Spätestens seit der EU-Osterweiterung wird die Situation der Roma und Sinti in Europa politisch diskutiert. 2005 bis 2015 wurde zur Dekade der Roma-Einbeziehung erklärt.Der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, fordert die Realisierung der Gleichstellung der zehn bis zwölf Millionen Roma und Sinti in Europa. Neben dem „Rahmenübereinkommen vom Schutz nationaler Minderheiten“ des Europarats erklärt er weitere positive Aktionen seitens der Politik für notwendig. In ganz Europa sollten Roma und Sinti in politischer wie gesellschaftlicher Praxis als nationale Minderheit anerkannt, geschützt und gefördert werden. Dazu gehören vor allem die Herstellung menschenwürdiger Wohnverhältnisse, die Kostenübernahmen im Rahmen staatlicher Sozialhilfe um Ghettos aufzulösen und die Herstellung chancengleicher Bildung ohne Segregation (Rose 2010: 8-9). In einem Radiointerview des Schweitzer Radiosenders DRS mit dem ungarischen Pfarrer Levente Shohaida geht es um genau diesen letzten Aspekt „Bildung als Ausweg aus der Misere“ (Lüthi 2010). Nach dem Shohaida und seine Frau als HEKS1-Stipendiaten in Zürich mit Straßenkindern gearbeitet hatten, entwickelten sie ein Projekt in Ostungarn, welches Roma Kinder motivieren soll zur Schule zu gehen. Schule solle nicht das Buchstaben- und Zahlenlernen bedeuten, sondern direkt lebensnahe Aspekte vermitteln. Die Kinder sollen sich mit Fragen wie: „Was will ich, wie verwirkliche ich etwas?“ und „Wie übernehme ich Verantwortung?“ beschäftigen. Shohaida erklärt die Methoden der letzten 30 Jahre für falsch. Die rein finanzielle Hilfe konserviere nur die Verhältnisse (Lüthi 2010). Dies bedeutet, dass die Roma die passive Rolle der separierten Empfänger behalten, ohne aktiv in die Verbesserung der Situation einbezogen zu werden.Wo beginnt man, will man die mehrheitlich schlechte soziale Position der Roma begründen?Einerseits muss man weit in die Geschichte zurück schauen.Wie und warum verließen sie Indien um 600 nach Christus? Wie kamen sie nach Europa? Auf welche Art wurden sie empfangen? Dies ist ein komplexes Forschungsfeld vor allem geschichtswissenschafftlicher Art. Ich gehe im Folgenden aus ethnologischer Sicht auf einen anderen zentralen Ursachenbrennpunkt ein: die Kindheit bei den Roma und Sinti. Diese Zeit ist von fundamentaler Bedeutung für die wissenschaftliche Analyse sozialer Verhältnisse, da es die ausschlaggebende Zeit ist, in der sich Hauptcharakteristika ausbilden und Grundregeln der Gesellschaft...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Roma-Kinder zwischen Familie und Staat
- Das Kind in der Roma-Familie
- Geschlechterrollen der Roma-Kinder
- Bildung: Ursache und Folge von Lebensumständen
- Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Lebensbedingungen von Roma-Kindern in Europa, insbesondere den Einfluss von Familie und Staat auf ihre Entwicklung. Der Fokus liegt auf der ethnologischen Perspektive, die die Kindheit als prägende Phase für die Herausbildung sozialer Charakteristika betrachtet.
- Die Rolle der Familie in der Roma-Gesellschaft
- Die Bedeutung von Verwandtschaftsstrukturen und Traditionen
- Der Einfluss von Vorurteilen und Diskriminierung
- Die Herausforderungen im Bildungssystem
- Der Zusammenhang zwischen Bildung, Arbeitslosigkeit und sozialer Marginalisierung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die politische Diskussion um die Situation der Roma und Sinti in Europa seit der EU-Osterweiterung. Sie hebt die Forderungen nach Gleichstellung und die Notwendigkeit menschenwürdiger Lebensbedingungen, insbesondere im Bereich der Bildung, hervor. Die Einleitung führt in die ethnologische Perspektive der Arbeit ein, indem sie die Kindheit als entscheidende Phase für die Herausbildung sozialer Charakteristika und die Analyse sozialer Verhältnisse betont. Die Bedeutung der Balance zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und individuellen Wünschen innerhalb der individualistischen, aber gemeinschaftlich orientierten Roma-Kultur wird angesprochen. Das Kind wird als handelndes Subjekt zwischen der Roma-Gemeinschaft und der Nicht-Roma-Gesellschaft positioniert, welches mit Vorurteilen konfrontiert ist und von Anfang an einen freien Willen zugeschrieben bekommt. Die Einleitung etabliert den Kreislauf aus Bildungsmangel, Arbeitslosigkeit und Marginalisierung als zentralen Problemkreis.
