Laelius 'Der Weise' und die Agrarreformen in der römischen Republik bis zur Zeit der Gracchen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

18 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Agargesetze und -regelungen in der Zeit vor Laelius und den Gracchen

3 Ciceros Laelius - Über die Freundschaft

4 Plutarchs Darstellung des Laelius
4.1 Ein Vergleich zu Ciceros Laelius - Über die Freundschaft
4.2 Eine Einordnung der Textstelle in das Gesamtwerk des Plutarch

5 Fazit und Ausblick

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Die Agrarreform der beiden Brüder Tiberius und Gaius Gracchus gehört zu den zen- tralen sozialen Ereignissen in der Geschichte der römischen Republik. Der Versuch, staatliches Ackerland, das von wohlhabenden Bürgern nur unzureichend versorgt wird, an besitzlose Bauern zu verteilen, ist nicht nur in der Zeit nach dem Dritten Punischen Krieg und der schlechten finanziellen Situation der Bauern und somit auch des gesamten Roms ein revolutionär genialer Gedanke und ökonomisch eine durch- weg klug durchdachte Idee, es ist auch in unserem modernen Verständnis von sozia- ler Gerechtigkeit ein beeindruckender Reformversuch. Entsprechend genossen die Gracchen sowohl in ihrer Zeit als auch in der modernen Geschichtsforschung eine große Popularität. Es ist jedoch falsch zu sagen, dass die Gracchen die Ersten seien, die den sozialen Missstand der Bauern zu beseitigen versuchten. In der Tat erwog bereits ein Jahrzehnt zuvor der Römer Laelius, eine solche Reform durchzuführen, gab sein Vorhaben jedoch aufgrund des Widerstandes im Senat früh auf, sodass die Quellen nur wenig über ihn berichten. Regelungen der Agrarwirtschaft in der Zeit vor den Gracchen, die Person des Laelius, der den Beinamen ÄDer Weise“ trug, das Rom, in dem er lebte und seine Pläne sowie sein mutmaßliches, frühes Scheitern sind Thema dieser Hausarbeit.

Die Wellen, die die Reform der Brüder schlug, und der märtyrerhafte Tod der beiden animierten viele Geschichtsschreiber, sich intensiv mit der Thematik zu befassen. So sind neben diversen Reden der Brüder, insbesondere von Gaius, viele Schriften über- liefert, die unmittelbar nach der Zeit der Gracchen über diese verfasst wurden und sowohl aus gracchenfreundlicher Sicht, wie etwa C. Licinius Macer in seinen Anna- les und Sallust in seiner Historiae, als auch aus gracchenfeindlicher Sicht, wie die Annales des Calpurnius Piso Frugi oder die Autobiographien von M. Aemilius Scaurus und von P. Rutilius Rufus, über diese Zeit berichten. Obwohl die beiden Historiographen Plutarch und Appian in den beiden Jahrhunderten nach Christus lebten und entsprechend viel Zeit zwischen ihnen und den Gracchen liegt, sind die beiden wichtigsten überlieferten Quellen das von Appian in griechischer Sprache verfasste Werk Die Bürgerkriege,1 das in fünf Büchern die innenpolitischen Konflik- te der römischen Republik seit den Gracchen behandelt und dementsprechend das erste Buch mit der Vorgeschichte und der Reform der Gracchen beginnt, und die Texte von Plutarch mit den Titeln Leben des Tiberius Gracchus und Leben des Gaius Gracchus.2 Der ebenfalls griechische Text von Plutarch über die Gracchen entstand im Kontext der von ihm verfassten, sogenannten Parallelbiographien, in denen er die Leben wichtiger römischer Persönlichkeiten den Leben vergleichbarer Griechen ge- genüberstellt. Dabei thematisiert er sowohl politisches Wirken als auch Privates der beiden Brüder im Vergleich zu zwei Königen Spartas: Agis und Kleomenes. Im Text über Tiberius Gracchus liefert Plutarch einen Kommentar zu Laelius‘ Agrarreform, einen Abschnitt, der in dieser Hausarbeit intensiv analysiert wird, da er die einzige konkrete Information ist, die wir über die politischen und sozialen Ambitionen des Laelius haben. Ciceros fiktive Dialoge Cato Maior - Über das Alter und Laelius - Über die Freundschaft3 beschäftigen sich zwar nicht mit der Politik der römischen Republik - sondern präsentieren philosophischen Inhalt - haben allerdings Laelius als zentrale Figur und geben einige Informationen über den historischen Politiker.

