Sprichwörter als sprachliche Routinen. Phraseologismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition von Sprichwörtern

3. Abgrenzung

4. Formale Merkmale

5. Sprichwörter als Phraseologism
5.1 Polylexikalit
5.2 Festigke
5.3 Idiomatizitä

6. Klassifikation von Sprichwörtern innerhalb der Phraseologie

7. Funktionen von Sprichwörtern

8. Aktualität von Sprichwörtern und ihre heutige Verwendung

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der alltäglichen Kommunikation greifen Sprecher immer wieder auf unterschiedliche Formen sprachlicher Routinen zurück. Diese werden folgendermaßen definiert:

Eine der Kreativität komplementäre Verhaltensweise, die sich auch in der Beherrschung formelhafter Wendungen und Texte sowie in der Einhaltung von Formulierungsmuster äußert. Sprachliche Routine heißt weiterhin, dass sprachliche Fertigteile (Wendungen, Textbausteine, Texte) in der Sprachgemeinschaft etabliert und individuell gespeichert sind, so dass sie wiederholt eingesetzt werden können, ohne Planungs- und Produktionsaufwand betreiben zu müssen“ (Stein 1995:127).

Zu diesen sprachlichen Stereotypen gehören auch die Sprichwörter, die sich in verschiedenen Sprachgemeinschaften finden lassen. Sie werden weithin unter dem weit gefassten Begriff des Phraseologismus eingeordnet und stellen dementsprechend einen Gegenstand der Phraseologie dar.[1] Gleichzeitig wird das Sprichwort aber auch innerhalb der sogenannten Parömiologie untersucht, einer eigenen kulturwissenschaftlich ausgerichteten Disziplin ( griech. Paroimia = Sprichwort) (Donalies 2009:93). Zu ihrem Aufgabenkreis gehören u.a. das Alter, die Herkunft, die Überlieferung, die Form, der Inhalt und die Funktion von Sprichwörtern (Mieder 1992:37).

Die wissenschaftliche Betrachtung von Sprichwörtern fußt dabei auf dem großen Interesse, dass das Sprichwort als ein Bestandteil des Volkstums und des Volksmunds sowohl bei Fachleuten als auch bei Laien erregt. So wurden im deutschsprachigen Raum lateinische, mundartliche und deutsche Sprichwörter je nach Zeitalter über die Epochen hinweg gesammelt und auch in der Literatur gepflegt. Ziele der Sammlungen waren meistens erzieherischer und schuldidaktischer Art (Dogbeh 2000:157). Einen ernsthaften wissenschaftlichen Charakter erhielt das Sprichwort in der deutschen Sprachwissenschaft erst im 19. Jahrhundert mit der bislang größten Sprichwortsammlung von Wander „Deutsches Sprichwörterlexikon“. Weitere bedeutende Nachschlagewerke sind z.B. Seilers Deutsche Sprichwörter-Kunde, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten von Röhrich (1973) und das Sprichwörterlexikon von H. und A. Beyer (1985) (ebd.).

Diese Betrachtung verdeutlicht, welchen relevanten Stellenwert die Sprichwörter im Kontext des sprachlichen Handelns innehaben. Dementsprechend sollen sie der Gegenstand der vorliegenden Arbeit unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Routinen sein. Zu diesem Zwecke wird im Folgenden zunächst eine Definition von Sprichwörtern erfolgen (Kapitel 2), um diese im Anschluss im Kapitel 3 von anderen ähnlichen sprachlichen Erscheinungen abzugrenzen. Weiterhin werden formale Merkmale des Sprichworts betrachtet (Kapitel 4). Ferner wird die Zugehörigkeit von Sprichwörtern zu Phraseologismen unter den Gesichtspunkten Polylexikalität, Festigkeit und Idiomatizität begründet (Kapitel 5), um sie daran anschließend in den Gesamtbereich der Phraseologie einordnen zu können (Kapitel 6). Letztendlich werden die verschiedenen Funktionen des Sprichworts in Kapitel 7 und die heutige Situation des Sprichwortgebrauchs (Kapitel 8) näher beleuchtet. Die Arbeit findet ihren Abschluss im neunten Kapitel, welches in Form eines Fazits die herausgearbeiteten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zusammenfasst.

2. Sprichwort Definition

In der Literatur ist eine Vielzahl von Definitionen zu Sprichwörtern zu finden. Es besteht ein großes Alltagsbewusstsein, was Sprichwort ist, und dieses steht im Einklang mit wissenschaftlichen Definitionen (Burger4 2010:109). Die Volksdefinition beschreibt Sprichwörter als „einen kurzen Satz der Weisheit“ (ebd.).

Als einer der ersten wissenschaftlichen Definitionen ist die von F. Seiler zu nennen. Er definierte Sprichwörter als „[i]m Volksmund umlaufende, in sich geschlossene Sprüche von lehrhafter Tendenz und gehobener Form“ (1918:2; zitiert nach Dogbeh 2000:15). Problematisch ist in dieser Definition die angenommene Lehrhaftigkeit des Sprichworts, gegen die schon André Jolles kräftigen Einspruch erhoben hat (Röhrich/Mieder 1977:1). Denn die Lehrhaftigkeit kann zwar eine Funktion von Sprichwörtern sein, muss es aber nicht sein, da es nur eine von vielen Funktionswerten des Sprichworts darstellt (ebd.).

