Arbeitgeberreputation durch Word of mouth-Kommunikation in Online Social Networks.

Eine empirische Analyse motivationaler Einflussfaktoren.


Magisterarbeit, 2011

217 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Erkenntnisinteresse & Problemstellung
1.2 Zielsetzungen und Forschungsfragen der Arbeit
1.3 Gang der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen der Arbeitgeberreputation - Relevanz, Verständnis, Messung und Entstehung
2.1 Die Bedeutung der (Arbeitgeber-)Reputation für Wertschöpfung und Unternehmenskommunikation
2.2 Der Mangel an Fach- und Führungskräften als Herausforderung für Unternehmen
2.3 Definition von Arbeitgeberreputation
2.4 Abgrenzung zu den verwandten Konstrukten Image, Identität und Marke einschließlich Exkurs zur Arbeitgebermarke
2.5 Reputationsmanagement in der Unternehmenskommunikation
2.6 Dimensionen und Beurteilungskriterien der (Arbeitgeber-)Reputation
2.7 Messansätze der Gesamt- und Arbeitgeberreputation
2.8 Informations- bzw. Wahrnehmungsquellen bei der Reputationsentstehung

3 Arbeitgeberreputation und der Einfluss von Word of mouth-Kommunikation in Online Social Networks
3.1 Definition und Bedeutung von Word of mouth-Kommunikation
3.2 Theoretische Grundlagen von Word of mouth-Kommunikation: Netz- werkforschung und Meinungsführer
3.3 Determinanten der Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber
3.4 Steuerung und Messung von Word of mouth-Kommunikation
3.5 Online Social Networks als Plattform für Word of mouth-Kommunikation
3.5.1 Merkmale computervermittelter Kommunikation im Internet . .
3.5.2 Online-Kommunikation im Zeitalter von Web 2.0 und Social Software
3.5.3 Charakteristika von Online Social Networks
3.5.4 Typologisierung von Online Social Networks
3.5.5 Kritische Stimmen zu Online Social Networks
3.5.6 Konsequenzen für die WOM-Kommunikation über Arbeitgeber in Online Social Networks
3.6 Motive der Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber

4 Empirische Umsetzung - Motive der Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber in der e-fellows.net community
4.1 Definitionsphase
4.1.1 Beschreibung und Eignung der e-fellows.net-Plattform als Un- tersuchungsraum dieser Arbeit
4.1.2 Spezielle Rahmenbedingungen der Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber in der e-fellows.net community
4.1.3 Forschungsfragen & Hypothesen
4.2 Durchführungsphase
4.2.1 Methodenwahl
4.2.2 Operationalisierung der Forschungsfragen und Hypothesen .
4.2.3 Feldzugang und Stichprobenziehung
4.2.4 Pretest des Fragebogens
4.2.5 Durchführung der quantitativen Online-Befragung
4.3 Analysephase
4.3.1 Datenerfassung
4.3.2 Datenauswertung

5 Schlussbetrachtung: Diskussion, Fazit und Ausblick
5.1 Limitationen dieser Studie
5.2 Fazit und Schlussfolgerungen für die Unternehmenskommunikation

Literaturverzeichnis

A Online-Fragebogen

B Tabellen aus SPSS

Abbildungsverzeichnis

1 Kommunikations- und Wahrnehmungsquellen bei der Reputationsentstehung

2 Determinanten von Word of mouth-Kommunikation

3 Fachrichtungen bei e-fellows.net

4 Profilseite in der e-fellows.net community

5 Befragte nach Fachrichtungen

6 Nutzung der Funktionen in der e-fellows.net community

7 Initiative von WOM-Kommunikation über Arbeitgeber in der e-fellows.net community

8 Inhalte von positiver WOM-Kommunikation

9 Bewertete Arbeitgebermerkmale nach Valenz

10 Nutzung von Funktionen bei positiver WOM-Kommunikation

11 Histogramm für die Motiv-Variable „Ich möchte etwas Unterhaltsames erleben”

12 Rotierte Komponentenmatrix für positive WOM-Kommunikation mit den kombinierten Daten aus Recall und Simulation

13 Rotierte Komponentenmatrix für negative WOM-Kommunikation (kombi- nierte Daten aus Recall und Simulation)

14 Zusammenhang zwischen den Motiven für positive Word of mouth- Kommunikation und der Stellung im Netzwerk

15 Barrieren für WOM-Kommunikation (nach Mittelwerten)

16 Beurteilung der Barrieren für WOM-Kommunikation

Tabellenverzeichnis

1 Mögliche Taxonomie der Bewertungskriterien eines Arbeitgebers

2 Motive für WOM-Kommunikation und ihre Relevanz (in Anlehnung an Sundaram et al. 1998)

3 Überblick über mögliche Motive von positiver und negativer WOM- Kommunikation über Arbeitgeber in sozialen Online-Netzwerken

4 Beschreibung von WOM-Kanälen in der e-fellows.net community

5 Motive für WOM-Kommunikation: „Ich wollte(,)”

6 Übersicht über relevante Variablen

7 Stichprobe nach Geschlecht und Mitgliedsstatus

8 Stellung der Befragten im Netzwerk

9 Filterwege im Online-Fragebogen für positive (PWOM) und negative (NWOM) Word of mouth-Kommunikation

10 Identität von positiver und negativer WOM-Kommunikation

11 Faktoranalyse der Motive für positive WOM-Kommunikation über Arbeit- geber in der e-fellows.net community

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kapitel 1 Einführung

1.1 Erkenntnisinteresse & Problemstellung

Einen tadellosen Ruf zu pflegen und strategisch auszunutzen, erwies sich bereits zu Zeiten des Shu-Reiches während des chinesischen Krieges als ausgesprochen nützlich. Der Heerführer Chuko Liang war weit über die Stadtgrenzen hinaus für seine Gerissenheit bekannt. Eines Tages befand sich der gegnerische Sima Yi im Anmarsch auf die Stadt, sein Heer zählte rund 150 000 Soldaten. Chuko Liang hingegen blieben nur 100 Mann zur Verteidigung, woraufhin er jeden anwies sich zu verstecken und die Stadttore weit zu öffnen. Chuko Liang selbst positionierte sich gut sichtbar auf der Stadtmauer und spielte Laute. Die Stadt lag offen vor Sima Yi, es wäre ein Leichtes gewesen, sie einzunehmen. Das feindliche Heer vermutete einen tückischen Hinterhalt und kehrte so unverrichteter Dinge um (Mai 2009: 44).

Bereits zu Zeiten Chuko Liangs war es das Phänomen der Mundpropaganda (engl. Word of mouth-Kommunikation, abgekürzt WOM-Kommunikation), das den Ruf des Heerführers prägte und gleichzeitig vor gegnerischen Truppen schützte. Mehr als 1000 Jahre später haben sich heutzutage jedoch einige der Mechanismen gewandelt, die für die Entstehung von Reputation verantwortlich sind. Neben die traditionellen Kommunikationskanäle sind neue Interaktionsformen getreten. Dabei spielt das Internet als Informationsumschlagsplatz und Kommunikationsplattform eine maßgebliche Rolle. Insbesondere durch die Entwicklung des Web 2.0 ist es nunmehr jedem Anwender auf einfache Art und Weise möglich, sich öffentlich über Erfahrungen mit Unternehmen und ihren Leistungen auszutauschen.

Als typische Erscheinungsform des Web 2.0 haben in jüngster Zeit soziale Online- Netzwerke (engl. Online Social Networks) wie Facebook oder Xing an Größe, Anzahl und an Bedeutung für die alltägliche Interaktion und Meinungsbildung gewonnen. Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklung nicht ohne Wirkung für die Reputation von Unternehmen bleibt.

Nicht nur Heerführern, auch Unternehmen gereicht ein guter Ruf zum Vorteil. Die Reputation eines Unternehmens liefert Stakeholdern eine Beurteilungsgrundlage zur Abschätzung des Unternehmensbeitrags zum eigenen und zum Gemeinwohl (Helm 2007b: 1). Auf diese Weise beeinflusst sie Handlungsentscheidungen von Konsumenten, Investoren oder aktuellen wie potenziellen Mitarbeitern.

Da kompetente und motivierte Mitarbeiter1 eine in jedem Fall notwendige, mitunter sogar hinreichende Bedingung für den unternehmerischen Erfolg und Fortbestand sind, ist eine positive Arbeitgeberreputation zweifelsohne ein erstrebens- wertes Gut. Besonderes Gewicht erfährt diese Feststellung vor dem Hintergrund teilweise hoher Kosten der Personalgewinnung und einer Flexibilisierung des Arbeitslebens, in dem lebenslange Beschäftigungsverhältnisse immer seltener werden (Back et al. 2008: 125, 131). Da die bisherige Reputationsforschung zumeist auf der Ebene des Gesamtunternehmens verharrt, ist es erforderlich, das spezielle wie komplexe Konstrukt der Arbeitgeberreputation eingehender zu untersuchen, um ein besseres Verständnis seiner Merkmale, Prämissen und Wirkungen zu erhalten. Auf diesem Wege soll auch der Zusammenhang zwischen Reputation2 und Word of mouth-Kommunikation erschlossen werden.

Dabei wird das Stattfinden von WOM-Kommunikation wesentlich durch die Charakteristika des Internets begünstigt und zugleich bestimmt. Insbesondere soziale Online-Netzwerke bieten eine rege genutzte Infrastruktur für den Austausch von Meinungen über und Erfahrungen mit Unternehmen. Aus Rezipientensicht sind diese Kommunikationsinhalte charakterisiert durch eine hohe Glaubwürdigkeit und Authentizität, insbesondere weil in den Netzwerken häufig reale soziale Beziehungen widergespiegelt werden. Die Wirkung dieses Phänomens für die Reputation von Arbeitgebern bekräftigt die Notwendigkeit, Word of mouth-Kommunikation näher in Augenschein zu nehmen.

Daher hat es sich die vorliegende Arbeit zur Aufgabe gesetzt, neben der Darstellung der situativen Determinanten im Kontext des Web 2.0 auch die Voraussetzungen für WOM-Kommunikation auf der Ebene des Individuums zu erfassen. Der Fragestellung nach der Motivation soll gleichsam empirisch am Beispiel der e-fellows.net community nachgegangen werden, die als Karrierenetzwerk besonders leistungsfähige Studenten digital miteinander verbindet.

Ziel dieser Arbeit ist es, Word of mouth-Kommunikation in sozialen Online- Netzwerken in ihrer Beziehung zur Arbeitgeberreputation, in ihrer Entstehung und in ihren Erscheinungsformen zu beschreiben wie zu analysieren. Die Erkenntnisse können nicht nur dabei helfen, Prozesse der Konstitution von Arbeitgeberreputation kommunikationstheoretisch einzuordnen und dabei Zusammenhänge zu WOMKommunikation und sozialen Online-Netzwerken aufzudecken. Darüber hinaus sind sie möglicherweise in der Lage, Gestaltungsfaktoren und Handlungsempfehlungen für Unternehmen3 zu offenbaren, indem Prozesse der WOM-Kommunikation einer Planung, Steuerung und Kontrolle zugänglich gemacht werden, um damit positive Effekte für die Arbeitgeberreputation zu erzielen.

Die vorliegende Arbeit eröffnet damit ein bisher wenig erschlossenes wie inter- disziplinäres Forschungsfeld: Sie orientiert sich in erster Linie an kommunikations- wissenschaftlichen Befunden und ergänzt sie durch theoretische Grundlagen aus der Betriebswirtschaft bzw. Marketingwissenschaft. Jedoch werden auch Einsichten aus der Psychologie und Soziologie zur Rate gezogen, um die Ausführungen stärker zu fundieren.

1.2 Zielsetzungen und Forschungsfragen der Arbeit

Die vorliegende Abhandlung verfolgt zwei globale Forschungsziele:

1. Inwiefern beeinflusst Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber in sozialen Online-Netzwerken die Arbeitgeberreputation?
2. Welche Determinanten und insbesondere motivationalen Faktoren bedingen die Entstehung von Word of mouth-Kommunikation über Arbeitgeber in sozialen Online-Netzwerken?

Dabei geht es im ersten Teil der Forschungsfrage um die Relevanz von Word of mouth-Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken für die Arbeitgeberreputation insgesamt und im zweiten um relevante Einflussfaktoren, die zu bestimmten Erscheinungsformen der Word of mouth-Kommunikation führen. Beide Frage- stellungen sollen zunächst einer theoretischen Untersuchung unterzogen werden. Zur Unterfütterung der theoretischen Vorüberlegungen widmet sich der praktisch- empirische Teil der vorliegenden Arbeit dem zweiten Teil der übergreifenden Forschungsfrage.

1.3 Gang der Arbeit

Auf die Einführung in das Forschungsfeld und die Darlegung der zentralen Forschungsfragen folgt in Kapitel 2 zunächst eine ausführliche Herleitung der Bedeutung von Arbeitgeberreputation für die Wertschöpfung und die Unternehmens- kommunikation. Auf dieser Basis wird ein Begriffsverständniss von Arbeitgeber- reputation in Abgrenzung zu verwandten Konstrukten entwickelt. Schließlich wird auf ein mögliches Reputationsmanagement und in diesem Zusammenhang auf Dimensionen, Beurteilungskriterien und Messansätze der (Arbeitgeber-)Reputation eingegangen. Den Abschluss bildet ein Überblick über die Quellen der Reputations- entstehung, sodass WOM-Kommunikation eine klare Rolle zugewiesen bekommt.