Die Agrarreform der Gracchen ist in der Forschung ein häufig diskutiertes und ana- lysiertes Thema und jedes Übersichtswerk, das sich mit dem antiken Rom beschäf- tigt, widmet zumindest ein Kapitel dem Schaffen der Brüder. Darüber hinaus finden sich mit den Monografien Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla von Linke und Von den Gracchen bis Sulla von Heftner zwei umfangreiche Werke, die einen Zeitraum beleuchten, der mit dem Wirken der Gracchen beginnt und für Rom einen eindeutigen innerpolitischen Umbruch bedeutet. Diese Einteilung des Zeitab- schnitts von den Gracchen bis zu Sulla wurde von den Historikern übernommen und bereits vom Geschichtsschreiber Appian in seinen Bürgerkriegen eingeführt. Des Weiteren haben sich die beiden Althistoriker Jochen Bleicken und Klaus Bringmann intensiv mit den Gracchen, insbesondere mit Tiberius Gracchus, beschäftigt und un- ter anderem mit ihren Aufsätzen Die Agrarreform des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit von Bringmann und Überlegungen zum Volkstribunat des Tiberius Sempronius Gracchus von Bleicken wichtige Arbeit geleistet. Nicht zuletzt muss im Zusammenhang mit den Gracchen auch der Althistoriker Theodor Mommsen ge- nannt werden, dessen Arbeit im 19. Jahrhundert für die Gracchenforschung und die Erforschung der römischen Geschichte insgesamt äußerst prägend war und das Jahr 133 v. Chr., in dem Tiberius als Volkstribun das Agrargesetz lex Sempronia agraria verabschiedete, als Epochenjahr der ÄRömischen Revolution“ eingebürgert hat.4 Es wäre falsch zu sagen, Laelius werde in der Forschung nicht beachtet. So wird auch er in der genannten Literatur über die Gracchen stets erwähnt, meistens allerdings nur in kurzer Form als eine Art marginaler Vorläufer beschrieben. Werke, die sich inten- siv mit seinem politischen Wirken auseinandersetzen, existieren nicht. Etwas aus- führlicher beschäftigen sich mit diesem Thema lediglich der britische Historiker All- an E. Astin in seiner Scipio Aemlilianus, in der er eine ganz eigene Sicht auf den Re- formversuch des Laelius zeigt und einige interessanten Thesen aufstellt, die in der deutschsprachigen Literatur vernachlässigt werden, und Okko Behrends in seinem Aufsatz Tiberius Gracchus und die Juristen seiner Zeit - die römische Jurisprudenz gegenüber der Staatskrise des Jahres 133 v. Chr.

Im Folgenden wird zunächst eine Übersicht gegeben über Regelungen in der Agar- wirtschaft vor der Zeit der Gracchen. Dabei wird auch die geringe Quellenlage um- rissen sowie mehrere, sich teilweise widersprechende Thesen und vorhandene Kont- roversen bezüglich der Quelleninterpretationen in der modernen Geschichtsfor- schung dargelegt und verglichen. Das zweite Kapitel der Arbeit widmet sich der Per- son des Laelius, wie sie aus den Quellen der Geschichtsschreiber hervorgeht. Dabei wird Ciceros Laelius - Über die Freundschaft beleuchtet und Charakterzüge und Ei- genarten der Hauptfigur, wie sie von Cicero dargestellt wird, werden festgehalten. Es folgt eine umfassende Interpretation des Textabschnitts über Laelius‘ Agrarreform- versuch aus Plutarchs Schrift über Tiberius Gracchus mit einem Vergleich zur Dar- stellung Ciceros. Anschließend wird Laelius zeitlich eingeordnet und geprüft, inwie- fern seine politische Laufbahn Auswirkungen hatte und ob nachzuweisen ist, dass er sich in seinen Bestrebungen auf die vorangegangenen Agrarreformen stützte.

