Vennemann verzeichnet in seiner diastratischen Untersuchung von Einflüssen anderer Sprachen auf den Deutschen Sprachstamm zunächst ganz allgemein gefasst, die Beeinflussung durch die italischen (lateinischen, romanischen) kulturellen Superstrate auf das Germanische bei der Herausbildung des Deutschen (Vennemann 2000:262). Als ,,Superstrateinflüsse" bezeichnet Vennemann diejenigen Spracheinflüsse, die ,,von oben" kommen, also von Bevölkerungsschichten, die durch ihre gesellschaftliche Position einflussreich waren, wie zum Beispiel Eroberer (vgl. Vennemann 2000:238).
Von einem Einfluss des Französischen als romanischer Tochtersprache des Lateins auf das Deutsche kann jedoch erst in mittelhochdeutscher Zeit gesprochen werden, denn die romanischen Sprachen Französisch oder Italienisch selbst haben sich erst etwa seit dem 9.-10. Jahrhundert herausgebildet, so Öhmann (1974:323). Historisch gesehen kam es erst 843 mit dem Vertrag von Verdun in der Nachfolge Karls des Großen zu einer Teilung des Reiches und zur Entstehung der (König-)Reiche Frankreich und Deutschland.
Bei der Betrachtung des Worteinflusses auf das Mittelhochdeutsche ist erwähnenswert, dass sich das Französische aufgrund der europäischen Bevölkerungsdynamik zunächst auch in den Niederlanden ausbreitete, und dieses also dann teilweise über diesen Umweg entlehnt wurde (vgl. z.B. Öhmann 1974:327). So kann man teilweise in den mittelhochdeutschen Lehnwörtern aus dem Französischen noch Spuren der niederländischen Lautentwicklung finden, wie zum Beispiel bei afrz. eschac > mndl. schaec > mhd. schach, weil dem auslautenden mittelniederländischen c im Mittelhochdeutschen das ch entsprach (vgl. Öhmann 1974:337).
Valeria May
Der französische Einfluss auf den höfischen deutschen Wortschatz
0. Einleitung: Weddiges Definition des Begriffs „Lehnwort“
Weddige definiert das „Lehnwort“ allgemein als Kategorie einer Übernahme eines Wortes aus dem Lateinischen oder aus einer anderen Fremdsprache in die Volkssprache, neben den Bezeichnungen „Fremdwort“ und „Lehnprägung“ (Weddige 2003:90). Dabei bilden die Eigenschaften des Begriffs „Lehnwort“ (phonetische, graphemische und morphologische Kategorien der Sprachwissenschaft oder nach Weddige: „Lautung, Schreibung und Flexion“) Unterpunkte der Kategorie „Lehnwort“. Die Definition weist dabei jedoch einige Unzulänglichkeiten auf: Durch das Zusammenfallen der Eigenschaften „Lautung“ und „Schreibung“ ist unklar, wo zum Beispiel das „sprachvermischende“ Verfahren, nämlich die Schaffung einer neuen Lateinaussprache bei konstanter Graphemik unter Karl dem Großen in Frankreich einzuordnen wäre (vgl. Lüdtke 1998:870), bei dem es sich ja auch um „Neubildungen“ durch Sprachkontakt im weitesten Sinne handelt. Innerhalb der Definition von Weddige scheint des Weiteren die Aussage „[Ein Wort ist Lehnwort, wenn es sich] soweit assimiliert hat, dass es als heimisch gewordenes Wort angesehen wird.“ (Weddige 2003:90) insofern problematisch, als dass dieses Kriterium auf subjektivem Ermessen zu beruhen scheint, denn die Qualifikation „heimisch“ variiert nach der Betrachtung bestimmter Zeitpunkte, zu denen man den Wortschatz betrachtet, und außerdem nach der Betrachtung bestimmter Sprachgemeinschaften in einem bestimmten Sprachraum. Berücksichtigt werden soll deshalb in diesem Essay der historische und geographische Kontext der Entlehnung in Kapitel 1: Die diastratische, diatopische, diachronische Sprachbeeinflussung soll genauer eingegrenzt werden. In Kapitel 2 soll beleuchtet werden, in welcher Hinsicht die sprachwissenschaftlichen Kategorien Lexik und Morphologie (Suffixe) bei dem Einfluss des Französischen betroffen sind.
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- Arbeit zitieren
- Valeria May (Autor:in), 2007, Der französische Einfluss auf den höfischen deutschen Wortschatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264636