Kapitel 3 nimmt sich der Definition und Bedeutung sowie den theoretischen Grundlagen von Word of mouth-Kommunikation an. Anschließend werden ihre Determinanten in einen theoretischen Bezugsrahmen eingearbeitet, bevor die Messung und Steuerung von WOM-Kommunikation thematisiert wird. Mit Blick auf die konstituierenden Rahmenbedingungen von Word of mouth-Kommunikation liegt ein Schwerpunkt dieser Arbeit auf sozialen Online-Netzwerken, die ausführlich und in Verbindung mit computervermittelter Kommunikation im Internet sowie Web 2.0 und Social Software charakterisiert werden. In diesem Zusammenhang erfolgt auch eine Typologisierung und kritische Reflexion von sozialen Online- Netzwerken. Zusammenfassend werden dann die Konsequenzen für Word of mouth- Kommunikation über Arbeitgeber skizziert. Nach der Erörterung dieser situativen Einflussfaktoren stehen die personellen Voraussetzungen für die Entstehung von Word of mouth-Kommunikation im Mittelpunkt der Betrachtung. In Vorbereitung der empirischen Umsetzung kristallisiert sich unterdessen ein hypothetisches Motivsystem für arbeitgeberbezogene Word of mouth-Kommunikation heraus.

Aus dieser Schilderung lassen sich im praktischen Teil der Arbeit ab Kapitel 4 Hypothesen zu Determinanten und insbesondere motivationalen Einflussfaktoren der arbeitgeberbezogenen Word of mouth-Kommunikation in der e-fellows.net community bilden. Dabei handelt es sich um ein exklusives Karrierenetzwerk, dessen Eignung für das Forschungsvorhaben umfassend diskutiert wird. Anschließend erfolgt die Operationalisierung und Prüfung der aufgestellten Hypothesen anhand einer quantitativen Online-Befragung.

Ein Fazit der Ergebnisse samt ihrer Diskussion und Implikationen für die Unternehmenspraxis in Kapitel 5 sowie ein Ausblick auf weitere Forschungsfelder runden die Arbeit ab.

Kapitel 2 Theoretische Grundlagen der Arbeitgeberreputation - Relevanz, Verständnis, Messung und Entstehung

2.1 Die Bedeutung der (Arbeitgeber-)Reputation für Wertschöpfung und Unternehmenskommunikation

In Ermangelung entsprechender Erkenntnisse zum Untersuchungsgegenstand Arbeitgeberreputation wird dieses spezielle Konstrukt in Anlehnung an bestehende wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Oberbegriff (Unternehmens-)Reputation bzw. Unternehmensruf erschlossen. In dieser Arbeit getroffene grundsätzliche Aussagen über die Unternehmensreputation können gleichsam für die Arbeitgeberreputation gelten, wobei das Verhältnis der Konzepte untereinander gesondert erörtert wird. Abgeleitet von der Kommunikation und ihrem Bezug zur unternehmerischen Wertschöpfung soll jedoch zunächst die Bedeutung und Wirkungsweise von Reputation im Allgemeinen und Arbeitgeberreputation im Speziellen aufgezeigt werden. Als Ausgangspunkt dient dabei die Auffassung, dass eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes elementarer Auftrag der Unternehmensführung und dass dabei die Zuarbeit durch die Unternehmenskommunikation unabdingbar ist (Schuppener/Schuppener 2005: 193). Letztere bezeichnet „alle Kommunikationsprozesse, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird und die insbesondere zu internen und externen Handlungskoordination sowie Interessenklärung zwischen Unternehmen und ihren Bezugsgruppen (Stakeholdern) beitragen“ (Zerfaß 2007: 23). Daher ist Unternehmenskommunikation in ihrer Omnipräsenz kein Selbstzweck, sondern strategischer wie operativer Erfolgsund Wertschöpfungsfaktor. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit einen „Prozess der Planung, Organisation und Kontrolle von Kommunikationsaktivitäten“ (Zerfaß 2005: 538) zu implementieren, der mit dem Begriff des Kommunikationsmanagements Eingang in Wissenschaft und Praxis gefunden hat.

Wertschöpfung ist zu verzeichnen, wenn Individuen mit ihrem Handeln ökonomischen Wert für das Unternehmen erzeugen und vice versa, wenn unter- nehmerische Aktivitäten individuelles Wohlergehen beeinflussen (Schmid/Lyczek 2008: 96). In diesem Kontext führt Zerfaß in seiner betriebswirtschaftlichen Argumen- tation das Erfordernis der Kommunikation zurück auf ihren direkten und indirekten Beitrag zur Zielerreichung der Gesamtorganisation (Zerfaß 2007: 28). Kommunikation hat erstens direkten Anteil an der Wertschöpfung über den Aufbau intangibler (immaterieller) Vermögenswerte wie Reputation oder Marken (Zerfaß 2005: 533).1 So kann ein Zusammenhang zwischen der Reputation und einer überdurchschnitt- lichen Aktienkursentwicklung (Marktwert) ermittelt werden (Hautzinger 2009: 43; Schwaiger et al. 2009: 48). Immaterielle Werte sind nicht ohne weiteres imitierbar, weshalb sich mit ihnen Wettbewerbsvorteile realisieren lassen (ebd.; Seemann 2008: 29, Fombrun 1996: 10, Walker 2010: 357; Zimmer 2010: 2). Immaterielles Kapital verkörpert wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Erfolgspotenziale, auf deren Schaffung und Erhaltung sich wiederum strategisches Handeln richtet (Zerfaß 2005: 537). Als Vorsteuergrößen für den Erfolg bilden strategische Erfolgspotenziale die Grundlage für ein langfristig nutzbringendes Geschäftskonzept (Zerfaß 2007: 25). So verwundert es nicht, dass Riel/Fombrun (2007: 36) der Reputation als immateriellen Vermögenswert einen Spitzenplatz auf der Agenda der Unternehmenskommunikation zuweisen. Die direkte Wertschöpfungskraft von Image und Reputation lässt sich vor allem durch ihren Bezug zum Stakeholderverhalten erklären: Das Erreichen unternehmerischer Ziele wurzelt schließlich in der Interaktion mit internen und externen Stakeholdern, die sich in Form von Verträgen äußert (z.B. Arbeitsverträgen). „Unternehmenswert wird geschaffen durch die und in den Beziehungen eines Unternehmens mit seinen Stakeholder-Gruppen“ (Schmid/Lyczek 2008: 96), sodass dem Stakeholderverhalten eine erfolgskritische Bedeutung zukommt.2 Wie das Unternehmen als Akteur von seinen Stakeholdern wahrgenommen wird, ist dabei eine zentrale Verhaltensgrundlage (Schmid/Lyczek 2008: 84).

Image und Reputation als wahrnehmungsbezogene (perzeptive) Konstrukte determinieren folglich das Verhalten und Handeln von Menschen bzw. Stakeholdern in variablem Ausmaß, wobei situativer Kontext und Persönlichkeitsmerkmale moderierende Rollen innehaben (Mast 2002: 61; Buß 2007: 228; Schmid/Lyczek 2008: 84). Vor allem Buß (2007: 229ff.) konkretisiert die handlungsrelevante Funktion von Image und Reputation, denn aufgrund ihrer Orientierungs- und Steuerungsfunktion bewirken sie Aufmerksamkeit, Abgrenzung und Präferenzbildung, zudem schaffen sie Bindung und Vertrauen.3 Außerdem ordnen sie die kaum überschaubare Komplexität von Märkten, legitimieren Machtpositionen und reduzieren Unsicherheit, wenn man von zeitlich und kognitiv limitierten Ressourcen zur gewissenhaften Überprüfung täglicher Entscheidungen ausgeht (Mast 2002: 61; Eisenegger 2004: 30). Kurzum: Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht macht eine gute Reputation Entscheidungen zugunsten des betreffenden Unternehmens wahrscheinlicher (Zimmer 2010: 7). Jedoch handelt es sich hierbei nicht um eine zwangsläufige Ursache-Wirkungs-Beziehung, sondern lediglich um eine Korrelation zwischen Einstellung und Verhalten, die unter zusätzlichen Einflüssen steht (Vollmer 1993: 194). Individuelles Verhalten gegenüber einem Wahrnehmungsobjekt entsteht immer vor dem Hintergrund spezi- fischer Umstände, situativer Möglichkeiten und individueller Verhaltensdispositionen (Schmid/Lyczek 2008: 83f.).

Nicht nur aus Unternehmenssicht, auch aus der Perspektive des Stakeholders hat Reputation einen direkten Nutzen, weil sie Unsicherheiten über die Leistung des Unternehmens abbaut (Helm 2007b: 26). Reputation befreit vom Zwang der fortlaufenden Kontrolle des Reputationsträgers und „setzt dadurch Handlungs- kapazitäten frei“ (Eisenegger 2004: 191). Dieser Nutzenaspekt begründet sich im Verpflichtungscharakter der Reputation, denn ein Unternehmen ist gewissermaßen gezwungen, reputationsadäquat zu handeln, will es von dieser immateriellen Ressource zukünftig profitieren (Helm 2007b: 123; Buß 2007: 228, 240). Wird nämlich entgegengebrachtes Vertrauen enttäuscht und die Nachricht darüber verbreitet, kann dies Reputationseinbußen und Sanktionen nach sich ziehen (Helm 2007b: 48). Daraus folgt, dass Image und Reputation doppelseitig handlungssteuernd in Richtung Stakeholder und Unternehmen sind (Buß 2007: 228), sodass von einer Win-Win- Situation gesprochen werden kann. Daraus resultiert, dass Reputation fundamentale gesellschaftliche Funktionen erfüllt: Sie ist unabdingbar für die Funktionsfähigkeit von Märkten, Hierarchien und Wertesystemen und spielt eine wesentliche Rolle beim Prozess der Konstruktion sozialer Wirklichkeit (Eisenegger/Imhof 2008: 125; Zerfaß 2004: 396; Schmid/Lyczek 2008: 90).

Viele Autoren (Helm 2007b: 95ff.; Zimmer 2010: 5ff.; Kirstein 2009: 25; Riel/Fombrun 2007: 54; Walker 2010: 377) führen als eine weitere theoretische Fundierung für die Handlungsrelevanz von Reputation betriebswirtschaftliche Erkenntnisse der Informationsökonomik bzw. der neuen Institutenökonomik an.4 Bei asymmetrischer Informationsverteilung zwischen den Marktteilnehmern signalisiert Reputation zukünftige Verhaltensweisen und indiziert damit auch Merkmale, die ex ante nicht beobachtbar sind wie die Qualität von Dienstleistungen oder das Ausmaß hierarchisch geprägter Unternehmenskultur. „Nur wer glaubt, dass die Zerstörbarkeit einer vorhandenen Reputation den Anbieter zur absprachegerechten Leistungserfüllung bewegt, wagt zu vertrauen.“ (Helm 2007b: 51). Funktionierende Sanktionsmechanismen im Falle eines opportunistischen Verhaltens sind demzufolge Voraussetzung dafür, dass Reputation Aussagekraft besitzt. Hierbei gilt: Je mehr Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften5 im Mittelpunkt der Bewertung stehen, desto eher wird Reputation zum Entscheidungskriterium, weil sie die mit diesen Eigenschaften einhergehende Unsicherheit abbaut (Hautzinger 2009: 27; Walker 2010: 377; Zimmer 2010: 1; Helm 2007b: 50). Dies betrifft Kaufprozesse von Produkten und Dienstleistungen genauso wie die Arbeitgeberwahl, weil (im letzten Fall) spezifische Jobeigenschaften nicht direkt von außen festzustellen sind, sondern erst vollständig nach der Entscheidung für eine Position oder gar erst später während der Anstellung zutage treten (z.B. bei Karrierechancen). Für Bewerber um einen Arbeitsplatz oder für Neukunden ist die Reputation demzufolge relevanter als für langjährige Mitarbeiter oder für Stammkunden, bei denen schon eigene Erfahrungen mit dem Unternehmen bestehen (Helm 2007b: 49). Es lässt sich festhalten, dass die Arbeitgeberreputation im Kontext informationsökonomischer Erkenntnisse hohe Relevanz erfährt. Generell ist die Entscheidung für einen Arbeitgeber aufgrund des Vorliegens von insbesondere Erfahrungseigenschaften von hoher Unsicherheit geprägt - im Vorfeld sind kaum Einblicke in die Black Box möglich (Trost 2009: 15). Außerdem hat der Abschluss eines Arbeitsvertrags eine höhere Tragweite für die persönliche, soziale und ökonomische Lebenslage als ein Kaufvertrag (Bröckermann/Pepels 2002: 5) - Garantie oder Umtausch sind sozusagen ausgeschlossen. Daher sind Entscheidungen für Arbeitgeber stärker risikobehaftet, denn sie gehen mit einem höheren Verpflichtungsgrad einher (ebd.; Petkovic 2009: 82).

Informations- und Erfahrungsmangel kann dazu führen, dass bestimmte Arbeit- gebermerkmale (z.B. die Unternehmenskultur) im Grunde faktisch nicht beurteilt werden können. Trotzdem findet automatisch und oft unbewusst eine Bewertung statt, die ersatzweise auf Grundlage von teilweise hartnäckigen Branchen-, Länder- und Produktstereotypen (Simon et al. 1995: 109f.) oder auch einer generellen Unternehmenseinschätzung erfolgt. In diesem Kontext sind auch Produkte und Dienstleistungen für die Wahrnehmung eines Unternehmens in seiner Rolle als Arbeitgeber von Bedeutung. Dieses Phänomen der Abstrahlwirkung wird in der Psychologie, ausgehend von der Metapher eines Lichtkegels, als Halo-Effekt bezeichnet (Fombrun 1996: 3; Helm 2007b: 136; Simon et al. 1995: 108). Beispielsweise wird die Deutsche Bahn als Arbeitgeber danach beurteilt, wie pünktlich ihre Züge fahren (Trost 2009: 15), bei Unternehmen mit sehr teuren Produkten wird automatisch angenommen, sie zahlen bessere Gehälter. Dies kann zur Folge haben, dass ein Urteil über ein Unternehmen jeglicher Erfahrungsgrundlage entbehrt und die Realität sogar konterkariert. Grundsätzlich sind diese Einflüsse durch eine Organisation kaum kontrollierbar (Vollmer 1993: 191).

