ihr selbst mitbekommt: „ Ihr guter Name war ohne Flecken. Ein einziges fehlte ihr: -Verm ö gen. Alles was sie besessen hatte, -und es sollen ansehnliche Reichtümer gewesen sein, -hatte sie für die Befreiung eines Mannes aufgeopfert, dem sie nichts in der Welt vorenthalten zu dürfen glaubte, nachdem sie ihm einmal ihr Herz und ihre Hand schenken wollte. “ 7 Weitere Details ihrer Person erfährt der Leser erneut durch den Dialog mit Sara von Marwood selbst. Lediglich beim Dialog zwischen Marwood und Mellefont erfährt man weitere, nicht subjektive Sichtweisen bzgl. ihrer Person. So kommt es, dass Marwood einst eine ehrvolle Frau war, wie sie erzählt. Sie ist keine Eigennützige, sondern ein Frauenzimmer, voll des zärtlichsten Gefühls, welche eine Hütte einem Palast vorziehen würde, wenn sie in jener, mit einer geliebten und in diesem mit einer gleichgültigen Person hätte leben sollen.8

Des Weiteren beschreibt sie sich als loyale und treue Frau, die reichere Verbindungen ausgeschlagen habe zu anderen Männern, weil sie nur Augen für Mellefont hatte, obwohl diese bzgl. der Flatterhaftigkeit ihres Liebhabers Bescheid wusste. Der Leser erfährt im Dialog auch, dass Mellefont sich mit Marwood vermählen wollte, dies aber unterbrochen wurde, durch den Tod eines Vetters. Dieser würde das gesamte Vermögen des Vetters erhalten, wenn er eine nähere Verwandte heiratete. Diese Thematik ist auch aktuell, als es um die bevorstehende Vermählung zwischen Sara und Mellefont geht. Marwood beschreibt sich als aufopfernd, da sie ihn heimlich verlässt, damit er an das Vermögen kommen kann:

„ Er fand nichts als einen Brief von ihr, worin sie ihm entdeckte, dass er sich keine Rechnung machen dürfte, sie jemals wieder zu sehen. Sie leugne es zwar nicht, dass sie ihn liebe, aber eben deswegen k ö nne sie sich nichtüberwinden, die Ursache einer Tat zu sein, die er notwendig einmal bereuen müsse. “ 9

Der Leser erfährt auch, dass das Verhältnis zwischen Marwood und Mellefont über zehn Jahre ging, er diese bezüglich Sara beendete10 und Tochter Arabella, welche aus der Verbindung beider hervor ging, aus der Obhut ihrer Mutter entzog:

„ Er riss das Kind vor einiger Zeit aus meinen Armen, unter dem Vorwande, ihm eine Art von Erziehung geben zu lassen, die es bei mir nicht haben k ö nnte. Ich habe es von der Dame, die es unter ihrer Aufsicht hatte, itzt nicht anders als durch eine List wiederbekommen k ö nnen; “ 11

Hier zeigt sich nicht nur, dass Marwood das Kind wieder hat, sondern dass diese Tat seitens Mellefonts auch Marwood in Rage gebracht hat und sie durch die Anwendung einer List, an ihr Ziel gekommen ist. Sie selbst gibt wieder, dass sie die Dame täuschte, um Arabella zu bekommen. Diese erste List ist zugleich Nährboden für die noch Folgenden. Wichtig ist zu beachten, dass Mellefont Marwood damals zurückholte, als sie ihn verließ. Beide warteten mit der Vermählung so lange, bis es zu einem Vergleich kam, seitens der Verwandten, welche auch nicht lange auf das Erbe verzichten hätte wollen. Eine Heirat fand nicht statt. Beiden verband vielmehr eine anhaltende Liebschaft, die es Mellefont erlaubt „flatterhaft“, wie Marwood es ausdrückt, zu agieren. Eine Frau jedoch, die ihre Jungfräulichkeit verlor, ohne verheiratet zu sein, war keine ehrbare Frau zu damaliger Zeit. Die Geburt der Tochter unterstreicht diesen Ehrverlust, sowie das Ansehen innerhalb der Gesellschaft. Für Männer galt diese gesellschaftliche Kodierung nicht.

„ Derjenige der Ehre besitzt, der ehrenvoll ist, verfügtüber eine Identität, mit der er zufrieden sein kann. “ 12 Marwood hat somit nicht nur ihre Ehre verloren, sondern auch ihren Geliebten und kurzzeitig ihre Tochter. Was bleibt ist die Tatsache, dass sie die Geliebte eines Mannes ist bzw. war, der sie nicht geheiratet hat und sie die Mutter eines unehelichen Kindes ist. Die Ehre ist eng mit dem Menschen und seinem Überleben verbunden. „ Ehre ist des Lebens einziger Gewinn; Nehmt Ehre weg, so ist mein Leben hin. “ , lauten die Worte Norfolks bei Shakespeare. Marwood erfährt einen Ehrverlust, welcher sie wütend werden lässt.

[...]


1 Vgl.: Matt, Peter von: Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist. München 2006, S.19.

2 Vgl. Ebd., S.34.

3 Vgl. Ebd., S.33.

4 Utz, Richard: Soziologie der Intrige. Der geheime Streit in der Triade, empirisch untersucht an drei historischen Fällen. Berlin 1997, S.15.

5 Utz, Richard: Soziologie der Intrige. Der geheime Streit in der Triade, empirisch untersucht an drei historischen Fällen. Berlin 1997, S.37 ff.

6 Lessing, Gotthold Ephraim: Miss Sara Sampson, Stuttgart 2003, S.80.

7 Lessing, Gotthold Ephraim 2003, S.80.

8 Vgl.: ebd., S.81.

9 Vgl.: ebd., S.82.

10 Vgl.: ebd., S.83.

11 Ebd., S.23.

12 Girtler, Roland: Ehre bei Vaganten, Ganoven, Häftlingen, Dirnen und Schmugglern, in: Vogt,Ludgera/Zingerle, Arnold (Hg.): Ehre. Archaische Momente in der Moderne, Frankurt am Main 1994, S.213.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Intrige und die Bedeutung von Dolch und Gift in Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti und Miss Sara Sampson
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
VS Die Intrige im Trauerspiel des 17. und 18.Jahrhunderts
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
22
Katalognummer
V263532
ISBN (eBook)
9783656525905
ISBN (Buch)
9783656530275
Dateigröße
953 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
intrige, bedeutung, dolch, gift, gotthold, ephraim, lessings, emilia, galotti, miss, sara, sampson, vergleich
Arbeit zitieren
Alper Süküt (Autor:in), 2013, Die Intrige und die Bedeutung von Dolch und Gift in Gotthold Ephraim Lessings Emilia Galotti und Miss Sara Sampson, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263532

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