Wettbewerbsfaktor "Supply Chain-Prozesse". Einfluss optimierter Entwicklungsprozesse am Beispiel eines mittelständischen Automotive-Zulieferunternehmens


Bachelorarbeit, 2013

70 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Supply Chain Management
2.1 Definition
2.2 Supply Chain Management in der Automobilzulieferindustrie

3. Prozessmanagement
3.1 Definition eines Prozesses
3.2 Zielfelder Prozessmanagement
3.3 Vorteile Prozessmanagement
3.4 Entwicklungsprozess - Automobilindustrie

4. Prozessoptimierung - Konzepte
4.1 Lean Production
4.2 Six Sigma
4.3 Simultaneous Engineering
4.4 Produkt-Lebenszyklus-Management

5. Prozessoptimierung - IT Systeme
5.1 ERP - System
5.2 Manufacturing Execution System
5.3 PDM - System
5.4 CAx - Systeme

6. Praxisanwendung - Prozessoptimierung im Mittelstand
6.1 Zwischenfazit
6.2 Prozessoptimierung: Unternehmen Fischer Automotive Systems GmbH
6.3 Optimierungsweg
6.4 Das Fischer Prozesssystem
6.4.1 Starke Prozesse
6.4.2 Kontinuierliche Verbesserung - KVP
6.4.3 Just-in-Time
6.4.4 Kompetente Mitarbeiter

7. Optimierungsvorschlag
7.1 Six Sigma für den Mittelstand
7.2 Lean Production versus Six Sigma
7.3 Lean Six Sigma - Praxisumsetzung

8. Fazit & Ausblick

A. Anhang
Anhang 1: Darstellung PLM - Zyklus
Anhang 2: Typische Komponenten von ERP - Systemen
Anhang 3: Schnittstellen eines Manufacturing Execution Systems
Anhang 4: Fragebogen - Onlineumfrage Prozessoptimierungsmaßnahmen
Anhang 5: Situation vor und nach der Nivellierung und Glättung einer Montagelinie
Anhang 6: Blitz - DMAIC - Zyklus

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Darstellung des Entwicklungsprozesses in der Automobilindustrie

Abbildung 2: Six Sigma-Prozess

Abbildung 3: Einflussnehmende Systeme im Produktentwicklungsprozess

Abbildung 4: Anteile und Verwendung von CAx in der Produktenstehung

Abbildung 5: Fehlererkennung und Fehlerbehebung

Abbildung 6: Das Haus des Toyota-Produktionssystems

Abbildung 7: Das Fischer Prozesssystem

Abbildung 8: DMAIC - Zyklus

Abbildung 9: Lean Six Sigma - Verbesserungsprozess in drei Stufen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verbesserungsmöglichkeiten Supply Chain Management [eigene Darstellung in enger Anlehnung an: Werner - Supply Chain Management (2013), S. 1]

Tabelle 2: Optimierungsgründe mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 3: Optimierungsmaßnahmen mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 4: Projektorganisationsformen mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 5: Projektumsetzungsprobleme mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 6: Projektrealisierungen mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 7: Einsatzbereiche der Optimierungsmaßnahmen mittelständischer Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 8: Wahl weiterer Optimierungsmöglichkeiten von mittelständischen Automotive Zulieferunternehmen

Tabelle 9: Risikoeinschätzung einer mangelhaften Projektumsetzung von mittelständischen Automotive-Zulieferunternehmen