Im Sinne der direkten Wertschöpfung durch Kommunikation bzw. Reputation bemühen Riel/Fombrun (2007: 46) die Metapher eines Magneten, der die Anziehungskraft des Unternehmens erhöht. Angewandt auf die Stakeholdergruppe der aktuellen und potenziellen Arbeitnehmer untermauern diese Darlegungen die wertstiftende Rolle von Reputation und insbesondere Arbeitgeberreputation bei der Suche nach und der Bindung von geeigneten Mitarbeitern, ohne deren Unterstützung ein Unternehmen nicht wirtschaften könnte. So ist die Wirksamkeit einer attraktiven Image- bzw. Reputationsausprägung bei individuellen beruflichen Entscheidungen wie z.B. bei Bewerbungen empirisch nachgewiesen worden (Buß 2007: 238; Eisenegger 2009: 15; Schwaiger et al 2009: 41).

Zweitens schafft Kommunikation indirekt Werte, indem sie zur optimalen Ausschöpfung strategischer Erfolgspotenziale beiträgt (Zerfaß 2005: 537): Einerseits unterstützt sie als „enabling function“ die Leistungserstellung, z.B. über Mitarbeiter- motivation oder Kundenpräferenzen) (Zerfaß 2007: 28). Andererseits sichert und ge- gebenenfalls erweitert sie notwendige Handlungsspielräume, z.B. durch Lobbyismus und Krisenkommunikation (Zerfaß 2005: 533). Diese Effekte schlagen sich wiederum im wirtschaftlichen Erfolg auf operativer Ebene nieder. Entweder führen sie zu einem höheren Umsatz und/oder zu niedrigeren Kosten (Zerfaß 2007: 28) und resultieren somit in einer Verbesserung der Zielgrößen Liquidität und Rentabilität (ebd.: 25). Nun kann dieses Potenzial zum indirekten Vermögensaufbau mit den skizzierten Konsequenzen nicht nur der Kommunikation, sondern auch der Reputation zuge- schrieben werden. Eine positive Unternehmensreputation unterstützt die laufende Leistungserstellung beispielsweise durch eine höhere Mitarbeitermotivation, wenn sich die Belegschaft mit dem Unternehmen identifiziert und möglicherweise stolz darauf ist, für ein öffentlich hoch angesehenes Unternehmen zu arbeiten (Buß 2007: 238). Gleichermaßen bewahrt und erweitert der gute Ruf Handlungsspielräume, indem er zum Beispiel höhere Preise rechtfertigt, Verhandlungspositionen stärkt oder den Zugang zu Kapital- wie Lieferantenmärkten erleichtert. Er kann auch gegen Krisen immunisieren bzw. deren negative Konsequenzen abfedern (Riel/Fombrun 2007: 47; Buß 2007: 227ff.; Seemann 2008: 3; Hautzinger 2009: 43; Schwalbach 2004: 2). Folglich erhöht eine gute Reputation den Unternehmenswert, indem sie der operativen Leistungsfähigkeit und im Endeffekt dem wirtschaftlichen Erfolg zugute kommt (Zerfaß 2004: 396; Seemann 2008: 34).

Positive Korrelationen zwischen Reputation (bzw. Image) und Unternehmenserfolg wurden bereits hinreichend empirisch belegt (Buß 2007: 237; Seemann 2008: 32f; Walker 2010: 357). Reputation in ihrer Rolle als Vorlaufindikator bedeutet, dass sich ein guter Ruf positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt (Reputation Unternehmenserfolg). Im Verständnis von Reputation als Nachlaufindikator stellt Profitabilität des Unternehmens das Fundament von Reputation dar (Unternehmens- erfolg Reputation) (Helm 2007b: 78f.). Die Unklarheit der Kausalität ist typisch für die Erfolgsfaktorenforschung, denn ein komplexes Wirkungsgeflecht behindert die Isolierung einzelner Variablen ceteris paribus (Helm 2007b: 80). Demnach legen diese Erkenntnisse eine Interdependenz von Reputation und Unternehmenserfolg nahe: Beide Faktoren beeinflussen sich wechselseitig. Eine hohe Reputation wirkt sich in der Regel positiv auf die finanzielle Performanz aus, jene wiederum trägt zu einem vorteilhaften Ruf bei. In der Literatur wird die Existenz empirischer Belege für beide Kausalrichtungen dokumentiert (Seemann 2008: 33f.; Hautzinger 2009: 45f.; Meijer 2004: 21). Im Kontext einer positiven Arbeitgeberreputation bedeutet dies theoretisch, dass jene zugleich Ursache und Folge von erfolgreicher Beschaffung und Bindung geeigneten Personals ist. Arbeitgeberreputation steigert demzufolge die Bereitschaft von Stakeholdern zu vertraglichen Beziehungen, gleichzeitig wirkt sich gelungene Mitarbeiterbindung bei Zufriedenheit der Belegschaft vermutlich durch Multiplikatoreneffekte wiederum positiv auf die Arbeitgeberreputation aus. Gerade weil „die Anspruchsgruppen die strategischen Optionen der Unternehmung definieren“ (Karmasin 2007: 79), stehen Kommunikation und Reputation nicht nur in Verbindung mit der Position des Unternehmens am Markt, sondern auch mit seiner Integration in die Gesellschaft. Unternehmenskommunikation ist imstande, einem Unternehmen die „licence to operate“ zu sichern (Zerfaß 2007: 28). Diese gesellschaft- liche Legitimation unternehmerischer Ziele, die auch in der Reputation manifest wird (Eisenegger 2009: 15), sorgt wiederum vor allem durch politische und finanzielle Unterstützung für Handlungsspielräume (Zerfaß 2005: 536; Schmid/Lyczek 2008: 92). In einem Umfeld divergierender Interessen ist stakeholderseitige Akzeptanz des Unternehmens als legitim sowohl ethisch geboten als auch konstitutiv für die Wertschöpfung und daher ökonomisch zweckmäßig (Zerfaß 2004: 399; Karmasin 2007: 84; Buß 2007: 233). Somit offenbart sich neben der wirtschaftlichen auch eine moralische Dimension der Wertschöpfung durch Reputation (Zerfaß 2005: 536).

Damit geht einher, dass (Arbeitgeber-)Reputation alle drei Teilbereiche der Unternehmenskommunikation nach Zerfaß (2004: 287ff.) tangiert: Erstens Markt- kommunikation (aufgrund der reputationsgestützten Anbahnung und Aushandlung von Arbeitsverträgen auf dem Bewerbermarkt), zweitens interne Kommunikation (denn innerhalb des Unternehmens adressiert sie die eigenen Mitarbeiter als Arbeitnehmer) und drittens Public Relations (verstanden als gesellschaftspolitische Beziehungen, die unter anderem vom öffentlichen Bild des Unternehmens vom Umgang mit seinen Arbeitnehmern bestimmt werden, wenn z.B. diverse Mitarbeiter- Bespitzelungsskandale für Ächtung sorgen). Daraus folgt, dass die Stakeholder der Arbeitgeberreputation nicht nur aktuelle Mitarbeiter (interne Kommunikation) und potenzielle Arbeitskräfte sind (Marktkommunikation), sondern dass auch die informierte Gesellschaft gemäß der Freeman’schen Stakeholder-Definition (Freeman 1984: 52) zur Anspruchsgruppe werden kann.

Summa summarum lässt sich festhalten, dass Kommunikation und Reputation den Unternehmenszielen dienen und damit zur langfristigen wirtschaftlichen Leistungs- fähigkeit beitragen (Helm 2007b: 26; Seemann 2008: 83; Hautzinger 2009: 41; Zimmer 2010: 1). Beschrieben als wichtige Stellschraube im Wertschöpfungsprozess formt Reputation eine elementare Zielgröße der Unternehmenskommunikation (Zerfaß 2007: 21). Fombrun und Klewes/Wreschniok sprechen von „reputational capital“ (Fombrun 1996: 8; Riel/Fombrun 2007: 59; Klewes/Wreschniok 2009: 3; zum Kapitalcharakter der Reputation siehe auch Schmid/Lyczek 2008: 97). „Unter Reputationskapital im engeren Sinn ist dann der immaterielle Wert zu verstehen, der darin zum Ausdruck kommt, dass relevante Bezugsgruppen einem Unternehmen und seinen Führungskräften bestimmte Fähigkeiten und Glaubwürdigkeit zusprechen, die es diesen ganz konkret ermöglicht, kommunikativen Einfluss auszuüben.“ (Zerfaß 2004: 396f.). Auch in der Managementpraxis ist die Reputation in ihrer Bedeutung weitgehend anerkannt, allerdings geht sie noch unzureichend in unternehmensstrategische Überlegungen ein (Seemann 2008: 7), wie sich z.B. in kurzfristig und primär auf Börsenerfolg ausgelegten Handlungen zeigt.

Veränderte Wettbewerbs- und Rahmenbedingungen treiben einen Bedeutungszuwachs von Image und (Arbeitgeber-)Reputation aus Unternehmens- wie Stakeholdersicht voran. Zunächst verhilft Reputation zu Distinktion und Aufmerksamkeit, derer es angesichts einer ständigen Informationsüberflutung in der modernen Mediengesellschaft und globalisierten Welt unbedingt bedarf (Buß 2007: 230; Klewes/Wreschniok 2009: 1; Seemann 2008: 2; Argenti 2009: 95). Weiterhin vollzieht sich eine allgemeine Wertesensibilisierung in der Öffentlichkeit, „stärker in Richtung einer Integration von sozialen und moralischen Wertmaßstäben im unternehmerischen Entscheidungskontext“ (Buß 2007: 231), einhergehend mit verstärkter Medienbeobachtung und dadurch erhöhtem Reputationsrisiko (Eisenegger 2009: 11; Zerfaß 2004: 390). Bemerkenswerterweise wird oft erst im Krisenfall, wenn ein öffentlicher Schwund von Vertrauen und Glaubwürdigkeit die Existenz bedrohen kann, der (fragile) Wert von Reputation ersichtlich (Buß 2007: 233; Klewes/Wreschniok 2009: 2). Nicht zuletzt ist der Belang von Arbeitgeberreputation vor dem Hintergrund eines voraussichtlichen Mangels an qualifizierten Arbeitskräften als spürbar höher einzustufen als noch vor einigen Jahren. Dieser Problematik widmet sich das folgende Kapitel.

2.2 Der Mangel an Fach- und Führungskräften als Herausforderung für Unternehmen

Eine zentrale Rolle für die unternehmerische Leistung spielt langfristig gesehen das Humankapital (Simon et al. 1995: 9), weil es direkt oder indirekt weitere erfolgskritische Faktoren wie beispielsweise Know-how, Qualität von Produkten und Dienstleistungen sowie Innovationsfähigkeit bedingt (Sponheuer 2010: 6). Die Wett- bewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird ergo in hohem Maße dadurch bestimmt, inwieweit es gelingt, geeignete Mitarbeiter mit Kompetenz und tätigkeitsspezifischer Erfahrung zu gewinnen, an sich zu binden und gleichermaßen zu motivieren und zu entwickeln (Schmidt 2009: 1; Stotz/Wedel: 2009: 1; Petkovic 2008: 1; Simon et al. 1995: 9; Schumacher/Geschwill 2009: 13). In manchen Unternehmen wird immer noch verkannt, dass man - ähnlich wie auf dem Absatzmarkt um Kunden - auf dem

Arbeitsmarkt um qualifizierte Mitarbeiter mit anderen Firmen konkurriert (Simon et al. 1995: 11ff.; Holtbrügge 2010: 4). Eine Verschiebung der Machtverhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ist in Erwägung zu ziehen, weil besonders qualifizierte Bewerber zunehmend darüber entscheiden können, welches Angebot von welchem Arbeitgeber sie annehmen möchten (Trost 2009: 13).6 Ebenso Kirchgeorg/Günther (2006: 6) kommen nach Abwägung von Argumenten pro und contra zu dem Schluss, dass der von McKinsey proklamierte „War for Talent“ (Chambers et al. 1998: 44f.) sowohl für Großunternehmen als auch für Mittel- und Kleinbetriebe ein reales Problem birgt. So sehen sich laut einer branchenübergreifenden Studie der Personalberatung Hewitt Associates 71 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland mit einem Engpass an Talenten konfrontiert, vor allem fehle es an Fach- und Führungskräften (Schättle/Preihs 2010: 4). Schätzungen zufolge entgehen Deutschland durch das Fehlen von Fachkräften jährlich ca. 18,5 Mrd. Euro an Wertschöpfung (Koppel 2008: 66f.). Die These vom gespaltenen Arbeitsmarkt greift diese Mangelerscheinung im Rahmen kritischer Arbeitslosenzahlen in Deutschland auf. Einer Zahl von aktuell 2.629.180 Arbeitslosen in Deutschland (Stand: März 2011, allerdings unterliegen Monatswerte saisonal bedingten Schwankungen) (Bundesagentur für Arbeit 2011: 6) steht ein Defizit an Fach- und Führungskräften gegenüber, das überwiegend unausreichend ausgebildete Arbeitslose nicht zu beheben vermögen (Strutz 1993: 3; Bröckermann/Pepels 2002: 2).

