„Die Ameise trägt eine tote Fliege. Die Ameise sieht den Weg nicht, sie dreht die Fliege um und kriecht zurück. Die Fliege ist dreimal größer als die Ameise.“ Herta Müller beginnt ihren, im Jahre 1992 erschienenen Roman „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ mit einer schlichten Naturbeobachtung. Doch die Kulisse täuscht. Herta Müller bricht mit ihrer Tradition, setzt eine Zäsur in ihrem bisherigen Schaffen. Denn das Szenario zwischen Ameise und Fliege spielt sich nicht, wie sich vermuten ließe, in ländlicher Idylle oder banatschwäbischer Dörflichkeit ab. Im Gegenteil. Wir befinden uns auf dem Dach eines Wohnblocks am Rande einer namenlosen Großstadt. Man spürt die Hitze, das unerträgliche Drücken des Sommers, sieht die Gräser, die sich reptiliengleich, beinahe bedrohlich am Stadtrand schlängeln, man hört das Rauschen der Pappeln, die „höher als alle Dächer der Stadt“ sind.
Es scheint, als würde Müller die Natur des Dorfes nicht loslassen wollen, als würde sie Tiere und Pflanzen ihrer früheren Texte in ein neues Umfeld setzen. Doch während die Natur in Müllers bisherigen Veröffentlichungen das Handlungsgeschehen metaphorisch umrahmte, die Stimmungen und Gefühle der Protagonisten unterstrich und ins Zentrum setzte, tritt sie in diesem Roman in ihrer Bedeutung zurück. Dabei wird die Natur auch hier keineswegs zur Marginalie. Ihre Metaphorik bleibt erhalten. Die Tier- und Pflanzenwelt der Müllerschen Sprachlandschaft bettet sich hier jedoch ein in das steinerne, staubige Gesicht der Metropole, in die grauen Innenhöfe der Wohnviertel, schmiegt sich zwischen die öligen und rostigen Plätze der Fabriken. In teils grotesken Bildern eröffnet sich dem Leser eine Realität, die an die dörflichen Gegebenheiten anknüpft und sie in gleichem Maße ad absurdum führt. So grenzt das Rübenfeld an „weiße Wände“, so lecken „Schafe an den Wänden der Fabrik“.
Die Vorstadt ist die Brücke zwischen Dorf und Stadt. Die Straßenbahn verbindet die Vorstadt mit der Stadt. Die Straßenbahn ist das Transportmittel der Arbeiter. Sie rauscht, wie die Pappeln rauschen. Die Fabrik bläst ihren Rauch weithin sichtbar über die Stadt.
Indem Müller den örtlichen Handlungsrahmen ihrer Geschichten vom Dorf auf die Stadt erweitert, erweitert sie gleichsam ihren Blick aufs Universelle. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 2. Die Fabrik - der Staat: die Fabrik als Abbild der Gesellschaft
- 2.1 Hierarchische Strukturen in Fabrik und Gesellschaft
- 3. Der Rost....
- 3.1 Der Rost als Sinnbild für die Marodität der Gesellschaft
- 3.2 Der Rost als Stigma.......
- 4. Fazit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert Herta Müllers Roman „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ und untersucht die Parallelen zwischen der rumänischen Diktatur unter Nicolae Ceauşescu und den Arbeitsverhältnissen in einer Fabrik. Der Fokus liegt auf der Darstellung der Fabrik als Spiegelbild der Gesellschaft, mit besonderem Augenmerk auf die hierarchischen Strukturen und die Auswirkungen der staatlichen Kontrolle.
- Die Fabrik als Abbild der Gesellschaft
- Hierarchische Strukturen in Fabrik und Gesellschaft
- Der Rost als Sinnbild für die Marodität der Gesellschaft
- Der Rost als Stigma
- Die Rolle der Natur in der Darstellung der Diktatur
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung stellt den Roman „Der Fuchs war damals schon der Jäger“ von Herta Müller vor und thematisiert die Besonderheiten dieses Romans im Vergleich zu Müllers früheren Werken. Dabei wird die Bedeutung der Fabrik als zentraler Schauplatz des Romans hervorgehoben und die Parallelen zwischen der gesellschaftlichen Ordnung und den Arbeitsbedingungen in der Fabrik beleuchtet.
2. Die Fabrik - der Staat: die Fabrik als Abbild der Gesellschaft
Dieses Kapitel beleuchtet die Parallelen zwischen der gesellschaftlichen Ordnung in der rumänischen Diktatur und den Arbeitsverhältnissen in der Fabrik. Der Fokus liegt auf der Darstellung der hierarchischen Strukturen und der Auswirkungen der staatlichen Kontrolle auf die Lebenswelt der Arbeiter.
2.1 Hierarchische Strukturen in Fabrik und Gesellschaft
In diesem Abschnitt werden die hierarchischen Strukturen in der Fabrik und der Gesellschaft miteinander verglichen. Anhand von Beispielen aus dem Roman wird gezeigt, wie die Macht des Diktators Ceauşescu in der Fabrik durch die Autorität des Direktors widergespiegelt wird. Die allgegenwärtige Präsenz beider Funktionäre und die Angst, die sie erzeugen, werden im Detail analysiert.
3. Der Rost....
Das Kapitel „Der Rost“ widmet sich der Symbolik des Rosts im Roman und untersucht seine Bedeutung als Sinnbild für die Marodität der Gesellschaft. Der Fokus liegt auf der Verbindung zwischen physischem Verfall und der moralischen Dekadenz, die durch die Diktatur hervorgerufen wird.
3.1 Der Rost als Sinnbild für die Marodität der Gesellschaft
Dieser Abschnitt analysiert den Rost als Symbol für den Verfall der Gesellschaft unter Ceauşescu. Die Verrohung der menschlichen Beziehungen und die Abwertung des Einzelnen werden anhand von Beispielen aus dem Roman verdeutlicht.
3.2 Der Rost als Stigma.......
Der Rost wird als Stigma dargestellt, das die Arbeiter wie ein Stempel brandmarkt und sie in den Augen der Gesellschaft herabsetzt. Die Auswirkungen dieser sozialen Diskriminierung auf das Selbstverständnis der Arbeiter werden im Detail untersucht.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Romans sind Fabrik, Diktatur, Gesellschaft, Hierarchie, Rost, Stigma, Verfall, Angst, Kontrolle, Macht, Moral, Arbeit, Leben, Alltag. Diese Begriffe verweisen auf die wichtigsten Themen des Romans und spiegeln die zentrale These der Arbeit wider: die Fabrik als Abbild der Gesellschaft unter Ceauşescu.
- Arbeit zitieren
- Iwa Juschak (Autor:in), 2010, Staat und Fabrik in Herta Müllers "Der Fuchs war damals schon der Jäger", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263846