Tabelle 10: PDCA-Zyklus

Tabelle 11: Stärken, Schwächen und Unterschiede

Tabelle 12: Säulen des integrierten Lean Six Sigma-Einsatzes

1. Einleitung

Unternehmen des produzierenden Gewerbes stehen durch den globalen Wettbewerb unter einem massiven Druck. Einige Faktoren sind steigende Rohstoffpreise, steigende Löhne im Wettbewerb mit Niedriglohnländern, ein größeres Produktportfolio, kürzere Lieferzeiten und Wünsche nach reduzierten Lagerbeständen. Die Welt befindet sich in einem ständigen und immer schneller werdenden Wandel. Um die Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft garantieren zu können, sind Unternehmen gezwungen, ihre Kunden durch erstklassige Qualität, möglichst niedrige Preise und kurze Lieferzeiten an sich zu binden; das heißt, dass ein ganz entscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg die Kompetenz, innovative Produkte in hoher Qualität zu marktfähigen Preisen schneller als die Konkurrenz zu produzieren, darstellt. Zudem müssen interne wie auch externe Prozesse kontinuierlich verbessert werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Um dies erreichen zu können, ist es wichtig, dass die betroffenen Unternehmen passende Strategien entwickeln, um Verbesserungen und Kosteneinsparungen für sich erreichen zu können. Daher ist eine Kehrtwende vom reinen funktionalen Denken hin zum prozessorientierten Denken notwendig, um Potenziale zu analysieren und zu verwirklichen.

Die Automobilindustrie zählt in Deutschland, neben dem Maschinenbau, zu dem wichtigsten Wirtschaftszweig. Millionen von Menschen sind hier beschäftigt und tragen zum Erfolg des Industriestandorts bei. Durch die fortschreitende Globalisierung hat sich ein struktureller Wandel innerhalb der Wertschöpfungsketten vollzogen. Die Original Equipment Manufacturer (OEMs) beteiligen ihre Zulieferer immer mehr an den Entwicklungsprozessen und verringern im Gegenzug ihre eigene Fertigungstiefe. Daraus resultiert, dass die Koordination und Kooperation aller Beteiligten des Wertschöpfungsprozesses ausgebaut werden muss, da sich die Arbeitsteilung und die Wege der Zusammenarbeit von OEMs, Zulieferern und Dienstleistern grundlegend ändern. Die Geschäftsprozesse müssen mit den neuen Entwicklungspartnern über die Unternehmensgrenzen neu gestaltet werden. Daraus resultiert ein kontinuierlich wachsendes Unternehmensnetzwerk, dessen Planung, Steuerung und Kontrolle einen zunehmenden Wettbewerbsvorteil einnimmt. Diese Aufgabe übernimmt das Supply Chain Management. Um im Supply Chain Management Bestleistungen erreichen zu können, werden von Unternehmen Lieferketten, die auf plötzlich unerwartete Änderungen im Marktgeschehen reagieren können, errichtet. Flexibilität ist demnach der entscheidende Faktor, denn flexible Lieferketten bieten den Vorteil, schnell und kostengünstig reagieren zu können.

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einfluss optimierter Entwicklungsprozesse innerhalb der Supply Chain und des Prozessmanagements. Daher stehen folgende Forschungsfragen zur Diskussion:

-Was bedeutet Supply Chain Management in Verbindung mit Unternehmen der Automobilzulieferindustrie? -Welche Relevanz besitzt das Prozessmanagement für Unternehmen? Da für eine erfolgreiche Implementierung mehrere Tools zum Einsatz kommen, werde ich folgender Frage nachgehen:
-Welche Möglichkeiten bestehen, um Entwicklungs- und Produktionsprozesse zu optimieren?

Zuletzt soll eine Online-Umfrage Antworten auf folgende Frage geben: -Welche Möglichkeiten, Chancen und Risiken sehen mittelständische Automotive Zulieferunternehmen durch die Optimierung ihrer Prozesse?

Das Supply Chain Management umfasst die Bereiche Konzeptphase, Produktentwicklung, Musterphase, Vorserie/Nullserie, Serie, Aftermarket und Entsorgung.1 Aufgrund des großen Umfangs werden in dieser Arbeit ausschließlich die Produktentwicklungs- und Produktionsprozesse betrachtet. Da in der Europäischen Union (EU) kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit 99 Prozent aller Unternehmen vertreten sind und mehr als 67 Prozent der Arbeitsplätze stellen, werden diese aufgrund der hohen volkswirtschaftlichen Relevanz betrachtet.2 In Kapitel 2 wende ich mich dem Supply Chain Management (SCM) zu. Hierzu wird zunächst eine umfassende Definition des Begriffes erörtert und im Weiteren dargelegt, welche Funktion Unternehmen der Automobilzulieferindustrie in der Supply Chain haben. In Kapitel 3 soll ein allumfassendes Verständnis für das Prozessmanagement geschaffen werden, indem Definitionen, Ziele und Vorteile erörtert werden. Zum Abschluss des Kapitels folgt ein detaillierter Ablauf eines Produktentwicklungsprozesses in der Automobilindustrie. Zur Optimierung der Prozesse bestehen verschiedene Möglichkeiten, wobei in dieser Arbeit das Hauptaugenmerk auf Managementkonzepten und IT-Systemen liegt. Hierfür werden in Kapitel 4 und 5 unterschiedliche Wege aufgezeigt, aus denen sich die jeweiligen Vorteile herauskristallisieren sollen. Als praktischer Untersuchungsgegenstand dient ein mittelständisches Automotive Zulieferunternehmen, dem bereits durch die Optimierung der eigenen Produktionsprozesse und der Konzipierung eines eigenen Prozesssystems der Schritt in die richtige Richtung gelungen ist. Auf die Prozessoptimierung im Mittelstand sowie das Prozesssystem wird in Kapitel 6 ausführlich eingegangen. Kapitel 7 gibt einen weiteren Optimierungsvorschlag für das Unternehmen ab. In dem abschließenden Fazit wird eine Schlussfolgerung über die behandelten Kapitel abgeleitet und eine Zukunftsprognose über weitere Entwicklungsmöglichkeiten der Automobilzulieferindustrie gegeben.

2. Supply Chain Management

2.1 Definition

Durch die zunehmende Verflechtung der Märkte ist seit längerem die Optimierung der Supply Chain ein zentrales Thema. Die überaus hohen Rationalisierungspotenziale sind hierbei ein großer Anreiz, Supply Chain Management einzuführen.3 Die Tabelle 1 zeigt die Verbesserungspotenziale der verschiedenen Bereiche.

Tabelle 1: Verbesserungsmöglichkeiten Supply Chain Management [eigene Darstellung in enger Anlehnung an: Werner - Supply Chain Management (2013), S. 1]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In dieser Tabelle wird bereits deutlich, wieviel Potenzial in der Optimierung des Produktentstehungsprozesses steckt.

Supply Chain Management bietet die Möglichkeit, Verbesserungspotenziale an den Schnittstellen unternehmensintern, als auch im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk aufzudecken.4 Dieser Eingliederungsgedanke nimmt Bezug auf die Wertschöpfungskette Michael E. Porters. Porter bezeichnet Organisationsabläufe als Resultat wertschöpfender Aktivitäten. Die interne Wertschöpfungskette umfasst die Hauptbereiche: Eingangslogistik, Produktion, Marketing & Vertrieb, Ausgangslogistik sowie Kundendienst. Umgeben werden diese von: Infrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung und Beschaffung. Porter sieht Differenzierungs- und Kostenpotenziale gegenüber der Konkurrenz in der Optimierung der internen Wertschöpfungsprozesse.5

Das Supply Chain Management bezieht sich sowohl auf unternehmensinterne als auch auf netzwerkgerichtete Prozesse. Unterteilt werden diese in: Entwicklungs-, Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozesse.6 Demnach gehören zu einer Supply Chain auch alle Unternehmen, die ihren Beitrag an der Entwicklung, Erstellung und Lieferung eines Produktes leisten. Primäres Ziel des Supply Chain Managements ist es, den Kundennutzen sowie den Gewinn bei simultaner Kostenminimierung zu maximieren. Daraus lässt sich ableiten, dass eine hohe Leistungsfähigkeit des Unternehmens erreicht werden soll. Erzielt werden kann diese durch eine hohe Lieferfähigkeit, Liefertreue und Produktqualität gegenüber niedrigen Prozess- und Bestandskosten.7 Somit ist das Supply Chain Management ein Ansatz, der die Optimierung der Interessen aller Beteiligten sowohl auf Kunden- als auch Lieferantenseite zum Ziel haben soll. Die Einzelziele der Unternehmungen werden durch eine hohe Performance der gesamten Supply Chain gewährleistet.8 Das heißt, dass alle in die Supply Chain involvierten Partner Einfluss auf den Erfolg des jeweils anderen nehmen können.