Diese Entwicklung resultiert aus vielerlei Faktoren. Einerseits nimmt die Bedeutung des gut ausgebildeten Mitarbeiters als Differenzierungsfaktor im Wettbewerb in Anbetracht eines Strukturwandels zur Wissensökonomie und Dienstleistungs- gesellschaft signifikant zu (Stotz/Wedel 2009: 2; Schuhmacher/Geschwill 2009: 16). Eine Wissensgesellschaft wie Deutschland ohne natürliche Ressourcen und hohen Gehältern im globalen Vergleich ist auf kompetente Beschäftigte und überlege- nes Wissen angewiesen, weil nur so die Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden kann (Kirchgeorg/Günther 2006: 3, 6; Simon et al. 1995: 9; Bröckermann/Pepels 2002: 2). Neue und komplexe Aufgabenprofile in einer globalisierten Welt sowie kürzere Innovationszyklen stellen höhere Anforderungen an Umfang und Güte der Kompetenzen von Mitarbeitern (z.B. hinsichtlich Sprachkenntnissen) ebenso wie an ihre geistige und psychische Belastbarkeit (Strutz 1993: 6; Sponheuer 2010: 1). Daher lässt sich eine steigende Nachfrage für anspruchsvolle Tätigkeiten z.B. in Forschung und Entwicklung oder mit Führungsverantwortung verzeichnen (Sponheuer 2010: 8). Andererseits wird qualifiziertes Personal als wichtigster unternehmerischer Erfolgsfaktor insgesamt knapper (Stotz/Wedel 2009: V). Ursachen dafür sind der soziodemographische Wandel, der aus Bevölkerungsschwund und Überalterung trotz Zuwanderung resultiert, Versäumnisse im Bereich der Hochschul- und Weiterbildung sowie die internationale Abwanderung bei innen- und außengerichteter Flexibilisierung des Arbeitsmarktes (Kirchgeorg/Günther 2006: 1ff.; Stotz/Wedel 2009: 1; Petkovic 2008: 2; Schuhmacher/Geschwill 2009: 18; Sponheuer 2010: 10). Auch in anderen Ländern können Stellen für Hochqualifizierte nicht besetzt werden, sodass ein verstärkter internationaler Wettbewerb zu erwarten ist (Kirchgeorg/Günther 2006: 5; Schmidt 2009: 1). Ferner tragen nicht bedarfsgerechte Studien- und Berufswahl- entscheidungen ihr Übriges bei, wenn sie sich an illusorischen Vorstellungen und unhaltbaren Stereotypen orientieren anstatt an realen Chancen und Gegebenheiten (Strutz 1993: 4f.; Petkovic 2008: 2). Beispielsweise wird seit Jahren der mangelnde Frauenanteil in MINT-Berufen kritisiert, möglicherweise als Resultat eines starren ge- sellschaftlichen Rollenverständnisses. Jedoch sollte nicht nur der Gewinnung, sondern auch der Erhaltung leistungsfähiger Mitarbeiter Aufmerksamkeit geschenkt werden. Offenbar lässt sich gerade bei der jüngeren Generation ein schwächer ausgeprägtes Bindungsverhalten konstatieren, das primär von Kosten-Nutzen-Abwägungen und weniger von Verpflichtungsgefühl geleitet ist (Sponheuer 2010: 12; Grobe 2008: 124). Einige Autoren bemerken, dass sich der Stellenwert der Arbeit gerade bei jungen Menschen relativiert und zunehmend eine Balance zwischen Berufs- und Privatleben angestrebt wird (Strutz 1993: 2; Stritzke 2010: 7). Damit geht eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten einher sowie die Erwartung von größeren Entfaltungs- und Selbstbestimmungsfreiräumen innerhalb eines Unternehmens (Holtbrügge 2010: 4f.), denen beispielsweise mit Angeboten zur freien Arbeitszeiteinteilung schon jetzt stattgegeben wird.

Die skizzierte Bedeutung des Faktors Personal im Kontext aktueller Entwicklung verdeutlicht den unternehmensseitigen Handlungsbedarf. Zur zentralen Erfolgsgrundlage avanciert vor allem die Gewinnung sowie Bindung von Fach-, Führungsund hochqualifizierten Nachwuchskräften. Letztere werden auch als High Potentials7 bezeichnet. Eine positive Arbeitgeberreputation dürfte Unternehmen in diesem Wettbewerb zum Vorteil gereichen, weshalb im nächsten Kapitel zunächst ein grundlegendes Begriffsverständnis geschaffen werden soll.

2.3 Definition von Arbeitgeberreputation

Der folgende Abschnitt erfasst typische Merkmale der Reputation, die gleichermaßen Unternehmensreputation im Allgemeinen und Arbeitgeberreputation im Speziellen betreffen, überführt sie anschließend in eine Definition des Begriffs Arbeitgeberreputation und ermöglicht abschließend eine Abgrenzung zu den verwandten Konstrukten Identität, Image und Marke.

Im allgemeinen Sprachgebrauch auch unter den Synonymen Ruf oder Leumund anzutreffen, wird Reputation (lat. „reputatio“ für Ansehen, Erwägung) lexikalisch als Urteil der Allgemeinheit beschrieben (Langenscheidt 2000). Bedingt durch französische Spracheinflüsse kann Reputation positiv konnotiert sein im Sinne eines guten Rufes oder hohen Ansehens (Seemann 2008: 37). Dieser Sichtweise wird in dieser Arbeit jedoch nicht gefolgt, denn nach Ansicht der Autorin gibt es ebenso Unternehmen mit zweifelhaftem oder gar schlechtem Ruf. Reputation soll daher als wertneutral gelten, konform zur Darstellung durch Helm (2007b: 60), die mit dem Begriff der Valenz einen Bezugsrahmen für die dichotome Ausprägung der Reputation herstellt (siehe auch Walker 2010: 369).

Der Versuch, das theoretische Konstrukt Reputation (bzw. Corporate Reputation, wie in englischsprachigen Literaturquellen unter anderem dokumentiert durch Riel/Fombrun 2007: 38) zu definieren, ist mit einer bemerkenswerten Kakophonie an Ansätzen aus verschiedenen Disziplinen verbunden. In Anbetracht der gebotenen Kürze wird auf einen vollständigen Überblick über bestehende Definitionen des Begriffes (Unternehmens-)Reputation samt Diskussion verzichtet. Vielmehr sollen wesentliche Definitions- und Erklärungsbestandteile des komplexen Reputationskonstrukts extrahiert werden, die in der Literatur repetitiv anzutreffen sind und daher als konsensfähig auch für Arbeitgeberreputation gelten können. Die im Folgenden aufgeführten definitorischen Merkmale decken sich im Wesentlichen mit den Ergebnissen von Walker (2010: 357ff.), der von ursprünglich 1559 identifizierten englischsprachigen Artikeln zur Definition von Corporate Reputation die 55 am häufigsten zitierten Veröffentlichungen aus renommierten Zeitschriften analysierte und miteinander verglich.

Wie bereits angeklungen, wird Reputation (1) als perzeptives Konstrukt ver- standen, das seinen Trägern bestimmte Charakteristika und (In-)Kompetenzen zuschreibt (Helm 2007b: 26; Fombrun 1996: 59; Zimmer 2010: 2; Hautzinger 2009: 34; Walker 2010: 369; Meijer 2004: 19). Daraus ergeben sich mehrere Implikationen. Prozesse der Reputationskonstitution tragen sich zwangsläufig zu - unabhängig davon, ob erwünscht oder nicht -, insofern Akteure bzw. Unternehmen öffentlich handeln (Mast 2002: 59; Eisenegger 2004: 17). Am bedeutungsvollsten ist wohl die psychologische Erkenntnis, dass den schnellen und häufig automatisiert ablaufenden Wahrnehmungsprozessen (Bergler 2005: 327) stets eine Deutung inhärent ist, das heißt Perzeption bedeutet zwangsläufig Interpretation (Zimbardo/Gerrig 2004: 156f.). So verwundert es nicht, dass bei bestehenden Reputationsdefinitionen auffällig häufig der Bewertungsaspekt die Quintessenz bildet (Kirstein 2009: 30) - dieses Begriffsverständnis soll infolgedessen in der vorliegenden Arbeit Anwendung finden.8 Erklärenderweise ist hinzuzufügen, dass im Rahmen der sogenannten top-down-Verarbeitung Vorwissen und Erfahrungen sowie Erwartungen, Werte und Einstellungen des Individuums auf dessen Interpretation der rufrelevanten Wahrnehmungsinhalte einwirken (Zimbardo/Gerrig 2004: 193ff.). Das Individuum unterliegt hingegen wiederum sozialen Einflüssen (z.B. bei der Ausprägung von Werten oder Tabuisierung bestimmter Themen).

Reputation weist eine Nähe zum Einstellungskonstrukt auf (Mast 2002: 60; Kirstein 2009: 31; Zimmer 2010: 6, 70f.). In der Literatur besteht mehrheitlicher Konsens darüber, dass reputationsbezogene Werturteile in Analogie zur Einstellung wis- sensbasierter (kognitiver), gefühlsorientierter (affektiver) und handlungsbezogener (konativer) Natur sind (Kirstein 2009: 31ff.; Zimmer 2010: 6, 69f.; Schmid/Lyczek 2008: 83f.; Helm 2007b: 18; Greven 2008: 161). Sowohl die objektive Beschaffenheit als auch Emotionen und Stimmungen fließen in die Bewertung ein (Mast 2002: 60; Zimmer 2010: 70). Die konative Komponente beschreibt individuelle Verhaltensdispositionen wie z.B. Werte (Schmid/Lyczek 2008: 83), sodass erst das Zusammenspiel mit situa- tiven Faktoren das tatsächliche Verhalten gegenüber einer Unternehmung veranlasst (Simon et al. 1995: 107). Die konative Ebene äußert sich in Unterstützungspotenzialen, das heißt in (zukünftig relevanten) Handlungstendenzen und der Bereitschaft, mit dem Unternehmen zu interagieren und ihm Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Kirstein 2009: 40). Idealerweise kulminieren die Unterstützungspotenziale in einer Bewerbungsabsicht, dann einem Vertragsabschluss und schließlich in einer Weiterempfehlung und konstanter Mitarbeiter-Loyalität (Wiedmann et al. 2007: 333).

Im Zuge der Parallelität von Perzeption und Interpretation ist es unerlässlich zu erwähnen, dass subjektive Wahrnehmungsinhalte unabhängig von der Realität, von tatsächlichen Gegebenheiten, bestehen können (Helm 2007b: 26, 41; Buß 2007: 229): Objektive Tatsachen können verzerrt (Seemann 2008: 39; Bergler 2005: 326; Helm 2007b: 41) oder überhaupt nicht wahrgenommen werden. Der Wahrnehmung ist schließlich sowohl Typisierung bzw. Komplexitätsreduktion auf eingängige, subjektive Muster (Mast 2002: 59; Buß 2007: 229) als auch grundsätzliche Selektivität innerhalb einer Flut von Reizen zueigen (Zimbardo/Gerrig 2004: 169f.), auch der bereits beschriebene Halo-Effekt (siehe Seite 9) bewirkt, dass in die Beurteilung eines Unternehmens in seiner Rolle als Arbeitgeber neben reinen personalpolitischen Leistungen auch Produkte und Dienstleistungen einfließen. Aus diesem perzeptiven Verständnis von Reputation folgt, dass Reputation stets im Kontext eines Reputationsträgers bzw. Bezugsobjektes gesehen werden muss (Hautzinger 2009: 14; Seemann 2008: 40). Dabei kann es sich nach Ansicht von Helm (2007b: 43) um Personen, Personengruppen und durch Personen gebildete Organisationen handeln, jedoch nicht um Produkte oder Dienstleistungen. Nur Lebewesen sind eigenständig handlungsfähig und besitzen daher ein eigenes Bewusstsein für ihren Ruf, sodass sie ihr Verhalten dementsprechend ausrichten können (Helm 2007b: 43; Eisenegger 2004: 18; Hautzinger 2009: 30).

Betrachtet man die eingangs präsentierte lexikalische Bedeutung des Rufes als Urteil der Allgemeinheit, so findet sich darin nicht nur der eben dargestellte Aspekt der Bewertung wieder, sondern auch die Tatsache, dass Reputation (2) durch Kollektivität gekennzeichnet ist (Helm 2007b: 27; Hautzinger 2009: 15). Sie beruht auf der Aggregation von Einzelwahrnehmungen bzw. von subjektiven Werturteile aller internen und externen Stakeholder (Fombrun 1996: 37; Helm 2007: 27b; Walker 2010: 369; Zimmer 2010: 11; Kirstein 2009: 32; Gotsi/Wilson: 2001: 27f.). Folglich kann die Unternehmensreputation, die sich stets auf eine kollektive Ebene bezieht, von der subjektiven Einschätzung einer Unternehmung auf der Ebene des Individuums, dem Image, divergieren.9 Eine Mehrzahl der bestehenden Messansätze richtet sich nach der Auffassung von Reputation als Summe der Images sämtlicher Stakeholder, indem Einzelpersonen befragt und die Ergebnisse zu Rankings aggregiert werden (Helm 2007b: 27). Die Arbeitgeberreputation basiert demzufolge auf der Wahrnehmung sowohl durch aktuelle und potenzielle Arbeitnehmer als auch insgesamt durch alle involvierten Stakeholder, obwohl aus Unternehmenssicht de facto die erste Gruppe höhere Relevanz besitzt. Anzumerken ist, dass das Urteil der Allgemeinheit für das Individuum ohne Messung nicht erkennbar bzw. direkt erfahrbar ist, sondern geschätzt werden muss: Der Einzelne nähert sich durch „Umweltbeobachtung [...] diesem Imageaggregat lediglich an“ (Schmid/Lyczek 2008: 89f.), beispielsweise durch Medienberichterstattung oder Meinungsführer.10 Somit beschreibt Reputation die Wahrnehmung des Individuums bezüglich der Bewertungen Dritter, also wie man (gemeint sind andere, die Allgemeinheit, die Gesellschaft) einen Akteur beurteilt (ebd.) - und nicht, wie der Einzelne in Form des Images über ein Unternehmen denkt. Klärungsbedarf besteht allerdings dahingehend, „wie der Einzelne aus den rufrelevanten Informationen über die Unternehmung zu einer Perzeption von Reputation gelangt, welche Formen der kognitiven Algebra dahinter stehen [...]“ (Helm 2007b: 31). Aus den Ausführungen folgt, dass Fremderfahrungen maßgeblich an der Reputationskonstitution beteiligt sind, sodass Reputation das Resultat kommunikativer Vermittlungsprozesse ist (Eisenegger 2004: 17). Der Ruf entsteht auf der Basis von Aussagen, die kommunikativ diffundieren, in der Regel „über den Geltungsraum persönlicher Kontaktnetze hinaus“ (Eisenegger 2004: 16). Das bedeutet, dass sich Reputation als kommunikatives Produkt herausbildet, indem sowohl interpersonale Verbreitungsprozesse stattfinden als auch (massen-)mediale Verbreitungsprozesse an unbekannte Dritte.

