Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Informationsverarbeitung und Erinnerung
2.1 Die Schema-Theorie
2.1.1 Schablonen-Schemata
2.1.2 Prototypen
2.1.3 Scripts
2.1.4 Kritik an der Schema-Theorie
2.2 Mentale Wissensrepräsentationen
2.2.1 Mentale Modelle in der Nachrichtenproduktion und -redaktion
2.2.2 Wissensvernetzung - ein Überblick über verschiedene Konzepte
2.2.2.1 Semantische Netzwerke
2.2.2.2 Konnektionistische Netzwerke
3 Framing
3.1 Definition
3.2 Framing in Abgrenzung von anderen Konzepten
3.3 Die verschiedenen Ansätze des Framings
3.3.1 Attribute-Agenda-Setting
3.3.2 Medien-Priming
3.4 Wie mediale Frames unsere Urteile beeinflussen können
3.4.1 Etablierung und Veränderung von Vorstellungen
3.4.2 Meinungsänderung durch Framing-Effekte
3.5 Formal-abstraktes Framing
3.5.1 Episodisches und thematisches Framing
3.5.2 Strategisches und themenbezogenes Framing
3.6 Inhaltliches Framing
3.7 Zwischenfazit
4 Framing in der Kriegsberichterstattung
4.1 Perzeption der Golfkriege in der US-amerikanischen Gesellschaft
4.2 Visuelles Framing des Irakkrieges in der amerikanischen Medienberichterstattung
4.2.1 Die fünf Szenarien der Kriegsberichterstattung
4.2.2 Kritik an der Studie
4.3 Framing des Golfkrieges im internationalen Vergleich
4.3.1 Framing des Golfkrieges in den USA und in Schweden
4.3.2 Pluralität im Framing des Golfkriegs in Großbritannien
5 Fazit
Literatur
1 Einleitung
„Modern warfare is fought not only with weapons, but also with words aiming to win the ‘hearts and minds’ of the people“ (Dimitrova & Strömbäck, 2008, S. 216).
Massenmediale Kommunikation ist jene Pforte, die in modernen Industriegesellschaften den Bürgern die Möglichkeit zur Einsicht und Partizipation an politischen Prozessen gewährt. Auf der anderen Seite ermöglicht sie den Kommunikationsfluss von Seiten der politischen Entscheidungsträger zum Volk. Tageszeitungen und Fernsehnachrichten bilden die entscheidenden Plattformen für die Informationsübermittlung. Doch eine massenmedial kommunizierte Information wird nicht unabhängig und zusammenhangslos übertragen, sondern von Medienproduzenten und Journalisten in Sinnzusammenhänge gesetzt, die in ihrer Struktur von zahlreichen Faktoren abhängen. Diese Einordnung einer Nachricht in ein Bedeutungsumfeld wird Framing genannt und führt bestimmte Effekte in der Informationselaborierung auf Seiten des Rezipienten mit sich. Im Rahmen dieser Arbeit soll vor allem der wirkungszentrierte Framing-Ansatz beleuchtet werden (Entman, 1993).
Zu Beginn der Arbeit wird zunächst ein kurzer Überblick über wahrnehmungspsychologische Grundlagen der Informationsverarbeitung gegeben, um anschließend anhand schematheoretischer Modelle die für das Framing-Konzept relevanten Prozesse der Erinnerung erläutern zu können. Hier werden vor allem Schablonen-Schemata, Prototypen und Scripts im Mittelpunkt stehen. Im Anschluss wird das Konzept der mentalen Wissensrepräsentation erläutert und im spezifischen Bereich der Nachrichtenproduktion eingehender betrachtet sowie durch verschiedene Modelle der Wissensvernetzung ergänzt. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wird dann das Konzept des Framings erklärt. In Abgrenzung zum Medien-Priming und Agenda-Setting stellt sich vor allem die Frage, welchen Einfluss Frames auf unsere Urteile und Entscheidungen haben können. Anhand einschlägiger Studien wird formal-abstraktes sowie inhaltliches Framing definiert und ihre potentiellen Effekte auf den Rezipienten herausgearbeitet. Das Kapitel endet mit einer kurzen Zusammenfassung des Themas und wird im Anschluss am Beispiel der Kriegsberichterstattung bezüglich der US-amerikanischen Interventionen im Irak 2003 genauer betrachtet. Der 3. Golfkrieg bietet sich als Analysegegenstand besonders an, da Fotografen und Journalisten die amerikanischen Truppen im Einsatzgebiet begleiteten und Informationen durch das Internet noch weit schneller diffundierten als es noch im 2. Golfkrieg 1990/91 der Fall war (Schwalbe et al., 2008). Dennoch wird die Anwendung der hauptsächlich aus Wahlkampfstudien gewonnenen Framing-Erkenntnisse auf das Thema Krieg kritisch geprüft, da die daraus gewonnene empirische Basis nicht ohne Einschränkung auf die Kriegsthematik übertragbar ist. Die Analyse des visuellen Framings des Irakkrieges konzentriert sich zunächst auf die Nachrichtenberichterstattung in den USA. Anhand einer Studie von Schwalbe et al. (2008) wird die Veränderung des Framings im Verlaufe des Krieges in Wochenintervallen untersucht und in fünf Szenarien der Kriegsberichterstattung aufgegliedert.
Durch einen Vergleich zwischen den Framing-Strategien der USA und Schweden wird versucht, einen Überblick über jene Faktoren zu gewinnen, die den Einsatz bestimmter Frames und damit einhergehende Effekte auf Rezipientenseite bedingen. Es stellt sich die Frage, ob die Framing-Strategien der amerikanischen Medienanstalten ein Grund für die große Unterstützung der Kriegshandlungen im Irak auf Seiten des amerikanischen Volkes waren. Wie unterschiedlich sich die Berichterstattungen zweier gleichsam intervenierender Staaten gestalten können, wird durch einen Vergleich mit Großbritannien dargelegt und führt zu klaren Kritikpunkten der Kriegsberichterstattung in den USA, welche im Fazit deutlich gemacht werden sollen. Leider kann im Rahmen dieser Arbeit nicht auf die Berichterstattungen des Irakkrieg weiterer Länder eingegangen werden.
2 Informationsverarbeitung und Erinnerung
Die Prozesse der Informationsverarbeitung und Erinnerung bilden die wahrnehmungspsychologische Grundlage für das Verständnis von Framing-Effekten. Die menschliche Informationsverarbeitung lässt sich in ihren Basiselementen folgendermaßen darstellen: Ein Reiz trifft auf ein Wahrnehmungsorgan und löst dort eine Aktivierung aus (Graber, 1988). Nur einem Teil der eintreffenden Informationen wird Beachtung geschenkt, welche dann in vereinfachter Form für kurze Zeit gespeichert wird. Dieser Speicherort ist das Kurzzeitgedächtnis und steht neben neu eintreffenden Reizen auch im Einfluss bereits bestehender psychografischer und soziografischer Merkmale. Durch einen Abgleich wird dann entschieden, ob die neuen Informationen kompatibel mit den vorhandenen Einstellungen, Vorstellungen und Kenntnissen sind und somit ins Langzeitgedächtnis überführt werden können (Schenk, 2007). Der Mensch ist jedoch nicht ausschließlich ein passives Auffangnetz zufällig eintreffender Reize. Die im Langzeitgedächtnis bestehenden Interessen, können auch zur aktiven Suche nach Informationen motivieren. In diesem Fall wendet sich das Individuum bewusst bestimmten Informationsquellen, wie zum Beispiel einem Medium zu, um weitere Informationen zu generieren. Um entsprechende kognitive Ressourcen mobilisieren zu können, wird ein entsprechend hohes Involvement vorausgesetzt. Unter Involvement verstehen Petty und Cacioppo (1986) das Ausmaß der Betroffenheit oder das Interesse an einem Thema. Die Autoren konstruierten ein Modell, welches dem unterschiedlichen Grad des Involvements, eine Verarbeitungstiefe zuordnet: das Elaboration Likelihood Model (ELM). Ein unterschiedlich stark ausgeprägtes Involvement bedingt entsprechend unterschiedliche Verarbeitungstiefen.
