„Wenn man eine Aufgabe gewissenhaft erfüllt haben will, dann sollte man sie
selbst erledigen.“
In der wirtschaftlichen Realität werden jedoch regelmäßig Kompetenzen an
andere Akteure übertragen, um die vielfältigen Anforderungen und Aufgaben
unterschiedlicher Bereiche bewältigen zu können. Unternehmen sind in
zunehmendem Maße gezwungen, sich durch verbesserte Arbeitsteilung und
Spezialisierung flexibel an die Anforderungen des globalisierten Wettbewerbs
anzupassen. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu einer vermehrten
Delegation von Aufgaben und Entscheidungskompetenzen an geeignete
Vertragspartner. Die hierdurch entstehenden Auftragsbeziehungen werden davon
beeinflusst, in welchem Ausmaß Interessenskonflikte zwischen den Akteuren
dazu führen, dass die Beauftragten vorhandene Handlungsspielräume zu ihrem
persönlichen Vorteil nutzen und dadurch dem Auftraggeber schaden. Deshalb ist
die zunehmende Komplexität von Kooperationen zwischen den
Wirtschaftsakteuren mit einem enormen Koordinations- und Kontrollbedarf
verbunden.
Aus Sicht der jeweiligen Unternehmen stellt sich die Frage, wie die
Vertragsgestaltung dieser Beziehungen zu organisieren ist, so dass die Erfüllung
der übertragenden Aufgaben im eigenen Interesse durchgesetzt werden kann.
Dieser Frage widmet sich die Prinzipal-Agent-Theorie. Bereits in dem 1976
geschriebenen Aufsatz “theory of the firm” prägten JENSEN und MECKLING
das Bild des Unternehmens als “nexus of contracts”. Sie begründeten dadurch das
Verständnis von einem Unternehmen als komplexes Netzwerk von Parteien, die
zueinander in vertraglicher Beziehung stehen. In der Prinzipal-Agent-Theorie
werden vor allem die Auswirkungen der Trennung von Eigentum und Kontrolle in
den Vordergrund gestellt. Daher kommt der Auftragsbeziehung zwischen
Eigentümern und Managern eine besondere Bedeutung zu.
Die Forschung auf diesem Gebiet hat bisher eine Vielzahl von unterschiedlichen Prinzipal-Agent-Modellen hervorgebracht, die sich in Bezug auf ihre Annahmen
zum Teil deutlich unterscheiden. Eine Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze
besteht darin, dass die Vorteilhaftigkeit alternativer Vertragsgestaltungen auf
Basis eines Kostenkriteriums beurteilt wird.[...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1. Einleitung
2. Effizienzbetrachtung aus Sicht der Agenturtheorie
2.1 Abgrenzung des technischen Effizienzbegriffes
2.2 Charakterisierung von Auftragsbeziehungen in der Agenturtheorie
2.3 Agenturprobleme und ihre Effizienzwirkung
2.3.1 Hidden action
2.3.2 Hidden characteristics
2.3.3 Hiddeninformation
2.3.4 Hidden intentions
2.4 Lösungsansätze zur Reduzierung der Probleme
2.4.1 Abbau von Informationsasymmetrien
2.4.1.1 Vorvertragsabschluss
2.4.1.2 Nachvertragsabschluss
2.4.2 Harmonisierung der Zielkonflikte
2.4.2.1 Anreizgestaltung und ihre Probleme
2.4.2.2 Freiwillige Maßnahmen des Agenten
2.5 Agenturkosten als heuristisches Optimalitätskriterium
2.5.1 Das Entscheidungskalkül des Prinzipals
2.5.2 Bedeutung der Agenturkosten für die technische Effizienz
3. Kritische Betrachtung der Agenturtheorie vor dem Hintergrund der
Effizienzbewertung
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung:
„Wenn man eine Aufgabe gewissenhaft erfüllt haben will, dann sollte man sie selbst erledigen.“[1]
ln der wirtschaftlichen Realität werden jedoch regelmäßig Kompetenzen an andere Akteure übertragen, um die vielfältigen Anforderungen und Aufgaben unterschiedlicher Bereiche bewältigen zu können. Unternehmen sind in zunehmendem Maße gezwungen, sich durch verbesserte Arbeitsteilung und Spezialisierung flexibel an die Anforderungen des globalisierten Wettbewerbs anzupassen. Diese Entwicklung führt zwangsläufig zu einer vermehrten Delegation von Aufgaben und Entscheidungskompetenzen an geeignete
Vertragspartner. Die hierdurch entstehenden Auftragsbeziehungen werden davon beeinflusst, in welchem Ausmaß Interessenskonflikte zwischen den Akteuren dazu führen, dass die Beauftragten vorhandene Handlungsspielräume zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen und dadurch dem Auftraggeber schaden. Deshalb ist die zunehmende Komplexität von Kooperationen zwischen den Wirtschaftsakteuren mit einem enormen Koordinations- und Kontrollbedarf verbunden.