Ferner ist Reputation in einen zeitlichen Kontext zu setzen: Aus dieser Perspektive wird sie oft beschrieben als (3) einerseits relativ stabil und dauerhaft (Walker 2010: 369), andererseits aber auch als dynamisch, da Veränderungsprozessen ausgesetzt (Schmid/Lyczek 2008: 90; Eisenegger 2004: 13; Schwalbach 2004: 6). Auf den ersten Blick erscheint dies widersprüchlich und erfordert Erklärungsbedarf: Reputation entsteht im Laufe der Zeit als Ergebnis eines langfristig konsistenten Unternehmensverhaltens (Helm 2007b: 40; Buß 2007: 229; Kirstein 2009: 32). Diesem Umstand liegt der Mechanismus der Erwartungsextrapolation zugrunde, der sich auf das Erzeugen zukünftiger Erwartungen auf Basis vergangener Erfahrungen bezieht, beispielsweise hervorgegangen aus direkten Interaktionen oder Medienberichten (Helm 2007b: 29, 31; zur Bedeutsamkeit der Vergangenheit bei der Rufkonstitution siehe auch Fombrun 1996: 72; Zimmer 2010: 4; Hautzinger 2009: 21).11 Der Zeitbedarf beim Reputationsaufbau lässt sich jedoch nicht nur mit der Deduktion von Verhaltenserwartungen aus vergangenen Erfahrungen begründen, sondern auch mit der Abhängigkeit der Reputation von Kommunikationsprozessen (Helm 2007b: 69). Aufgrund einer gewissen Trägheit bei der Herausbildung ist Reputation demzufolge relativ stabil (Walker 2010: 367, 370). Einen weiteren Beleg erbringt Mast (2002: 61), indem sie Images auf individueller Ebene die Neigung zuschreibt, sich zu verfestigen, was wiederum auf die Reputation abfärbt. Nichtsdestotrotz ist Reputation innerhalb eines permanenten Stroms von Eindrücken wandlungsfähig (Schmid/Lyczek 2008: 90). Dies gilt insbesondere für Krisensituationen: Reputation ist krisenanfällig und risikobehaftet, da sie von externen Bewertungen bestimmt wird (Zerfaß 2004: 397). Reputation kann innerhalb kürzester Zeit durch Gerüchte, negative Schlagzeilen bezugsgruppenübergreifend erodieren, wie im Falle des Fehlverhaltens von Managern (ebd.). Eine beschädigte Arbeitgeberreputation kann so die Interaktionsbereitschaft von aktuellen wie potenziellen Arbeitnehmern und auch von anderen Stakeholdern (z.B. Entscheidungsträgern in der Wirtschaft) reduzieren. Die empirische Untersuchung von Greven (2008: 157-173) lässt darauf schließen, dass sich eine Beschädigung der allgemeinen Unternehmensreputation in der Öffentlichkeit aufgrund einer Krise in Form eines Attraktivitätsverlustes als Arbeitgeber bei hoch qualifizierten Nachwuchskräften auswirkt. Im analysierten Beispiel eines international operierenden und sehr bekannten Unternehmens hat sich sowohl die Beurteilung von kognitiven als auch von affektiven Arbeitgeber-Imagekomponenten durch die Befragten infolge krisenbedingter negativer Medienberichterstattung signifikant verschlechtert. Im Zuge des Verlustes von allgemeiner Arbeitgeberattraktivität nimmt auch die bewerbungsgerichtete Verhaltensabsicht der High Potentials ab, sodass mit einer Verringerung von Qualität und Quantität der eingehenden Bewerbungen gerechnet werden kann.12 Sicherlich lassen sich die Ergebnisse nicht uneingeschränkt generalisieren, liefern jedoch Hinweise auf eine grundsätzliche Tendenz.

Schließlich (4) ist Reputation „inherently competitive“ (Walker 2010: 370), das heißt, sie impliziert Rangordnungen zwischen bewerteten Akteuren (Eisenegger 2004: 19; Seemann 2008: 41; Fombrun 1996: 72; Buß 2007: 229; Bergler 2005: 329). In der Stakeholder-Wahrnehmung wird ein Unternehmen zwangsläufig relativ zu anderen bewertet, unter Zuhilfenahme von bereits Bekanntem, und somit automatisch in Bezug gesetzt zu anderen öffentlich handelnden Akteuren. Im Falle der Arbeitgeberreputation werden primär personalpolitische Leistungen zwischen Unternehmen verglichen, wie z.B. die Höhe des Gehalts oder der Umgang mit bzw. die Bestrafung von Bagatelldelikten, sodass ein Arbeitgeber hierbei mit anderen Unternehmen konkurriert als auf dem Absatzmarkt (Simon et al. 1995: 111). Dem

Zweck der Vergleichbarkeit im Zeitablauf, mit Wettbewerbern oder innerhalb einer Branche dient die Überführung der Reputation in eine Maßzahl. Jene erlaubt die Bildung von Rangreihenfolgen zwischen Unternehmen (Gotsi/Wilson 2001: 29). Allerdings sind Verfahren zur Quantifizierung von Reputation (und von immateriellen Werten im Allgemeinen) sehr umstritten und haben abschließend noch nicht zu einer befriedigenden Lösung geführt (siehe dazu Kapitel 2.7).

Basierend auf den bisherigen Ausführungen soll dieser Arbeit folgende Definition von Arbeitgeberreputation zugrunde gelegt werden:

Arbeitgeberreputation ist die Aggregation der mit Wahrnehmung einhergehenden, relativ zu anderen Akteuren vorgenommenen Einzelbewertungen einer Organisation in ihrer Rolle als Arbeitgeber durch all ihre Stakeholder. Aufgrund ihrer Handlungsrelevanz für Bezugsgruppen besitzt Arbeitgeberreputation wertstiftendes Potenzial. Sie entsteht in der Regel langfristig auf Basis vergangener Erfahrungen sowie als Resultat von Kommunikationsprozessen.

2.4 Abgrenzung zu den verwandten Konstrukten Image, Identität und Marke einschließlich Exkurs zur Arbeitgebermarke

Nachdem grundlegende Charakteristika der Reputation erfasst wurden, soll dieses Fundament eine Abgrenzung zu verwandten Konstrukten im Unternehmenskontext ermöglichen. Grundsätzlich lassen sich die Begriffe Image und Reputation demselben semantischen Raum zuordnen, denn beide betreffen auf Unternehmen bezogene Wahrnehmungen (Eisenegger 2004: 12; Riel/Fombrun 2007: 38; Helm 2007b: 15; Zimmer 2010: 71). Zwar kritisiert Eisenegger (2004: 14) die teilweise unreflektierte synonyme Benutzung dieser Termini, trotzdem besteht immerhin mehrheitlicher Konsens dahingehend, dass Reputation und Image nicht identisch sind (Gotsi/Wilson 2001: 25; Kirstein 2009: 38). Erwartungsgemäß und analog zur Mannigfaltigkeit der Reputationsdefinition strotzen auch der Differenzierung dienende Erklärungsmuster vor Heterogenität. Dies liegt unter anderem daran, dass sich Forscher diesem Untersuchungsgegenstand aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen angenähert haben (Gotsi/Wilson 2001: 24; Helm 2007b: 38). Im Sinne einer komprimierten Darstellung ist abermals angedacht, eine weitergehende Auseinandersetzung mit verschiedenen Abgrenzungsansätzen zu umgehen,13 sondern es sollen nur jene aufgegriffen werden, die Plausibilitätsüberlegungen genügen und gleichzeitig von einer Reihe von Autoren anerkannt werden. So wurde ein wesentlicher Unterschied zwischen Image und Reputation bereits erwähnt: Im Gegensatz zum Corporate Image als subjektives Vorstellungsbild manifestiert sich Corporate Reputation kollektiv als Summe von Imagebildungsprozessen14 (Fombrun 1996: 36f.; Hautzinger 2009: 17ff.; Gotsi/Wilson 2001: 27f.; Kirstein 2009: 39; Schmid/Lyczek 2008: 89, 96). Über das subjektive Image besteht für das Individuum Sicherheit, über die Reputation aufgrund dessen nicht, weil nur eine Abschätzung der saldierten Einzelbewertungen möglich ist. Weiterhin taugt das Trägerkriterium zur Differenzierung: Während Reputation exklusiv handelnden (Kollektiv-)Subjekten zugeschrieben wird (Eisenegger 2004: 18), kann der Imagebegriff für Objekte und Sachverhalte gelten - beispielsweise für Produkte, Dienstleistungen oder Marken und gar für Berufe, Städte oder Tiere (ebd.; Helm 2007b: 43). Ferner könnte das Image im Einzelfall alleinig durch anbietergesteuerte kommunikationspolitische Maßnahmen entstehen, wohingegen Aufbau und Veränderung von Reputation die Kommunikation von Stakeholdern untereinander voraussetzt, gegebenenfalls ergänzt durch ein unternehmensseitig koordiniertes Kommunikationsprogramm (Helm 2007b: 41). Daraus ergeben sich Auswirkungen auf die Steuerbarkeit beider Konstrukte, die für Image eher gegeben ist als für Reputation. Aufgrund ihrer aufgezeigten engen Verwandtschaft stehen Image und Reputation in einer zweifachen und reflexiven Beziehung zueinander: Einerseits fließen die Sichtweisen der anderen in Form des perzipierten Rufes in die individuelle Imagebildung ein. Andererseits entsteht Reputation supraindividuell, als Aggregation einzelner Images. Das heißt, dass das der Einzelne einen Eindruck der Reputation erlangt, der als sozialer Effekt möglicherweise sein Image formt, jedoch sein individuelles Image wiederum ein Fragment der Reputation ist. Aufgrund der engen Verwandtschaft von Reputation und Image bei lediglich nuancierten Unterschieden wird in der vorliegenden Arbeit meist auf beide Konzepte Bezug genommen.

(Unternehmens-)Identität oder (Corporate) Identity ist in diese Aufstellung zu übernehmen, weil sie in allgemeiner Auffassung die Grundlage für Differenzierung, Imagebildung und damit für die Entwicklung von Reputation bildet (Eisenegger 2004: 26; Helm 2007b: 19; Seemann 2008: 77). Image und Identität bezeichnen zwei dia- metrale Sichtweisen eines Unternehmensbildes: Im Gegensatz zum extern verorteten Fremdbild, dem Image, ist die Identität das (idealerweise einzigartige) Selbstbild bzw. Selbstverständnis der Organisation (Helm 2007b: 17; Argenti 2009: 92; Meijer 2004: 19). Dieses determiniert die Unternehmenskultur sowie unternehmerisches Handeln (Bergler 2005: 321). Wie vor allem durch das Corporate-Identity-Konzept von Birkigt et al. (2002: 23) postuliert, entsteht aus der Projektion der Identität ins soziale Feld das Image, sodass ein möglichst widerspruchsfreier und unverwechselbarer Gesamteindruck des Unternehmens entstehen soll. Jedoch wird die Identität in der Außenwelt nur selten adäquat widergespiegelt (Kirstein 2009: 38).

