Dieser Essay analysiert Peter Steins Inszenierung des "Torquato Tasso" von 1966 unter den Gesichtspunkten der Gestaltung des Bühnenbildes und des Schauspiels: wie wird inszeniert und welche Wirkung hat diese auf das Publikum?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Bühnenbild
3. Schauspiel
4. Quellen
1. Einleitung
Goethe fasste das Dilemma eines Künstlers, welches auch sein eigenes war, in eine Theaterdichtung: Torquato Tasso. Dieses Dilemma besteht in der Abhängigkeit des Dichters von dem Arbeitgeber, in Torquatos Fall die Abhängigkeit vom Duodez-Fürsten Alfons (Canaris, Volker (Herausgeber): Torquato Tasso. Regiebuch der Bremer Inszenierung. Nördlingen: Edition Suhrkamp, 1970. S. 139). Das Genie muss gefallen, darf sich nicht nach seinen eigenen Vorstellungen in seiner Kunst ausleben, sondern nach den Vorstellungen der Gesellschaft, die es fördert. Torquato wird vom Fürsten als Ventil für unausgelebte Wünsche, Triebe, Emotionen benutzt, er verkörpert sie, lebt sie dem Fürsten vor, eine Art Hofnarr, nur ist diese Narrenheit künstlerisch erhöht. Er ist ein Schmuckstück des Fürstenhofes, Lieferant von Gesprächsstoff, durch seine „Launen und Wehwehchen“ (Volker: S. 149), dafür wird er von dem Hof geliebt und er selbst liebt diese Beachtung. Doch dann fühlt er, wie es ihn schmerzt, nicht ernstgenommen zu werden, er lehnt sich dagegen auf, möchte ausbrechen. Die Spielfigur wird eigenständig. Und da fällt er in Ungnade bei seinem Gönner.
Peter Steins Inszenierung von Goethes Torquato Tasso aus dem Jahre 1966 ist nach klassischem Vorbild gestaltet, jedoch in einer modernen Form. Stein hat einen Klassiker als Klassiker inszeniert, jedoch musste er dafür 200 Jahre Zeitgeschichte überbrücken. Den Stoff selbst hat er nicht aktualisiert, sondern die Art und Weise der Umsetzung. Klassische Elemente wurden mit zeitgenössischen vermischt, Klassik wurde modernisiert. Klassisch sind der Inhalt, die Kostüme, die Requisiten, die Sprache, modern sind absurde „clowneske“ Gesten, das Bühnenbild. Das Spiel und Aussprache sind klassisch, gepaart mit einer unkonventionellen Umsetzung dessen. Es gibt keine klare Abgrenzung zwischen beiden Theaterformen.
2. Bühnenbild
Der Zuschauer bekommt ein modernes, buntes und üppiges Bühnenbild mit klassischer Dekoration geboten. Eine grüne Wiese wird durch einen Plüschteppich dargestellt, die Bühne ist begrenzt durch eine spiegelnde Plexiglaswand. Dahinter schimmert eine goldene Wand hindurch.
Mitten auf dem grasgrünen Teppich steht Torquatos Schreibtisch mit Schemel, in altem elisabethanischen Stil, irgendwo rechts daneben ist eine Goethebüste drapiert, die Zeit des Abgebildeten symbolisierend und eine Brücke zwischen den Zeiten schlagend. Ein alter Sessel wie zur Römerzeit dient dem Fürsten als Liege. Das Bühnenbild wechselt nicht, alle Szenen spielen sich an einem Ort ab, die Szenenorte sind zusammengefasst. Jeder Szenenort ist nur durch Attribute gekennzeichnet, so z. B. Torquatos Schreibzimmer durch seinen Schreibtisch, der aber mitten auf der Wiese steht. Auch entfernt sich keiner der Schauspieler von der Bühne, während der ganzen Vorstellung nicht. Ist ein Schauspieler gerade nicht am Sprechen, so bildet er einen Hintergrund oder Rahmung für die anderen, entweder als Standbild oder als „Statist“. So entsteht ein fließendes, ununterbrochenes Spiel ohne Szenenwechsel. Die klassischen Figuren bewegen sich in einem modernen Bühnenbild.
3. Schauspiel
Torquato Tasso fällt von den Figuren am meisten auf. Er wurde von Peter Stein als „Emotionalclown“ bezeichnet. Er steckt voller Emotionen, die meist in poetischer Form geäußert werden, jedoch immer öfters, je mehr er sich von den anderen Figuren abgegrenzt fühlt, in Affekten hervorbrechen. Durch dieses unkontrollierte, affekthafte Hervorbrechen wiederum entfernt er sich von den anderen Charakteren, bis er im Wahnsinn oder eher im „peinlichen Schwachsinn“ (Volker: S. 163) endet. Das Wort „Tolpatsch“ bezeichnet ihn auch oftmals treffend.
Er betritt die Bühne und bringt sich erstmal an seinem Schreibtich in Pose. Er übt seine Haltung als Genie und Poet, scheitert aber letztendlich doch in einem peinlichen Faux-Pas: er verliert den Halt und fällt hintenüber. Seine gespielte Fassade wird zum erstenmal durchlässig und lässt den wirklichen Torquato Tasso, den etwas ungelenken Poeten, durchscheinen ein Bruch im Schauspiel, ein komischer Moment, eine Irritation.
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- B.A. Manuel Kröger (Author), 2011, Die klassisch-moderne Form von Peter Steins Torquato Tasso-Inszenierung in Bremen, 1966, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263706
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