Habermas Theorie des kommunikativen Handelns auf die zwischen-menschliche Kommunikation im Internet zu übertragen, scheint zumindest auf den ersten Blick möglich, wenn nicht sogar wünschenswert zu sein. Die Kommunikation verlagert sich vom analogen in den digitalen bzw. vom realen in den virtuellen Raum. In beiden Fällen handelt es sich noch um zwischen-menschliche Kommunikation, denn ohne Zweifel kommunizieren in beiden Räumen Menschen mit Menschen. Auf den zweiten Blick jedoch ist Habermas Theorie nicht so ohne Weiteres auf das Internet übertragbar. Analysiert man die Entwicklung der Kommunikationsarten in Relation zum technischen Fortschritt, wird schnell deutlich, wie der biologische Sprechakt mehr und mehr vertechnisiert bzw. entmenschlicht wird/wurde.
Vom anfänglichen Sprechakt – rein biologisch-menschlicher Natur – der einer »natürlichen« Kommunikation zwischen Mensch und Mensch in Form einer »face-to-face«-Kommunikation (Schema: »Mensch sieht sich«) entspricht, wandelte sich im Zuge einer zunehmenden Vertechnisierung der Welt auch die Kommunikation zwischen und unter den Menschen. Kommunikation ist längst nicht mehr auf die biologische bzw. physische Präsenz als unabdingbare Notwendigkeit eines Sprechaktes von mindestens zwei Kommunikationsteilnehmern beschränkt, sondern vielmehr zu einer Interaktion degradiert, bei der es weder der physischen Präsenz noch der eigentlichen Sprachfähigkeit des Kommunikationsteilnehmers bedarf, da im Internet vorwiegend in Schriftsprache und nicht mehr in gesprochener Sprache kommuniziert wird.
Inhaltsverzeichnis
- Wie sprechen Menschen mit Menschen? Aneinander vorbei
- Habermas Theorie des kommunikativen Handelns übertragen auf die zwischen-menschliche Kommunikation im Internet
- Die Entwicklung der jeweils dominanten Kommunikationsform zeigt auf, wie sich das Kommunikationsverhalten des Menschen verändelt hat
- Habermas bezieht sich zu Beginn auf das philosophische Grundthema der Vernunft
- Im Internet kennt allein das handelnde Subjekt die (objektive) Wahrheit über sich selbst und sein Handeln
- So stellt sich in Bezug auf das Internet zu Recht die Frage, ob man überhaupt noch von Kommunikation sprechen kann
- Im Sinne von Habermas Theorie des kommunikativen Handelns kann eine solche Kommunikation im Intemet nicht mehr als rational aufgefasst werden
- Das Online-Ich existiert nur bis zu den Grenzen des digitalen Raumes im Intemet
- Eine solche Kommunikation verkehrt jedoch ihre eigentliche Intention ins Gegenteilige, sofern man von einer geläufigen Definitionen von Kommunikation ausgeht
- Rationale Äußerungen sind stets verbesserungsm_hlg_
- Eine »face-to-face«-Kommunikation impliziert, dass man keinerlei Möglichkeit hat, zu verschleiem
- Betrachtet man die Umstände in der Realität haftet auch schon Habermas Theorie ein utopischer Beigeschmack am
- Wie könnte es auch anders sein? Eine Reduktion auf das Wesentliche und Gemeinsame des Menschseins ftihne zum Untergang jeglicher Religion und Kultur
- Es wäre schön, wenn sich Habermas Theorie des kommunikativen Handelns so einfach auf die zwischen-menschliche Kommunikation im Intemet und überhaupt auf den Menschen übertragen ließe
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert die Übertragbarkeit von Jürgen Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns auf die zwischenmenschliche Kommunikation im Internet. Er untersucht, inwiefern die Prinzipien der rationalen Kommunikation und der Konsensfindung im digitalen Raum Anwendung finden und welche Herausforderungen sich durch die veränderte Kommunikationsform ergeben.
- Die Entmenschlichung der Kommunikation durch die Technisierung
- Die Bedeutung von Rationalität und Kritisierbarkeit in der Online-Kommunikation
- Die Problematik der Scheinidentitäten und der Verfehlung von Tatsachenbezug
- Die Frage nach der Geltung von Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns im digitalen Raum
- Die Bedeutung des Menschseins und der gemeinsamen Lebenswelt für eine gelingende Kommunikation
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung der Kommunikation vom face-to-face-Kontakt über die Telekommunikation bis hin zur vorherrschenden Schriftkommunikation im Internet. Dabei wird deutlich, wie die biologisch-anthropologische Komponente der Kommunikation durch die Technisierung immer weiter zurückgedrängt wird.
Im Anschluss wird Habermas' Theorie des kommunikativen Handelns vorgestellt, die auf der Annahme basiert, dass rationale Kommunikation auf der Grundlage von Kritisierbarkeit und Begründbarkeit von Äußerungen stattfindet. Es wird untersucht, inwiefern diese Prinzipien im Internet gelten, wo die Objektivität von Äußerungen durch die Anonymität und die Möglichkeit der Manipulation von Identitäten infrage gestellt wird.
Der Essay beleuchtet die Problematik der Scheinidentitäten im Internet und zeigt auf, wie die Verfehlung von Tatsachenbezug und die fehlende Möglichkeit zur Überprüfung der Identität des Kommunikationspartners die Rationalität der Kommunikation untergraben. Es wird argumentiert, dass im Internet die Beweggründe des handelnden Subjekts in den Hintergrund treten und die Äußerungen nicht mehr kritisierbar oder begründbar sind.
Weiterhin wird die Frage nach der Gemeinsamkeit und der leibgebundenen Existenz in der Online-Kommunikation diskutiert. Es wird argumentiert, dass die fehlende Möglichkeit zur direkten Wahrnehmung des Kommunikationspartners die kommunikative Rationalität zu einer Irrationalität mutiert, da die konsensstiftende Kraft argumentativer Rede durch die Anonymität und die Möglichkeit der Manipulation von Identitäten beeinträchtigt wird.
Abschließend wird die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen die Entgrenzung des Selbst und die Möglichkeit zur Verfehlung von Tatsachenbezug im Internet auf unsere Welt haben. Es wird argumentiert, dass die Flucht vor dem eigenen Selbst und der Kritik der Mitmenschen durch die Nutzung des Internets keine Lösung für die Herausforderungen des menschlichen Zusammenlebens darstellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas, die zwischenmenschliche Kommunikation im Internet, die Entmenschlichung der Kommunikation, die Rationalität und Kritisierbarkeit von Äußerungen, die Problematik der Scheinidentitäten, die Verfehlung von Tatsachenbezug, die Bedeutung des Menschseins und der gemeinsamen Lebenswelt für eine gelingende Kommunikation.
- Arbeit zitieren
- B.A. Jan-Christian Hansen (Autor:in), 2013, Habermas "Theorie des kommunikativen Handelns" übertragen auf die zwischen-menschliche Kommunikation im Internet, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265270