Da eine Marke genauso wie die Reputation als Informationsersatz und Entscheidungshilfe fungieren kann (Fuchs 2009: 39) und weil das Konzept der Arbeitgebermarke (Employer Brand) viele Schnittflächen zur Arbeitgeberreputation aufweist, müssen Unterscheidungsmerkmale von Marken gegenüber Image und Reputation herausgearbeitet werden. Dies ist allerdings unmöglich, ohne dabei umstrittene Terminologie der Marke zumindest zu tangieren. Ähnlich wie beim Reputationskonstrukt wird das Fehlen eines Konsens’ hinsichtlich einer Definition, ja gar bezüglich Anzahl, Unterschiedlichkeit und Relevanz von Markenansätzen kritisiert (Petkovic 2008: 543; Bruhn 2001: 14): „Definitionen, was eine Marke [. . . ] ist, gibt es fast so viele wie Marken selbst“ (Schuppener/Schuppener 2005: 198). Festzuhalten bleibt dennoch: In ihrer ursprünglichen Bedeutung ist eine Marke zunächst eine physische Markierung15 von Produkten oder Dienstleistungen, die eine Abgrenzung zu Angeboten von Wettbewerbern schafft, indem sie bestimmte Merkmale repräsentiert (Sponheuer 2010: 17; Kotler/Bliemel 2001: 736). Dieser merkmals- bzw. angebotsorientierte Ansatz (zur Klassifikation siehe Bruhn 2001: 16; Petkovic 2008: 54) greift jedoch beim heute gängigen Markenverständnis im Zuge der integrierten Unternehmenskommunikation zu kurz und wird der modernen Vielfalt an Trägerobjekten nicht mehr gerecht (Mast 2002: 60) - schließlich können nicht nur Produkte und Dienstleistungen „markiert“ werden, sondern auch abstrakte Systeme, Ideen, eben auch Arbeitgeber usw. Dennoch erlaubt diese Definition Rückschlüsse auf das entscheidende Abgrenzungskriterium: Ist die Marke letztendlich als Resultat der Produkt- und Kommunikationspolitik des Anbieters zu interpretieren und stärker steuerbar, so weist demgegenüber jedes Unternehmen auch ohne entsprechende kommunikative Bemühungen zwangsläufig ein Image bzw. eine Reputation auf (Mast 2002: 59; Eisenegger 2004: 17; Walsh 2006: 24). Daher rührt auch, dass in die Reputation im Vergleich zur Marke bzw. zum Markenwert weitere Faktoren einfließen (z.B. der Branchenruf), es findet also eine umfassendere Beurteilung statt (Walsh 2006: 24; Seemann 2008: 77). Ferner weist Walsh (2006: 25) darauf hin, dass sich die beiden betrachteten Konzepte hinsichtlich ihrer Relevanz für verschiedene Anspruchsgruppen unterschieden - Marken sind an erster Stelle für Kunden von Bedeutung, während sich die Reputation an eine breitere Gruppe von Stakeholdern richtet (z.B. Interessenverbände, Kooperationspartner und Kunden).

Als eine Weiterentwicklung des angebotsorientierten Ansatzes zur Marken- definition hat sich der wirkungsorientierte etabliert, der die Konsumentenperspektive akzentuiert. Ursächlich ist, dass eben nicht zwangsweise der Anbieter entscheidet, was als Marke zu betrachten ist, sondern dass die Stakeholder mitbestimmen, welches Unternehmen bzw. welche Trägerobjekte mit ihren spezifischen Merkmalen Markenstatus besitzen (Petkovic 2008: 55). Eine Marke ist demnach ein in der Psyche der Konsumenten fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen (Stotz/Wedel 2009: 5; Petkovic 2008: 54f.). Obwohl der Ansatz berechtigterweise für psychologische Determinanten und Effekte einer Marke sensibilisiert, ist mit dieser Begriffsklärung nicht mehr schlüssig darzulegen, inwiefern sich Marke und Markenimage unterscheiden, wenn sie beide als Vorstellungsbilder definiert sind. Einen überzeugenden Lösungsvorschlag offeriert der identitätsorientierte Ansatz, der die Marke ansieht als „ [...] Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppen nachhaltig differenziert.“ (Burmann et al. 2005: 3). In diesem Verständnis können nicht nur Produkte als derartiges Nutzenbündel (Produktmarken) aufgefasst werden, sondern auch Dienstleistungen oder Gesamt- unternehmen (Unternehmensmarken). Die Marke im identitätsorientierten Ansatz ergibt sich stets aus der Kombination von Selbst- und Fremdbild, d.h. von Identität und Image. Dabei ist es Aufgabe der Markenführung, die beiden sich gegenseitig beeinflussenden Komponenten möglichst in Übereinstimmung zu bringen und zu halten (Sponheuer 2010: 17f.; Petkovic 2009: 86). Mit dieser Sichtweise wird der Tatsache Rechnung getragen, dass eine Marke Resultat einer bewusst-strategischen Konzeption und Gestaltung ist (Identität), zum anderen integriert sie die Rolle der Außenwahrnehmung durch die relevante(n) Bezugsgruppe(n) (Image).16 Im

Gegensatz dazu ist die Identität im Kontext der Reputation keine ihrer Komponenten, sondern ein eigenständiges Konzept.

Marken sind originär zur Kennzeichnung von Produkten und Dienstleistungen entstanden (siehe die Definition im wirkungsorientierten Ansatz) - ursprünglich unterschieden sich Reputation und Marke also hinsichtlich ihrer Trägerobjekte. Vor dem Hintergrund von Unternehmensmarken wird diese Differenzierung allerdings obsolet. Seemann (2008: 77f.) fasst die Begriffe Marke und Reputation auf Unternehmensebene als weitgehend synonym zueinander auf. Diese Ansicht ist durchaus plausibel, da trotz unterschiedlicher semantischer Facetten enge Wechselbeziehungen zwischen beiden Konstrukten zu unterstellen sind (Kirstein 2009: 43). Die (Unternehmens-)Markenpolitik kann die Stakeholder-Wahrnehmung und demzufolge auch die Reputation verbessern, vice versa schlägt sich Reputation in der Markenwahrnehmung nieder (Helm 2007b: 57), z.B. wenn die Absatzzahlen eines Markenprodukts wegen bekannt gewordener Korruptionsfälle sinken. Sicherlich ist die Wechselwirkung bei Unternehmen mit einer Mehrmarkenstrategie (House of Brands) weniger stark als bei Unternehmensmarkenstrategien (Branded House) (Hautzinger 2009: 22).

Mit der Diskussion über die Unternehmensmarke sind neben den Konsumenten zunehmend auch andere Stakeholder ins Blickfeld des Marketings gerückt, weil Marken mit ihrer Vertrauens- und Orientierungsfunktion für Bezugsgruppen wie z.B. Mitarbeiter oder Aktionäre ebenso (verhaltens-)relevant sein können (Sponheuer 2010: 3; Grobe 2008: 123). Bei Entscheidungen für oder gegen bestimmte Arbeit- geber orientieren sich Arbeitssuchende an Marken; gleichzeitig bindet eine hohe Identifikation mit einer Marke bzw. ihrer Identität vorhandene Mitarbeiter stärker an das dahinter stehende Unternehmen (Sponheuer 2010: 3; Petkovic 2009: 86). Zudem verstärkt sich der Wettbewerb in Beschaffungsmärkten (Schmidt 2009: 32). Aus diesen Überlegungen heraus hat sich in Marketingtheorie und -praxis die Arbeitgebermarke (Employer Brand) in den letzten Jahren Geltung verschafft, wobei das klassische Markenkonzept in wissenschaftlich fundierter Weise auf Unternehmen als Arbeitgeber angewendet wird (Petkovic 2009: 85). Als stakeholderspezifischer Teilaspekt der Unternehmensmarke (Corporate Brand) richtet sich die Arbeitgebermarke extern und intern primär auf die Bezugsgruppe der potenziellen, aktuellen und teilweise auch ehemaligen Mitarbeiter (Greven 2008: 160; Grobe 2008: 127). Im Blick ist dabei die Gruppe der Berufsanfänger bzw. Absolventen als auch die der Berufserfahrenen (Professionals) (Stritzke 2010: 4). In einem weiteren Verständnis kann sie jedoch auch alle Beziehungs- und Verhaltensentscheidungen gegenüber einem Unternehmen betreffen, z.B. die von Kunden oder Lieferanten (Stritzke 2010: 48). Streng genommen hat die Arbeitgebermarke damit einen stärker limitierten Stakeholder-Kreis als der Arbeitgeberruf. Auch sind Unterschiede bei der Disziplinenherkunft beider Konzepte und damit bei Begriffen, Instrumenten und Forschungstraditionen nicht von der Hand zu weisen.

Employer Branding wird dabei als der langfristig ausgerichtete, strategische wie operative Führungsprozess inklusive Planung, Koordination und Kontrolle der Arbeitgebermarke verstanden, der bewährte Vorgehensweisen und Wettbewerbs- strategien aus dem Marketingmanagement (für klassische Kundenmärkte) auf das Personalmanagement überträgt (Grobe 2008: 123; Petkovic 2009: 84; Sponheuer 2010: 27). Ziele des Employer Branding sind die mittel- bis langfristige Gewinnung, Bindung und Weiterentwicklung passender Mitarbeiter (Grobe 2008: 123) und zwar insbesondere solcher, die aufgrund ihrer Werte, Qualifikationsprofile und Motivation gut zum Unternehmen passen. An dieser Stelle offenbart sich ein grundlegender Unterschied zum Produktmarketing: Es gehört zum Personalmanagement dazu, Personen zurückzuweisen, deren Zuspruch einem sicher ist. Eine positive Arbeit- gebermarke mobilisiert in ihrer Breitenwirkung zumeist auch weniger geeignete Bewerber, lediglich in wenigen Optimalfällen wirkt sie selbstselektiv in qualitativer Hinsicht (Vollmer 1993: 181, 195). Maßgeblich ist, dass der (potentielle) Mitarbeiter in die Unternehmenskultur passt (cultural fit) und dort seine Leistung entfalten kann (potential fit) (Stotz/Wedel 2009: 8). Vor allem für diese Personengruppe möchte das Unternehmen präferierter Arbeitgeber (Employer-of-choice) werden, indem es sich durch Employer Branding von Wettbewerbern differenziert und versucht, bestimmte Wahrnehmungen gezielt zu generieren (Stotz/Wedel 2009: 2). Zielgrößen der Markenführung sind demzufolge Arbeitgeberimage, -attraktivität und Präferenz17 (Stritzke 2010: 42f.; Simon et al. 1995: 105). Andererseits sollen - als Erweiterung der Bestrebungen des Personalmarketings - Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit bestehender Mitarbeiter gestärkt werden (Schmidt 2009: 34). Dies soll durch verschiedene Maßnahmen und Instrumente erreicht werden, unter anderem durch grafische Gestaltung, obwohl eine direkte Kennzeichnung wie bei Produkten nicht durchführbar ist (Petkovic 2009: 83). In Analogie zum Konsumentenmarketing beschäftigt sich auch das Employer Branding verstärkt mit Prozessen der Wahl- und Verhaltensentscheidung von aktuellen und potenziellen Mitarbeitern (Stritzke 2010: 49).

Da die Arbeitgebermarke ebenso ein wahrnehmungsbasiertes Konstrukt ist, gibt es zahlreiche Parallelen zu reputationsbezogenen Erkenntnissen: Durch ihre Nähe zum Einstellungskonstrukt konstituiert sie sich aus affektiven Komponenten wie Sympathie (Grobe 2008: 130) oder die intuitive Zu- und Abneigung (Simon et al. 1995: 107) genauso wie aus kognitiven Einflussgrößen, sprich Wissen und Informationen über einen Arbeitgeber bezüglich seiner Leistungsqualität in der Personalpolitik, z.B. der Kenntnis eines Angebots zur Kinderbetreuung (Petkovic 2009: 90). Emotionale und rationale Ebenen stehen allerdings häufig in einem Austauschverhältnis zueinander. Eine Employer Branding-Strategie muss demzufolge neben sachliche Informationen auch Emotionalisierung vermitteln können, gerade wenn kognitive Nutzenkomponenten zwischen Arbeitgebern vergleichbar sind. Dass vor allem Unternehmen aus dem Business-to-Consumer-Bereich als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen werden (Trost 2009: 17), hängt vor allem damit zusammen, dass die Produkte und Dienstleistungen von Firmen aus dem Business-to-Business-Bereich den Endverbrauchern nicht bekannt sind, weil der Wahrnehmung grundsätzlich Bekannt- heit vorausgehen muss - letztere ist ein weiteres Ziel der Arbeitgebermarkenführung. Gleichermaßen verfolgt das Employer Branding zwei Intentionen (Trost 2009: 13) analog zu den Ansatzpunkten der Unternehmenskommunikation (siehe dazu Kapitel 2.5). Einerseits soll das Unternehmen entsprechend der eigenen Fähigkeiten und den (zum Teil variierenden) Bedürfnissen der interessierenden Bezugsgruppe positioniert werden. Dadurch muss es zum Teil auch innengerichtete Veränderungen vollziehen, also personalpolitische Leistungen an die Anforderungen von aktuellen und potenziellen Mitarbeitern anpassen (Stritzke 2010: 9).18 Andererseits kommuniziert das Employer Branding bestimmte Nutzungsversprechen nach außen - idealerweise taugen diese als Alleinstellungsmerkmal zur Differenzierung von Wettbewerbern, analog zur Unique Selling Proposition (USP) im Konsumentenmarketing. Daher ist auch von der Employer Value Proposition die Rede (Stritzke 2010: 50). Aus diesem Dualismus (innen- vs. außengerichtet) ergibt sich ein wechselseitiges Spannungsfeld: Die Arbeitgebermarke fordert und fördert zugleich. Durch den ihr inhärenten Prozess der Positionierung formt sie einerseits ein Leitbild zur Selektion und zur Orientierung, das konsistentes Verhalten von den bestehenden Mitarbeitern verlangt. Andererseits wird sie im Sinne eines identitätsrelevanten Prozesses ständig durch die Mitarbeiter selbst geschaffen und intensiviert intern wie extern Identifikation und Bindung, sofern ein Wertekonsens vorliegt (Greven 2008: 161; Grobe 2008: 127; Petkovic 2009: 88f.). Stets betont wird dabei die Notwendigkeit der ganzheitlichen funktions- und hierarchieübergreifenden Markenführung. Dies bezieht sich zum einen auf den Versuch, die Unternehmensidentität nach außen möglichst authentisch sichtbar zu machen, ohne dabei zu viel Retusche zu betreiben (Vollmer 1993: 202). Zum anderen ist die Arbeitgebermarke im konsistenten Einklang mit der Unternehmensmarke zu halten, weil sich beide gegenseitig beeinflussen (Grobe 2008: 122ff.; Sponheuer 2010: 14), wie es auch bei Gesamt- und Arbeitgeberreputation der Fall ist. Eine Missachtung dieser Zusammenhänge kann schlimmstenfalls Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverluste nach sich ziehen. Allerdings ist es nicht immer trivial für ein Unternehmen, die Kontinuität in der Qualität der Leistung sicherzustellen - beispielsweise das Arbeitsklima hängt vom Stil des einzelnen Vorgesetzten ab und muss nicht zwangsläufig einheitlich sein. Begründet werden kann dies mit Erkenntnissen aus dem Dienstleistungsmanagement, wonach bei der Leistungserbringung aufgrund des Interaktionscharakters stets ein externer Faktor eingebracht wird (Petkovic 2009: 83).