2.1 Die Schema-Theorie
Als Grundtheorie zum besseren Verständnis der Framing-Theorie soll in der vorliegenden Arbeit die Schema-Theorie dienen. Laut Matthes (2004, S. 545) fand diese aus der Kognitionspsychologie stammende Theorie, bereits in den 1980er Jahren ihren Weg in die Medienwirkungsforschung und stellt ein bewährtes Erklärungsmodell dar. Auch Scheufele (2003) verwendete schema-theoretische Ansätze in seinen Forschungsprojekten zum Framing. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird auf seine Forschungsansätze noch einmal genauer eingegangen.
Bartlett führte 1932 den Begriff ‚Schema‘ in den Diskurs der Gedächtnispsychologie ein.
Er versteht unter dem Begriff die Gesamtheit früheren Verhaltens und Erfahrungen. Dieses Schema dient dann auf Grund der Ähnlichkeit als Leitstruktur aktueller Anforderungen.
A schema is a cognitive structure that consists in part of the representation of some defined stimulus domain. The schema contains general knowledge about a domain, including a specification of the relations among its attributes, as well as specific examplares or instances (Taylor & Crocker, 1981, S. 91).
Im heutigen wissenschaftlichen Sprachgebrauch beschreiben Schemata mentale Strukturen, welche Menschen verwenden, um Wissen zu Kategorien oder Themenbereichten zusammenzufassen. Dieser Prozess wird dann Top-Down-Verarbeitung oder konzeptgesteuerte Informationsverarbeitung genannt (Aronson et al., 2004). Die vorhandenen Wissensstrukturen sind laut Matthes (2004, S. 545) erlernt und relativ beständig, außerdem helfen sie bei der Interpretation bestimmter Reize und steuern die Aktivierung verknüpfter Schemata.
Diese kognitiven Strukturen sind nicht detailgetreu, sondern reduzieren die Umgebung auf eine wesentlich kleinere Anzahl relevanter Kategorien. Die Realität ist in Form der mentalen Repräsentation somit keine Eins-zu-Eins-Übertragung, sondern eine vom Individuum aktiv konstruierte eigene oder soziale Realität (Brosius, 1991). Auf der anderen Seite können Schemata auch Informationen über einen Gegenstand ergänzen, falls sie nur unvollständig gegeben sind. An dieser Stelle besteht die Gefahr, dass die schematische Informationsverarbeitung einer Situation, Person oder einem Sachverhalt voreingenommene oder stereotype Attribute zuschreibt, da bereits wenige Hinweisreize genügen, um ein bestimmtes Schema zu aktivieren und mit möglicherweise auch fehlerhaften Informationen aufzufüllen (Asch, 1946). Diese Erwartungswerte sind auch der Grund dafür, dass der Mensch geneigt ist, bestimmte Informationen eher wahrzunehmen als andere. Lässt sich eine Information problemlos in bereits vorhandene Strukturen einfügen, bedarf es keiner Reorganisation des bewährten Schemas. Zwar ist ein Schema mobil und kann sich durch neue Impulse verändern (Piaget, 1937), doch die Elaboration ergänzender und nicht widersprechender Stimuli verlangt dem Individuum keine zusätzlichen kognitiven Ressourcen ab und ist somit leichter durchzuführen. Schemainkonsistente Informationen werden eher ignoriert, da sie eine zusätzliche Belastung für das kognitive System bedeuten (Neisser, 1979). Andererseits können Informationen auch ohne Aktivierung spezifischer Schemata aufgenommen werden. In diesem Fall spricht man von einer Bottom-Up-Verarbeitung.
Schema-Theorien werden häufig als pyramidale Strukturen dargestellt (z.B. Taylor & Crocker, 1981, S. 92f.). Die Basis bilden konkrete, einzelne Schemata, die sich an der Spitze zu immer abstrakteren Schemata zusammenfassen. Andere Autoren nehmen Bezug auf Modelle der netzwerkartigen Wissensstrukturen. Hastie (1981) zum Beispiel definierte drei unterschiedliche Arten von Schemata: (1) Schablonen-Schemata (2) Schemata zentraler Tendenz (Prototypen), und (3) prozedurale Schemata (Scrips).
