Mit dem endgültigen Kollaps der kommunistischen Systeme Anfang der 1990er
Jahre in den südosteuropäischen Ländern, sofern sie sozialistisch geprägt waren,
setzten im generellen parallel dazu ablaufende ökonomische, politische und
gesellschaftliche Transformationsprozesse ein, die die Umgestaltung der staatlichen,
politischen und wirtschaftlichen Institutionen von zentralisierter Planwirtschaft hin
zu funktionierender Marktwirtschaft, von einparteien-diktatorischen Systemen hin zu
parlamentarischer Demokratie, aber auch von ständischen zu bürokratischen
Strukturen und von ländlichen zu städtischen Gesellschaften zum Ziel hatten.
In Bulgarien gestaltete sich dieser Trans itionsprozess ähnlich wie in den anderen
südosteuropäischen Staaten, jedoch wurde schon kurz nach der Wende aus
oppositionellen Kreisen, in Berufung auf Geheimdienstquellen, auf eine mögliche,
unkontrollierte Verlagerung politischer Einflussnahme von Vertretern der
ehemaligen Nomenklatur in wirtschaftliche Bereiche hingewiesen. Diese
vermutliche, andauernde Machttransformation führte im September 1993 auf der
263-sten Sitzung des bulgarischen Parlaments dazu, dass die Abgeordnete Velislava
Dareva vom Redenerpult aus konstatierte, dass in den vorangegangenen Jahren die
Korruption in der staatlichen Administration stetig zugenommen habe. Sie forderte
deshalb das Parlament auf, eine Untersuchungskommission zu diesem Sachverhalt
einzuberufen. 1 Die kurz darauf ernannte Kommission bezog sich bei ihrer Prüfung
primär auf die Chronologie und die Anatomie einzelner Fälle von Korruption, ohne
explizit die Ursachen dafür zu hinterfragen.
Die Europäische Union (im Folgenden auch als EU abgekürzt) stellt in ihren
alljähr lichen Regelmäßigen Berichten über die Fortschritte Bulgariens auf dem Weg
zum Beitritt fest, dass Bulgarien den rechtlichen Rahmen zur
Korruptionsbekämpfung kontinuierlich verbessert. Jedoch werden in jedem Bericht
die stockenden Justizreformen, als grund legendes Hindernis bei der Durchführung
der Rechtsnormen angesehen und darauf verwiesen, dass Korruption nach wie vor ein ernsthaftes Problem darstellt.2 [...]
1 Tambuev, Georgi, vlast oblecena v korupcija, Sofija 2001
2 Vgl. dazu: Regelmäßiger Bericht über die Fortschritte Bulgariens auf dem Weg zum Beitritt 1998-
2003
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung und Fragestellung
- II. Institutionen
- 1. Definition
- 2. Institutionen im totalitären Regime
- 3. Postkommunistische Institutionalisierung und konsolidierte Demokratie
- III. Korruption
- 1. Definitionsansatz
- 2. Herangehensweise und Thematisierung
- 3. Politik der Europäischen Union zur Bekämpfung der Korruption
- 4. Funktionsweise
- 5. Zur institutionellen Korruption
- 6. Gründe für Korruption – allgemein und spezifisch
- IV. Politische Prozesse, Administration und Korruption
- V. Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit der Korruptionsgenesis im Kontext der EU-Osterweiterung, mit einem Fokus auf Bulgarien. Ziel ist es, die Ursachen für Korruption in postsozialistischen Systemen zu analysieren und die aktuellen Korruptionsdebatten auf eine effektive und konstruktive Bekämpfung des Phänomens umzulenken. Die Arbeit untersucht, in welchem Zusammenhang institutionelle Transition und Korruption in der staatlichen Administration Bulgariens stehen.
- Institutionelle Transition und Korruption in postsozialistischen Systemen
- Analyse der Korruptionsgenesis im Kontext der EU-Osterweiterung
- Einflussfaktoren des Systemwechsels und der demokratischen Konsolidierung auf Korruption
- Europäische Union und ihre Politik zur Bekämpfung der Korruption
- Fallstudie Bulgarien im Zeitraum Herbst 1989-1993
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Einleitung und Fragestellung: Das Kapitel skizziert den Kontext des Übergangs von kommunistischen zu demokratischen Systemen in Südosteuropa, insbesondere in Bulgarien. Es wird auf die zunehmende Korruption in der staatlichen Administration hingewiesen und die Notwendigkeit einer Ursachenanalyse betont. Die Arbeit untersucht die Frage, inwieweit institutionelle Transition und Korruption in Bulgarien miteinander verbunden sind.
- II. Institutionen: Dieses Kapitel beleuchtet die Definition von Institutionen und deren Rolle im totalitären Regime. Es geht außerdem auf die postkommunistische Institutionalisierung und die Herausforderungen bei der Konsolidierung der Demokratie ein.
- III. Korruption: Das Kapitel definiert Korruption und stellt unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema vor. Es erläutert die EU-Politik zur Bekämpfung der Korruption und deren Funktionsweise. Weiterhin wird der Begriff der institutionellen Korruption beleuchtet und es werden allgemeine sowie spezifische Gründe für Korruption diskutiert.
- IV. Politische Prozesse, Administration und Korruption: Dieses Kapitel untersucht die Wechselwirkungen zwischen politischen Prozessen, der staatlichen Administration und Korruption. Es analysiert die Auswirkungen des Systemwechsels und der demokratischen Konsolidierung auf die Entstehung von Korruption in Bulgarien.
Schlüsselwörter
Institutionelle Transition, Korruption, Postsozialismus, EU-Osterweiterung, Bulgarien, Demokratie, Systemwechsel, staatliche Administration, politische Prozesse, Machtverhältnisse, Kausalität, Analyse.
- Quote paper
- Ljubomir Milev (Author), 2004, Institutionelle Transition und Korruption in postsozialistischen Systemen - Politikwissenschaftliche Analyse der Korruptionsgenesis im Kontext der EU-Osterweiterung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26393