Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Quellenkritik
3. Der Konstanzer Vertrag
3.1. Historische Einordnung und Inhalt des Vertrags
3.2. Problematik des Konstanzer Vertrags
3.2.1. Originalfassung
3.2.2. Der Konstanzer Vertrag als Einschränkung des Handlungsspielraums Friedrichs?
3.2.3. Die Erneuerung des Konstanzer Vertrags: eine Korrektur der alten Fehler?.
3.3. Ursachen des Italienzuges und Bedeutung des Vertrags
3.4. Nutzung der Spielräume des Vertrags und Scheitern des Italienzuges
4. Geldforderung und Krönung - pracht- und ehrenvolle Darstellung, aber nüchterne Realität
5. Spannungen zwischen Papst und König/Kaiser
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Mit dem Namen Friedrich Barbarossa verbindet man immer noch eine hohe Autorität und durchschlagende imperialistische Politik; der Kaiser steht im Verständnis vieler für große Eroberungen und Ausweitungen des Reiches. Jedoch verfolgte Barbarossa nicht von Anfang an eine Politik, die nur auf eben diesen Dingen beruhte. Insbesondere der erste Italienzug in der Anfangszeit seiner Herrscherperiode gilt in der heutigen Forschung als größtenteils gescheitert - in vielerlei Hinsicht - obwohl einige Erfolge nicht von der Hand zu weisen sind.[1] Und auch die Gründe für einen Italienzug lagen nicht nur bei Friedrich I. selbst, wie im folgenden noch erläutert werden wird. Gerade weil er in der Forschung ein großes Interesse weckt und in vielerlei Hinsicht nicht eindeutig rekonstruiert oder gedeutet wird und werden kann, liegt hier der Fokus auf dem ersten Italienzug. Es wird deutlich werden, dass Barbarossa zwar im Nachhinein ein angesehener Kaiser war, seine Politik, vor allem anfangs, allerdings nicht immer so von Erfolg gekrönt war.
Im Folgenden soll geklärt werden, inwiefern der erste Italienzug Barbarossas erfolgreich war, an welcher Stelle und woran er eventuell scheiterte. Es stellen sich unter anderem die Fragen, ob der Konstanzer Vertrag als gut vorbereiteter Wegbereiter für den ersten Italienzug gesehen werden kann und ob dieser Vertrag - in seiner ersten Ausführung und in der erneuerten - beiden Parteien gleichermaßen nützte oder eher einseitig gefasst war. Daraus resultierend ist es notwendig, das Verhältnis des Königs und späteren Kaisers zu den jeweiligen Päpsten näher zu untersuchen. Die Gründe für den Abschluss des Konstanzer Vertrages mit Papst Eugen III. und für die Erneuerung des Vertrages mit Papst Hadrian IV. werden mit Hilfe dieser Informationen hoffentlich deutlicher. Die Möglichkeit eines Zweckbündnisses kann von Vornherein kaum ausgeschlossen werden. Der Vertrag bietet eine gute Grundlage für die Frage nach der Einstellung Friedrichs: Kann er als politisches Kalkül gesehen werden, um die Macht eventuell am Ende ganz für sich zu beanspruchen? Zudem wird untersucht, an welcher Stelle der Konstanzer Vertrag eingehalten oder gebrochen wurde. Auch hierfür sind die Gründe zu suchen. Die Brüche des Vertrags sind möglicherweise entweder eine Konsequenz des Italienzugs oder auch Grundlage für das Nichteinhalten.
2. Quellenkritik
Die Informationsgrundlage bieten die Quellen „Die Taten Friedrichs oder richtiger Chronika”
Otto von Freisings und Otto Morenas „Ottos Morena und seiner Fortsetzer Buch über die Taten Friedrichs”, welche auch für die Darlegung des ersten Italienzuges hinsichtlich der historischen Begebenheiten eine unabdingbare Rolle spielen.