Aus Sicht der jeweiligen Unternehmen stellt sich die Frage, wie die Vertragsgestaltung dieser Beziehungen zu organisieren ist, so dass die Erfüllung der übertragenden Aufgaben im eigenen Interesse durchgesetzt werden kann. Dieser Frage widmet sich die Prinzipal-Agent-Theorie[2]. Bereits in dem 1976 geschriebenen Aufsatz “theory of the firm” prägten JENSEN und MECKLENG das Bild des Unternehmens als “nexus of contracts”. Sie begründeten dadurch das Verständnis von einem Unternehmen als komplexes Netzwerk von Parteien, die zueinander in vertraglicher Beziehung stehen. ln der Prinzipal-Agent-Theorie werden vor allem die Auswirkungen der Trennung von Eigentum und Kontrolle in den Vordergrund gestellt. Daher kommt der Auftragsbeziehung zwischen Eigentümern und Managern eine besondere Bedeutung zu.
Die Forschung auf diesem Gebiethatbishereine Vielzahlvonunterschiedlichen Prinzipal-Agent-Modellen hervorgebracht, die sich in Bezug auf ihre Annahmen zum Teil deutlich unterscheiden. Eine Gemeinsamkeit der verschiedenen Ansätze besteht darin, dass die Vorteilhaftigkeit alternativer Vertragsgestaltungen auf Basis eines Kostenkriteriums beurteilt wird.
Die vorliegende Arbeit untersucht Auswirkungen von Prinzipal-AgentBeziehungen auf die technische Effizienz in Unternehmen. Ihr Ziel besteht in der Übertragung von grundlegenden, auf dem Kostenkalkül basierenden Erkenntnissen der Agenturtheorie auf eine mengenorientierte Betrachtungsebene, um technische Ineffizienzen von Auftragsbeziehungen aufzudecken und zu erklären.
Als Basis für nachfolgende Argumentationen erfolgt dazu vorab eine Abgrenzung des verwendeten Effizienzbegriffs. Danach werden zunächst die relevanten Erkenntnisse über Agenturprobleme herausgearbeitet, um die wesentlichen Ursachen für Abweichungen der Vertragslösungen vom Idealzustand aufzuzeigen. Zu diesem Zweck werden einige formale Grundmodelle der Agenturtheorie vorgestellt, die unter Zuhilfenahme von restriktiven Prämissen eine mathemathische Modellierung ermöglichen. Auf dieser Grundlage können die Variablen identifiziert werden, welche die Höhe der Outputs sowie den dazu erforderlichen Einsatz von Inputfaktoren in der Vertragslösung beeinflussen. Im Anschluss daran werden Lösungsansätze zur Reduktion von Agenturproblemen herausgearbeitet und auf ihre Effizienzwirkung überprüft. Im Rahmen dieser Überlegungen werden einige modelltheoretische Prämissen zugunsten einer realitätsnahen Betrachtung modifiziert. Die Eignung verschiedener Maßnahmen des Prinzipals wird dabei sowohl in Bezug auf dessen Bewertungsfunktion als auch im Hinblick auf ihre Effizienz untersucht. Durch diese doppelte Betrachtungsweise wird der Versuch unternommen, das Entscheidungsverhalten des Prinzipals als potenzielle Quelle für Ineffizienzen in die Analyse von Auftragsproblemen aufzunehmen. Im Anschluss an die ge-wonnenen Erkenntnisse wird das Konzept der Agenturkosten als Entscheidungskriterium für alternative Vertragsgestaltungen vorgestellt. Es wird insbesondere untersucht, welchen Einfluss dieses übergeordnete Bewertungskalkül des Prinzipals auf die technische Effizienz ausübt. Eine abschließende kritische Auseinandersetzung mit den getroffenen Annahmen deckt einige konzeptionelle Schwächen in der Methodik der agenturtheoretischen Vertragsoptimierung auf und überprüft vor diesem Hintergrund die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse.