Die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit innerhalb eines Supply Chain Netzwerks hat besondere Effizienzvorteile für die internen Fachbereiche Konstruktion & Entwicklung. Entwicklungspartner können sich gegenseitig durch eine flexible und bedarfsgerechte Ressourcenverstärkung sowie die Bereitstellung von spezifischem Know-How unterstützen. Durch die enge Kooperation können so verstärkt Doppelarbeiten vermieden werden. Große Bedeutung kommt hier dem Simultaneous Engineering zu. Das Simultaneous Engineering macht eine parallelisierte und synchronisierte Produktentwicklung und Prozessplanung möglich. Die Verbesserungspotenziale werden hier durch ein integriertes Produktdaten- und ProduktLebenszyklus-Management verwirklicht und Entwicklungs- und Transaktionskosten reduziert.9 Das Simultaneous Engineering sowie das Produktdaten- und ProduktLebenszyklus-Management werden in einem späteren Kapitel ausführlicher erklärt, um die umfassenden Vorteile dieser Instrumente weiter zu präzisieren.

2.2 Supply Chain Management in der Automobilzulieferindustrie

Für die Beherrschung komplexer Abläufe, die für den Unternehmenserfolg unerlässlich sind, stellt die Automobilindustrie ein Paradebeispiel dar. Diese Voraussetzung gilt für sämtliche, am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen.10 Durch unternehmensübergreifende Zusammenarbeit versuchen Hersteller und Lieferanten permanent, ihre Kostenstruktur zu optimieren und gleichzeitig ihre Produkte individuell zu gestalten. Hierbei werden sie vor die Aufgabe gestellt, den Kundenanforderungen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Sicherheit und Umweltanforderungen, gerecht zu werden. Außerdem sind sie gezwungen, permanent ihre Arbeitsproduktivität zu optimieren, da sie stagnierende Neuwagenverkaufspreise bei simultaner Verbesserung der Fahrzeugausstattung unter einen ernormen Kostendruck stellen.11

Automobilhersteller lagern daher zunehmend Wertschöpfungsprozesse wie Entwicklungs-, Fertigungs-, Logistik- und Systemintegrationsaufgaben an ihre Netzwerkpartner aus, um sich besser auf ihre Kernkompetenzen - Marke, Design, Vertrieb und Dienstleistung - konzentrieren zu können.12 Aufgrund dieses hohen Verlagerungsausmaßes sind die Schnittstellen zwischen Hersteller und Lieferanten durch eine zunehmende Vernetzung gekennzeichnet. Zulieferer können durch das erweiterte Aufgabengebiet zusätzlich von Wachstumsmöglichkeiten profitieren.

Die OEMs versuchen bereits in der frühen Produktentwicklungsphase, die Zulieferer vollständig einzubinden.13 Um den Prozess der Entwicklung bis zur Serienreife gemeinsam erfolgreich zu gestalten, ist demnach eine kooperative Abstimmung von Zielen und Aufgaben zwischen Hersteller und Lieferanten notwendig.14 Dadurch wird eine höherwertige IT-Vernetzung und damit einhergehend, die Notwendigkeit höherwertige IT-Systeme einzuführen, zwingend notwendig. Erxleben bezeichnet das Supply Chain Management als: „(...) ein System aus integrierten DV-Tools zur Unterstützung der unternehmensübergreifenden Logistik, sowie eine Organisations- und Managementphilosophie von Wertschöpfungspartnern."15 Zwar ist es nicht zu leugnen, dass erfahrene Fachleute für die Praxis unersetzbar sind; allerdings reichen selbst die umfangreichsten Fachkenntnisse nicht, um die Supply Chain Prozesse zu beherrschen. Ein allein von Personen manuell ausgeführter Prozess ist also nicht in der Lage, dem gerecht zu werden.16