2.1.1 Schablonen-Schemata
Um später das Konzept des Framings besser erläutern zu können, sollen zunächst die Schablonen-Schemata genauer betrachtet werden. Diesem Ansatz zufolge fasst ein Individuum Stimuli nach bestimmten Eigenschaften zu Kategorien zusammen. Tesser (1978) spricht bei diesen Eigenschaften salienten Attributen. Die Reizverarbeitung geschieht durch einen Abgleich des Objekts mit der kognitiven Schablone. Die Schablone, welche die höchste Passung mit den Schlüsselreizen des Objekts aufweist, wird ausgewählt. Scheufele (1999, S. 94) nennt diese Passung „Fitting“.
Schemata, die einem Individuum die Enkodierung massenmedial transportierter Informationen erleichtern, spielen für die Framing-Theorie eine wichtigere Rolle. Häufig weisen Nachrichten in den Medien bereits ein grundlegendes Muster auf, welches sich an den kognitiven Schemata des Menschen orientiert und die Enkodierung vereinfacht. Journalisten und Medienproduzenten gehen also bereits im Produktionsprozess von einer schemagesteuerten Verarbeitung seitens des Rezipienten aus und strukturieren die Nachricht in Form eines Ereignis-Schemas. Inhaltlich wird das Ereignis-Schema häufig von Personen-, Selbst-, und Rollenschema getrennt, jedoch lässt sich diese Unterteilung schwer halten, da Personen meistens an Ereignissen beteiligt sind und auch eine Rolle ohne Person nicht vorstellbar ist (Wicks, 1992). Der Schema-Begriff ist laut Brosius (1991) somit sehr unpräzise. Zur besseren Differenzierung bei der Betrachtung von kognitiven Schemata und Frames schlägt Scheufele (2003) vor, kognitive Schemata ausschließlich auf Objektklassen (z.B. Politiker) und Relationen zwischen Objekten (z.B Ursachen) zu beziehen. In Schema- Studien der Politikwissenschaft wird außerdem zwischen ideologischen Gruppen-, Partei-, Klassen- und Kandidatenschemata unterschieden (z.B. Lau, 1986). Aus einer Mehrzahl von Schemata bildet sich dann ein konstanter Erwartungsrahmen, den man als kognitiven Frame bezeichnet. Dieser Frame beinhaltet dann eine Art Bündel zusammengehöriger Objekte und Relationen (Scheufele, 1999, S. 93). Dieser unter anderem auf Netzwerktheorien aufbauende Ansatz wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch genauer beleuchtet.
2.1.2 Prototypen
Hasties (1981) konzeptualisiert seine Vorstellung eines Prototypen spiralförmig. Im Zentrum einer Kategorie steht der Prototyp und an der Peripherie die weniger häufig auftretenden Charakteristika eines Betrachtungsgegenstandes. Im Zwischenraum befinden sich Attribute mit mittelmäßiger Prototypizität. Per Musterabgleich mit den Prototypen werden die Objekte dann kategorisiert und ähneln diesem dann mehr oder weniger. Diese Betrachtungsweise löst die scharfen Trennlinien des Ansatzes auf. Das Konzept integriert die Beobachtung, dass bei der Aktivierung eines Schemas nicht alle Kategoriemerkmale ohne weiteres aufgezählt werden können, wobei der Kategorienansatz ursprünglich von definitorischen Attributen und deutlichen Kategoriegrenzen ausgeht.
Scheufele führte 1999 eine Studie zur Kategorisierung anhand von Prototypen durch und fragte seine Probanden nach typischen Attributen von Rechtsradikalen. Die Versuchsteilnehmer antworteten häufig mit dem Begiff ‚Skinhead’ (Scheufele, 1999, S. 97) und nicht mit Adjektiven, wie ‚gewaltbereit’ oder ‚rassistisch’. Der Skinhead wäre dementsprechend der Prototyp, welcher die Kategorie formt und nicht die definitorischen Merkmale.
Laut Rosch und Mervis (1975, S. 574f) werden die Objekte auf ihre Familienähnlichkeit bzw. Typizität geprüft. Alle Vertreter einer Kategorie haben zwar mindestens eine Eigenschaft, die sie sich mit einem der anderen Vertreter teilen, jedoch gibt es kein Attribut, welches alle gleichsam aufweisen. Der Prototyp hat den höchsten Grad an Typizität inne, da er viele Attribute mit den anderen Gruppenmitgliedern gemein hat. Dabei ist der Prototyp nicht unbedingt als ein einzelner Begriff zu verstehen, sondern als ein Bewusstseinsinhalt oder kognitives Bild (Kleiber, 1998, S. 40).
