Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Orientalismus
2.1 Grundzüge der Theorie Edward Saids
2.2 Bilder des Orients
3 A Passage to India
3.1 Imperialismuskritik?
3.1.1 Britische Symmetrie und indischer Staub
3.1.2 Soziales Mit-/Nebeneinander
3.2 Der indische Protagonist - Dr. Aziz als Vorzeige-Orientale
3.2.1 Unterwürfigkeit und Bewunderung
3.2.2 Bedrohung durch Potenz
3.3 Frauenrollen und ihre Funktion
3.4 Das wirkliche Indien
3.4.1 Das reale Indien westlicher Vorstellung
3.4.2 Indische Mystik: Der verborgene Tempel und die Lust
4 The Darjeeling Limited
4.1 Charakterisierung der indischen Protagonisten
4.1.1 Weibliche Individualität statt Frauenrolle
4.1.2 Distanzierte Strenge statt Lüsternheit und Bewunderung
4.2 Parodie westlicher Orient-Imagination
4.2.1 Infantile Protagonisten: Komische Verballhornung klischeebeladener Westler
4.2.2 Übertreibung und Hyper-Reality
5 Fazit
6 Bibliographie
1 Einleitung
Mit „Orientalism“ löste Edward Said viele Kontroversen aus. Die Grundthese seiner Arbeit lautet, dass „[t]he Orient […] an integral part of European material civilization and culture“1 ist, und „Orientalism that part culturally and even ideologically as a mode of discourse with supporting institutions, vocabulary, scholarship, imagery, doctrines, even colonial bureaucracies and colonial styles”2 formuliert und repräsentiert.
Dieser Diskurs wird noch immer fortgesetzt und die ihm inhärenten Vorurteile und Bilder des Orients sind auch in Filmen zu entdecken. Wie diese Verankerung von Klischees in ihnen aussieht und ob es überhaupt möglich ist, ihnen als europäischer oder US-amerikanischer Filmemacher zu entgehen, der sich mit einem nordafrikanischen, oder asiatischen Land beschäftigt, soll diese Arbeit nach einer kurzen Darstellung von Saids Orientalismus-Theorie, mithilfe der Analyse zweier beispielhafter Filme zeigen. „A Passage to India“ von David Lean behandelt explizit das Thema englischer Kolonialherrschaft und Imperalismus in Indien, während Wes Anderson in „The Darjeeling Limited“ ein Familiendrama im sel- ben Land inszeniert. Beide Filme sollen nach dem theoretischen Einstieg untersucht und verglichen werden. Saids Orientalismus-Konzept wird dabei als grober, übergeordneter Rahmen dienen.
Obgleich Said sich in seiner Untersuchung in erster Linie auf die arabischen Länder und kaum auf Indien bezieht, den Schauplatz der Filme, die Gegenstand dieser Arbeit sind, halte ich es für sinnvoll seine Theorie und das so aufgedeckte Denkmuster auch mit diesem Land in Bezug zu setzen, denn: „India has always been and continues to be integral to the West’s imaginative depiction of the mysterious and exotic ‚otherness‘ of the East.“3
Aufgrund des beschränkten Umfangs dieser Arbeit kann die Bearbeitung dieser Thematik nicht lückenlos bleiben. Aus diesem Grund sollen die Filme „A Passage to India“ und „The Darjeeling Limited“ überwiegend inhaltlich und nur dann unter technischen Gesichtspunkten (wie z.B. der Kameraführung) untersucht werden, wenn dies angesichts des Analyseschwerpunktes besonders bedeutsam scheint. Zudem werden zwangsläufig viele Auslassungen vorgenommen werden und die Untersuchung sich entsprechend auf Beispiele beschränken müssen.
