Eurokommunismus und historischer Kompromiss – Die Sozialdemokratisierung der kommunistischen Partei Italiens in den 70er Jahren


Seminararbeit, 2012

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Von der Gründung der Kommunistischen Partei Italiens zur Gründung der Republik Italien
2.1 Gründung der Partei
2.2 Widerstand gegen den Faschismus
2.3 Gründung der Republik und Ausschluss der PCI

3. Die Kommunistische Partei Italiens in der Nachkriegszeit 3.1 Abkehr vom Sowjetkommunismus und der italienische Weg zum Sozialismus

4. Enrico Berlinguer: Der historische Kompromiss und der Eurokommunismus
4.1 Staatsputsch in Chile und Idee des ,,compromesso storico"
4.2 Die Regierung des „Nicht-Misstrauens"
4.3 Eurokommunismus

5. Epilog

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die kommunistische Partei Italiens, 1921 aus der Sozialistischen Partei Italiens gegründet, warvon der Republikgründung 1948 bis zu den politischen Umwälzungen in Osteuropa die zweitstärkste Partei in Italien. Der Kalte Krieg und das ungeschriebene Gesetz der Nichtbeachtung des Partito Comunista Italiano (kurz: PCI) bei der Suche nach möglichen Koalitionspartnern, führte aber dazu, dass den Kommunisten nie die Machtübernahme in Italien gelang. Die Partei unterzog sich darauf in den Nachkriegsjahrzehnten schrittweise einem demokratischen Wandel, der gekennzeichnet war von einer vorsichtigen Loslösung von Moskau und einem eigenständigen, einem ,,italienischen Weg zum Sozialismus".

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Sozialdemokratisierungsprozess der kommunistischen Partei Italiens vom Entstehen der demokratischen Ideen in den 50er Jahren bis zum Zustandekommen des,,compromesso storico" zwischen den Kommunisten und Christdemokraten. Ziel ist es zu erläutern, warum die Kommunisten diesen demokratischen Weg einschlugen und weshalb die Zusammenarbeit mit den Christdemokraten - trotz ideologischer Gegensätze gesucht wurde.

Der erste Teil meiner Arbeit (Kapitel 2) soll eine Einführung in das Thema sein. Es soll die Entstehung des Partito Comunista Italiano und die Loslösungvon den Sozialisten aufgezeigt werden, ebenso wie die ersten sozialdemokratischen Ideen des Marxisten Antonio Gramsci. Des Weiteren befasst sich das zweite Kapitel mit der Widerstandsbewegung gegen den Faschismus und der Republikgründung von 1948. Anschließend widmet sich die Arbeit der Weiterentwicklung der PCI unter Palmiro Togliatti. Togliatti der einen neuen, einen demokratischen Weg zum Sozialismus einschlagen wollte, erkannte früh, dass die Sowjetunion in den 50er Jahren viel an Attraktivität verloren hatte. Die Distanzierungvon Moskau und seine Ideen zum Sozialismus, welche von Togliattis Nachfolger Luigi Longo weitergeführt wurden, soll im Kapitel 3 erläutert werden.

Im vierten Kapitel - dem Hauptteil meiner Arbeit, soll die Zusammenarbeit zwischen der PCI und der Democrazia Cristiana aufgezeigt werden. Mit der nicht neuen, aber erstmals konkreten Idee eines „historischen Kompromisses" beteiligte sich erstmals in Italien eine kommunistische Partei an den Staatsgeschicken Italiens. Das Scheitern des Kompromisses und der allmähliche Abstieg der PCI soll das vierte Kapitel abschließen. Abschließend sollen die Ergebnisse meiner Arbeit im Epilog zusammengefasst werden.

2. Von der Gründung der kommunistischen Partei Italiens zur Gründung der Republik Italien

2.1 Die Gründung der Partei

Die PCI entstand 1921 im toskanischen Livorno aus der Abspaltung der Sozialistischen Partei Italiens. Grund für die Trennung war seitens der PSI die Ablehnung der 21 Bedingungen die Lenin an der 2. Internationalen 1920 für eine Aufnahme in die Komintern festlegte. Architekten dieses parteipolitischen Schismas waren Amadeo Bordiga, Antonio Gramsci und Palmiro Togliatti. Bereits vor dem 2. Weltkongress der Kominternjedoch kritisierte Bordigas Fraktion die reformistische Linke und „forderte offen die Spaltung und die Gründung einer zur Komintern gehörenden Kommunistischen Partei."1