Die effiziente Entwicklung einer praktikablen IT-Lösung setzt voraus, dass sämtliche Funktionsbereiche der Supply Chain wie: Vertrieb, Beschaffung, Produktion, Entwicklung und Logistik eng zusammenarbeiten und ihre individuellen Anforderungen an das System einbringen.17 Die OEMs gelten als Vorreiter des Supply Chain Management-Ansatzes und haben die Implementierung der gesamten Wertschöpfungskette in eine SCM-Software vorangetrieben. Die Automobilgiganten General Motors, Ford Motor Company und Daimler Chrysler gingen sogar noch einen Schritt weiter und machten den Einsatz von SCM-Software für ihre Zulieferer zur Auflage.

Probleme bei der Integration von System-, Modul-, Komponenten- und Rohteillieferanten entstanden durch die erheblichen Differenzen der Unternehmensgrößen untereinander. Ein Vorteil, der den vielen KMUs der Zulieferbranche zugute kam, war die hohe Anpassungsfähigkeit bei der Einführung neuer Prozessabläufe aufgrund ihrer geringen Größe. Problematisch war allerdings das hohe Maß an Skepsis und Risikoeinschätzung gegenüber der Einführung einer SCM- Software. Im Vergleich zu Großunternehmen sind KMUs wesentlich kapitalschwächer, und eine kostspielige Systemimplementierung dieser Größenordnung birgt ein hohes Risiko in sich. Ein weiterer Risikofaktor entsteht durch die erhöhte Tranparenz einer Netzwerkkooperation durch die sie Gefahr laufen, von Großunternehmen aus dem Markt gedrängt zu werden.18 Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein gefördertes Verbundprojekt initiiert, bei dem sich mehrere KMUs zu virtuellen Systempartnern zusammenschließen konnten.19

Systemlieferanten, die in der Regel dem Großunternehmenssegment zuzuordnen sind, hatten ganz andere Problematiken zu bewältigen. Im Vergleich zu den KMUs haben diese ein wesentlich größeres Volumen mit vielen Unternehmensschnittstellen zu Kunden und Lieferanten der unteren Hierarchieebenen der Wertschöpfung vorzuweisen. Da ihre Produktionsstätten meist global verteilt sind, gleicht schon dieses einem Supply Chain Netzwerk. Systemlieferanten, die das Fachwissen für die Entwicklung, die Funktionalität und das Handling besitzen, bekommen die Verantwortung hierfür immer mehr von den OEMs übertragen. Im Gegenzug lagern sie, um dem Zeitdruck zu widerstehen, diese Wertschöpfungsprozesse an Komponenten- und Teilelieferanten aus. Das Konzept des SCM-Ansatzes gestaltet sich somit aufgrund der erhöhten Komplexität als sehr schwierig.20 Um die Supply Chain Prozesse erfolgreich zu steuern, werden nicht nur früh einsetzende Basisprozesse erforderlich, sondern auch homogene Prozesse, die nach gleichartigen Grundsätzen betrieben werden.21 Dies setzt ein ausgereiftes Prozessmanagement voraus, wie ich im Folgenden aufzeigen werde.

3. Prozessmanagement

Für praktisch jedes Unternehmen gilt heutzutage die Voraussetzung, Prozesse zu strukturieren und zu steuern. Prozesse mit guter Struktur sind von hoher Relevanz, um Chaos in Unternehmen gar nicht erst entstehen zu lassen. Dies gilt für jede Branche, jede Organisationsgröße und beinahe jede Managementangelegenheit. Das Prozessmanagement sorgt hierbei dafür, dass die Leistung als zentraler Bestandteil gilt, indem es seine Orientierung auf sieben unterschiedliche Faktoren legt. Diese Faktoren hat Stöger wie folgt definiert:

1. Resultatorientierung
2. Kundenorientierung
3. Beitrag ans Ganze
4. Kontrollierbarkeit, Messbarkeit, Beurteilbarkeit
5. Wiederholbarkeit und Routine
6. Verantwortlichkeit
7. Führbarkeit

Die Resultatorientierung ist gegeben, wenn die Verkettung von mehreren Aktivitäten in einem Prozess im voraus definiert werden kann und ihn somit auf ein bestimmtes Ziel hinlenken. Der Output oder das Resultat eines Prozesses ist immer für einen Kunden bestimmt. Dieser definiert das gewünschte Ergebnis und ist an einem qualitativ hochwertigen Ergebnis interessiert. Der hohe Grad an Arbeitsteilung in einem produzierenden Industrieunternehmen macht eine Einzeloptimierung von Prozessen unmöglich. Es ist also erforderlich, den gesamten Unternehmensprozess zu optimieren. Um einen Prozess verbessern zu können ist es unerlässlich, dass das Resultat messbar, die Qualität beurteilbar und der Ablauf kontrollierbar ist, um diesen nachhaltig verbessern zu können. Prozesse sind keine einmaligen Projekte; daher dürfen sie keine Einzel- oder Ausnahmefälle sein. Sie können unabhängig von der Person ausgeführt werden; wichtig ist aber, dass sie richtig ausgeführt werden. Daher übernimmt eine bestimmte Person die Verantwortung für einen Schlüsselprozess und dessen Ergebnisse gegenüber internen und externen Interessensvertretern. Prozesse benötigen zudem die Eigenschaft der Führbarkeit, da ihr Erfolg sich nicht nur aus der praktischen Umsetzung und der fachlichen Kompetenz der Prozessausführenden umsetzen lässt. Die Potenziale in Qualitätsverbesserung, Kostensenkung und Zeitreduktion lassen sich nur durch eine zielgerichtete Führung erreichen.22

3.1 Definition eines Prozesses

In der Literatur gibt es unterschiedliche Definitionen, wenn es um den Begriff "Prozess" geht. Vereinfacht kann man diesen definieren als Vorgang, der Input (Informationen, Gegenstände, Ereignisse und/oder Zustände) häufig über mehrere Tätigkeitsstufen in Output (erstelltes Produkt) transformiert. Das Ziel des Transformationsprozesses ist es, einen Wert für den Kunden zu schaffen.

In Prozessen sind die einzelnen Arbeitsabläufe sowie deren Reihenfolge klar definiert. In ihnen sind die Schnittstellen eindeutig dargestellt und festgesetzt. Die Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter sind beschrieben, ebenso wie Gesundheits- und Arbeitsschutzrichtlinien einzuhalten sind, und wie die Kooperation mit externen Wertschöpfungspartnern auszusehen hat.23 Beim Ablauf eines Unternehmensprozesses werden von außen durch einen Lieferanten Waren oder Informationen über die Prozessgrenze eingeschleust; das heißt, dass das Startereignis bei einem Unternehmensprozess durch die Bestellung vom Kunden ausgelöst wird. Zielereignis oder Output ist demnach das gelieferte Produkt. Vor der eigentlichen Ausführung des Auftrags werden die benötigten Ressourcen für den Input sowie das zu erzeugende Output nach mengen- und zeitkritischen Faktoren definiert. Lieferanten und Kunden können beidermaßen, unternehmensintern als auch unternehmensextern, veranlagt sein.24