2 Orientalismus
In seinem zuerst 1978 erschienenen Werk „Orientalism“, untersucht Edward Said das Verhältnis zwi- schen Nordamerika, sowie den ehemaligen Kolonialmächten Europas (insbesondere Frankreich und Großbritannien) und den kolonisierten Ländern des nahen und mittleren Ostens. Er entwickelt die Theo- rie, dass die westliche Vorstellung vom Orient nicht auf realen Gegebenheiten, sondern auf von Orien- talisten und mutmaßlich orientkundigen Schriftstellern entworfenen Bildern beruht, die stets von der eigenen (westlichen) Herkunft geprägt sind und somit niemals objektiv zu sein in der Lage sind.4 Daher ist der Orient seiner Meinung nach erst geschaffen, bzw. orientalisiert worden.5 Nachfolgend sollen die Grundzüge dieser Theorie zusammengefasst und das Bild „des Orientalen“6 nachskizziert werden, des- sen Konturen Said zufolge in den letzten Jahrhunderten entstanden. Fokussierungen und Auslassun- gen richten sich hierbei grundsätzlich nach dem Kriterium ihrer Notwendigkeit für die sich anschließen- den Filmanalysen.
2.1 Grundzüge der Theorie Edward Saids
Bereits die Zusammenfassung von natürlicherweise stark divergierenden kulturellen, ethnischen und religiösen Gegebenheiten in den verschiedenen Regionen des als „der Orient“ zusammengefassten Gebiets, oder einer vollends entindividualisierten Beschreibung „des Orientalen“ deutet auf die abstra- hierende und somit vereinfachende Tendenz hin,7 mit der westliche Denker ihrem Forschungsgebiet entgegentraten und es zum Teil durch Berufung auf die Vorreiter der Orientalistik noch immer tun. Sie ist eines von den Mitteln, die Said zufolge der Funktionalisierung des Orients als dem identitätsstiften- den „Anderen“ dienen.8 Das hegemoniale Auftreten der ehemaligen Kolonialmächte9 - und später auch der USA - gegenüber den Ländern des mittleren und nahen Ostens verstärkt den Effekt der Abgren- zung zu den durch Schriften und Erzählungen in Umlauf gebrachten Bildern des Fremden, des Ande- ren.
Orientalismus ist Said zufolge „a certain will or intention to understand, in some cases to control, mani- pulate, even to incorporate what is a manifestly different (or alternative and novel) world.”10 Immer mehr wurde das europäische Bild des Orients von den Schriften und Erkenntnissen der Orientalisten be- stimmt, sodass Westler auf Reisen in den Orient die Realität auf diese Texte anzuwenden bestrebt sind:
„It seems a common human failing to prefer the schematic authority of a text to the disorientations of direct encounters with the human.“11 Mit dem sich dergestalt gebildeten, mit politischer Macht verknüpften Diskurs12, geht ein bestimmtes Vokabular einher, das eine „fachgemäße“ Beschreibung des Orients und des Orientalen ermöglicht. Werke wie d’Herbelots „Bibliothèque orientale“ (1697), die lexikalische Systematisierungen vornehmen, fügen auf diese Weise dem Diskurs über das Orientale zwingende Bestandteile hinzu. Said nennt als Beispiel die einem von dieser Tradition bei Nennung Mohammeds aufgezwungene Aussage, „that Mohammed is an imposter.“13
Obgleich dieser Diskurs, dieses Vokabular eine einengende Funktion erfüllt, diente der Orient Autoren wie Flaubert oder Nerval als ästhetische Fundgrube.14 Orientale Figuren geben westlichen Dramen starke Konturen und bilden den passenden Hintergrund für die Abenteuer ihrer (europäischen) Helden. Die Frage, die sich jedoch zwangsläufig stellt, ist diejenige nach der Unmöglichkeit eines Autors oder Filmemachers, nicht in die Orientalismus-Falle zu tappen:
[…][T]he real issue is whether indeed there can be a true representation of anything, or whether any and all representations, because they are representations, are embedded first in the language and then in the culture, institutions, and political ambience of the representer.15
Auch diesem Problem soll anhand der Beispiele „A Passage to India“ und „The Darjeeling Limited“ in dieser Arbeit nachgegangen werden. Für genauere Anhaltspunkte darüber, wie laut Said das europäi- sche Bild des Orients oder des Orientalen aussieht, sollen nun einige seiner Merkmale zusammenge- fasst werden.