2.1.3 Scripts
Wenn Menschen eine Vorstellung bestimmter Abläufe in einer speziellen Situation haben, eine Art kognitives Drehbuch von beispielsweise einem Friseur- oder Vorlesungsbesuchs, bezeichnen Schank und Abelson (1977) dieses stereotype Vorwissen als Script. Diese Scripts funktionieren in ihrer Aktivierung auf die gleiche Weise wie Schemata und beinhalten Informationen darüber, welche Vorgänge in welcher Reihenfolge vollzogen werden (Anderson, 1996, S. 157). Man kann es sich wie eine Kette von Leerstellen vorstellen. Entweder sind die Scripts schwach und unsere Erwartungshaltung richtet sich lediglich dahingehend, dass möglicherweise bestimmte Sequenzen eintreten können oder das Script ist stark. In diesem Falle existiert eine klare Erwartungshaltung und -struktur in den Vorstellungen des Individuums. Eine bestimmte Sequenz muss einer bestimmten anderen folgen.
Neben Scripts welche wir zur Bewältigung des alltäglichen Lebens verwenden, existieren auch für das Feld der Nachrichtenberichterstattung spezielle Scripts. Produziert ein Journalist beispielsweise einen Artikel, orientiert er sich nicht in erster Linie an der chronologischen Reihenfolge des Ereignisses, sondern wendet im selben Moment ein Script an, welches den Aufbau einer Zeitungsmeldung strukturiert. Ereignete sich beispielsweise ein Autounfall mit Todesfolge, wird vor des genauen Ablaufs, erst die Gesamtzahl der Toten genannt, obwohl diese Information in der tatsächlichen Chronologie erst am Ende stünde. Auf der anderen Seite erwartet der Leser ebenfalls eine bestimmte, vom Journalisten nach Wichtigkeit geordnete Reihenfolge. Dieses journalistische Script nennt van Dijk (1988) Nachrichtenschema (van Dijk, 1988).
2.1.4 Kritik an der Schema-Theorie
Hierarchische Strukturen als Grundannahme für Informationsverarbeitungs- und Erinnerungsprozesse zu verwenden ist problematisch, da Hierarchien einerseits für die interne Struktur von Schemata als auch für die externe Verknüpfung mit anderen Schemata handhabbar sein muss. Bei einer hierarchischen Struktur ist nicht deutlich, wo die Trennungslinie zwischen internen und externen mentalen Strukturen verläuft (Hastie, 1981). Die bisherigen Studien zur Schema-Theorie weisen laut Fiske und Taylor (1991) noch weitere Schwächen auf. Am stärksten wird die unzureichende Spezifizierung der Schema-Funktionen kritisiert. Auch die grundsätzliche Tatsache, dass sich die Existenz von Schemata nicht falsifizieren lässt, führt zu Problemen in den empirischen Untersuchungen.
Zusätzlich sehen die beiden Forscher in vielen Schema-Studien eine konzeptuelle Schwäche bei der Operationalisierung des Betrachtungsgegenstandes. Außerdem sind noch viele zentrale Punkte des Schema-Konstrukts ungeklärt, wie beispielsweise ihr Grad an Komplexität. Für den spezifischen Bereich der schemageleitete Nachrichtenproduktion ist vor allem der Mangel an Flexibilität des Schema-Konzepts zu kritisieren. Scheufele und Brosius (1999) zeigten, dass sich journalistische Vorstellungen durchaus als festes Muster darstellen lassen. Allerdings können sich diese durch einschlägige Ereignisse auch grundlegend verändern, während sie bei einer Routineberichterstattung durchgehend stabil bleiben.
Als kommunikationswissenschaftlichen Kritikpunkt führt Scheufele (1999) auf, dass sich die psychologischen Stimuli auf Objektklassen beziehen, wie z.B. Obst. Vor allem in der Nachrichtenforschung werden jedoch komplexe politische und soziale Sachverhalte betrachtet. Außerdem konnte noch nicht genau ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen Rezipienten Schemata anlegen und unter welchen Bedingungen diese existierenden Schemata mit den medialen Frames interagieren (Scheufele, 1999, S. 100ff.).
2.2 Mentale Wissensrepräsentationen
Die Theorie der mentalen Modelle formulierte Johnson-Laird im Jahre 1980. Seine Theorie baut, wie weitere Theorien der Informationsverarbeitung, auf den Ansätzen zu proportionalem Wissen auf. Die Theorie mentaler Modelle (Johnson-Laird, 1980) hingegen bildet auch heute noch die Grundlage für viele weitere Modell-Ansätze. Für seine Theorie beschreibt Johnson- Laird das mentale Model folgendermaßen: „A natural mental model of dicourse has a structure that corresponds directly to the structure of the state of affairs that the dicourse discribes“ (Johnson-Laird, 1983, S. 125). Erstellt ein Individuum also ein mentales Modell, kreiert es eine Welt, in welcher sich der entsprechende Sachverhalt abspielt. Da die kognitiven Ressourcen des Menschen jedoch begrenzt sind, bildet er den Sachverhalt nicht in aller Ausführlichkeit, sondern nur in einem gewissen Umfang ab. Wie viele Informationen wir in das mentale Modell integrieren können, hängt stark von dem bereits vorhandenen Vorwissen und den bereits etablierten mentalen Strukturen ab. Gegebenenfalls können die vorhandenen mentalen Modelle aktualisiert oder umgewandelt werden.
2.2.1 Mentale Modelle in der Nachrichtenproduktion und -redaktion
Van Dijk stellte 1988 spezielle Überlegungen zu mentalen Modellen in der Nachrichtenproduktion und -rezeption an. Er bezeichnet den in einem Zeitungsartikel beschriebenen Sachverhalt als Situationsmodell (van Dijk, 1988. S. 114). Recherchiert ein Journalist beispielsweise Agenturmeldungen über den Nahostkonflikt, aktiviert er auf Basis seines Vorwissens ein mentales Bild der Situation im Krisengebiet. Er integriert Informationen über die zentralen Akteure sowie geografische und historische Kenntnisse der Situation. Meldet die Agentur sehr spezifische Vorkommnisse, kann das innere Bild auch noch mit weiteren Vorinformationen angereichert werden, die zuvor unberücksichtigt blieben. Das aktuelle Modell passt sich also der Meldung an und ist in seiner Struktur variabel. Diesen Anpassungsprozess gliedert van Dijk (1985) in vier Phasen. Am Anfang steht die Validierung. Hier liest der Redakteur die Agenturmeldung und prüft, ob sich der berichtete Sachverhalt mit dem aktuellen Modell deckt. Danach folgt die Erweiterung - es werden neue Informationen ergänzt. Als dritten Punkt nennt van Dijk die Integration. An diesem Punkt können zwei aktuelle Modelle zu einem neuen verschmelzen. Den Schluss bildet die Konstruktion oder Revision: Existiert noch kein entsprechendes Modell, wird ein gänzlich neues mentales Modell angelegt oder ein bereits bestehendes entsprechend modifiziert.
Van Dijks Beispiel zeigt die Flexibilität der mentalen Modelle, jedoch muss einschränkend gesagt werden, dass trotzdem ein festes, dreigliedriges Konstrukt existieren muss: (1) die Textbasis in Form der propositionalen Repräsentation, (2) das aktivierte Vorwissen und (3) das aktuell konstruierte Modell. Van Dijk (1988) weist darauf hin, dass Schemata durchaus als Organisationsform für das Vorwissen in Frage kommen. Die einzelnen Schemata werden durch bestimmte Schlüsselbegriffe im Text aktiviert. Diese Schemata aktivieren wiederum angrenzende Schemata. Im Verlaufe der vorliegenden Arbeit wird genauer auf die Vernetzung der einzelnen Wissenseinheiten eingegangen. Mentale Modelle experimentell zu untersuchen ist jedoch dahingehend kompliziert, da sich die Modelle theoretisch auch erst im Kontext der Reproduktionsaufgabe bilden können. Somit kann immer nur von einer möglichen Existenz der Modelle gesprochen werden (Scheufele, 2003, S. 24).
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