2. Effizienzbetrachtung aus Sicht der Agenturtheorie
2.1 Abgrenzung des technischen Effizienzbegriffes
Da im Rahmen dieser Arbeit ein betriebswirtschaftlicher Blickwinkel eingenommen wird, soll die technische Effizienz als Determinante des Produktionssystems kurz von anderen ökonomischen Komponenten der Effizienz abgegrenzt werden. Im Anschluss an dieses Kapitel wird der Begriff “Effizienz” dann aus Vereinfachungsgründen als Synonym für “technische Effizienz” verwendet, sofern es nicht ausdrücklich anders vermerkt ist.
Die folgende Abbildung l[3] gibt einen Überblick über die Einordnung der technischen Effizienz in die ökonomischen und produktiven Aspekte der Effizienzbetrachtung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Aspekte und Komponenten der Effizienz
Von vollständiger oder absoluter Effizienz der Produktion kann gesprochen werden, wenn die technischen Möglichkeiten und Inputfaktoren optimal ausgenutzt werden (technische Effizienz), zugleich eine bestmögliche Ressourcenverwendung stattfindet (allokative Effizienz) und außerdem die optimale Größenordnung gefunden wird (Skaleneffizienz). Eine Produktion wird folglich nur dann als absolut effizient bezeichnet, wenn sie in allen drei Komponenten effizient ist.[4]
Die Analyse der technischen Effizienz konzentriert sich auf die mengenmäßige Kombination von Inputfaktoren zur Produktion von Outputfaktoren.Nach einer outputorientierten Definition von Farell wird im Zustand technischer Effizienz mit gegebenen Input-Faktoren der höchstmögliche Output erzeugt.[5] In der betrieblichen Effizienzmessung werdenjedoch vor allem Input-orientierte Maße angewendet. Sie zeigen auf, ob und in welchem Ausmaß der Ressourceneinsatz bei vorgegebenem Output verringert werden kann. Diese Input-orientierte Sichtweise erklärt sich dadurch, dass überwiegend die Verwendung von Mitteln und Ressourcen in die direkte Entscheidungsgewalt des Managements fallen.[6]
Das Ausmaß der technischen Ineffizienz quantifiziert das mengenmäßige Verbesserungspotential bzw. den „Waste“, der ohne Verschlechterung von Inputs oder Outputs eingespart werden kann.[7] In diese Betrachtungsweise können organisatorische Fehler von Entscheidungsträgern als Quelle der Ineffizienz eingeschlossen werden. Das Ausmaß der technischen Ineffizienz wird im Rahmen der Effizienzmessung in der Regel als Abstand von realisierten Produktionspunkten zu der Produktionsfunktion definiert. Diese bildet damit die Benchmark, um die realisierte Input-Output-Kombination mit einem Referenzzustand zu vergleichen. Die Bestimmung der Ineffizienz kann gegenüber realen oder virtuellen Vergleichseinheiten erfolgen.[8]
Die allokative Effizienz beurteilt den Mitteleinsatz in der Produktion unter ökonomischen Gesichtspunkten. Dazu wird das technische Mengengerüst mit Preisen bewertet. Abhängig von der ökonomischen Prämisse werden in diese Betrachtung also Kosten-, Erlös- oder Gewinnfunktionen einbezogen. In einer allokativ effizienten Situation wird insbesondere das kostenoptimale Input-Set zur Produktion eines Outputs gewählt.[9]
Die Berücksichtigung von Skaleneffizienz setzt voraus, dass Unterschiede der Effizienz darauf zurückzuführen sind, welche Größenordnung für die Produktion gewählt wird. Skalenineffizienz ist auf die fehlende Ausnutzung von Lernkurveneffekten und Kostendegressionseffekten zurückzuführen.[10] Sie wird jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter betrachtet, da die Wahl einer suboptimalen Größe der Produktion für die weiteren Überlegungen keine besondere Bedeutung hat.
Diese drei Komponenten der Effizienzbewertung werden bei Analysen unter ökonomischen oder produktiven Aspekten in unterschiedlicher Weise berücksichtigt. Im Rahmen der Effizienzmessung unter produktiven Aspekten erfolgt ausschließlich eine mengenbasierte Betrachtung, die von der technischen Effizienz repräsentiert wird. Die allokative Effizienz wird erst unter ökonomischen Effizienzbetrachtungen herangezogen, wenn also Preise bzw. Kosten zur Bewertung des technischen Mengengerüstes vorliegen. Eine technisch effiziente Produktion muss also nicht notwendigerweise ökonomisch effizient sein. Da sich wirtschaftliche Entscheidungen in der Regel an bewerteten Zielgrößen wie Kosten oder Gewinnen orientieren, wird die technische Effizienz einer übergeordneten Zielfunktion unterstellt. Aus diesem Grund muss das Entscheidungsverhalten von nutzenmaximierenden Individuen nicht zwingend auf technische Effizienz ausgerichtet sein. Unter bestimmten Annahmen kann die Wahl technisch ineffizienter Produktivitätsaktivitäten aus Sicht des Entscheidungsträgers sowohl rational als auch ökonomisch effizient sein.[11]
Im Zusammenhang mit der Untersuchung von Ineffizienzen hat LEIBENSTEIN zusätzlich den Begriff der “X-Effizienz" geprägt. Dieser wird gesondert von drei vorgestellten Komponenten behandelt, da er vor allem der mikroökonomischen Effizienzanalyse dient. Die X-Effizienz entspricht dabei der technischen Effizienz.[12] Sie wird als Abweichung von der Produktionsfunktion definiert und erfasst daher die mengenmäßige Ressourcenverschwendung, die aus suboptimalen Input-Output-Verhältnissen resultiert. Während X-Ineffizienz zu Marktversagen führt und daher unter Wohlfahrtsaspekten im volkswirtschaftlichen Sinne generell negativ gesehen wird, ist die technische Ineffizienz unter dem betriebswirtschaftlichen Blickwinkel vorsichtiger zu interpretieren. Dies liegt daran, dass sich das Entscheidungs-verhalten unter ökonomischen Gesichtspunkten an übergeordneten Bewertungsfunktionen orientiert. Dabei können Entscheidungen von Individuen oder Unternehmen unter bestimmten Umständen dazu führen, dass ineffiziente Produktionsaktivitäten zu Nutzen oder Gewinnmaxima führen und daher rational sind.[13] LEIBENSTEIN hat ebenfalls versucht, Ursachen für das Auftreten von X-Ineffizienzen zu finden. In seinen Erklärungsansätzen wird die suboptimale Nutzung von Ressourcen vor allem auf irrationales Verhalten von Mitarbeitern sowie auf (volkswirtschaftlich) schlechte Managemententscheidungen zurückgeführt. Die ineffizienten Unternehmen verfolgen demnach von der Gewinnmaximierung abweichende Ziele wie z.B. Marktmacht oder die Zufriedenheit des Managements. Trotz des mikroökonomischen Charakters bieten die konzeptionellen Überlegungen von Leibenstein eine gute Grundlage für die Analyse von Ineffizienzen aufgrund von Auftragsbeziehungen.
LEIBENSTEIN hat unter anderem folgende Bestimmungsfaktoren für X- Ineffizienz ermittelt[14]:
— Durch unvollständige Arbeitsverträge sowie fehlende Leistungskontrollen entstehen Handlungsspielräume der Mitarbeiter. Diese können mit klaren Anweisungen und Kontrollen eingeschränkt werden.
— Das Verhältnis von Entlohnung zu erbrachter Leistung beeinflusst ebenfalls das Ausmaß technischer Ineffizienz. Leistungsabhängige Belohnung erhöht den Arbeitsinput, da sie die Nutzenfanktion von Mitarbeitern in den Bereich höherer Anstrengungsniveaus verschiebt.