2.2 Bilder des Orients
Was Saids Beobachtungen zufolge den Orientalen in den Augen des Orientalisten in erster Linie ausmacht, ist die Tatsache, dass er kein Europäer ist. Er definiert sich im Grunde ex negativo, ausschließlich durch Abgrenzung und in Unterscheidung zum Westler. So zitiert Said beispielsweise E. B. Lord Cromer, der von den wirren Gedankengängen und rein deskriptiven Äußerungen des Ägypters im Unterschied zur von Logik und Skepsis geprägten Denkweise des Europäers berichtet.16
Stetig wiederkehrend ist das Motiv der Sexualität und Fruchtbarkeit, die der Orient zu verheißen scheint.17 Said beobachtet eine „equation of self-reproduction with colonization“18, und das Erkennen der Möglichkeit einer auch sexuellen Ausbeutung, beispielsweise in den metaphorischen Ausführungen Paul Leroy-Beaulieus. Eng angelehnt an diese Betrachtung des Orients, zeigt sich die Beschreibung orientalischer Frauen, wie derjenigen von Flauberts Kurtisane, Ruchuk Hânem. Ihr schreibt er emotiona- le Kälte und Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Freier zu und deutet zugleich darauf hin, wie sie ihn zur Selbstreflexion bewegt, eine Reaktion, die sich auch auf den Orient selbst verallgemeinern lässt. Said schreibt hierzu:
The Oriental woman is an occasion and an opportunity for Flaubert’s musings; he is entraced by her self- sufficiency, by her emotional carelessness, and also by what, lying next to him, she allows him to think.19
Und kurz darauf: „The Orient threw him back on his own human and technical resources. It did not respond, just as Kuchuk did not, to his presence.”20 Auch in dieser Hinsicht dient der Orient also der Identifikation des Europäers durch das Andere.
Untersucht Said in erster Linie die Gestaltung des Orientalen in seinem Fach, der Literatur, soll im Fol- genden analysiert werden, inwieweit auch das Medium Film Denkmuster des Orientalismus übernom- men oder überwunden hat. Matthew Bernstein gibt bereits einen Hinweis darauf, dass eher ersteres der Fall ist:
Western narrative and ethnographic cinemas of the late nineteenth and twentieth centuries inherited the narrative and visual traditions, as well as the cultural assumptions, on which Orientalism was based, and filmmakers discovered how popular Orientalism could be.21
Die anschließenden Untersuchungen von “A Passage to India“ und „The Darjeeling Limited“ sollen dazu dienen, dieser These auf den Grund zu gehen.
3 A Passage to India
„A Passage to India” ist David Leans letzter, vor seinem Tod realisierter, Film. Er beruht auf der Buch- vorlage von E.M. Forster, die in der folgenden Analyse jedoch unberücksichtigt gelassen werden soll, um den Film als eigenständiges Werk betrachten zu können, zumal sich Lean auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Da eine vollständige Untersuchung des 157-minütigen Epos angesichts des Umfangs dieser Arbeit nicht realisierbar ist, sollen bestimmte Themenkomplexe in den Fokus gerückt werden, deren Untersuchung sich hinsichtlich der Orientalismus-Theorie Saids besonders lohnenswert scheint.
3.1 Imperialismuskritik?
„A Passage to India“ richtet sich klar gegen das Gebaren englischer Imperialisten in Indien. Neben dem voreingenommenen Anklage- und Gerichtsverfahren gegen Dr. Aziz, welches fast den gesamten zwei- ten Teil des Films einnimmt,22 zeigt sich diese Haltung bereits in den vielfältigen Details zur Schilderung der örtlichen und sozialen Gegebenheiten zu Beginn, auf den hier ein Augenmerk gelegt werden soll.