Diese Ausführungen zum Employer Branding sollten einen ersten Überblick liefern, allerdings wird dieses Konzept in der nachfolgenden Diskussion weitgehend vernachlässigt, auch weil es sich im Sinne einer strategischen Steuerung sehr auf den Identitätsaspekt fokussiert, der für die Untersuchung der Reputation nicht an erster Stelle steht.

2.5 Reputationsmanagement in der Unternehmens-

Die skizzierte Bedeutsamkeit von Arbeitgeberreputation bei veränderten Rahmen- bedingungen unterstreicht die Notwendigkeit, dieses immaterielle Vermögen zu entwickeln, zu pflegen und zu nutzen (Zimmer 2010: 1) und damit Unterstützungs- potenziale zu generieren. Allerdings wäre es irreführend, pauschal von Steuerbarkeit zu sprechen, weil Image und Reputation einem sehr vielschichtigen Gefüge an Einflussfaktoren unterworfen sind, die sich nicht vollumfänglich berücksichtigen, erfassen oder prognostizieren lassen. Vor allem steht das Unternehmen in situativen Kontexten, weshalb z.B. eine Änderung des Branchen-, Wettbewerber- oder Landes- rufs auf das betreffende Unternehmen abfärben kann, ob nun gerechtfertigt oder nicht (Schmid/Lyczek 2008: 91). Reputationsgerichtete Aktivitäten können dennoch geplant, gesteuert und kontrolliert werden (Hautzinger 2009: 20), weshalb sich der Terminus Reputationsmanagement (Corporate Reputation Management)19 durchge- setzt hat (Bentele 2005c: 605; Schuppener/Schuppener 2005: 193; Zimmer 2010: 1). Hierbei geht es darum, die Wahrnehmung eines Unternehmens durch Kommunikation zugunsten organisatorischer Ziele aktiv und gezielt aufzubauen sowie zu erhalten. Die primären Zielstellungen, die ein Arbeitgeber-Reputationsmanagement anstrebt, sind die Gewinnung und die Bindung von geeigneten Mitarbeitern. Schmid/Lyczek (2008: 93f.) konkretisieren das Zusammenwirken von Reputationsmanagement und Unternehmenskommunikation: Erstens kann die Unternehmenskommunikation Interessen und Werte der Stakeholder ins Unternehmen hineintragen (z.B. die Nachfrage nach einem bestimmten Service wie Telearbeit), damit unternehmerische Entscheidungen, Leistungen bzw. Strategien in (ruf-)relevanten Funktionsbereichen daran ausgerichtet werden können (siehe auch Hautzinger 2009: 41).20 „Ein Unternehmen, dessen Handeln [...] Präferenzen und Werte seiner Stakeholder berücksichtigt, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, bei seinen Anspruchsgruppen ein positives Bild zu erzeugen und in der Folge einem geneigten Verhalten zu begegnen.“ (Schmid/Lyczek 2008: 93f.). Infolge dieses Anspruchs manifestiert sich innerhalb des Reputationsmanagements (und sogar im Rahmen der gesamten Unternehmensführung) ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial in Bezug auf teils divergierende Werte und Interessen verschiedener Stakeholder, das ein möglichst geschicktes Ausbalancieren erforderlich macht.21 Das heißt auch, dass keine Pauschalaussagen zu geeigneten operativen Maßnahmen bei der Reputationsbildung getroffen werden können.

Zweitens kann das Unternehmen seine Reputation durch aktive oder reaktive und geplante Kommunikation beeinflussen, denn „[w]er kommuniziert kommt nicht umhin, eine Sache und sich selbst darzustellen. [. . . ] Das ultimative Ergebnis von Kommunikation ist schließlich die Wahrnehmung [. . . ].“ (Zerfaß/Piwinger 2007: 11). Als Kommunikator kann ein Unternehmen versuchen, Meinungen, Eindrücke oder Erwartungen der Rezipienten zu beeinflussen (Seemann 2008: 85). Teil der Kommunikation mit den Stakeholdern ist insbesondere auch die Darstellung bzw. Aushandlung unternehmerischer Ziele und Handlungsprinzipien (Schmid/Lyczek 2008: 93) - womit der Kreis zu erstens wieder geschlossen und der Dialoganspruch der Kommunikation verdeutlicht wird.

Obwohl Steuerungspotenziale für Reputation und Arbeitgeberreputation funktional von der Unternehmenskommunikation ausgehen, ist keine Zuordnung zu lediglich einer verantwortlichen Unternehmensabteilung realisierbar, weil grundsätzlich das Handeln des gesamten Unternehmens wahrgenommen wird, sodass z.B. ergänzend zu arbeitsplatzbezogenen Komponenten ebenso Produkte und Dienstleistungen oder gesellschaftliche Verantwortungsübernahme (Corporate Social Resposibility) Relevanz für den Arbeitgeberruf besitzen. Gerade im Falle der Arbeitgeberreputation übernimmt die Personalabteilung (oder Abteilung für Human Resources/Personalmanagement) oft die oben genannten Aufgaben. Abhängig von der Unternehmensgröße gibt es häufig auch untergeordnete Kompetenzbereiche für Personalmarketing oder Employer Branding (insbesondere bei Großkonzernen). Diese Abteilungen sind zwar eigenständig und oft von der Unternehmenskommunikation im institutionalisierten Sinne unabhängig, erfüllen jedoch - das ist der entscheidende Punkt - eine Kommunikationsfunktion, die ein Management erforderlich macht. Es spielt letztendlich kaum eine Rolle, wie die Unternehmensstruktur aufgebaut und wie Abteilungen benannt sind. Ausschlaggebend ist eine entsprechende Kooperation und Abstimmung im Unternehmen, innerhalb wie zwischen Abteilungen, die kommunikative Funktionen ausüben, um nicht unwissentlich gegeneinander zu arbeiten und erfolgte Bemühungen zunichte zu machen (Riel/Fombrun 2007: 36).22 Ein stimmiges Gesamtkonzept ist gemeint, wenn von integrierter Unternehmenskommunikation die Rede ist, deren Erfolg plausibel erhoben und nachgewiesen wurde (Zerfaß 2004: 393, 416). Weiterhin sollte ein Unternehmen - bewusst oder unbewusst - kommunikativ keine Erwartungen wecken, die es faktisch nicht erfüllt (Eisenegger 2009: 11). Die Kongruenz von Wort und Tat in der Stakeholderwahrnehmung ist eine wesentliche Determinante von Glaubwürdigkeit. Demzufolge sollte eine Abteilung für Unternehmenskommunikation, sofern vorhanden, in kommunikative und damit reputationsrelevante Problemstellungen eingebunden sein, gerade weil sie Kommunikationsprozesse koordiniert oder durch Vorgabe von Leitlinien formalisiert. Dies kann sie nur dann erfolgreich erfüllen, wenn sie an den übergeordneten Unternehmensstrategieprozess angebunden ist (Zerfaß 2004: 393).23

Grundsätzlich erfordert die Reputationsbildung Zeit, weil sie vor allem auf der Stabilität unternehmerischer Handlungen der Vergangenheit beruht (Helm 2007b: 40). Deshalb postulieren zahlreiche Autoren eine langfristige Ausrichtung des Reputationsmanagements (Hautzinger 2009: 41; Walker 2010: 367). Indes ist die Kenntnis von einem Akteur eine ganz wesentliche Prämisse dafür, dass Reputation überhaupt erwachsen kann (Seemann 2008: 95; Hautzinger 2009: 31; Eisenegger 2004: 196). Umgekehrt kann (vor allem mediale) Aufmerksamkeit mittels einer positiven Unternehmensreputation einfacher erlangt werden (Buß 2007: 231). Dies bedeutet, dass die Schaffung von Aufmerksamkeit im Reputations- bzw. Kommunikationsmanagement generell nicht vernachlässigt werden darf, denn sie ist unerlässliche Voraussetzung jeder fruchtbaren Einflussnahme wie Verständigung (Zerfaß 2004: 395). Generell gilt ab einer kritischen Beachtungsschwelle: Je geringer der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens, desto größer ist der Einfluss globaler Branchen- oder Gattungsperzepte auf die Reputationskonstitution (Helm 2007b: 56). Das betrifft auch und insbesondere die Arbeitgeberreputation, denn je weniger über einen Arbeitgeber bekannt ist, desto eher stützt sich ein Stakeholder (bewusst oder unbewusst) auf substitutive Informationsquellen. Da eine rational-objektive Bewertung vieler Eigenschaften bei Arbeitgebern im Vorfeld nicht möglich ist, entsteht zunächst ein affektiv dominiertes Gesamtbild, auf dessen Basis im Sinne eines Halo- Effektes auf kognitive Merkmale einer Organisation geschlossen wird (Simon et al. 1995: 108).

Es lässt sich abschließend zusammenfassen, dass ein Teil der Reputations- bildungsprozesse durch das Unternehmen nur indirekt beeinflussbar ist. Somit lässt sich allenfalls die Wahrscheinlichkeit einer positiven Ausprägung der (Arbeitgeber-)Reputation erhöhen. Allerdings „ist die Situation bedingter Steuer- barkeit ist für die Unternehmensführung [...] eher Normalität als Ausnahme, ist doch Management gerade definiert als das Gestalten, Lenken und Entwickeln eines Systems in einer komplexen Umwelt mit selbstorganisierenden Elementen und Rückkopplungseffekten“ (Schmid/Lyczek 2008: 98). Organisationen sollten sich unterdessen stets dessen bewusst sein, dass aktiv betriebenes Reputationsmanagement nicht nur als Bestreben nach Glaubwürdigkeit, sondern auch als Bemühung lediglich um des vermeintlich positiven Eindrucks willen aufgefasst werden kann, insofern Kommunikation nicht substantiell mit Tatsachen untermauert wird (Helm 2007b: 44).

2.6 Dimensionen und Beurteilungskriterien der (Arbeitgeber-)Reputation

Reputation entsteht aus Urteilen, denen individuelle Erwartungen zugrunde liegen. In einer positiven Reputation drückt sich folglich Erwartungskonformität aus, d.h. inwiefern ein Unternehmen vermutlich imstande ist, Erwartungen von Stakeholdern zu erfüllen (Eisenegger 2004: 26; Helm 2007b: 30; Mast 2002: 59). Voraussetzungen dafür sind zum einen die eigentliche (1) Leistungsfähigkeit, zum anderen aber ebenso der (2) Leistungswille (Helm 2007b: 32). Andere in der Literatur zu findende Reputationsdimensionen lassen sich abstrahieren und auf Leistungsfähigkeit und Leistungswille zurückführen. Beispielsweise werden reputierlichen Unternehmen sowohl (1) bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen als auch (2) Glaub- bzw. Vertrauenswürdigkeit zugesprochen (Zerfaß 2004: 396). Glaubwürdigkeit als willens- abhängige Größe kommt genau dann zum Ausdruck, wenn sich Verhalten an (explizite oder konkludente) Absichtserklärungen anschließt (Helm 2007b: 52). Sie ist jedoch nicht nur eine Voraussetzung für Reputation, sondern gleichzeitig auch ihre Folge (Fombrun 1996: 3).

Es zeigt sich eine Varianz zwischen den Stakeholdern hinsichtlich welcher Leistungsattribute ein Unternehmen in seiner Leistungsfähigkeit und seinem Leistungswillen eingeschätzt wird. Individuen und bestimmte Stakeholder-Gruppen legen jeweils andere Erwartungen und demzufolge unterschiedliche und verschieden gewichtete reputationsrelevante Beurteilungskriterien (reputative Merkmale) an ein Unternehmen an (Helm 2007b: 58; Seemann 2008: 42). Während beispielsweise Kapitalgeber besonders auf finanzielle Aspekte und Aktienkursentwicklung und weniger auf Kundenservice achten, legen Mitarbeiter Wert auf das Arbeitsklima. Die Relevanz von reputativen Merkmale hängt aber auch spezifisch von der Branche und der Organisation an sich ab, weil die Haupttätigkeit jeweils andere Aspekte in den Mittelpunkt rückt (Hautzinger 2009: 20). Die multidimensionalen Zusammenstellungen, welche Kriterien in ihrer Leistungsdimension die Reputation formen und insbesondere konativ relevant sind, unterscheiden sich je nach Autor und reichen beispielsweise von Produkt- und Servicequalität (Helm 2007b: 57) über sozial verantwortungsvolles Handeln (Argenti 2009: 123) bis hin zur Person an der Spitze eines Unternehmens (Hautzinger 2009: 23). Die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat jedoch noch keine allgemeinverbindliche Systematik dieser Beurteilungskriterien hervorgebracht, zumal fraglich ist, ob es sich hierbei um ein endliches Spektrum handelt. Erschwerend kommt zum einen hinzu, dass die einzelnen Merkmale nicht unabhängig voneinander sind (z.B. CEO-Persönlichkeit und Ertragskraft). Zum anderen untersteht die Bewertung der reputativen Merkmale weiteren Einflussfaktoren. Diese Faktoren sind z.B. erstens die Branchenzugehörigkeit einer Organisation (Fombrun 1996: 105f.), zweitens das Herkunftsland (Seemann 2008: 93), und drittens (wie bereits erörtert) die Bekanntheit, die wiederum im engen Zusam- menhang zur Medienpräsenz, Unternehmensgröße und geographischen Verbreitung steht (Hautzinger 2009: 21).

