1999 wird Günter Grass als Autor ausgesprochen erfolgreich, er erhält den Nobelpreis. Die sogenannte Nobelvorlesung steht an und Grass liest aus dem 5ten Kapitel seines Romans Die Rättin (1986). Eine schöne Möglichkeit um die Poetik von Grass etwas darzustellen. Zitat: "Viele Menschen, Ärzte und Wissenschaftler voran, müssten ausführlich nach Stockholm schreiben und alle Verdienste der Ratten auflisten, damit die Herren dort endlich begreifen wie armselig die Humanmedizin und die Biochemie und die Grundlagenforschung und was noch alles ohne das Rattengeschlecht aussähe.
1. Der späte Günter Grass und der Nobelpreis: als Beispieltext Die Rättin (publiziert 1986)
Günter Grass ist so etwas wie der Frankenstein der deutschen Nachkriegsliteratur gewesen - er schafft immer wieder eigentümliche Figuren, so als seien sie dem Laboratorium des Doktor Faustus entsprungen und schlimmer. (z.B: redende Fische, kleine zwergenwüchsige Männer, ...)
1999 wird Günter Grass als Autor ausgesprochen erfolgreich, er erhält den Nobelpreis. Die sogenannte Nobelvorlesung steht an und Grass liest aus dem 5ten Kapitel seines Romans Die Rättin (1986). Eine schöne Möglichkeit um die Poetik von Grass etwas darzustellen. Zitat: "Viele Menschen, Ärzte und Wissenschaftler voran, müssten ausführlich nach Stockholm schreiben und alle Verdienste der Ratten auflisten, damit die Herren dort endlich begreifen wie armselig die Humanmedizin und die Biochemie und die Grundlagenforschung und was noch alles ohne das Rattengeschlecht aussähe. Deine Chancen, Rättin, stehen nicht schlecht. [...] Plötzlich wird, nachdem Neues aus der Wissenschaft angesagt ist, nicht irgendein Weltraum- und Satellitenquatsch gesendet, vielmehr ist ausführlich von dir die Rede, weil du - freue dich! endlich den Nobelpreis bekommen hast und zwar für Verdienste auf dem Gebiet der Genforschung. Umfassend erinnert der Sprecher an deine Vorgänger, die Professoren Watson und Crick, die dazumal - mehr als zwanzig Jahre ist es her - für die von ihnen aufgedeckte DNS-Struktur geehrt wurden und nach Stockholm reisen durften; doch dann, Rättin, würden wir mich im Dritten Programm hören, wie ich - wer sonst? - die Laudatio auf das verdiente Rattengeschlecht halte."
Dieser Text ist beides: Ein Auszug aus der Rättin und ein Auszug aus der Nobelrede. Was ist damit gemeint? Zum einen nimmt Grass hier auf sein eigenes Werk bezug, und arbeitet damit in gewisser Weise die Schreibstrategie des Fortsetzungsromans heraus, die er häufig in seinem Werk verfolgt (immer wieder dieselben Figuren die variiert werden; Intertextualität). Zum anderen inszeniiert sich Grass hier selbst schon als Rättin. Er ist ja jetzt derjenige der geehrt wird, er ist offensichtlich die untergründige Botschaft, er ist die Rättin, diese groteske Gestalt, dieses Tier das man nicht mag, und das benutzt wird zu Experimenten. Grass ist sozusagen Sisyphos, der die Last auf seinen Schultern trägt, und das Versuchskaninchen gleichzeitig. Die Botschaft des 5ten Kapitels aus der Rättin ist sehr deutlich: diese hätte eigentlich den Nobelpreis verdient, weil sie immer wieder ihr Fell oder ihren Körper hingehalten hat um Experimente an ihr durchzuführen. Pathos regiert die Nobelpreisrede, es zielt darauf das eigene Werk, die Person zu überhöhen.
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- Arbeit zitieren
- Bachelor of Arts Sven Langjahr (Autor:in), 2012, Der späte Günter Grass und "Die Rättin", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264496