— Durch unpräzise Zielformulierungen sowie mangelnde Kenntnisse über die Produktionszusammenhänge können Defizite der technischen Effizienz entstehen.[15]
2.2 Charakterisierung von Auftragsbeziehungen in der Agenturtheorie
Die Prinzipal-Agent-Theorie gehört neben der Theorie der Verfügungsrechte und der Transaktionskostentheorie zum Theoriegerüst der Neuen Institutionenökonomik. Im Mittelpunkt ihres Erkenntnisinteresses steht die vertragliche Gestaltung der Interaktionsbeziehung zwischen Prinzipal und Agent. Dazu definiert sie Organisationen als Netzwerke von vertraglichen Auftragsbeziehungen. Sie weist darauf hin, dass die betriebliche Leistungserstellung von der vertraglichen Gestaltung dieser Beziehungen abhängt. Dieser bedeutsame Zusammenhang findet weder in der neoklassischen Modellwelt noch in den ursprünglichen Organisationstheorien Berücksichtigung. Die Hauptaufgabe der Agenturtheorie besteht in der Identifikation von Beziehungsproblemen, die sich aus dem unterschiedlichen Informationsstand und den Zielkonflikten der Akteure ergeben können. Um Empfehlungen für die Vertragsgestaltung abzuleiten, wird die Perspektive des Prinzipals eingenommen, dessen Nutzen durch die Ausgestaltung eines geeigneten Vertrages optimiert werden soll. Einige Ansätze zeigen zusätzliche außervertragliche Maßnahmen zur Interessensangleichung oder Zielharmonisierung der Parteien auf.
Es existiert ein breites Anwendungsfeld für die Agenturtheorie, denn „whenever one individual depends on the action of another, an agency relationship arises.“[16] Immer wenn Aufgaben delegiert oder Entscheidungsbefugnisse auf andere Personen übertragen werden, bestehen Prinzipal-Agent-Beziehungen. Diese sind in fast allen wirtschaftlichen Bereichen zu finden. Innerhalb von Unternehmen bestehen sie z.B. zwischen Eigentümer und Geschäftsführer oder zwischen dem Geschäftsführer und seinen Mitarbeitern. Wie an diesem Beispiel deutlich wird, können einzelne Akteure dabei in der Interaktion mit ihrer Umwelt sowohl die Rolle des Prinzipals als auch die des Agenten einnehmen. Das Unternehmen selbst ist ebenfalls Akteur in Auftragsbeziehungen zu seinen Kunden, Lieferanten, Zulieferern etc. Ein Schwerpunkt der agenturtheoretisch ausgerichteten Organisationsforschung liegtjedoch in solchen Beziehungen, denen die Trennung von Eigentum und Kontrolle von Unternehmen zugrunde liegt. Sobald Eigentümer als Prinzipale die Verfügungsgewalt über Unternehmensressourcen auf angestellte Manager übertragen, entsteht das Problem, wie suboptimales Verhalten vermieden werden kann.[17]
In der Agenturtheorie wird den Akteuren unterstellt, dass sie grundsätzlich die Handlungsalternative wählen, die ihnen den größten Nutzens verspricht. Insbesondere wird von dem Agenten erwartet, dass er seinen Nutzen auch unter Zuhilfenahme von Opportunismus maximieren wird. Individuelles Verhalten kann daher als Resultat einer Maximierung des eigenen Nutzens unter Nebenbedingungen interpretiert werden. Das bedeutet insbesondere, dass der Prinzipal die Berücksichtigung seines eigenen Nutzens nur indirekt durchsetzen kann: Die Vertragsgestaltung muss über Anreize und Restriktionen sicherstellen, dass der Agent selbst Nutzeneinbuße erleidet, wenn er nicht im Interesse seines Auftraggebers handelt. Aus der Vielzahl unterschiedlicher Ansätze innerhalb der Agenturtheorie werden seit dem Beitrag von JENSEN im wesentlichen zwei Ausrichtungen, die normative und die positive bzw. deskriptive Theorie, unterschieden.[18] Die erstgenannte konzentriert sich vorüberwiegend auf die formale Optimierung der Vertragsgestaltung. Zur mathematischen Modellierung von Anreizverträgen müssen dazu geeignete Annahmen getroffen werden. Die positive Ausrichtung der Theorie formuliert dagegen mithilfe empirischer Methoden auch verbale Lösungsansätze.