Im Hinblick auf die Volksläufigkeit lässt sich zum einen aus der vorliegenden Definition schließen, dass Sprichwörter in einer Sprachgemeinschaft weit verbreitet und bekannt sein müssen, sowie dass sie ein kollektives Eigentum darstellen (Dogbeh 2000:16). Zum anderen entsteht ein Sprichwort zumeist im Volkstümlichen, und zwar durch die Verallgemeinerung von Erfahrungen und deren formelhafte Verewigung in einen moralischen Leitsatz (ebd.).

Einschränkend muss jedoch festgehalten werden, dass das Kriterium der Volksläufigkeit schwer bestimmbar ist. Schon 1836 erkannte Wander das Problem, was „Sprichwörtlichkeit“ überhaupt ausmacht (Mieder 1992:20). Egal ob mit höherer Mathematik oder Logik: Alle Verfahren können nur feststellen, ob ein bereits als Sprichwort bekannter Text als solcher bestimmbar ist (ebd.). Das Problem ist, dass keine Definition das eine Element aus Sprichwort-Text zu bestimmen vermag, das eben zu einem Sprichwort gehört, nämlich die Volksläufigkeit (ebd.). So fällt die Identifikation von neuen Sprichwörtern schwer, denn weder die Anzahl des Gesprochenwerdens, als die Anzahl der Sprecher kann festlegen, ob es sich um ein Sprichwort handelt (Mieder 1992:21).

Eine weitere Definition bietet Mieder, der unter Sprichwörtern „[…] allgemein bekannte, festgeprägte Sätze [versteht], die eine Lebensregel oder Weisheit in prägnanter, kurzer Form ausdrücken“ (1992:14). Er berücksichtigt die typische Struktur von Sprichwörtern, die als festgeprägt zu bezeichnen ist (ebd.). Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Sprichwörter in einer syntaktisch geschlossenen und dem Sprecher zum Gebrauch vorgefertigten Form vorliegt (ebd.). Somit müssen die Sprecher Sprichwörter meist nur in einen Kontext eingliedern, ohne eine syntaktische Übereinstimmung vorzunehmen (ebd.).

Die von Mieder angenommene vermeintliche Kürze des Sprichworts als allgemeingültige Größe lässt sich laut Dogbeh leichthin widerlegen, betrachtet man z.B. Sprichwörter wie Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er doch die Wahrheit spricht (2000:17).[2] Weiterhin wird in manchen Definitionen eine Allgemeingültigkeit von Sprichwörtern angenommen, wobei auch dieses scheinbare Charakteristikum ebenfalls schnell entkräftet ist, wenn bedacht wird, dass manches Sprichwort gleichzeitig die antonymische Bezeichnung eines anderen Sprichworts ist (ebd.). Begründet sieht Dogbeh diesen Umstand u.a. darin, dass eine schnelle Umwandlung von Einzelereignissen und Erfahrungen in feste praktische Lebensregeln erfolgt (ebd.). Zudem sind Sprichwörter in eine bestimmte historische Periode eingebunden (ebd.). Es bietet sich dementsprechend an, von einer „partiell gültigen Lebensregel“ zu sprechen, um auszudrücken, dass ein Sprichwort keine absolute Wahrheit ausdrückt (Röhrich/Mieder 1977:2).

Die hier erwähnten Definitionen lassen erkennen, wie schwierig eine einheitliche und gültige Definition von Sprichwörtern zu benennen ist.

Als Zusammenfassung der bisher genannten Definitionen lässt sich die folgende Definition von H. und A. Beyer nennen, die u.a. sowohl linguistische, soziologische als auch literarische Betrachtungsweisen miteinbezieht:

„Sprichwörter sind allgemein oder zumindest weithin bekannte, fest und dauerhaft geprägte Sätze, die eine prägnant formulierte Lebensregel bzw. verallgemeinerte Lebenserfahrung enthalten. In ihrer komplexen Aussage und ausgefeilten Gestalt bilden sie zugleich Miniaturtexte von manchmal großem poetischem Reiz. Prägnanz und Volkstümlichkeit nach Inhalt und Form sind unerlässliche Voraussetzungen für die Geläufigkeit des SW und für eine weitgehend mündliche oft über die Jahrhunderte reichende Überlieferung“ (1985:7).

Diese Definition zeigt auf, wie komplex und vielschichtig eine Definition von Sprichwörtern sein muss, um sie in ihrer Gänze erfassen zu können. Als zwei der wichtigsten Kriterien, die ein Sprichwort erfüllen muss, ist jedoch m.E. die Bekanntheit und auch die Festgeprägtheit dieser anzusehen, die wichtige Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu sprachlichen Routinen sind.

[...]


[1] Die Phraseologie ist eine Teildisziplin der Linguistik, die sich mit festen Wortverbindungen sowie formelhafter Sprache befasst.

[2] M.E. ist die Frage nach der Kürze eines Sprichworts als vermeintliches Merkmal nicht so leicht zu beantworten, da auch das von Dogbeh genannte Beispiel nicht über eine Zeile hinausgeht und damit eine gewisse Kürze aufzuweisen hat.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Sprichwörter als sprachliche Routinen. Phraseologismus
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltung
Phraseologismen
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V266102
ISBN (eBook)
9783656558286
ISBN (Buch)
9783656558255
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sprichwörter, routinen, phraseologismus, sprachliche Routinen, Phraseologie, Phraseologismen, Linguistik, Polylexikalität, Idiomatizität, Festigkeit
Arbeit zitieren
Anna Block (Autor:in), 2012, Sprichwörter als sprachliche Routinen. Phraseologismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266102

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Sprichwörter als sprachliche Routinen. Phraseologismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden