Intergruppale Einstellungen. Welchen Einfluss hat stellvertretender Kontakt?


Bachelor Thesis, 2013

66 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Zusammenfassung

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Gruppen
2.2. Einstellungen
2.3. Soziale Identitätstheorie
2.4. Schaffung eines positiven Intergruppenkontaktes
2.4.1. Direkter Intergruppenkontakt
2.4.2. Indirekter Intergruppenkontakt
2.5. Fragestellung

3. Methode
3.1. Ein- und Ausschlusskriterien
3.2. Vorgehen
3.3. Einbezogene Quellen

4. Ergebnis
4.1. Emotionen und intrapersonale Faktoren
4.2. Empfundene Nähe
4.3. Kontakterfahrung
4.4. Typighaftigkeit des Fremdgruppenmitglieds
4.5. Welchen Einfluss haben Normen?
4.5.1. Der Einfluss der Eigengruppennormen
4.5.2. Wahrgenommene Fremdgruppennormen

5. Diskussion
5.1. Einschränkungen
5.2. Implikationen für zukünftige Forschung

6. Literaturverzeichnis

7. Pressemitteilung

8. Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Transitiver Inklusionsprozess (2008, S.151) 18

Abbildung 2: Durchschnittsevaluation der Eigen- und Fremdgruppe der drei Bedingungen in Untersuchung vier (Wright et al. ,1997, S.86) 20

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Einbezogene Quellen. Eigene Darstellung 25

Tabelle 2: Überschneidungen der Erhebungsmethoden. Eigene Darstellung 27

Zusammenfassung

Intergruppale Einstellungen wurden in den letzten Jahrzehnten eingehend untersucht. Indirekter Kontakt bietet Gruppen und damit Gruppenmitgliedern die Möglichkeit durch Erfahrungen eines Eigengruppenmitgliedes respektive Freundes Einstellungen zur Fremdgruppe zu ändern, ohne direkt in Kontakt treten zu müssen. Die 21 in dieser Ar- beit untersuchten Studien beschäftigen sich mit dem Subtyp des indirekten Kontaktes, dem stellvertretenden Kontakt: hierbei hat ein Individuum Kenntnis über die Freund- schaft respektive den Kontakt eines Eigengruppenmitgliedes zu einem Fremdgrup- penmitglied. Dabei steht die Überprüfung der mediierenden Variablen im Fokus dieser Literaturarbeit. Die Mediatoren der antizipierten Bedrohung durch die Outgroup, der wahrgenommenen Nähe zum Eigengruppenmitglied sowie der divergierenden Eigen- und Fremdgruppennormen zeigen eine deutliche Verbindung zur Wirksamkeit des stellvertretenden Kontaktes auf intergruppale Einstellungen (Wright, Aron, McLaughlin- Volpe & Ropp, 1997). Diese Arbeit verdeutlicht die unterschiedlichen Facetten dieser Mediatoren und weist weitere Faktoren auf, welche zur Effektivität des stellvertretenden Kontaktes beitragen.

1. Einleitung

„He does not change his mental set easily, but persists in old ways of reasoning - whether or not this reasoning has anything to do with human groups.” (Allport, 1958, S.171)

Diese verallgemeinernde Aussage zur „prejudiced personality“ oder voreinge- nommenen Persönlichkeit von Gordon W. Allport hebt die Komplexität des Einstel- lungswandels hervor. Intergruppale Einstellungen unterliegen zudem weiteren Prozes- sen, wie der weiter unten ausgeführten sozialen Identität (Tajfel & Turner, 1979, 1986), welche die Grenzen zwischen der In- und Outgroup erhärten können. Der Abbau inter- gruppaler Vorurteile und die positive Änderung intergruppaler Einstellungen wurden in den letzten Jahrzehnten vielfach erforscht. Intergruppaler Kontakt ist häufig behaftet mit Vorurteilen und oftmals nicht bestätigten Eindrücken und Einstellungen. Allein 2011 lebten in Deutschland rund 16 Mio. Menschen (19,5 Prozent) mit Migrationshintergrund (Statistisches Bundesamt, 2013); dies allein verdeutlicht schon die Relevanz eines ‚friedlichen‘ Miteinanders. Man kann Intergruppenkontakt jedoch nicht nur auf Kontakt zwischen Gruppen unterschiedlicher Herkunft beschränken. Wie weiter unten erläutert, spricht man in einer Minimaldefinition von einer Gruppe bei einer Personenmehrheit (Bales, 1999). Diese Minimaldefinition führt zu einer Masse an Gruppen, in der sich Menschen befinden können. Werden intergruppale Kontakte durch die oben genannten Vorurteile und negativ gefärbten Einstellungen beeinflusst, kann es zu Intergruppen- konflikten kommen. Um diese zu verhindern und ein positiv geprägtes Zusammenleben einer heterogenen Gesellschaft zu schaffen, liefert vor allem die sozialpsychologische Forschung Ansätze, welche sich mit Intergruppenkontakt beschäftigen.

Der historische Ursprung des Intergruppenkontaktes liegt in den 40er- und 50er- Jahren in den USA und damit in der Zeit der Aufhebung der Rassentrennung. Zu dieser Zeit musste ein Weg gefunden werden, die Vorurteile gegenüber den Afro-Amerikanern zu reduzieren und somit das Zusammenleben von einst auf das strengste getrennten Gruppen möglich zu machen. Auch Studien der letzten Jahre untersuchen Einstellun- gen von Weißen und Schwarzen (z.B. Eller, Abrams, Viki, Imara, 2007). Auch diese zeigen, dass das Zusammenleben zwischen verschiedenen Völkern nicht ohne Kom- plikationen verläuft. Durch den direkten Intergruppenkontakt (Allport, 1958) sollten in jener Zeit des Umbruchs Mitte des 20. Jahrhunderts Erfahrungen gemacht werden,

2. Theoretische Grundlagen

Um den Einfluss des stellvertretenden Kontaktes auf intergruppale Einstellungen einzelner Gruppenmitglieder zu untersuchen, ist es notwendig, grundlegende Begriffe und Theorien zu klären und damit den Stand der Forschung zu erläutern. Dazu müssen die zwei Bestandteile der Forschungsfrage geklärt werden: zum einen stellvertretender Kontakt und zum anderen intergruppale Einstellungen. Zunächst sollen die zentralen Begriffe ‚Gruppe‘ und ‚Einstellung‘ als Teile der ‚intergruppalen Einstellung‘ erläutert werden. Anschließend folgen grundlegende Theorien zum Intergruppenkontakt, wodurch eine Verbindung der beiden Teilbereiche geschaffen wird.

2.1. Gruppen

Welchen Einfluss die Gruppenzugehörigkeit auf das eigene Verhalten hat, erhielt spätestens durch die soziale Identitätstheorie eine deutliche Gewichtung. Demnach genügt die Vorstellung, zu einer Gruppe zu gehören, um diese zu bevorzugen und eine Ähnlichkeit und Verbundenheit festzustellen (Tajfel & Turner, 1979, 1986). Die Theorie der sozialen Identität wird im Verlauf dieser Arbeit weiter ausgeführt.

Der Begriff der Gruppe beschreibt im engsten Sinne zunächst eine Personen- mehrheit (Bales, 1999). In einem eher soziologischen Sinn kann eine Gruppe auch als soziales System, wie beispielsweise eine Schule, angesehen werden (Wiswede, 2004). Die für diese Arbeit ausschlaggebende Bedeutung stammt aus der Sozialpsychologie. Hier lässt sich der Begriff weiter differenzieren. Fischer und Wiswede (2002) nehmen eine Unterteilung in die Gruppe als Konsequenz der face-to-face-Interaktion, die Grup- pe als System und die Gruppe als Selbstkategorisierung vor. Bei der face-to-face- Interaktion ergeben sich bestimmte strukturelle Muster, die diese Gruppe ausmachen. Dies können gemeinsame Ziele oder auch Normen der Gruppe sein. Vor allem diese Bedeutung von ‚Gruppe‘ ist für die intergruppale Interaktion von Bedeutung, da diese Regeln und Normen zwischenmenschliche Beziehungen beeinflussen. Nach Homans (1960) muss bei Gruppen die Möglichkeit zur direkten Interaktion gegeben sein. Zudem muss für die Bildung von Gruppennormen eine gewisse Dauer der Interaktion gegeben sein, die es ermöglicht, dass sich Normen bilden. Als letztes Kriterium des face-to-face- Merkmals wird betont, dass Situationen für die Entwicklung gemeinsamer Gruppenziele schädlich oder förderlich sein können. Die Gruppe als System findet nach Fischer und

2.2. Einstellungen

Das Konstrukt der Einstellung ist ein zentraler Bestandteil der Sozialpsychologie. Nach Allport (1935) werden Einstellungen durch Erfahrungen strukturiert. Sie beein- flussen oder steuern die Reaktion des Individuums oder Einstellungsträgers auf die jeweilige Umwelt. Eine neuere Definition hingegen beschreibt die Einstellung als psy- chologische Tendenz (Eagly & Chaiken, 1993). Diese zeigt sich darin, dass eine be- stimmte Entität vom Individuum positiv oder negativ beurteilt oder bewertet wird. Boh- ner und Wänke (2002) bestätigen Einstellungen als Bewertung von Objekten. Diese müssen nicht zwangsläufig ‚greifbare‘ Objekte sein, sie können auch gedanklich vor- handen sein oder eine Grundhaltung widerspiegeln. Wie schon Rosenberg und Hovland (1960) nehmen sie bei diesem Konstrukt eine Einteilung in eine kognitive, af- fektive und verhaltensbezogene oder konative Komponente vor. Während die kognitive Komponente der Einstellung die Überzeugung eines Menschen zu einem Objekt im weitesten Sinne verdeutlicht, stellt die affektive die gefühlsbezogene Komponente dar. Sie bringt zum Ausdruck, welche Emotionen das Individuum mit dem Einstellungsobjekt in Verbindung bringt. In der konativen Komponente zeigt sich die Einstellung im Verhal- ten des Menschen. Hierbei ist hervorzuheben, dass sich diese nicht zwangsläufig im Verhalten widerspiegelt. Da eine detaillierte Erläuterung den Umfang dieser Arbeit übersteigen würde, ist an dieser Stelle zusammenfassend zu sagen, dass starke Ein- stellungen eine bessere Vorhersage für das Verhalten ermöglichen als schwache (Wänke & Bohner, 2006). Zusätzlich zu den allgemeinen Definitionen der Einstellung sind diesem Konstrukt noch spezifischere Arten zuzuordnen, welche den intergruppa- len Kontakt und die Einstellungsänderung erschweren. Vorurteile und die damit ver- bundenen Emotionen sind keine seltenen Phänomene, welche Gruppen daran hindern, miteinander in Kontakt zu treten. Vorurteile werden definiert als abwertende Einstellung gegenüber anderen Personen respektive Gruppen oder auch Objekten (Wiswede, 2004). Sie bilden nach Otten (2006) mit Stereotypen und Diskriminierung die drei Be- standteile von negativen Einstellungen zu anderen Gruppen.

Bezogen auf intergruppale Einstellungen sind Einstellungen nicht nur den ein- zelnen Mitgliedern der Gruppe zuzuordnen, sie manifestieren sich beispielsweise als Gruppennormen und beeinflussen so wiederum das Verhalten und die Einstellung des Einzelnen (Sherif, 1935). Es lässt sich eine Tendenz der Gruppe und damit der Grup- penmitglieder zur wahrgenommenen Heterogenität der Ingroup und Homogenität der Outgroup erkennen. Dies lässt sich auch an einem klassischen Experiment von Tajfel und Wilkes (1963) verdeutlichen, welches durch die Theorie der sozialen Akzentuie- rung (Lilli, 1975) bestätigt wurde. In dem genannten Experiment wurden den Proban- den Linien in Kombination mit Buchstaben gezeigt. Wurden die kürzeren Linien konti- nuierlich mit demselben Buchstaben und die längeren mit einem anderen Buchstaben gleichzeitig gezeigt, so wurde der Unterschied zwischen den Linien als größer wahrge- nommen als er war. Die Akzentuierungstheorie besagt daher, dass Unterschiede in- nerhalb von Klassen unterschätzt und Unterschiede zwischen den Klassen überschätzt werden.

Zudem zeigten die Experimente zum Minimalgruppen-Paradigma (Tajfel, Billig, Bundy & Flament, 1971), dass allein die Zuordnung zu einer Gruppe, wenn auch wie in diesem Fall fiktiv, zur Bevorzugung der eigenen Gruppe führt. Die Teilnehmer dieser Untersuchungen waren sich der Zugehörigkeit zu einer Gruppe bewusst und hatten die Aufgabe, Geldbeträge an zwei Personen, davon ein Mitglied der Eigengruppe, zu ver- teilen. Es zeigte sich, dass nicht nur die Präferenz der Eigengruppe im Vordergrund stand, sondern von größerer Bedeutung war für die Teilnehmer, die Differenz des Er- trags zwischen den beiden Gruppen zu maximieren. Die Präferenz der Ingroup und der Abgleich des eigenen Verhaltens mit dem der Ingroup erweisen sich richtungsweisend für die Änderung von individuellen Einstellungen, welche sich auf intergruppale Einstel- lungen auswirken.

2.3. Soziale Identitätstheorie

Angestoßen von dem Minimalgruppen-Paradigma wandten sich Tajfel und Tur- ner (1979, 1986) der Frage zu, wie es dazu kommt, dass Menschen solche oben ge- nannten Entscheidungen treffen, welche eine klare Bevorzugung der Ingroup verdeutli- chen. Dabei entwickelten sie den Ansatz, dass Personen sich nicht nur als einzelne Individuen mit ihren Charakteristika definieren, sondern auch als Mitglied einer Gruppe. Diese soziale Identität wird beispielsweise auch in Kontakten zwischen Gruppen wirk- sam und vor allem bei jeglicher Art von intergruppalen Konflikten oder Vergleichen. An dieser Stelle werden die für diese Arbeit essenziellen und bedeutsamen Ergebnisse der sozialen Identitätstheorie zusammengefasst. In Bezug auf die soziale Identität sind dabei für Individuen drei Punkte von Bedeutung (Tajfel & Turner, 1979, 1986):

1. Menschen streben nach einem positiven Selbstkonzept. Entsprechend ist in Be- zug auf die Gruppe eine positive soziale Identität bedeutsam.
2. Eine positive soziale Identität wird durch Vergleiche zwischen der Eigengruppe

und der relevanten Fremdgruppe hergestellt. Positiv wird die soziale Identität hierbei, wenn der Vergleich positiv für die Eigengruppe ausfällt. 3. Ist der oben genannte Vergleich nicht erfolgreich, tendiert das Gruppenmitglied entweder dazu, die Eigengruppe für eine positivere Gruppe zu ‚verlassen‘, oder aber, eine Möglichkeit zu finden, die Eigengruppe positiver bewerten zu können.

Der Begriff des ‚Gefühls‘ ist dabei von großer Bedeutung. Durch die soziale Ka- tegorisierung ordnet sich das Individuum einer Gruppe zu und fühlt sich dieser zugehö- rig. Die soziale Identität ist folglich auch mit einer affektiven Komponente verbunden. Wie weiter oben schon angedeutet, steht dabei das Streben nach einer positiven Dis- tinktheit, also die positive Unterscheidung der Eigengruppe von der Fremdgruppe, im Vordergrund. Anzumerken ist, dass in solchen Vergleichs- oder Urteilssituationen di soziale Kategorie salient ist und sich das Individuum mit der sozialen Kategorie identifizieren muss (Wagner, 2006).

2.4. Schaffung eines positiven Intergruppenkontaktes

Es wird deutlich, dass die Normen der Gruppe und die Favorisierung der Ingroup Einfluss auf den Kontakt zwischen Gruppen haben. Wie ist es nun möglich, Einstellun- gen dahingehend zu ändern, dass ein positiver Intergruppenkontakt erreichbar ist? Da- bei ist es wesentlich, eine Unterscheidung der intergruppalen Kontaktarten in direkte und indirekte Kontakte zu treffen. Vertreter der Theorie der Einstellungsänderung durch direkten Kontakt, wie Allport und Pettigrew, sahen in dieser Form des Kontakts eine gute Möglichkeit zum Abbau von intergruppalen Vorurteilen (Pettigrew, 1997, 1998). Eine Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Kontakt erscheint trivial, bedarf in diesem Kontext dennoch Beachtung und wird anhand der folgenden Theorien aus- geführt.

2.4.1. Direkter Intergruppenkontakt

Der Einfluss von Kontakt auf die Einstellung von Gruppenmitgliedern zur jeweils anderen Gruppe fand 1957 mit der Kontakthypothese des Sozialpsychologen Gordon William Allport einen Höhepunkt in der Vorurteilsforschung. Wie schon erwähnt, ist die Erforschung des Abbaus von Vorurteilen historisch eng mit der Rassentrennung in den USA und den damit verbundenen Auswirkungen verbunden. Mitte der 1950er-Jahre entwickelte sich um Gordon W. Allport eine Theorie zur Reduktion von Vorurteilen durch direkten Intergruppenkontakt (Allport, 1958). Bei dieser im Allgemeinen als Kon- takthypothese bekannten Theorie wird betont, dass mit dem positiven Intergruppenkon- takt Bedingungen verknüpft sind, welche das Gelingen bestimmen. Vorurteile können demnach durch gleichen Status der Majoritäts- und Minoritätsgruppen, hier die Eigen- und Fremdgruppe, respektive allgemein der beiden Gruppen in der Kontaktsituation selbst (1) unter Einbezug von einem übergeordneten, gemeinsamen Ziel (2) abgebaut werden. Um diese gemeinsamen Ziele zu erreichen, ist eine kooperative Haltung zwi- schen den Gruppen notwendig (3). Unterstützt werden kann diese durch Normen, Rechte und Autoritäten, die diesen Kontakt fördern (4). Diese Bedingungen wurden zu einem späteren Zeitpunkt, 1998, durch Allports Schüler Thomas F. Pettigrew erweitert.

Er postulierte in seinen Untersuchungen, dass intergruppale Freundschaft (5) eine starke Vorhersagekraft für die Reduktion von Vorurteilen hat (Pettigrew, 1998). Ferner kritisierte Pettigrew an Allports Kontakthypothese, dass vermittelnde Pro-zesse nicht in Betracht gezogen werden und zudem keine Gedanken zur Generalisie-rung Platz in seiner Theorie finden. In seiner oben genannten Forschungsarbeit zum Intergruppenkontakt ermittelte er vier Prozesse, die sich positiv auf die Reduktion von Vorurteilen auswirken sollen (Pettigrew, 1998): (1) Zum einen stellen die Informationen respektive das Wissen über die Fremdgruppe einen Faktor dar, welcher hilfreich sein kann. Das Wissen, welches über die Fremdgruppe erlangt wird, soll zum Abbau von negativen Einstellungen gegenüber der Fremdgruppe führen und somit auch zum Ab-bau von Vorurteilen. Studien zeigen, dass Wissen allein nicht zum Abbau von Vorurtei-len beiträgt. Zusätzlich kann (2) Verhaltensänderung dazu führen, dass sich die Ein-stellung ändert. Mit einer positiv gefärbten Einstellung, wie Akzeptanz der Fremdgrup-penmitglieder, in einen Intergruppenkontakt zu gehen, kann also dazu führen, dass diese positiven Erwartungen sich bestätigen. Somit kann bei wiederholtem Kontakt durch die veränderte Erwartung und dementsprechend verändertem Verhalten die Ein-stellung geändert und verbessert werden. Affektive Bindungen zur Fremdgruppe (3) liefern die Möglichkeit, Befürchtungen abzubauen, die wiederum dazu führen, den in-tergruppalen Kontakt zu meiden. Sofern die Ängstlichkeit gegenüber der Fremdgruppe einem Kontakt nicht im Weg steht oder durch die genannten Mechanismen überwun-den wird, kann vermehrter Kontakt zu einer emotionalen Bindung führen und dies re-sultiert in einem positiveren Bild der Fremdgruppe. Schließlich ist eine Neubewertung der Eigengruppe von Belang (4). Durch den Kontakt zur Fremdgruppe und auch durch die Öffnung der Eigengruppe werden Informationen über die jeweils andere Gruppe erlangt. Eine Erweiterung der eigenen Ansichten folgt und führt im Optimalfall dazu, dass die Eigengruppe nicht mehr als die einzig zu akzeptierende Gruppe gewertet wird. Dies lässt Raum, andere Ideen zuzulassen und somit auch Vorurteile zu reduzieren bzw. die Einstellung zu ändern.

Pettigrew postuliert in seiner revidierten Version zum Intergruppenkontakt, 1998, einen Weg, mit dem Vorurteile in idealer Form abgebaut werden können. Dazu vereint er drei wichtige Theorien, die im Folgenden Beachtung finden. Zuerst (1) ist an dieser Stelle das Dekategorisierungsmodell von Brewer und Miller (1984) zu nennen. Um die Tendenz der wahrgenommenen Homogenität der Fremdgruppe zu durchbrechen, soll durch die Dekategorisierung eine Differenzierung der Fremdgruppe erreicht und die Personalisierung bestärkt werden. Es soll eine Verschiebung von der intergruppalen zur interpersonalen Ebene bewirkt werden, welche die Heterogenität der Outgroup betont. Diese veränderte Wahrnehmung des Fremdgruppenmitgliedes und damit die Übertragung auf die Fremdgruppe kann dann scheitern, wenn das Fremdgruppenmitglied als untypisches Beispiel für die Outgroup wahrgenommen wird.

Einen anderen Ansatz (2) verfolgten Gaertner und Dovidio (2000) mit dem Mo dell der gemeinsamen Eigengruppe respektive common ingroup identity model. Die Einstellung zur Fremdgruppe soll durch eine neue Deutung der Gruppengrenze, also eine Bildung einer gemeinsamen Eigengruppe geschehen. Im Gegensatz zur Dekategorisierung wird eine Rekategorisierung und Favorisierung der Fremdgruppe angestrebt, da sie nun Teil der eigenen Gruppe ist.

Im intergroup contact model bzw. Modell der wechselseitigen Differenzierung (3) nach Hewstone und Brown (1986) wird die Problematik der Theorie der gemeinsamen Eigengruppen aufgegriffen, die sich darin begründet, dass die Neustrukturierung von Gruppen nicht immer bewerkstelligt werden kann. Dies ist beispielsweise bei nicht so- zial formierten Gruppen oft der Fall, welche starr in ihrer Form und nicht anders struktu- riert werden können. So ist es hilfreich, die Situation beim Intergruppenkontakt in einer Form zu gestalten, dass die Mitglieder der Fremdgruppe als Repräsentanten angese- hen werden können und somit die Einstellung zum Fremdgruppenmitglied auf die Gruppe generalisiert werden kann.

Auch Allports Bedingungen werden in Pettigrews Modell integriert. Die situativen Faktoren, wie sie durch die in Allports Theorie genannten Bedingungen in der Kon- takthypothese zu finden sind, sind in der neueren Fassung der Theorie zum Intergrup- penkontakt (Pettigrew, 1998, S.77) als „essentielle und erleichternde situative Fakto- ren“ beinhaltet. Sie bilden die „Eingangssituation“ und gehen in den anfänglichen oder ersten Kontakt über. Auch Erfahrungen und Charakteristika haben Einfluss auf den ers- ten Kontakt. In diesem anfänglichen Kontakt findet das Dekategorisierungsmodell nach Brewer und Miller Anwendung. Im besten Fall sollen beim Intergruppenkontakt die Mit- glieder aus ihrer Gruppenzugehörigkeit gelöst werden, womit die Möglichkeit zur neu- en, unbefangenen Bewertung besteht. Der Ablauf des Gruppenkontakts in diesem Mo- dell ist nicht statisch und nur als Anhaltspunkt für Intergruppenkontakt zu sehen. Unter optimalen Bedingungen wird die erste Ängstlichkeit abgebaut und es kommt zu einem freundschaftlichen Kontakt, allerdings ohne Generalisierung auf die Bewertung oder Einstellung gegenüber der Outgroup.

2.4.2. Indirekter Intergruppenkontakt

Nach Mazziotta et al. (2011) ist der indirekte intergruppale Kontakt jede Art von Kontakt, die keine tatsächliche Interaktion der Gruppen untereinander beinhaltet. So lässt sich der indirekte Kontakt in drei, nicht scharf voneinander abzugrenzenden Arten unterteilen: imagined oder gedachter intergruppaler, vicarious oder nachempfundener und stellvertretender Kontakt. Crisp und Turner (2009) beschreiben imagined contact als mentale Simulation eines sozialen Kontaktes. Als Beispiel können an dieser Stelle Berichte durch Medien genannt werden, welche als Vorbild für ein gewünschtes oder bestimmtes Verhalten gegenüber der Fremdgruppe fungieren. Der vicarious oder nachempfundene intergruppale Kontakt ist nach Mazziotta et al. (2011) eine Form des indirekten Kontaktes, bei der eine Beobachtung eines erfolgreichen Kontaktes zwi- schen einem Eigen- und einem Fremdgruppenmitglied erfolgt und somit zum Abbau von Vorurteilen oder Aufbau des positiven Intergruppenkontaktes führt. Dabei ist er- sichtlich, dass eine starke Verbindung zu Banduras sozialkognitiver Lerntheorie (1986) besteht, bei welcher das Lernen am Modell im Vordergrund steht. Der extended contact oder stellvertretende Kontakt nach Wright, Aron, McLaughlin-Volpe und Ropp (1997) besagt, dass zum Aufbau positiver Intergruppeneinstellungen respektive zum Abbau von Vorurteilen die Kenntnis genügt, dass ein Eigengruppenmitglied eine Be- ziehung zu einem Fremdgruppenmitglied pflegt.

Bereits 1994 zeigte Pettigrew auf einem Meeting der „ Society of Experimental Social Psychology (SESP)“, dass Freundschaften einen positiven Wandel in Einstel- lungen bewirken können. Dies bewegte Aron und Wright dazu, den Einfluss der Freundschaft weiter zu untersuchen (Wright, Aron & Brody, 2008). Wright et al. sahen in den vorangegangenen Theorien zum Intergruppenkontakt Problematiken, die sie durch ihr Modell des stellvertretenden Kontaktes zu lösen versuchten. Beim Vorur- teilsabbau kann es zum sogenannten Subtyping kommen. Dabei können Fremdgrup- penmitglieder, die die geltende Einstellung oder Erwartung zur Fremdgruppe nicht be- stätigen, als ‚Ausnahme von der Regel‘ betrachtet werden, und folglich scheitert eine positive Veränderung bezüglich der Einstellung zur gesamten Fremdgruppe (Richards & Hewstone, 2001). Demnach sollte nach Wright et al. Kontakt dermaßen gestaltet sein, dass interpersonale Nähe erzeugt wird, im Sinne der unten ausgeführten Inkludie- rung des anderen in das Selbst (Including Other in the Self, IOS), und die Mitglieder der Fremdgruppe als repräsentativ gesehen werden. Jedoch zeigt sich an dieser Stelle die größte Hürde des Intergruppenkontaktes, dass die Salienz der Gruppenmitglied- schaft Ängstlichkeit und Bedrohung beim Beobachter auslösen kann (Blascovich, Men- des, Hunter, Lickel & Kowai-Bell, 2001). Wright et al. belegten ihre Theorie 1997 an- hand von vier Untersuchungen und drei unterschiedlichen Designs, die im Anschluss an die Darstellung der postulierten Mechanismen beschrieben werden.

1. Das positive Eigengruppenbeispiel wird in drei Aspekte unterteilt und dadurch auch besser beschrieben und verständlich. Den ersten Aspekt bilden die Normen der Eigengruppe. Gemeint sind die Normen, die die Eigengruppe bezüglich des Verhaltens gegenüber Fremdgruppen pflegt. Diese Einflussnahme der Gruppen und ihren Normen unterliegt einem Prozess, dem des referent informational influence. Dieser Prozess wird mithilfe der sozialen Identitätstheorie beschrieben (Tajfel & Turner, 1979, 1986) und liefert eine Erklärung für den sozialen Einfluss und der Konformität von Gruppen. Demnach übernimmt das Individuum die Normen der Eigengruppe, da die Eigengruppe ein Gefühl der Zugehörigkeit hervorruft und die Normen relevant für das eigene Selbst sind. Als Repräsentant dieser genannten Normen kann das beobachtete Eigengrup- penmitglied fungieren. Dabei wird das Eigengruppenmitglied als austauschbar mit dem Selbst erlebt (Wright et al., 1997) und das ausgeübte Verhalten kann in die eigenen Normen respektive Verhaltensregeln gegenüber Fremdgruppenmitgliedern übernom- men werden. Zudem verweisen Wright et al. auf Schopler et al. (1993). Nach dem dort postulierten Diskontinuitätseffekt können die meist konkurrierend verlaufenden inter- gruppalen Interaktionen überwunden werden, wenn der motivationale und normative Druck in der Gruppe unterschiedlich ausgeprägt ist. Die dadurch erzeugte Ambivalenz, aber auch die Empfänglichkeit für sozialen Einfluss legt die Grundlage dafür, dass das kooperative Verhalten eines einzigen Gruppenmitgliedes, bezüglich der Fremdgruppe, die Möglichkeit auf vermehrtes kooperatives Verhalten der Gruppe mit sich bringen kann. Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Ä ngstlichkeitsreduktion respektive inter- gruppale Ängstlichkeit (Stephan & Stephan, 1985). Dabei kann die Ängstlichkeit ge- genüber dem Intergruppenkontakt durch die Beobachtung eines positiven Kontaktes zu einem Fremdgruppenmitglied reduziert werden. Die letzte Komponente des positiven Eigengruppenbeispiels besteht in der Reduktion der Ignoranz. Die Kommunikation mit dem Mitglied der Gruppe, das eine Beziehung zum Fremdgruppenmitglied pflegt, kann zum Abbau von Missverständnissen und anders wahrgenommenen Eigenschaften der Fremdgruppe führen.
2. Ein positiv wahrgenommenes Fremdgruppenmitglied und damit ein ‚Positiv- beispiel‘ gehört auch zu den postulierten Mechanismen, durch die eine positivere Ein- stellung zur Fremdgruppe geschaffen werden kann. Die Beziehung zwischen Eigen- und Fremdgruppenmitglied kann Informationen darüber bereitstellen, wie intergruppale Kontakte respektive Beziehungen verlaufen können. Bei einer wahrgenommenen en- geren Beziehung kann zudem geschlussfolgert werden, wie die Einstellung der Fremd- gruppe gegenüber der Eigengruppe respektive die Fremdgruppennormen gestellt sind. Daraus lässt sich im positiven Fall schlussfolgern, dass die Fremdgruppe eine positive Einstellung zur Eigengruppe hat und an einem harmonischen Verhältnis interessiert ist. Dies kann den zukünftigen Kontakt erleichtern.
3. Den anderen in das eigene Selbst inkludieren (IOS), verdeutlicht in Abbil- dung 1, beschreibt den Umstand, dass die Nähe zum Eigengruppenmitglied darin münden kann, dass dieses als Teil des Selbst gesehen wird. Dies behält auch in der Beziehung zwischen Eigen- und Fremdgruppenmitglieder Gültigkeit. Dabei stützen sich Wright et al. (1997) auf die Erkenntnisse von Aaron und Aron (1996). Da die Freund- schaft zwischen Eigen- und Fremdgruppenmitglied auch eine Überlappung respektive Inklusion in das Selbst beinhaltet, kann das Fremdgruppenmitglied auch in das Selbst des Beobachtenden, nicht direkt befreundeten Mitglieds inkludiert werden. Jedoch schränken Wright et al. ihre Theorie soweit ein, dass sie betonen, dass die Generalisie- rung auf die Fremdgruppe erschwert werden kann, wenn das Fremdgruppenmitglied als Ausnahme gesehen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Transitiver Inklusionsprozess. Anmerkung: Pfeile repräsentieren das Inkludieren des anderen in das Selbst. Pfeil 5 (rot) stellt die Inklusion der Fremdgruppe in das Selbst dar. Der grüne Pfeil verdeutlicht die positiven Einstellungen, die durch das IOS bewirkt werden sollen. Eigene Darstellung in Anlehnung an Wright, Aron und Brody (2008, S.151).

Das Ziel ihrer Untersuchungen (Wright et al., 1997) war die Bestätigung der Me- chanismen des stellvertretenden Kontaktes und wie sich diese und die Typighaftigkeit, typicality ‘, auf den Abbau von Vorurteilen auswirken. In ihrer ersten Untersuchung wa- ren die Versuchspersonen Mitglieder der vorherrschenden Majorität, deren Einstellun- gen zur Minorität mittels Fragebogen ermittelt werden sollten. Es stellte sich heraus, dass die Versuchspersonen, die eine Freundschaft zwischen einem Fremd- und Ei- gengruppenmitglied wahrnahmen, weniger Vorurteile gegenüber der Fremdgruppe zeigten. Zudem beeinflusste die Anzahl derer, die eine Freundschaft zu einem Fremd- gruppenmitglied pflegten, positiv die Vorurteile gegenüber der Fremdgruppe. Auch die wahrgenommene Überlappung zwischen dem Selbst- und Fremdgruppenmitglied zeig- te einen Einfluss auf die Vorurteile. Je größer die Überlappung, desto geringer ausge- prägt waren die Vorurteile.

In der zweiten Untersuchung wurden mittels Kreuzvalidierung die Annahmen der ersten Untersuchung bestätigt. Ein anderer Ansatz fand in der dritten Untersuchung Anwendung. In dieser Laborstudie wurde ein Intergruppenkonflikt konstruiert. Zu einem späteren Zeitpunkt sollten die Teilnehmer der konkurrierenden Gruppen zusammen an einer anderen Studie teilnehmen.

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Details

Title
Intergruppale Einstellungen. Welchen Einfluss hat stellvertretender Kontakt?
College
University of Hagen
Grade
1,0
Author
Year
2013
Pages
66
Catalog Number
V264629
ISBN (eBook)
9783656539278
ISBN (Book)
9783656584216
File size
740 KB
Language
German
Keywords
effekte, kontakt, einstellungen, review, forschungsliteratur
Quote paper
Lily Bülter (Author), 2013, Intergruppale Einstellungen. Welchen Einfluss hat stellvertretender Kontakt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264629

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