Gramsci hingegen hielt wenig von einer Spaltung und wollte zunächst die Partei von innen heraus ändern, ehe er es dann für unvermeidlich sah die kommunistische Fraktion der Sozialisten in eine eigene Partei umzuwandeln. Die von Gramsci organisierten Arbeiterstreiks in den Turiner FIAT-Werken waren in der Partei umstritten und die Arbeiterklasse schien zunächst auf der Seite der PSI zu stehen.2 Aber auch in der neugegründeten Partei waren sich die führenden Köpfe nicht immer einig. Gramsci verfolgte im Gegensatz zu Bordiga eine kominterntreue Zusammenarbeit innerhalb der politischen Linken. Im 5. Weltkongress verabschiedete sich die Komintern vom Ziel der Weltrevolution, welches Bordiga entschieden ablehnte. Nicht überraschend wurde Gramsci von Moskau dann auch zum neuen Leader der italienischen Kommunisten auserkoren.3

Italien entwickelte sich 1924 und 1925 progressiv zu einem faschistischen Polizeistaat. Als der sozialistische Abgeordnete Matteotti durch Squadristi, den Schwarzhemden entführt und ermordet wurde, begab sich die PCI-Führung mitsamt Gramsci ins Exil. Die Mitgliederzahl der PCI sank von 27Ό00 im 1926 auf wenige tausende und konnte erst wieder gegen Ende der 30er Jahre dank der Antifaschistischen Stimmung ansteigen. Gramsci - mittlerweile aus dem Exil zurückgekehrt, wurde trotz parlamentarischer Immunität verhaftet. Im Gefängnis verfasste er seine berühmten „quaderni del carcere" (Gefängnishefte), welche für die Partei und ihrem italienischen Weg zum Sozialismus entscheidend sein werden. In den Heften kritisierte er unter anderem die Annäherung an die Politik Stalins.4 Weiter machte sich Gramsci Gedanken, wie das post-faschistische Italien aussehen soll. Eine Möglichkeit eines fließenden Übergangs von der faschistischen Diktatur in die Diktatur des Proletariats sah er als eher unwahrscheinlich, ein möglichst kurz gehaltenes demokratisches Übergangssystem als wahrscheinlicher.5 Togliatti hingegen sah die italienische Bevölkerung für eine Revolution noch nicht reif und hielt deshalb an einer demokratischen antifaschistischen Übergangsphase mit anderen Parteien von Anfang an fest. Die PCI war nämlich noch lange nicht eine Massenpartei, welche für eine proletarische Revolution vonnöten war.6

2.2 Widerstand gegen den Faschismus

Nach dem 1926 die Oppositionsparteien verboten wurden, begann sich die PCI im Untergrund bzw. im Exil zu organisieren. Die Bekämpfung des Faschismus gestaltete sich allerdings schwierig, wurde doch die PCI am härtesten aller antifaschistischen Parteien vom Regime verfolgt.7 War der Kampf anfangs meist noch unbewaffnet und in Form von Streiks, änderte sich das mit der Landung derAlliierten in Süditalien und der darauffolgenden Kapitulation des faschistischen Italiens. Die meist aus kleinen Gruppen organisierte Resistenza (Widerstand) gründete darauf das Comitato per la Liberazione Nazionale (kurz: CLN, Komitee der Nationalen Befreiung). Dieses konnte zumindestbis zur endgültigen Befreiung Italiens im April 1945 in den von den bereits eroberten Gemeinden und Provinzen die Verwaltung übernehmen.

Mit der Rückkehr des neuen Generalsekretärs Togliatti aus der Sowjetunion im Frühjahr 1944, konzentrierte sich die Partei dem Kampfe gegen den Faschismus und ließ die Frage nach der zukünftigen Staatsform noch vorläufig offen.8 Von den Parteien, die sich im Kampf gegen den Faschismus beteiligten9, leistete die PCI den Bärenanteil. Trotz dieser ungleichen Verteilung vor allem in den militärischen Aktionen, den Verfolgungen durch Faschisten und in den Verlusten, konnte die CLN eine politische Gleichberechtigung der Parteien zumindestbis zu den ersten Wahlen 1946 beibehalten.10

2.3 Gründung der Republik und Ausschluss der PCI

1945 bildete die CLN die erste provisorische antifaschistische Regierung, die allerdings nach nur wenigen Monaten scheiterte. Alcide de Gasperi von der Democrazia Cristiana übernahm darauf den Posten des Ministerpräsidenten. Die antifaschistische Zusammenarbeit bestand weiter, endete aber nach den ersten Wahlen der Verfassunggebenden Versammlung und dem Verfassungsreferendum am 2. Juni 1946. In der Verfassungsversammlung bildeten sich zwei Blöcke heraus: auf der einen Seite die DC (35,21%), auf der anderen Seite die Sozialisten der PSI (20,68%) und die Kommunisten der PCI (18,93%).11 Auch im Verfassungsreferendum, der Volksabstimmung einer zukünftigen republikanischen oder monarchischen Staatsform, spaltete sich die Bevölkerung in zwei große Blö>54,27% für die Republik stimmten, war sie geographisch geteilt. Der Süden stimmte mit 64% klar für die Monarchie, der Norden hingegen mit 66% klar für die Republik.12