Roma-Kinder zwischen Familie und Staat: Dieses Kapitel analysiert die Lebensbedingungen von Roma-Kindern im Spannungsfeld zwischen Familie und Staat. Es beschreibt die zentrale Rolle der Familie als fundamentalen Wert und soziales Bauteil im Leben der Roma, wobei die enge Verbundenheit innerhalb der Familien und die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen hervorgehoben werden. Die Kapitel beschreibt die Strukturen von Roma-Familien und ihren Einfluss auf die Sozialisation der Kinder. Der Einfluss von Traditionen, wie die „marime“-Periode, wird erläutert, ebenso wie die Rolle von Paten und die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen innerhalb der Roma-Gemeinschaft. Die Kapitel zeigt die komplexen sozialen Interaktionen innerhalb der Roma-Gemeinschaft und deren Interaktion mit dem Staat auf.
Schlüsselwörter
Roma, Sinti, Kindheit, Familie, Staat, Integration, Bildung, Marginalisierung, Traditionen, Verwandtschaftsstrukturen, Diskriminierung, ethnologische Perspektive, soziale Verhältnisse.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Lebensbedingungen von Roma-Kindern zwischen Familie und Staat
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Lebensbedingungen von Roma-Kindern in Europa und den Einfluss von Familie und Staat auf ihre Entwicklung. Der Fokus liegt auf der ethnologischen Perspektive und der Kindheit als prägender Phase für soziale Charakteristika.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Rolle der Familie in der Roma-Gesellschaft, die Bedeutung von Verwandtschaftsstrukturen und Traditionen, den Einfluss von Vorurteilen und Diskriminierung, die Herausforderungen im Bildungssystem und den Zusammenhang zwischen Bildung, Arbeitslosigkeit und sozialer Marginalisierung. Besonders wird der Spagat zwischen der Roma-Gemeinschaft und der Nicht-Roma-Gesellschaft beleuchtet, in dem Roma-Kinder agieren.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel ("Roma-Kinder zwischen Familie und Staat") und ein Schlusswort. Die Einleitung beleuchtet die politische Diskussion um die Situation der Roma und Sinti in Europa und führt in die ethnologische Perspektive ein. Das Hauptkapitel analysiert die Lebensbedingungen von Roma-Kindern im Spannungsfeld zwischen Familie und Staat, beschreibt die Rolle der Familie und den Einfluss von Traditionen.
Welche Aspekte der Familie werden betrachtet?
Die Arbeit betrachtet die zentrale Rolle der Familie als fundamentalen Wert und soziales Bauteil im Leben der Roma. Die enge Verbundenheit innerhalb der Familien und die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen, Traditionen (z.B. die „marime“-Periode), die Rolle von Paten und die komplexen sozialen Interaktionen innerhalb der Roma-Gemeinschaft werden detailliert beschrieben.
Wie wird der Einfluss des Staates dargestellt?
Der Einfluss des Staates wird im Kontext des Spannungsfeldes zwischen Familie und Staat dargestellt. Die Arbeit beleuchtet die Herausforderungen im Bildungssystem und den Zusammenhang zwischen Bildung, Arbeitslosigkeit und sozialer Marginalisierung. Sie zeigt, wie der Staat auf die komplexen sozialen Interaktionen innerhalb der Roma-Gemeinschaft und deren Herausforderungen reagiert (oder nicht reagiert).
Welche Perspektive wird eingenommen?
Die Arbeit nimmt eine ethnologische Perspektive ein, die die Kindheit als entscheidende Phase für die Herausbildung sozialer Charakteristika und die Analyse sozialer Verhältnisse betrachtet. Das Kind wird als handelndes Subjekt zwischen der Roma-Gemeinschaft und der Nicht-Roma-Gesellschaft positioniert.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Roma, Sinti, Kindheit, Familie, Staat, Integration, Bildung, Marginalisierung, Traditionen, Verwandtschaftsstrukturen, Diskriminierung, ethnologische Perspektive, soziale Verhältnisse.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Lebensbedingungen von Roma-Kindern in Europa, insbesondere den Einfluss von Familie und Staat auf ihre Entwicklung. Sie betont die Notwendigkeit menschenwürdiger Lebensbedingungen, insbesondere im Bereich der Bildung, und die Forderung nach Gleichstellung.
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- Hildegard Pank (Author), 2011, Roma-Kinder zwischen Familie und Staat, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265481