3.1.1 Britische Symmetrie und indischer Staub
Nach ihrer Ankunft, passieren Ms. Quested und Mrs. Moore einen indischen Markt, gelangen jedoch bald in englisches Terrain. Ein deutliches Anzeichen der britischen Herrschaft bildet hier der in Detail- aufnahme gezeigte Wegweiser mit ausschließlich englischen Straßennamen.23 Die Kutschen fahren, nun in der Totalen gezeigt, einen tadellos gepflegten Weg mit angrenzendem Rasen, einem rotem Briefkasten, Blumenbeeten und Straßenlaternen entlang. Begrüßt werden sie dabei von einem gemä- ßigten Hundegebell, anders als Aziz und sein Freund, deren Heimkommen unmittelbar im Anschluss und aus der gleichen Perspektive gezeigt wird. Ihre Gegend ist staubig, bloß ab und zu mit ein wenig wildem Gewächs und groben Mauern statt mit perfekter Symmetrie gespickt und sie werden von fröhli- chem Kindergeschrei begleitet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Englische Wohngegend. A Passage to India [DVD], 00:12:35.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Indische Wohngegend. A Passage to India [DVD], 00:12:47.
Gezeigt wird hier die Veränderung, die mit der englischen Kolonialherrschaft einherging. Aus Indien wird eine britische Kolonie, mit Alleen und penibel angelegten Gärten statt unwirtlicher, nun ärmlicher scheinender Vorhöfe. Ella Shohat zeigt die Metaphorik der Urbar-, oder besser, Fruchtbarmachung des jungfräulichen Landes auf, das erst durch die Kolonisatoren zur vollen Blüte reift:
[…][T]he discourse of Empire suggests that ‘primitive’ landscapes (deserts, jungles) are tamed; ‘shrew’ peoples are (Native Americans, Africans, Arabs) are domesticated; and the desert is made to bloom, all thanks to the infusion of Western dynamism and enlightenment. Within this Promethean master-narrative, subliminally gendered tropes […] acquire heroic resonances of Western fertilization of barren lands.24
Lean verfällt diesem Diskurs willentlich oder nicht. Nichtsdestotrotz richtet er ein Augenmerk auf die offenkundige finanzielle Diskrepanz zwischen den Wohngegenden, welche klar das gesellschaftliche Verhältnis zwischen Kolonialherren und Kolonisierten widerspiegelt. Wer hier Bediensteter und wer Beschäftigender ist, ist augenfällig. Offen steht die Frage im Raum, warum und mit welcher Berechtigung die Hierarchien sind, wie sie sind.
Doch werden in „A Passage to India“ nicht ausschließlich landschaftliche Veränderungen und sozioöko- nomische Gefälle zwischen Wohngegenden der Inder und der Engländer aufgezeigt. Ganz im Gegenteil beleuchtet Lean in erster Linie das menschliche Mit- oder Nebeneinander zwischen den beiden Kultu- ren.
3.1.2 Soziales Mit-/Nebeneinander
Besonders Mr. und Mrs. Turton verdeutlichen mit ihren Auftritten die zumindest einseitig bewusst aufrecht erhaltene Kluft zwischen Engländern und Indern:
Mrs. Turton: East is East, Mrs. Moore. It’s a question of culture.25
Diese Haltung kristallisiert sich umso stärker bei der interkulturellen Gartenparty der Turtons heraus. Als „work“26 bezeichnen sie das kurze „Umherflanieren“ und Händeschütteln in der buchstäblich niedriger positionierten Masse indischer Gäste.
Mr. Turton: It’s a matter of fact, that we don’t come across them (den Indern) socially. They’re full of all virtues, no doubt, but…we don’t.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mr. und Mrs. Turton bereiten sich auf ihre „Pflichterfüllung“ vor. A Passage to India [DVD], 00:27:01.