[...]


1 Zur sprachlichen Vereinfachung sind stets Menschen beider Geschlechter gemeint.

2 Der allein stehende Terminus Reputation referenziert in vorliegender Arbeit auf die allgemeine Reputation eines Unternehmens, sofern kein anderer oder spezieller Bezug (wie im Falle von Arbeitgeberreputation) hergestellt wird.

3 Obwohl diese Arbeit schwerpunktmäßig auf Unternehmen als Bezugsobjekt abzielt und jene im Mittelpunkt der Argumentation stehen, können die dargestellten Erkenntnisse in großen Teilen auch bei Organisationen im nicht-kommerziellen Bereich Anwendung finden - freilich sind auch sie bemüht, bei der Suche und Bindung von geeignetem Personal eine positive Arbeitgeberreputation aufzubauen und zu erhalten.

1 Dass sich Marktwert und Buchwert eines Unternehmens unterscheiden, ist vor allem dem Wert des immateriellen Vermögens zuzuschreiben (Zimmer 2010: 1). Gemäß einer Analyse von Schwaiger et al. (2009: 40) sollen sogar mehr als zwei Drittel des Marktwertes auf immaterielle Werte zurückgehen.

2 Dieser Umstand ist auch evident in Freemans Definition von Stakeholdern, verstanden als „groups and individuals who can affect, or are affected by, the achievement of an organization’s mission“(Freeman 1984: 52). Deutsche Pendants zum Begriff Stakeholder sind Anspruchs- bzw. Bezugsgruppen.

3 Die Interdependenz zwischen Reputation und Vertrauen sowie die Unterschiede zwischen beiden Begriffen beschreiben auch Eisenegger (2004: 24) und Helm (2007b: 46ff.). Nach Helm (ebd.) ermöglicht Reputation überhaupt erst Vertrauen durch die Informationsvermittlung über das Unvertraute; Reputation ist aber zugleich auch eine Wirkung von Vertrauen, weil der Reputation Interaktionen unter Unsicherheit auf Basis von Vertrauen vorausgehen. Da Vertrauen Austauschbeziehungen auch bei unvollständigem oder nicht verifizierbarem Wissen zulässt, sieht Eisenegger (2004: 24) Vertrauen als bedeutsamste Handlungsressource moderner Gesellschaften und merkt an „Die Reputation des Empfängers korrespondiert mit dem Vertrauen des Gebers. [...] Reputation und Vertrauen sind zwei Seiten einer Medaille“ (ebd.).

4 Die Darstellung der Erklärungsansätze für den wertbildenden und erfolgsrelevanten Charakter von Reputation ist keineswegs erschöpfend. Eine umfassende Analyse aus Sicht verschiedener Disziplinen bzw. Theoriestränge legt Zimmer (2010: 7) vor, aus der einige wesentliche Züge aufgegriffen wurden. Ergänzend sei bspw. der Resource-based View genannt, demnach Reputation alle Voraussetzungen erfüllt, um als strategische, wertsteigernde Ressource zu gelten, die einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil begründet (Seemann 2008: 29f.; Walker 2010: 378).

5 In der Informationsökonomik wird zwischen Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften eines zu beurteilenden Objekts (häufig einer Dienstleistung) unterschieden (Meffert/Bruhn 2006: 85f.): Sucheigenschaften sind solche, die bereits vor Vertragsabschluss feststellbar sind (z.B. der Preis), Erfahrungseigenschaften hingegen kann man erst während oder nach der Leistungserstellung einschätzen (wie die Qualität einer Urlaubsreise). Eine nie auszuräumende Unsicherheitskomponente zeichnet Vertrauenseigenschaften aus (z.B. die Qualität ärztlicher Leistungen).

6 In der Betriebswirtschaftslehre ist im Gegensatz zum Verkäufermarkt die Rede von einem Käufermarkt, wenn ein Angebotsüberhang besteht. Gemäß dieser Logik kann der Arbeitsmarkt in Bezug auf Hochqualifizierte als Käufermarkt eingestuft werden, wenn man Unternehmen als Stellenanbieter betrachtet (Greven 2008: 159). Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist jedoch kurz- bis mittelfristig auch immer konjunkturabhängig (Simon et al. 1995: 48).

7 Dieser Begriff umfasst „jene Nachwuchskräfte [...], die aufgrund ihrer hohen fachlichen Qualifikation und sozialen Kompetenz überdurchschnittliche und außergewöhnliche Leistungsergebnisse erbringen.“ (Kirchgeorg/Lorbeer 2002: 3).

8 Insofern stellen die ersten zwei der drei von Barnett et al. (2006: 32f.) identifizierten Definitionscluster (Reputation erstens als Wahrnehmung und Kenntnis, zweitens als Bewertung eines Bezugsobjektes und drittens als Vermögensgegenstand) keinen Widerspruch dar. Wie Kirstein (2009: 28) berechtigterweise bemerkt, ist der als drittes Cluster identifizierte Vermögenswert vielmehr eine Konsequenz der Unternehmensreputation und deshalb nicht als Definitionskern geeignet. Auch Barnett et al. schlussfolgern für das zweite Bewertungslcuster „that [it; Ergänzung J.K.] looks most promising for future definitional work“ (Barnett et al. 2006: 26).

9 Mit der Verortung des Images auf einer individuellen Ebene und Reputation auf einer kollektiven wurde bereits ein wesentliches Differenzierungskriterium zwischen den beiden eng verwandten Konstrukten angesprochen. Eine ausführliche Abgrenzung erfolgt in Kapitel 2.4. In der Praxis der Messung sind Image und Reputation jedoch aufgrund ihrer Wechselwirkung nur schwer trennbar.

10 Die Fehlerhaftigkeit der Einschätzung von kollektiver Meinungsaggregaten wird übrigens auch von der Theorie der Schweigespirale von Noelle-Neumann (1989: 419f.) in Hinblick auf die öffentliche Meinung thematisiert: Wer seine eigene Meinung als öffentliche Minderheitsposition wahrnimmt (obwohl dies de facto nicht zutreffen muss), neigt aufgrund von Isolationsfurcht dazu, sie weniger zu äußern. Dadurch wird der Eindruck der (vermeintlichen) öffentlichen Mehrheitsmeinung noch verstärkt (ebd.). Bloß einen Näherungswert zu erhalten kann jedoch auch für die „objektive“ Reputationsmessung unterstellt werden - sie erfasst die Summe der Images zwar immerhin präziser als eine individuelle Einschätzung der Reputation, aber deswegen noch nicht zwangsläufig exakt. Die Problematik der Reputationsmessung wird in Kapitel 2.7 angerissen.

11 Im Übrigen entsteht Vertrauen ebenso wie die Reputation aufgrund der Erfahrung, dass vergangene Erwartungen erfüllt wurden (Eisenegger 2009: 12). Dies ist wiederum ein Indiz für den engen Zusammenhang von Reputation und Vertrauen.

12 Insbesondere innerhalb der Gruppe derjenigen potenziellen Bewerber, die sich bestimmt bewerben würden, sind handfeste quantitative Rückgänge zu verzeichnen. Dafür steigt die Zahl derjenigen Befragten, die sich eventuell bewerben würden, deutlich an (Greven 2008: 57ff.).

13 Einen brauchbaren Überblick liefern jeweils Kirstein (2009: 39) und Helm (2007b: 33ff.). Der Ansicht von Helm (2007b: 39) wird gefolgt, dass das Kriterium von Dynamik bzw. Stabilität mangels empirischer Beweise und angesichts widersprüchlicher Aussagen nicht zur Differenzierung zwischen Image und Reputation geeignet ist, obwohl es durch einige Autoren als solches angebracht wird (wie beispielsweise von Walker 2010: 367; Seemann 2008: 48).

14 So wird der ursprünglich aus dem Lateinischen stammende Begriff Image (lat.: imago = Bildnis, Abbild) definiert als „das vereinfachte, typisierte und in der Regel bewertete Vorstellungsbild, das sich über Eindrücke, Wahrnehmungen oder Denkprozesse von irgend etwas (Objekte, Personen, Sachverhalte, Organisationen) bildet.“ (Bentele 2005a: 583; Hervorhebung im Original).

15 Das französische Kaufmannswort marque benennt ein auf einer Ware angebrachtes Zeichen (Bruhn 2001: 14).

16 Auch die Definition von Bentele/Hoepfner erweist sich zu diesem Zweck als praktikabel. Für sie ist eine Marke ein „[...] Zeichenkomplex mit einer bestimmten Struktur (z.B. verbale und visuelle Elemente) [...], die einerseits unmittelbare Bezüge zu bestimmten Produkten, Dienstleistungen oder anderen Markenobjekten besitzen, die sie kommunikativ repräsentieren und andererseits Beziehungen zu bestimmten Publika [Käufern, Kunden etc.] haben, für die sie bestimmte Gebrauchs- und Kommunikationswerte (z.B. Images, Reputation) repräsentieren.“ (Bentele/Hoepfner 2005: 594). Vorteil dieser Definition ist, dass sie nicht von Zielgruppen, sondern von Publika spricht - letztere können eher als Äquivalent zum Stakeholderbegriff verstanden werden.

17 Simon et al. (1995: 105) beschreiben Präferenz und Attraktivität als Formen der Einstellung und damit als Konsequenzen aus dem Arbeitgeberimage („Personalimage“) in Abhängigkeit vom Zeitablauf. Während Attraktivität in einer frühen Phase im Bewerbungsprozess bedeutet, eine Bewerbung bei einem Unternehmen ernsthaft in Betracht zu ziehen, tritt Präferenz in einer späteren Phase auf und hat die Auswahl eines Angebots zur Folge (Simon et al. 1995: 105). Insbesondere Präferenzen sind daher von erfolgskritischer, da konativer Bedeutung. Bei bestehenden Mitarbeitern führen sie außerdem zu erhöhter Ziel-Identifikation, Loyalität und Weiterempfehlungsbereitschaft (Petkovic 2009: 79).

18 Dies umfasst vor allem die Modifikation von Produkten und Prozessen des Personalmanagements, wie beispielsweise Führungskräfteentwicklung, Mitarbeitergespräche oder Arbeitsplatzgestaltung (Stotz/Wedel 2009: 11).

19 Semantisch vergleichbar ist der Begriff Impression Management (Piwinger 2005: 583), der sich allerdings auf einzelne Personen und weniger auf Organisationen bezieht. Impression Management, definiert als „Eindruckssteuerung durch Selbstdarstellung“ (Piwinger 2005: 583), stellt einen Inszenierungsprozess dar, der zu Image und somit ebenfalls zu Reputation führen kann (ebd.).

20 Darin begründet sich übrigens die oft vorgebrachte Forderung nach besserer Anerkennung der Unternehmenskommunikation als Managementfunktion: Die Unternehmenskommunikation verschafft den Stakeholderinteressen Gehör, insofern sie sich bei unternehmerischen Handlungsentscheidungen am Strategieprozess beteiligen kann (Schmid/Lyczek 2008: 99).

21 Beispielsweise möchten Investoren hohe und schnelle Renditen erzielen, die zulasten der Sozialleistungen gegenüber den Mitarbeitern gehen können. Gar problematischer wird die Situation, wenn hybride Stakeholder (Helm 2007b: 6) ins Spiel kommen: Sie nehmen verschiedene Rollen gegenüber einem Unternehmen ein, sind z.B. gleichzeitig Mitarbeiter und Aktionär (Sponheuer 2010: 14).

22 Bezeichnenderweise schließt das Reputationsmanagement die Signalisierung von Kerneigenschaften gegenüber Stakeholdern ein. Bei fehlender Kommunikation und Koordination innerhalb des Unternehmens könnte es hier zu Widersprüchen in der Außendarstellung kommen. Einige Vorschläge zu einer optimalen Umsetzung der Unternehmenskommunikation bei Berücksichtigung dieser Vorgaben liefert Seemann (2008: 98ff.).

23 Als weitere Leitidee für die Unternehmenskommunikation nennt Zerfaß eine situative Ausrichtung an sich wandelnden Bezugsgruppe und Öffentlichkeiten (Zerfaß 2004: 393). Auch diesen Punkt spiegelt die vorliegende Arbeit mit der besonderen Betrachtung von sozialen Netzwerken im Internet wider.

Ende der Leseprobe aus 217 Seiten

Details

Titel
Arbeitgeberreputation durch Word of mouth-Kommunikation in Online Social Networks.
Untertitel
Eine empirische Analyse motivationaler Einflussfaktoren.
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft1)
Note
1,1
Autor
Jahr
2011
Seiten
217
Katalognummer
V265045
ISBN (eBook)
9783656544159
ISBN (Buch)
9783656544692
Dateigröße
14551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nominiert für den Nachwuchsförderpreis des BdP 2013 (Bundesverbands deutscher Pressesprecher) als eine von drei Arbeiten aus 20 Einreichungen
Schlagworte
arbeitgeberreputation, employer branding, human resources, motivation, mundpropaganda, word of mouth, wom, e-wom, electronic word of mouth, online social networks, soziale Online-Netzwerke, arbeitgeber, arbeitgeberimage, personalwesen, personalarbeit, arbeitgebermarke, web 2.0, generation y
Arbeit zitieren
Julia Klapczynski (Autor:in), 2011, Arbeitgeberreputation durch Word of mouth-Kommunikation in Online Social Networks., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265045

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