2 Agargesetze und -regelungen in der Zeit vor Laelius und den Gracchen

Zwar ist sich die Forschung uneinig, inwiefern tatsächliche Vorentwürfe von Agrar- reformen zur Zeit der Gracchen bereits existierten und die Frage, ob solche Vorüber- legungen einen bedeutenden Einfluss auf das Schaffen der Brüder hatte - insbeson- dere auf das von Tiberius im Jahr 133 v. Chr. verabschiedete Gesetz namens lex Sempronia agraria - konnte bisher nicht geklärt werden, doch existieren eindeutige Überlieferungen, die Überlegungen zu Agrargesetzen ähnlichen Charakters Jahrhun- derte vor dem Leben von Laelius und den Gracchen attestieren.5 Das wohl erste Ge- setz, das ein Maximum von 500 iugera Staatsland für jeden römischen Bürger vor- sah, ist das sogenannte leges Liciniae Sextiae, über das heute nur wenig bekannt und noch viel weniger gesichert ist.6 Es soll in einer Zeit eingeführt worden sein, der eine Phase eskalierender Ständekämpfe vorausgegangen war und in der Rom versuchte, eine stabile politische Ordnung wiederherzustellen und darüber hinaus durch die le- ges Liciniae Sextiae eine wirtschaftliche und soziale Stabilität garantieren wollte.7 Das Gesetz bestand aus drei Teilen: Der erste Teil legte fest, dass an der Spitze der Republik zwei Konsuln zu stehen hatten, von denen einer plebejischer Herkunft sein musste. Die Begrenzung des Ackerlandes pro Person bildete den zweiten Abschnitt und der dritte beinhaltete einen Schuldenerlass, der einen Neuanfang erleichtern soll- te.8 Erwähnt wird das Gesetz sowohl von Plutarch als auch von Appian und Livius, doch nur durch Livius‘ ab urbe condita ist eine Datierung auf das Jahr 367 v. Chr. möglich,9 das Jahr, in dem Licinius und Sextius Volkstribune waren.10

Veh und Brodersen datieren in ihrer editierten Übersetzung der Bürgerkriege Appi- ans Aussagen über die Beschränkung von Staatsland, das der einzelne Bürger nutzen konnte, auf das Jahr 367, dem vermeintlichen Datum der leges Liciniae Sextiae.11

[...]


1 Dieser Hausarbeit liegt folgende Übersetzung zugrunde: Appian, Die Bürgerkriege, übers. und hrsg. von O. Veh und K. Brodersen, Stuttgart 1989.

2 Verwendet werden in dieser Hausarbeit die Übersetzungen von Konrat Ziegler: Plutarch, Gaius Gracchus, in: Konrat Ziegler (Hrsg.), Große Griechen und Römer 6, Zürich 1954, S. 260-283 und Plutarch, Tiberius Gracchus, in: Konrat Ziegler (Hrsg.), Große Griechen und Römer 6, Zürich 1954, S. 237-259.

3 In dieser Hausarbeit wird mit folgender Edition gearbeitet: Cicero, M. T., Cato der Ältere. Über das Alter. Laelius. Über die Freundschaft. Lateinisch-deutsch, hrsg. von M. Faltner, München 1988.

4 Vgl. Christ, K., Krise und Untergang der römischen Republik, Darmstadt 42000, S. 117. 5

5 Vgl. Linke, B., Die römische Republik von den Gracchen bis Sulla, Darmstadt ²2012, S. 25.

6 Vgl. Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, München 62004 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 2), S. 26.

7 Vgl. Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte. Von der Königszeit bis zum Übergang der Republik in den Prinzipat, Darmstadt ²1995, S. 36.

8 Vgl. ebd., S. 36-37.

9 Vgl. Liv. VI, 35.

10 Vgl. Broughton, R. S., The Magistrates of The Roman Republic I. 509 B.C. - 100 B.C., Ann Arbor 1968, S. 108-114.

11 Vgl. Appian, Die Bürgerkriege, übers. und hrsg. von O. Veh und K. Brodersen, Stuttgart 1989, S. 18.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Laelius 'Der Weise' und die Agrarreformen in der römischen Republik bis zur Zeit der Gracchen
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V264839
ISBN (eBook)
9783656540694
ISBN (Buch)
9783656542681
Dateigröße
677 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Laelius, Gracchen, Gracchus, Tiberius, Gaius, römische, Republik, Agrarreform, Ackergesetz, Weise, Cicero, Plutarch
Arbeit zitieren
Stefan Voßen (Autor:in), 2012, Laelius 'Der Weise' und die Agrarreformen in der römischen Republik bis zur Zeit der Gracchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264839

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