Während die Engländer auf einer erhöhten Balustrade unter einem Schirm ihren Tee genießen, fängt die Kamera in dieser Halbtotalen auch die in der Sonne stehenden Inder ein, die von unten auf die Club-Mitglieder (und -Freunde) heraufschauen.
Für sie ist offensichtlich ein Inder wie jeder andere, sodass nicht einmal ihre Namen von Belang sind: Als Ronny Mr. Turton einen indischen Gast vorstellen möchte, dessen Name ihm entweder entfallen, oder auch für ihn bedeutungslos ist, bekundet Mr. Turton seine Freude ihn kennenzulernen ohne eben diese Nennung überhaupt abzuwarten.27 Dieser Gleichgültigkeit entspricht auch seine Ankündigung gegenüber Ms Quested: “We can produce you all the steady types you like: Hindus, Muslims, Sikhs, even a Parsee.”28
Mehrmalig, und so auch auf dieser Gartenparty, transportiert Lean das Unbehagen und die Scham ge- genüber der imperialen Intoleranz und Anmaßung in Form der Turtons, durch die Reaktionen Ms. Questeds und Mrs. Moores. Besonders deutlich wird dies, wenn die Club-Gesellschaft zum „God Save the Queen“ ansetzt und sich demgemäß feierlich und in Anbetracht ihrer örtlichen Situation in vollende- ter Absurdität erhebt, während die beiden Damen sich offensichtlich unbehaglich fühlen.29 Was Imperia- lismus jedoch wirklich bedeutet, zeigt sich vor allem darin, dass auch die indischen Hausangestellten gezwungen sind der Hymne ihren Respekt zu zollen. In ähnlicher Weise kann die Symbolhaftigkeit ge- deutet werden, mit der in dieser Szene der englische Gesang über den Wechsel des Geschehensortes vom Club zum Ganges gelegt wird. In der Totalen wird hier ein Beute-reißendes Krokodil im Monden- schein angedeutet und mit diesem Bild die Szene beendet, wodurch eine Parallele zwischen dem wehr- losen Opfer in den Fängen des Untieres zum Verhältnis zwischen Indien und seinen Kolonisatoren auf- gerufen wird.30
Auch Ronnys voreingenommene Urteilsfähigkeit und die seinen Landsleuten eigene Neigung zur Ver- allgemeinerung wird kritisch vorgeführt, wenn er sich ohne nach den Details zu fragen, über den fehlen- den Hemdknopf Aziz‘ mokiert: „And there you’ve got the Indian all over.“31 Ein Musterbeispiel für das Konzept des Saidschen Orientalismus bildet zudem seine Reaktion auf Ms. Quested Frage, ob er je in den Höhlen von Marabar war: „No, but I know all about them, naturally.“32 Sein Bild der Höhlen, die er nie betreten hat, ist Ronnys Meinung nach vollständig. Obgleich es nur aufgrund von Quellen zweiter Hand, vermutlich aus Texten und Erzählungen, gefertigt wurde, genügen ihm diese Informationen um sich seines ‚Wissens‘ über den Ort gewiss zu sein. An einer solchen Einsicht übt Lean durch Ms. Questeds ironische Reaktion Kritik.
„A Passage to India“ stellt also zweifelsohne mittels verschiedenster Wege Kolonialismus und Imperialismus infrage. Dieser Ansatz bleibt letztlich jedoch auf die Grundintention beschränkt, da David Lean seinen Film bewusst oder unbewusst in allzu vielen Stellen im Sinne des Orientalismus gestaltet, wie Said ihn beschreibt. Er nimmt also selbst die subjektive Betrachterposition eines distanzierten Europäers ein. Dies soll nachfolgend an weiteren Beispielen verdeutlicht werden.