Die große Problematik hinter den Quellen ist, dass sie durch eine große Einseitigkeit auffallen. Otto von Freising verwendet zwar urkundliche Quellen und Augenzeugenberichte, war aber aller Wahrscheinlichkeit nach selbst bei den allerwenigsten Ereignissen dabei.[2] Weiterhin wird die Einseitigkeit dadurch deutlich, dass er über die ersten Jahre Friedrichs nach seiner Königswahl kaum schreibt, das Jahr 1153, was hier besonders wichtig ist, wird nur flüchtig beschrieben[3] und der Konstanzer Vertrag wiederum wird gar nicht behandelt.[4] Was dies bedeutet, wird im nachfolgenden Kapitel noch deutlicher, allerdings ist über das Fehlen des Vertrags bereits jetzt zu sagen, dass dies in der Forschungsliteratur nicht unbeachtet geblieben ist. Weiterhin ist zu beachten, dass Otto von Freising die Gesta Frederici auf Geheiß des Kaisers schrieb, was es nicht verwunderlich erscheinen lässt, dass der Tatenbericht keinerlei Schwächen Barbarossas erkennen lässt. Die Schwierigkeit ist bei solcherlei Quellen, abgesehen von der offensichtlichen Übermittlung eines siegreichen und tapferen Kaisers und Feldherren, zu distanzieren. Da man nicht allzeit mit genauster Gewissheit sagen kann, was nun wirklich so passierte, wie es im Bericht steht, ergaben sich im Laufe der Zeit auch einige Debatten unter Historikern.[5]
Ein weiteres wichtiges Geschichtswerk ist mit Otto Morenas Tatenberichten vorhanden; zwar schreibt auch er einseitig, wieder ist beispielsweise vom Konstanzer Vertrag nicht die Rede. Er beschreibt dafür zwar das Jahr 1153 verhältnismäßig genau,[6] und auch die anderen Jahre sind genauestens beschrieben. Es muss allerdings bedacht werden, dass Otto Morena aus Lodi stammt, einer Stadt, die 1111 von Mailand erobert worden ist.[7] Somit hätte Otto Morena auch haltbare Gründe, Friedrich I. in einem guten Licht darzustellen. Dies tut er bereits beinah überschwänglich in der Einleitung seines Tatenberichts. Dort ist die Rede von „Taten [die] von [...] diesem sehr frommen, klugen und angenehmen Mann, mit Gottes gnädiger Barmherzigkeit [...] glücklich und weise verrichtet wurden”.[8] Friedrich wird im Laufe der Tatenberichte sehr oft mit Gerechtigkeit und Güte sowie Barmherzigkeit in Verbindung gebracht und nicht ein Wort der Kritik ist zu entdecken. Dass der Schreiber zu dem Kaiser eine gute Verbindung behalten will, liegt also sehr nahe.
3. Der Konstanzer Vertrag
3.1. Historische Einordnung und Inhalt des Vertrags
Der Konstanzer Vertrag wurde im Winter 1152 in seinem Inhalt verhandelt und im März 1153 zwischen Eugen III. und Friedrich I. besiegelt.[9] Er entstand im Zuge einer nach Rom geschickten Gesandtschaft, die dort die Probleme mit Rom, den Normannen und mit Byzanz klären und die Krönung vorbereiten sollten.[10] Das Verhältnis von Friedrich I. zu Papst Eugen III. sollte somit gestärkt werden, da Friedrich ohne päpstliche Hilfe den Thron bestiegen hatte und Eugen III. somit nicht zu Dank verpflichtet war.[11]
Der Inhalt dieses Vertrags teilt sich in zwei Hauptteile: Die Versprechungen des Papstes und die Versprechungen des Königs, welche beide in ihrer Anzahl ausgeglichen sind.[12] Der König versprach mit Unterschreibung des Vertrags, weder mit den Römern, noch mit Roger II. Frieden zu schließen, ohne dass es die Kurie erlaube. Zudem verpflichtete er sich, die Ehre des Papstes und die heiligen Regalien des Petrus zu verteidigen oder bei Abhandenkommen alles zu tun, um die Ehre wiederherzustellen bzw. die Regalien wiederzuerlangen. Außerdem machte er sich mit der Unterzeichnung zum Vogt der Kirche, wobei er zum Schutze verpflichtet ist.[13] Der Papst wiederum versprach, die „Ehre des Reiches” zu wahren und Friedrich I. zum Kaiser zu krönen und außerdem, auf Geheiß des Königs jene zu exkommunizieren, den der König als ernste Bedrohung ansehe und gebannt wünschte. Beide gingen die Verpflichtung ein, dem Kaiser von Byzanz keine territorialen Zugeständnisse zu machen und eine Invasion „pro viribus”, also ihren Möglichkeiten und Kräften nach, zu verhindern oder zu bekämpfen.[14]
Nach dem Tod Anastasius’ IV. und dem Ruhen des Vertrags während der Regierungszeit dieses Papstes hatte der neue Papst Hadrian IV. das Bedürfnis, den Vertrag wieder aufzunehmen.[15]
