Die zu verfassende Arbeit ist aufgeteilt in drei Phasen, während denen die Armenische Frage am umfassendsten rezipiert wurde: die unmittelbare Vorkriegszeit, die Phase der Vernichtung der Armenier 1915 bis 1917 und die Nachkriegsschauplätze der Armenischen Frage bis zur Ermordung Talaat Paschas 1921 in Berlin. Der rezeptionsgeschichtliche Ansatz bietet dabei die Möglichkeit, die zeitgenössischen Sichtweisen und damit letztlich Handlungen gesellschaftlich, geistig und politisch umfassend verorten zu können. Zunächst erfolgt eine Kontextualisierung der Armenischen Frage seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zu den hamidischen Massakern Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei gilt es zunächst, ein allgemeines, im Deutschen Reich vorherrschendes Armenierbild vor dem Völkermord nachzuzeichnen.
Die unmittelbare Vorkriegszeit nimmt einen wichtigen Teil dieser Arbeit ein: kurz vor Kriegsausbruch wurde 1913/1914 ein Reformplan von Russland und Deutschland aufgestellt, der mit Ausnahme des Osmanischen Reiches für alle Beteiligten große Hoffnungen für eine Lösung der Armenischen Frage mit sich brachte. Der für diese Arbeit bedeutendste Zeitraum zur Darstellung der Rezeption des Völkermordes liegt in den Jahren 1915 bis 1917, da in dieser Zeit die entscheidenden Momente deutscher Handlungen und Haltungen offenbart wurden. Dabei war die Frage nach einer möglichen Mittäterschaft des Deutschen Reiches das wichtigste Thema für die deutsche Führung, das auch die Nachkriegsschauplätze der Armenischen Frage weitgehend dominierte.
Die Nachkriegszeit weist bezüglich der Armenischen Frage relativ wenige Quellen auf. Eine Ausnahme stellt das Werk Johannes Lepsius‘ dar, der nach dem Krieg einer von Wenigen war, der sich bezüglich der Armenischen Frage engagierte. Mit dem Mord an Talaat Pascha in Berlin flammte die Armenische Frage wieder auf und erlangte kurzfristig große Aufmerksamkeit in der deutschen Publizistik. Mit der Untersuchung der Reaktionen auf den Freispruch des Täters endet die Untersuchung dieser Arbeit. In der Schlussbetrachtung soll nach zusammenfassenden Ausführungen und weiterführenden Bemerkungen zur Behandlung der Armenischen Frage in den 20er-Jahren ein Ausblick auf neu aufgeworfene Forschungsfragen vollzogen werden, um dann in Rekurs auf die eingangs beschriebenen tagesaktuelle Problematiken und Diskussionen zum Abschluss zu kommen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Deutsche Weltmachtpolitik und die Armenische Frage
- 2.1 Das Aufkommen der Armenischen Frage im 19. Jahrhundert
- 2.2 Erster verhaltener Protest: Reaktionen auf die hamidischen Massaker
- 2.3 Die Orientreise Kaiser Wilhelms II. 1898
- 3 Von Reformen, Revolutionen und Kriegen. Der Weg zur deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft
- 3.1 Jungtürkische Revolution 1908/1909
- 3.2 Deutsch-türkische Beziehungen im Vorfeld des Ersten Weltkriegs
- 3.3 Die Sicht auf die Armenische Frage in unmittelbarer Vorkriegszeit
- 3.4 Der armenische Reformplan 1913/1914 und deutsch-türkische Waffenbrüderschaft
- 4 Der Völkermord an den Armeniern 1915 bis 1917 und die Rolle des Deutschen Reiches
- 4.1 Historischer Abriss zum Hergang des Völkermordes
- 4.2 Die Rolle des Militärs
- 4.3 Der Einfluss der deutschen Zivilbevölkerung auf die Politik
- 4.4 Die Botschaft in Konstantinopel
- 4.5 Die Haltung der politischen Führung in Berlin
- 4.6 Zwischenfazit
- 5 „Die Zeit zu reden ist gekommen.“ Nachkriegsdebatten um die Armenische Frage
- 5.1 Erste Friedensabkommen, Ende der Waffenbrüderschaft und erneute Vernichtungsgefahr
- 5.2 Die Dokumentation Lepsius' als Wegbegleiter der Armenischen Frage vom Kriegsende bis zum Vertrag von Sèvres
- 5.3 Die Kriegsverbrecherprozesse in Istanbul, politisches Asyl für gestürzte Machthaber und der Vertrag von Sèvres
- 5.4 Der,Prozess Talaat Pascha als letzter Höhepunkt der Rezeption der Armenischen Frage
- 5.4.1 Reaktionen der Befürworter des Freispruchs
- 5.4.2 Reaktionen der Kritiker des Freispruchs
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit untersucht die Rezeption der Armenischen Frage in Deutschland von 1894 bis 1921. Sie beleuchtet die Rolle des Deutschen Reiches im Kontext der armenischen Tragödie und analysiert die Reaktion deutscher Politik und Gesellschaft auf die Ereignisse.
- Die Armenische Frage im Kontext der deutschen Weltmachtpolitik
- Die Reaktion Deutschlands auf die hamidischen Massaker und die Jungtürkische Revolution
- Die deutsch-türkische Waffenbrüderschaft im Ersten Weltkrieg
- Die Rezeption des Völkermordes an den Armeniern in Deutschland
- Die Nachkriegsdebatten um die Armenische Frage und die Rolle Deutschlands
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in die Thematik ein und erläutert den aktuellen Stand der Debatte um den Völkermord an den Armeniern.
Kapitel 2 beleuchtet die Entstehung der Armenischen Frage im 19. Jahrhundert und zeigt die frühen Reaktionen Deutschlands auf die hamidischen Massaker.
Kapitel 3 beschreibt die deutsch-türkischen Beziehungen im Vorfeld des Ersten Weltkriegs und analysiert die Entwicklung der deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft.
Kapitel 4 schildert den Verlauf des Völkermordes an den Armeniern und die Rolle des Deutschen Reiches in diesem Kontext.
Kapitel 5 untersucht die Nachkriegsdebatten um die Armenische Frage in Deutschland und fokussiert auf die Prozesse gegen die Verantwortlichen des Völkermordes.
Schlüsselwörter
Armenische Frage, Völkermord, Genozid, Deutsches Reich, Jungtürken, Türkei, Armenien, deutsch-türkische Beziehungen, Erste Weltkrieg, Talaat Pascha, Lepsius, Kriegsverbrecherprozesse, deutsche Öffentlichkeit, Diplomatie.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Weber (Autor:in), 2012, Die Rezeption der Armenischen Frage in Deutschland von 1894-1921, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263844