Der Montanismus. Eine frühchristliche Häresie


Seminararbeit, 2008

16 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Verzeichnis

1. Einleitung

2.1. Ein neuer Prophet
2.2. Die Lehre
2.3. Die Quellen
2.4. Geschichte des Montanismus – Die ersten Jahrzehnte
2.5. Prophetie und Ekstase
2.6. Weitere Kritik der Orthodoxie
2.7. Tertullian
2.8. Das weibliche Element
2.9. Heidnische Einflüsse?
2.10. Ausblick

3. Schluss

4. Bibliographie

1. Einleitung

Bei der Beschäftigung mit dem Montanismus beginnen die Streitfragen und die Unklarheiten bereits mit der Definition dessen, worüber gesprochen werden soll. Handelt es sich bei der Bewegung des Montanismus um eine frühchristliche häretische Strömung, also um eine Irrlehre? Und was kann Irrlehre heissen in einer Zeit, in der von Orthodoxie nur sehr vorsichtig, sozusagen in Anführungsstrichen gesprochen werden kann? Oder haben wir es vielmehr mit dem ersten Schisma der entstehenden Kirche zu tun, wie andere annehmen,[1] also mit Differenzen in der Auslegung der grundsätzlich gemeinsam vertretenen Lehren? Diese Fragen können hier zwar nicht beantwortet werden, sollen aber eine Ahnung geben von den Schwierigkeiten, sich auch über grundlegende Fragen, die den Montanismus betreffen, einig zu werden. Es gibt kaum einen zunächst für gesichert gehaltenen Punkt, der nicht irgendwann – trotz des schmalen Umfangs der Literatur, der hier zur Verfügung steht – hinterfragt oder vielmehr bestritten wird.

Lebten die Montanisten in der Erwartung der unmittelbaren Endzeit? Führten sie pagane Elemente in den christlichen Kultus ein? Unterschieden sie sich in ihrer Wertschätzung von Frauen von den anderen (früh-)christlichen Gemeinden? War ekstatische Prophetie im christlichen Kontext üblich oder nicht? Auf einige dieser Fragen werde ich eingehen, doch werde ich mich, was die Hauptpunkte betrifft, auf die gelehrte Mehrheitsmeinung stützen und vor allem die Quellen zu Wort kommen lassen.

Dass die Quellen spärlich und einseitig verfasst sind, brauche ich – gerade angesichts eines solchen Themas – kaum zu erwähnen. Dennoch werde ich versuchen so gut als möglich zu referieren, was es mit diesem Mann namens Montanus und seinen Prophezeiungen auf sich hatte, und welche Unruhe er durch sein Wirken in die noch jungen christlichen Gemeinden brachte.

2.1. Ein neuer Prophet

„Im phrygischen Mysien soll ein Dorf namens Ardabau liegen. Daselbst soll ein Mann namens Montanus, einer von denen, die erst zum Glauben übergetreten waren, zur Zeit, da Gratus Prokonsul in Asien war, in dem unbändigen Verlangen, Führer zu sein, dem Widersacher Zutritt gestattet haben und, von Geistern beeinflusst, plötzlich in Verzückung und Ekstase geraten sein, so dass er anfing, Laute auszustossen und seltsame Dinge zu prophezeien, die offenkundig der alten kirchlichen Überlieferung und überkommenen Lehre widersprach.“[2]

So beginnt der anonyme Gewährsmann des Eusebius seine Beschreibung jener Bewegung, die – benannt nach der Gründerfigur Montanus - als Montanismus in die frühchristliche Religionsgeschichte eingegangen ist. Die Bezeichnung ‚Montanismus’ setzt sich allerdings erst allmählich durch (ab Mitte des 4. Jahrhunderts[3] ; zunächst wurde die Bewegung einfach als „phrygische“ bzw. „kataphrygische Sekte“[4] bezeichnet) und ist durchweg eine Fremdzuschreibung der Gegner; selbst nannten sich die Nachfolger des Montanus Anhänger der ‚ neuen Prophetie’ - eben der Prophetie jenes Montanus, der um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Phrygien (Zentralkleinasien) zu wirken begann. Schon zu Beginn seiner Tätigkeit schlossen sich ihm zwei weitere vom Geist erfüllte und ebenfalls weissagende Prophetinnen an, zwei Frauen namens Maximilla und Priscilla (bzw. ‚Prisca’), von denen es hiess, sie hätten ihre Ehemänner verlassen, um sich dem Montanus anzuschliessen[5], und die bald beinahe eben so wichtig für die Bewegung des Montanismus wurden wie Montanus selbst. Wie der Anonymus schreibt:

„Er (Montanus, P.S.) erweckte dazu noch zwei Weiber und erfüllte sie mit dem falschen Geiste, so dass sie gleich dem erwähnten Montanus Unsinniges, Wirres und Fremdartiges sprachen.“[6]

Dieses Gründungstrio des Montanismus scharte rasch etliche Anhänger um sich, und trat fortan mit einem tiefgreifenden und umfassenden Anspruch auf:

„Sie (Seine Anhänger, P.S) priesen Montanus als Paraklet und seine Anhängerinnen Priscilla und Maximilla als Prophetinnen des Montanus.“[7]

Was behaupteten nun diese ‚neuen’ Propheten vom Heiligen Geist höchstselbst vernommen zu haben? Und was lehrten sie ihre Anhänger? Der Kirchenhistoriker Apollonius schreibt:

„Doch wer dieser neue Lehrer ist, zeigen seine Taten und seine Lehre. Er ist es, der die Trennung der Ehen lehrte, Fastengesetze erliess, Pepuza und Tymion, kleine Städte Phrygiens, als Jerusalem bezeichnete, in der Absicht, daselbst Leute aller Gegenden zu vereinen.“[8]

2.2. Die Lehre

Da wir – ausser ein paar wenigen Orakelsprüchen – über keine literarischen Zeugnisse des Montanismus selbst verfügen, ist es nicht immer leicht einzuschätzen, wie seine Anhänger sich selbst wahrnahmen, und was nun – aus ihrer Sicht – den Kern ihrer Lehre ausmachte.

Wahrscheinlich ist, dass sie sich – zunächst - als eine durchaus orthodoxe, genuin christliche Erweckungsbewegung verstanden. Die Ingredienzien ihrer Verkündigung und ihres Glaubens scheinen – im Hinblick auf die frühchristliche Überlieferung – als nachgerade konventionell: Man war überzeugt, dass die Endzeit unmittelbar bevorstehe und dass jeder rechtgläubige Christ gut daran täte, sich entsprechend ernsthaft darauf vorzubereiten. Dazu dienten strenge Fastenregeln (die durch Montanus offenbar noch verschärft wurden), wenn immer möglich sexuelle Enthaltsamkeit, und das klaglose, ja freudige, Ertragen des Martyriums. Wie das Orakel – laut Tertullian – verkündete:

„Wünscht nicht, in Betten oder bei Entbindungen und in weichlichen Fiebern zu sterben, sondern in Martyrien, damit der verherrlicht werde, der für euch gelitten hat.“[9]

Doch schon hier beginnen die Schwierigkeiten: es ist umstritten, ob die erste Generation der Montanisten tatsächlich eine akute, d.h. zeitlich determinierte Erwartung des unmittelbar bevorstehenden Weltendes hegten. Auch widersprechen sich die Quellen, ob Montanus nun die Auflösung aller Ehen verlangte (bei Apollonius), oder ob er lediglich – angesichts des nahen Endes – die Zweitehe untersagte (die Sicht, die bei Tertullian überwiegt). Die dritte Unsicherheit betrifft die Frage des Martyriums. Auch hier ist unsicher, ob nur das willige Ertragen des Martyriums, oder aber dessen aktives Aufsuchen (z.B. durch Selbstanzeige) propagiert wurde.

Zentral scheinen ausserdem - zumindest für den frühen Montanismus - die phrygischen Ortschaften Pepuza und Tymion gewesen zu sein. Gemäss einem Orakelspruch, der bei Epiphanius überliefert ist, wurde die Herabkunft des ‚himmlischen Jerusalem’ (in der Johannes-Offenbarung als Anbruch des tausendjährigen Zwischenreichs auf Erden angekündigt) bei diesen beiden Orten prophezeit.[10] Bis heute ist nicht geklärt, wo sich diese Ortschaften befanden, (wenngleich einige Forscher und Archäologen kürzlich begründete Vorschläge gemacht haben, auf die ich aber hier nicht eingehen kann; siehe v.a. bei Tabbernee und Lampe !) noch, welche Bedeutung sie im Rahmen der montanistischen Weissagungen tatsächlich hatten, d.h. ob das ‚Dorf’ Pepuza (Tymion wird nur ein einziges Mal – bei Apollonius – erwähnt) symbolisch die Stellung eines neuen Jerusalem einnehmen würde (als die Stätte der letzten Offenbarung des Heiligen Geistes), oder ob tatsächlich mit der realen Niederkunft des himmlischen Jerusalem an dieser Stelle gerechnet wurde.

[...]


[1] Légasse, S. 160.

[2] Euseb. HE. 16,7.

[3] Hirschmann, S. 39.

[4] Euseb. HE. 16,1.

[5] ebd. 18,3.

[6] ebd. 16,9.

[7] ebd. 14.

[8] ebd. 18,2.

[9] Tertull. De fuga, 9,4. (Übers. Baumeister)

[10] Epiphan. Adv. Haer. 49,1,3. (Übers. Schöllgen)

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Montanismus. Eine frühchristliche Häresie
Hochschule
Universität Zürich  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Das Christentum vor dem Toleranzedikt
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V265907
ISBN (eBook)
9783656556220
ISBN (Buch)
9783656556282
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
montanismus, eine, häresie
Arbeit zitieren
Patrik Süess (Autor:in), 2008, Der Montanismus. Eine frühchristliche Häresie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/265907

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