Die Regierung unter de Gasperis DC funktionierte in dieser Konstellation allerdings nur bis im Mai 1947, als die PSI und PCI aus der Regierung ausgeschlossen wurden. Die USA baten der italienischen Regierung gemäß der Trumandoktrin, die dringend benötigte finanzielle Hilfe an, allerdings nur unter der Konsolidierung eines demokratischen, antikommunistischen Systems.13 Kurz zuvor hielt Togliatti in einer Rede noch fest, dass die Zusammenarbeit zwischen PCI, PSI und DC, „das Resultat eines langen historischen Prozesses [ist]" da „die christliche soziale Bewegung wie die sozialistische Arbeiterbewegung dieselbe Rebellion [...] gegen die alte Ordnung [namentlich der Monarchie und des Faschismus] repräsentieren."14

Für die Wahlen von 1948 versuchten die beiden Linksparteien ein Bündnis, welches aber fehlschlug.15 Die Kalte Krieg zeigte nämlich bereits die ersten Auswirkungen und Kommunisten, Sozialisten und Gewerkschaftler wurden immer öfter als Agenten Moskaus beschuldigt. In den folgenden Jahrzehnten blieb die PCI außer 1976 (Kapitel 4) von jeder Regierung ausgeschlossen. Die Regierung bildete sich von 1948 bis ins Jahre 1992 immer mit der gleichen Formel DC + X, wobei die PCI nie X sein durfte.16

[...]


1 Vgl. Urban, Joan Barth: Moscow and the Italian Communist Party: from Togliatti to Berlinguer. London 1986. S.30.

2 Vgl. Cerroni, Umberot: Gramsci-Lexikon: zum Kennen- und Lesen-Lernen. Hamburg 1979. S.20.

3 Vgl. Urban. S.31.

4 Vgl. Hausmann, Friederike: Kleine Geschichte Italiens seit 1943. Berlin 1994. S.35.

5 Vgl. Urban. S.35.

6 Mitgliederzahlen der PCI: 1924: 12Ό00,1926: 27Ό00, 1932: ca. 7500, 1945: 400Ό00. Shore, Chris: Italian communism: The Escape from Leninism. Concord 1990. S. 31-34.

7 Vgl. Woller, Hans: Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert. München 2010. S. 101 und 128ff.

8 Vgl. Woller. S.196.

9 Nämlich die PCI, PSI, PLI (Partito Liberale Italiano), DC (Democrazia Cristiana) und Partito d'azione.

10 Vgl. Hausmann. S. 16ff.

11 http://elezionistorico.interno.it/index.php?tpel=A&dtel=02/06/1946&tpa=I&tpe=A&lev0=0&levsut0=0 &es0=S&ms=S [Zugriff: 8.2.12, 16.25h].

12 http://elezionistorico.interno.it/index.php?tpel=F&dtel=02/06/1946&tpa=I&tpe=A&lev0=0&levsut0=0 &es0=S&ms=S [Zugriff: 8.2.12, 16.25h]. Zu Süditalien wurden folgende Regionen gezählt: Abbruzzen, Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Latium, Molise, Sardinien und Sizilien.

13 Vgl. Woller. S. 227.

14 Valenza, Pietro: Derhistorische Kompromiss. Berlinguer, Gramsci, Longo, Togliatti. Berlin 1976. S. 158.

15 http://elezionistorico.interno.it/index.php?tpel=C&dtel=18/04/1948&tpa=I&tpe=A&lev0=0&levsut0=0 &es0=S&ms=S. [Zugriff: 8.2.12, 20.30h].

16 Vgl. Woller. S. 248 und S. 250 und Reinhardt, Volker: Geschichte Italiens. München 2003. S. 295.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Eurokommunismus und historischer Kompromiss – Die Sozialdemokratisierung der kommunistischen Partei Italiens in den 70er Jahren
Hochschule
Universität Basel
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V263931
ISBN (eBook)
9783656530510
ISBN (Buch)
9783656536543
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
eurokommunismus, kompromiss, sozialdemokratisierung, partei, italiens, jahren
Arbeit zitieren
Mirco Maltauro (Autor:in), 2012, Eurokommunismus und historischer Kompromiss – Die Sozialdemokratisierung der kommunistischen Partei Italiens in den 70er Jahren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/263931

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