Die Änderungen, die hierbei vorgenommen wurden, belaufen sich auf folgende Dinge: Zunächst einmal erklärte sich Friedrich bereit, die Petrusregalien zu bewahren, allerdings nicht mehr, sie zu verteidigen. Die zweite und dritte Änderung betreffen jeweils auswärtige Mächte. Friedrich solle in Rom die päpstliche Stadtherrschaft wiederherstellen, und der Sohn des verstorbenen Roger II., Wilhelm I., wurde von beiden Seiten, sowohl Papst als auch König, als Thronräuber angesehen.[16]
3.2. Problematik des Konstanzer Vertrags 3.2.1. Originalfassung
Bedenkt man die nachfolgenden Ereignisse, welche der Konstanzer Vertrag festlegte, ist er einer der bedeutendsten Zeugnisse für den ersten Italienzug und somit die Politik Barbarossas. Aber gerade hier war und ist sich die Forschung uneins. Hinsichtlich der Bedeutung des Vertrags kann nicht immer eindeutig geklärt werden, für wen der Vertrag einen größeren Vorteil bedeutete. Dies ist jedoch für ein Gesamturteil über Barbarossas Italienzug und die politische Denkweise besonders wichtig. Fragen nach den Gründen des Konstanzer Vertrags so wie er auch abgeschlossen wurde, können durchaus somit ganz anders beantwortet werden, je nachdem, wie man die einzelnen Bestandteile auslegt. Beispiel hierfür ist die Debatte, in der es um die vermeintlichen Vor- und Nachteile derjeweiligen Vertragspartner geht. Zwar ist sich zumindest heutzutage der Großteil der Historiker einig, was die Parteilichkeit des Vertrags angeht, allerdings ist die Debatte durchaus interessant nachzuvollziehen:
Während Peter Rassow davon ausgeht, dass der Konstanzer Vertrag dem König Friedrich I. einen großen Vorteil verschafft habe - ausgehend von seiner Interpretation eines Nebensatzes im Vertrag (der Zustand in Rom solle wieder herhergestellt werden, wie er „vor hundert Jahren” gewesen sei)[17] - widerspricht Jürgen Petersohn dieser Version und legt dar, der Papst sei hier der eigentliche Nutznießer der Niederschrift.
Rassow argumentiert, dass zu Zeiten Heinrichs III., rund hundert Jahre zuvor, die Verhältnisse vom Kaiser zum jeweiligen Papst durchaus eine einseitige gewesen sei. Die formale Herrschaft sei zwar an den Papst gegangen, de facto allerdings war dieser selbst ein Diener des Kaisers, welcher ebenfalls ein Schutzherr Roms gewesen sei.[18] Zwar hat sich der König damit tatsächlich einen gewissen Handlungsspielraum offengehalten, allerdings trifft dies auch auf den Papst zu und zudem auf einige andere Aspekte. Es sieht doch so aus, als wenn Peter Rassow hier ein wenig zu einseitig argumentiert. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Papst wiederum den König als Schutzherren „verpflichtet” hat, spricht, nüchtern betrachtet, der Vertrag eher für den Papst denn für Friedrich.[19] Dies würde auf den zweiten Blick auch zunächst plausibel erscheinen. Immerhin hat die Kirche so den König auf ihrer Seite, der ihnen hilft, gegen die Normannen vorzugehen und ein Eindringen der Griechen zu verhindern. Außerdem wird so Rom, ein sehr attraktiver Faktor für die Kirche, wiedererlangt und von der Kirche beherrscht - zumindest teilweise, da man von Vornherein schlecht sagen konnte, inwiefern Friedrich I. seine Macht reduzieren oder teilen wollen würde.[20] Jedoch ist eine zu nüchterne Betrachtungsweise des Vertrags nicht besonders hilfreich. Es gibt noch andere Gründe, die für eine im Großen und Ganzen ausgewogene Einigung beider Seiten spricht, auf die ich im folgenden zum größten Teil noch eingehen werde.
3.2.2. Der Konstanzer Vertrag als Einschränkung des Handlungsspielraums Friedrichs?
Friedrich hat mit dem Vertrag vorerst sein Einverständnis deutlich gemacht, dass er formell nicht mehr über dem Papst stand, sondern höchstens auf Augenhöhe mit ihm regieren würde.
[...]
[1] Vgl. hierzu beispielsweise u.a. Houben, Hubert, Barbarossa und die Normannen. Traditionelle Züge und neue Perspektiven imperialer Süditalienpolitik, in: Haverkamp, Alfred (Hg.), Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40), Sigmaringen 1992, S. 112 wie auch Petersohn, Jürgen, Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit (Monumenta Germaniae Historica. Schriften 62), S. 161.
[2] Otto von Freising und Rahewin: Die Taten Friedrichs oder richtiger Chronica, hrsg. von Franz-Josef Schmale und übers. von Adolf Schmidt (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17), Darmstadt 1965, S. 16f.
