„Ich werd' den Kerl nicht los Walker!“ „Langsam! Und ruhig halten!“ „Hast du den Verstand verloren?“ … Das frag ich mich in diesem Moment auch. Ein gigantischer Sandsturm und ich, als Spieler des Captain Martin Walker, mit meinen Delta-Force-Kollegen Lugo und Adams mittendrin in einem Helikopter. Mein erstes Computerspiel seit mehreren Jahren und man hat nicht lange Zeit sich einzufinden. Ich feuere aus allen Rohren, um die feindlichen Helis abzuschütteln. Wieso oder warum spielt keine Rolle. Unmissverständlich wird mir von meinen Kameraden klargemacht, dass 'die anderen' uns nicht wohlgesinnt sind. Erst schießen, dann fragen...; das Motto scheint hier an der Tagesordnung. Es dauert allerdings nicht allzu lange und wir stürzen ab. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass dieser Selbstversuch eventuell doch keine besonders tolle Idee gewesen ist. Ich bin einfach nicht in Übung und der erste Absturz nach 30 Sekunden erweckt keine positiven Vorahnungen im Hinblick auf den restlichen Spielverlauf. Doch wie sich herausstellt, konnte dieser gar nicht verhindert werden. Das Spiel startet gewissermaßen noch einmal von vorne. Diesmal wesentlich ruhiger; man wird ins Spielgeschehen eingeführt, erfährt seine Mission und begibt sich in das Einsatzgebiet Dubai. Colonal Konrad sollte die Evakuierung der von Sandstürmen apokalyptischen Ausmaßes zerstörten Stadt vornehmen. Dieser Evakuierungsversuch ist allerdings katastrophal gescheitert.
„Ich werd' den Kerl nicht los Walker!“ „Langsam! Und ruhig halten!“ „Hast du den Verstand verloren?“[1] … Das frag ich mich in diesem Moment auch. Ein gigantischer Sandsturm und ich, als Spieler des Captain Martin Walker, mit meinen Delta-Force-Kollegen Lugo und Adams mittendrin in einem Helikopter. Mein erstes Computerspiel seit mehreren Jahren und man hat nicht lange Zeit sich einzufinden. Ich feuere aus allen Rohren, um die feindlichen Helis abzuschütteln. Wieso oder warum spielt keine Rolle. Unmissverständlich wird mir von meinen Kameraden klargemacht, dass 'die anderen' uns nicht wohlgesinnt sind. Erst schießen, dann fragen...; das Motto scheint hier an der Tagesordnung. Es dauert allerdings nicht allzu lange und wir stürzen ab. Mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass dieser Selbstversuch eventuell doch keine besonders tolle Idee gewesen ist. Ich bin einfach nicht in Übung und der erste Absturz nach 30 Sekunden erweckt keine positiven Vorahnungen im Hinblick auf den restlichen Spielverlauf. Doch wie sich herausstellt, konnte dieser gar nicht verhindert werden. Das Spiel startet gewissermaßen noch einmal von vorne. Diesmal wesentlich ruhiger; man wird ins Spielgeschehen eingeführt, erfährt seine Mission und begibt sich in das Einsatzgebiet Dubai. Colonal Konrad sollte die Evakuierung der von Sandstürmen apokalyptischen Ausmaßes zerstörten Stadt vornehmen. Dieser Evakuierungsversuch ist allerdings katastrophal gescheitert. Deshalb ist es nun Aufgabe des Spielers, das Verbleiben Konrads zu klären, sowie eventuell überlebende amerikanische Soldaten zu finden. Die Story, als auch der Name des besagten Colonals, erinnern stark an den kurzen Roman „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad, in welchem Conrad sein eigenes Kongo Abenteuer zur Zeit des britischen Kolonialismus verarbeitet: „[jenen] fassungslosen Ekel als Beobachter (und Mitwisser) [und] jene im Namen der Zivilisation unternommenen Gräueltaten“.[2] Dies ist auch kein Zufall, die Entwickler wollten ganz explizit Bezug auf diesen Roman nehmen, der nicht nur den Kolonialismus anprangert[3], sondern auch als „gleichnishafte Auseinandersetzung mit Grundfragen des modernen Daseins“[4] gelesen werden kann. Göske sieht in ihm eine „Entdeckungsreise ins Ungewisse der eigenen Existenz“.[5] Auch Spec Ops will den Spieler zum Nachdenken bringen. Er soll über sein eigenes Handeln reflektieren. Dieser Gedanke ist neu im Kriegsspielgenre und dies ist es auch, was mich aufmerksam werden ließ. Computerspiele dieser Machart genießen größtenteils keinen guten Ruf.