[19] Die Prämissen der beiden Theoriezweige unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf die verfügbaren Informationen der Akteure. Die mathematisch orientierte normative Agenturtheorie basiert auf der neoklassischen Annahme vollständiger Rationalität. Nach dieser Annahme besitzen vollkommen rationale Individuen aufgrund vollständiger Information die Fähigkeit, alle zukünftigen Handlungsalternativen gegeneinander abzuwägen, um optimale Entscheidungen sofort und kostenlos treffen zu können.[20] Dies impliziert auch, dass alle Präferenzen im Zeitablauf konstant und beiden Akteuren bekannt sind.[21] Die Präferenzen sowie die Nutzen der Akteure lassen sich außerdem in Form von Funktionen exakt quantifizieren. Diese Verhaltensannahmen des “homo oeconomicus” ist für eine mathematische Modellierung notwendig. In der positiven Agenturtheorie wird dagegen von unvollkommener individueller Rationalität ausgegangen. Bei diesem Konzept werden unvollständige Präferenzen der beiden Entscheidungsträger angenommen, die sich sich im Zeitablauf ändern können. Dabei können auch die Suche und Beurteilung verschiedener Handlungsmöglichkeiten diese beeinflussen.[22] Die Vertragspartner sind sich darüber bewusst, dass in der Realität im Gegensatz zu den normativen Modellen nur unvollständige Vertäge geschlossen werden, weil Informationen nicht unbegrenzt und kostenlos zur Verfügung stehen. Der Prinzipal ergänzt die Vertragsgestaltung daher um verschiedene Maßnahmen, um diesem Defizit entgegenzuwirken.
Ein weiteres Merkmal von Prinzipal-Agent-Beziehungen ist die Ressourcenplastizität. In der Regel überlässt der Prinzipal dem Agenten für Erfüllung der übertragenden Aufgabe Ressourcen. Diese sind plastisch, weil der Auftragnehmer einen Handlungsspielraum in Bezug auf die Nutzung dieser Ressourcen hat. Aus dieser Überlegung ergibt sich auch die Möglichkeit zur opportunistischen Ausnutzung dieser Ressourcenplastizität zu Lasten der Effizienz.[23]
2.3 Agenturprobleme und ihre Effizienzwirkung
Die Analyse der Agenturprobleme stellt den Arbeitsinput des Agenten in den Mittelpunkt der Effizienzbetrachtung. Die Erfüllung der delegierten Aufgabe erfordert vom Agenten einen Arbeitseinsatz, der auch als Input eines Produktionssystems betrachtet werden kann.[24] Die Transformationsbeziehung dieses Input-Output-Systems wird u.a. von der Eignung des Agenten bestimmt.[25] In der Ausgangssituation wird zunächst unterstellt, die Akteure seien vollständig informiert. Insbesondere sind in dieser Situation die Präferenzen des Agenten sowie seine Reaktionen auf alternative Vertragsangebote exakt spezifizierbar. Unter diesen Annahmen[26] kann der Prinzipal die Verträge so gestalten, dass er die sogenannte “first-best”-Lösung erreicht. Diese Lösung entsteht unter der Annahme kostenloser und vollständiger Information und wird auch als Referenzlösung bezeichnet. Auf dieser Grundlage werden dann die Auswirkungen einiger typischer Informationsasymmetrien auf den Arbeitseinsatz des Agenten untersucht. Zur Betrachtung der einzelnen Probleme wird die Annahme vollständiger Information dann so modifiziert, dass der Prinzipal in den verschiedenen Agenturproblemen jeweils ein bestimmtes Informationsdefizit besitzt. Auf diese Weise kann einzeln und isoliert untersucht werden, wie sich die unterschiedlichen Informationsasymmetrien auf die Modellvariablen auswirken. Die folgende Abbildung[27] gibt einen Überblick über die Agenturprobleme:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Problemtypen asymmetrischer Informationsverteilung
2.3.1 Hidden action
Der Prinzipal steht bei dieser Form der Informationsasymmetrie vor dem Problem, wie er die Qualität der Auftragsdurchführung bewerten und im Vertrag angemessen berücksichtigen kann. Man spricht von “hidden action”, wenn die delegierte Aufgabe aufgrund verborgener Aktivitäten des Agenten ausschließlich über das Handlungsergebnis beurteilt werden kann. Es handelt sich um ein endogenes Problem, das sich auf die Verhaltensweisen des Agenten nach Vertragsschluss bezieht. Die Anstrengungen des Agenten zur Erzielung der beobachteten Resultate können entweder nicht vollständig beobachtet werden oder eine derartige Beobachtung wäre mit prohibitiven Kosten verbunden.[28] Wenn der Prinzipal aus dem Ergebnis keine eindeutigen Rückschlüsse auf das Verhalten seines Agenten ziehen kann, weil er den Einfluss der exogenen Umweltfaktoren nicht kennt, besteht für ihn ein Anreiz zu opportunistischem Verhalten. Durch die fehlende Kontrollmöglichkeit entstehen ihm Handlungsspielräume, die er zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen kann.[29] Das Problem, dass der Agent Handlungen zum Nachteil des Prinzipals unbemerkt durchführen kann und dadurch keine Lohneinbußen zu erwarten hat, wird als moralisches Risiko bezeichnet. Als Nutzenmaximierer möchte der Agent aufgrund seines Arbeitsleids ein niedriges Aktivitätsniveau wählen. Er wird daher sein Leistungspotenzial nicht voll ausschöpfen und sogar versuchen, dieses zu verbergen. Dieses Verhalten wird auch “shirking” genannt und führt unmittelbar zu technisch ineffizientem Arbeitseinsatz. Eine weitere Gefahr entsteht durch die Möglichkeit des Agenten, seinen Nutzen durch die unerlaubte Verwendung von Ressourcen des Arbeitsgebers zu erhöhen. Diese unerwünschte Verhaltensweise wird als “consumption on the job“ bezeichnet und fällt unter denselben Problemtyp wie das shirking.[30] Beide Probleme verursachen Ineffizienzen aufgrund einer Verschwendung von Inputfaktoren. Beim “shirking” resultiert aus den niedrigen Arbeitsanstrengungen zugleich ein niedriger Output. Die Voraussetzungen für “hidden action” sind vor allem dann günstig, wenn die Auftragskooperation in einer mit Unsicherheit behafteten Umwelt stattfindet.[31]
Das „hidden action“-Problem mit einem risikoaversen Agenten lässt sich folgendermaßen formulieren[32]:
Es sei A die Gesamtmenge der Handlungsalternativen des Agenten für die Erfüllung des Auftrags und a G A das Aktivitätsniveau bzw. der Arbeitsinput. Im einfachsten Fall werden nur zwei Handlungsmöglichkeiten ан und ai zugelassen.
Die Variable a kann dabei je nach Art der Prinzipal-Agent-Beziehung auch als Entscheidung, Verhalten, Handlung, Sorgfalt, Arbeitseinsatz oder Anstrengung gesehen werden.[33] Zum Zweck der Anschaulichkeit wird die Arbeitsleistung des Agenten in der Regel als Anstrengungsniveau interpretiert.[34] Desweiteren verbergen sich hinter dem Aktivitätsniveau verschiedene Leistungsmerkmale wie Arbeitszeit, Arbeitsgeschwindigkeit, Gründlichkeit etc.[35] Aus der produktionswirtschaftlichen Betrachtung lässt sich das Anstrengungsniveau a als durchschnittliche Arbeitsintensität des Agenten interpretieren. Sie kann z.B. in [Stück Output / Stunde Arbeitseinsatz] gemessen werden.[36] Dieses beeinflusst zusammen mit der Zufallsvariable Θ, die als exogener Faktor verschiedene Ausprägungen der Umweltbedingungen repräsentiert, den Kooperationserfolg x = χ(α,Θ). Für den Prinzipal ist a die einzige Inputvariable. Die Variable x stellt ein monetäres Äquivalent des Arbeitsoutputs für den Prinzipal dar. Sein Ziel ist eine aus seiner Perspektive optimale Auftragserfüllung, also ein hoher Arbeitsinput des Agenten bei minimalen Kosten. Der Agent maximiert seinen Nutzen dagegen durch eine hohe Entlohnung bei niedrigem Arbeitseinsatz. Dieser Interessenskonflikt kann als Ursache von suboptimalen Lösungen gesehen werden. Damit lassen sich die Nutzen beider Parteien unter Berücksichtigung von w als monetärer Entlohnung für den Agenten wie folgt abbilden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Agent erfährt einen Nutzen v(w) durch die monetäre Entlohnung und einen Disnutzen g(a) aufgrund von Arbeitsleid. Der Agent ist risikoavers in Bezug auf seinen Lohn. Sein Disnutzen, den er aufgrund von Arbeitsleid erfährt, ist nicht fallend. Es wird daher angenommen, v(w) sei steigend konkav und g(a) steigend konvex:
[...]
[1] Sappington (1991), S. 45.
[2] ln der Literatur werden auch andere Begriffe wie Prinzipal-Agenten-Ansatz, Agenturtheorie, Agencytheorie oder Vertretungstheorie synonym verwendet.
[3] Vgl. Burger (2008), S. 26.
[4] Vgl. Sherman/Zhu (2006), S. 51.
[5] Vgl. Farrell (1957), S.259.
[6] Vgl. Scheel (2000), S. 90.
[7] Vgl. Cooper et al. (2004), S. 6.
[8] Vgl. Cantner et al. (2007), S. 57.
[9] Vgl. Farrell (1957), S. 259.
[10] Vgl. Müller-Stewens etal. (2005), S. 263 f.
[11] Vgl. hierzu ausführlich Fandel (2009), S. 1ff. sowie Fandel/Lorth (2010), S. 478ff.; Bogetoft et al. (2006), S. 450 ff.; Bogaschewsky/Steinmetz (1999), S. 12ff.
[12] Vgl. Casuetal. (2001), S. 106.
[13] Vgl. Fandel/Lorth (2010), S. 478ff.
[14] Vgl. Leibenstein (1966), S. 397ff. sowie Leibenstein (1978), S. 330 ff.
[15] Vgl. Fandel/Lorth(2010), S. 481 f.
[16] Pratt/Zeckhauser (1985), S. 2.
[17] Vgl. Ebers/Gotsch (1999), S. 215 f.
[18] Vgl. Jensen(1983), S. 334.
[19] Vgl. Eisenhardt (1989), S. 59.
[20] Vgl. Bökenkamp (1985), S. 126 ff.
[21] Vgl. Richter/Bindseil (1995), S. 132; Richter/Furubotn (2003), S. 3 f.
[22] Vgl. Richter/Furubotn (2003), S. 4 f.
[23] Vgl. Weiershäuser (1996), S. 46.
[24] Vgl. Dinkelbach/Rosenberg (1994): S. 1ff.
[25] Vgl. Kleine (1995): S. 30.
[26] Die genannten Prämissen sind charakteristisch für die meisten normativen Agenturmodelle.
[27] Vgl. Breid (1995), S. 824.
[28] Vgl. Holmström (1979), S. 74; Jost (2001), S. 25 ff.; Hartmann-Wendels (1989), S. 714 f.
[29] Vgl. Ebers; Gotsch (2006), S. 264.
[30] Vgl. Göbel (2002), S. 102.
[31] Vgl. Arrow (1985), S. 37.
[32] Vgl. für die nachfolgenden Ausführungen Demougin/Jost (2001), S. 46 ff.
[33] Vgl. Blickle-Liebersbach (1990), S. 21.
[34] Vgl. Harris/ Raviv (1979), S. 234; Holmström (1979), S. 76; Laux (1990), S. 12.
[35] Vgl. Stiglitz (1974), S. 242.
[36] Vgl. Zelewski (2008), S. 16.
- Arbeit zitieren
- Nico Granitza (Autor:in), 2012, Ineffizienzen aufgrund von Prinzipal-Agenten-Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264306