Im Folgenden werde ich mich in den Fußnoten auf dieses Werk mit „Gesta Frederici” beziehen, wenn es um das Geschichtswerk Otto von Freisings an sich geht.
[3] Ebd., 17.
[4] Vgl. ebd., S. 17. Außerdem wird im weiteren Verlauf der eigentlichen Gesta Frederici in der Tat nichts über den Konstanzer Vertrag genannt. Petersohn greift diesen Aspekt auch noch einmal auf und erläutert die Unliebsamkeit des Konstanzer Vertrags in den Gesta Frederici, vgl. Petersohn, Kaisertum und Rom, 152.
[5] Vgl. Laudage, Johannes, Alexander III. und Friedrich Barbarossa (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, RegestaImperii 16), Kölnu.a. 1997, 65ff.
Auf ebendiese Passage wird im weiteren Verlaufe noch Bezug genommen, da es sich um einen durchaus wichtigen Aspekt handelt, der entscheidend für die Deutung des Konstanzer Vertrags ist; dies wiederum kann sich unter Umständen auch auf eine Interpretation des ersten Italienzuges bezüglich Erfolg und Misserfolg niederschlagen.
[6] Schmale, Franz-Josef, Italische Quellen über die Taten Kaiser Friedrichs I. in Italien und der Brief über den Kreuzzug Kaiser Friedrichs I., S. 37-43. Auch hier werde ich mich im Folgenden, wenn es sich um das Geschichtswerk an sich handelt, auf ebendieses mit „Otto Morena” beziehen; da aber wie bei den Gesta Frederici keine Bücher und Kapitel gegeben sind, gebe ich die Seitenzahlen der Edition von Schmale an.
[7] Ebd.,S. 35.
[8] Ebd.
[9] Rassow, Peter,, Honor Imperii. Die neue Politik Friedrich Barbarossas. 1152-1159. Durch den Text des Konstanzer Vertrages ergänzteNeuausgabe, Darmstadt 1961, S. 47.
[10] Ebd.
[11] Petersohn, KaisertumundRom, S. 131f.
[12] Vgl. Rassow, S. 48; Görich, Knut, Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 224; Petersohn, S. 140.
[13] Opll, Ferdinand, Friedrich Barbarossa, 4. Auflage, Darmstadt 2009, S. 45.
[14] Görich, Friedrich Barbarossa, S. 224.
[15] Laudage, Alexander III., S. 62.
[16] Ebd., S. 64.
[17] Rassow, Honor Imperii, S. 55.
[18] Ebd.
[19] Vgl. Laudage, Alexander III., 36f.: Hier geht auch er auf die Historikerdebatte ein und stellt Rassows Position der Heinz Zatscheks gegenüber, auf welchen ich nicht weiter eingehen werde; vgl. außerdem dazu auch u.a. Petersohn, Kaisertum und Rom, S. 146; Zeillinger, Kurt, Kaiseridee, Rom und Rompolitik bei Friedrich I. Barbarossa, in: Bullettino Dell’istituto Storico Italiano per il Medio Evo e Archivio Muratoriano 96, Rom 1990, S. 370.
[20] Der Fakt, dass bereits Henry Simonsfeld 1908 auf den Streit eingeht und es anklingt, dass dieser bereits vor dieser Zeit seinen Lauf genommen hatte (immerhin geht er auf mehrere Werke vor seinem ein), betont offensichtlich nur noch einmal, wie essentiell der Konstanzer Vertrag als ideengeschichtliche Quelle ist und vor allem, welch völlig unterschiedlichen Rückschlüsse man aus dieser ziehen kann. Dabei hat sich bereits damals abgezeichnet, dass der Großteil der Historiker eher der Deutung anhingen, der Vertrag sei ein (großer) Gewinn für den Papst gewesen. Allerdings scheint es im Hinblick auf die Aktionen, die Friedrich I. während des Italienzuges unternimmt, oftmals so, dass er sich bewusst in einer Grauzone bewegt hatte, er war sich also des Konstanzer Vertrages bewusst. Der Papst agierte ebenso - beizeiten - durchdacht. Am Ende war keiner der beiden Parteien ein Sieger was den Italienzug angeht und somit auch nicht hinsichtlich des Vertrags. Dies erklärt auch, wieso die heutige Sicht des Vertrags eher als ausgewogen mit Tendenz zu päpstlichen Vorteilen gilt. Vgl. Simonsfeld, Henry, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedrich I, in: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, 2. Auflage, Berlin 1967. Zu den Vermutungen, Friedrich könne sich nach Einnahme Roms noch besinnen auf die Herrschaft seinerseits, siehe auch Görich, Friedrich Barbarossa, S. 225.