3.2 Der indische Protagonist - Dr. Aziz als Vorzeige-Orientale
Die Figur des Dr. Aziz zu untersuchen, ist von außerordentlicher Bedeutung für die Probleme, die Leans Darstellung Indiens und seiner Einwohner aufwirft. Als einer der Protagonisten, müsste seine Rolle als Sympathieträger bereits vorgezeichnet sein. Dennoch sollen nachfolgend seine augenfälligsten Charakterzüge und die Wirkung skizziert werden, die er beim Rezipienten hervorruft.
[...]
1 Said, Edward: Orientalism, London 2003 (mit neuem Vor- und Nachwort gegenüber der Originalausgabe von 1978), S. 2.
2 Ebd.
3 Bose, Nandana: The Darjeeling Limited: Critiquing Orientalism on the Train to Nowhere, in: http://www.tft.ucla.edu/mediascape/Spring08_DarjeelingLimited.pdf (abgerufen am 14.08.2011), S. 1.
4 Vgl. Said: Orientalism, S.11.
5 Vgl. ebd., S. 5.
6 Wenn im Folgenden von „dem Orientalen“ oder „dem Orient“ gesprochen wird, so geschieht dies lediglich unter Berufung auf die Orientalisten, die diese Abstraktion vornehmen und nicht aufgrund der Überzeugung, dass eine solche Verallgemei- nerung sinnvoll sei.
7 Vgl. Said: Orientalism, S. 96.
8 Vgl. ebd., S. 43 und 54.
9 Vgl. ebd., S. 7.
10 Ebd., S. 12.
11 Ebd., S. 93.
12 Said wendet Foucaults Diskurstheorie für sein Werk an. Diese im Einzelnen zu erläutern würde den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen, daher soll an dieser Stelle ein erläuterndes Zitat Saids genügen: „The authority of academics, institutions, and governments can accrue to it [a text purporting to contain knowledge], surrounding it with still greater prestige than its practical successes warrant. Most important, such texts can create not only knowledge but also the very reality they appear to describe. In time such knowledge and reality produce a tradition, or what Michel Foucault calls a discourse, whose materi- al presence or weight, not the originality of a given author, is really responsible for the texts produced out of it. (Ebd., S.94).
13 Ebd., S. 71.
14 Vgl. ebd., S. 180-181.
15 Ebd., S. 272.
16 Vgl. Said: Orientalism, S. 38.
17 Vgl. ebd., S. 188.
18 Ebd., S. 219.
19 Ebd., S. 187.
20 Ebd., S. 188.
21 Bernstein, Matthew: Introduction, in: Bernstein, Matthew/ Gaylyn Studlar (hrsg.): Visions of The East. Orientalism in Film, New Brunswick/New Jersey 1997, S. 3.
22 Das Motiv der Vergewaltigung und die Darstellung des hieran angelehnten Prozesses gegen Dr. Aziz werden in dieser Arbeit ausgeklammert. Dies ist nicht etwa einer mangelnden Bedeutsamkeit für das hier behandelte Thema, sondern vielmehr seines Umfangs geschuldet. Für weiterführende Informationen zu dieser Thematik vgl. Shohat, Ella: Gender and Culture of Empire: Toward a Feminist Ethnography of the Cinema, in: Bernstein, Matthew/ Gaylyn Studlar (hrsg.): Visions of The East. Orientalism in Film, New Brunswick/New Jersey 1997, S. 40 ff.
23 Vgl. Reise nach Indien (A Passage to India). Regie und Drehbuch: Lean, David, GB/USA 1984. [DVD] erschienen in: Kinowelt Home Entertainment GmbH, 00:12:29.
24 Shohat, Ella: Gender and Culture of Empire, S.20.
25 Ebd., 00:07:33-00:07:47.
26 Ebd., 00:26:56.
27 Vgl. ebd., 00:27:42-00:27:45.
28 Ebd., 00:25:37-00:25:42.
29 Vgl. ebd., 00:25:46-00:26:14 und 00:30:36-00:30:46.
30 Vgl. ebd., 00:30:36-00:30:50.
31 Ebd., 00:40:30-00:40:37.
32 Ebd., 00:40:40-00:40:43.