[6] Gerade im Verlauf immer besser werdender Prozessoren und Grafikkarten waren die Neuerungen der letzten Jahre lediglich ein Anziehen der Gewaltspirale. Immer realistischer wurde das virtuelle Morden, mit dem Ergebnis, dass sich inzwischen sowohl Spieler, als auch Entwickler fragen, wohin das führt und vor allem, was für einen Zweck diese Gewaltdarstellung verfolgen soll.[7] Spec Ops geht nun einen neuen Weg; es versucht den Spieler mit einem „Ekelgefühl“[8] und einem schlechten Gewissen zurückzulassen.[9] Ein Spiel also, das den Namen Antikriegsspiel verdient. Weder Conrads Roman noch Spec Ops will eine moralische Einrichtung sein.[10] Conrad erzählt in eindringlichen Bildern und erreicht dadurch beim Leser eine nachdenkliche Grundstimmung, die sich im Verlauf des Romans immer weiter steigert. Nach eigenen Aussagen will Joseph Conrad den Leser „durch die Macht des geschriebenen Wortes (…) hören, (…) fühlen, (…) - dies vor allem - sehen (…) machen.“[11] Ziel ist es den Leser das Selbsterlebte nachempfinden zu lassen. Aber wie lässt sich etwas besser nachempfinden, als durch eigenes Erleben? Die Vorlage scheint wie gemacht für eine Verfilmung oder im zweiten Schritt gar ein digitales Spiel. Ersteres ist eindrucksvoll mit „Apokalypse Now“ geschehen.[12] Der Regisseur Francis Ford Coppola verlegte die Handlung in den Vietnam und baute sie aus. Das Grundprinzip blieb jedoch erhalten. Die Erzählerfigur begibt sich immer weiter in das Landesinnere auf der Suche nach einem gewissen Colonal Kurtz (in beiden Medien Verkörperung des scheinbar absolut Bösen). Je weiter er sich ihm nähert desto dunkler und grausamer wird die Umgebung gezeichnet, bis das „Herz der Finsternis“ (Roman) beziehungsweise der Ort des größtmöglichen Schreckens (Film) erreicht wird. Weder dem Roman, Bücher gelten auch im 21. Jahrhundert als Bildungsmedium Nummer eins, noch dem Film, die Zeit titelte bei Erscheinen: „Nach diesem Film dürfte es andere Kriegsfilme eigentlich nicht mehr geben“[13], wird man ihren Bildungscharakter absprechen können. Doch wie ist es mit der neuesten Adaption des Stoffes? Ein Computerspiel, das bildet? Kann ein Shooter den anspruchsvollen Vorlagen gerecht werden und beim Spieler Bildungsprozesse auslösen? Die Kriterien, die im Folgenden herangezogen werden, stammen von Fromme, Jörissen und Unger.[14] Für diese müssen Bildungsprozesse, ganz der humanistischen Theorie verpflichtet, „selbstinitiierte Prozesse“[15] sein, die zu einer „Reflexivierung und Dezentrierung“[16] eigener Ansichten führt. Dies gelingt durch Überschreitung des „Horizont[es] der alltäglichen Weltsichten“.[17] Auf diese selbstinitiierten und selbstreflexiven Prozesse soll sich bei der Bewertung des Bildungscharakters auch beschränkt werden, nur hier ist ein Vergleich mit einer literarischen Vorlage sinnvoll. Elemente wie die Steigerung kognitiver Fähigkeiten durch die Anpassung an die Logik und Struktur eines Spiels[18] werden außen vor gelassen. Ebenso werden Formen der Interaktion, sowie der gesamte Bereich des Multiplayerspiels keine Beachtung finden.
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[1] Die ersten drei gesprochen Sätze des Computerspiels Spec Ops: The Line. Originalzitate aus diesem Spiel werden im folgenden mit dem Anhang (Spec Ops) direkt im Fließtext kenntlich gemacht.
[2] Göske, 1991, S.154.
[3] Vgl. Conrad, 1991, S.11.
[4] Göske, 1991. S.156.
[5] Ebd.
[6] Fromme,2008, S.1.
[7] Vgl. Görig, 2012, S.22f.
[8] Lindemann,2012.
[9] Vgl. ebd.
[10] Vgl Göske, 1991, S.157.
[11] Ebd., S.158.
[12] „Was Coppola aus Conrads spätkolonialistischer Albtraumnovelle machte, das bleibt einem in Erinnerung wie ein Jimi-Hendrix-Gitarren-Solo. Der Film ist eine psychedelische Symphonie, und er ist auch wirklich eine knallharte Beschreibung dieses für eine ganze amerikanische Generation so zutiefst verheerenden Kriegs.“ (Dominik Graf, EPD Film). http://www.wunderlin- online.de/film/apocalypse%20now%20%281979%29.htm (31.08.2012)
[13] http://filmtipps.at/kritiken/Apocalypse_Now_Redux (02.09.12)
[14] Fromme, 2008, S.2 f.
[15] Ebd. S.2.
[16] Ebd.
[17] Ebd.
[18] Vgl. ebd., S.8 f.
- Quote paper
- Stefan Wunder (Author), 2012, Durch Ballern bilden!? Third-Person-Shooter „Spec Ops: The Line“ und die Vorlage „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/264890