3.2 Zielfelder Prozessmanagement

Die Zielfelder des Prozessmanagements sind in der Literatur sehr vielseitig beleuchtet, ähneln sich allerdings in gewissen Punkten. Stöger teilt die Zielfelder des Prozessmanagements in Qualität, Produktivität, Innovationsfähigkeit und Management ein. Qualität ist hierbei äquivalent mit Effizienz; das heißt, die Prozessausrichtung soll sich stets an den Qualitätsansprüchen der Kunden, welche die Kaufentscheidung des Kunden positiv beeinflussen, orientieren. Produktivität oder auch Effizienz soll erreicht werden, indem ein gleichbleibender Output bei einem geringeren Kostenniveau, oder ein konstantes Kostenniveau bei höherem Output angestrebt wird und die Prozesse wirtschaftlicher gestaltet. Innovationsfähigkeit soll erreicht werden, indem künftige Prozesse so gestaltet werden, dass die Vorgehensweise von der Ideenfindung über Entscheidungen bis hin zu Innovationsaufträgen und deren Durchführung klar definiert sind und das essentiell wichtige Controlling beinhalten, um Verbesserungspotenziale ausfindig zu machen. Das Managementziel definiert Stöger als maßgeblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Hier ist das Management gefordert, indem es Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten klar festlegt.25

Posluschny teilt die Erwartungen an Prozesse in die Punkte Effektivität, Effizienz, Flexibilität, Schnelligkeit, Pünklichkeit und Transparenz ein. Flexibilität der Prozesse soll durch die ständige Anpassung an die veränderten Kundenerwartungen unter Einfluss der jeweiligen technischen Möglichkeiten erreicht werden. Die Faktoren Schnelligkeit und Pünktlichkeit sollen durch Reduzierung von Warte- oder Liegezeiten zwischen den Schnittstellen erreicht werden. Dabei ist es von äußerster Brisanz, dass die Prozesse transparent für alle Beteiligten dargestellt werden.26

3.3 Vorteile Prozessmanagement

Kuiper hat die Vorteile durch Prozesse äußerst umfangreich beschrieben. Sie sieht die primären Vorteile gut strukturierter Prozesse in der Erhöhung der Kundenzufriedenheit durch transparente und möglichst fehlerfreie Abläufe. Eine Entflechtung der Komplexität kann erreicht werden, indem einzelne Teilprozesse und Schnittstellen im Unternehmen ideal gestaltet werden. Ebenfalls besteht die Möglichkeit der Reduktion von Lagerbeständen, indem eine exakte Fertigungsplanung durchgeführt wird. Aus den verminderten Beständen resultiert damit auch eine Verkleinerung der Fertigungs- und Lagerfläche. Eine Reduzierung der Fehlerhäufigkeit wird im Prozessmanagement angestrebt, indem Kontrollmechanismen festgelegt werden und sich die ausführenden Kräfte durch eine arbeitsplatzübergreifende Denkweise gegenseitig für einen fehlerfreien Durchlauf unterstützen. Durch die Analyse von doppelt ausgeführten Prozessen können Gemeinkosten verringert und die Qualität des Produktes verbessert werden. Das gelingt, wenn durch die systematische Gestaltung der Prozesse diese automatisch auf ihre Qualität überprüft werden. Des Weiteren soll eine Erhöhung der Rendite erreicht werden, indem durch Reduktion der Fehlerhäufigkeit und der Einzel- sowie der Gemeinkosten die Kapitalrendite gesteigert wird. Ein weiterer Vorteil ist in den kürzeren Entscheidungswegen durch fest definierte Zuständigkeiten zu sehen, sodass Entscheidungen in einem wesentlich kürzeren Zeitrahmen getroffen werden können.27 Betrachtet man die Ausführungen der drei Autoren, so wird deutlich, dass einerseits eine Kostenreduktion der Prozesse, eine höhere Produktivitätsrate sowie eine höhere Kundenzufriedenheit angestrebt werden soll.

3.4 Entwicklungsprozess - Automobilindustrie

Die Abbildung 1 stellt den Basisablauf eines Entwicklungsprozesses in der Automobilindustrie dar. In der Abbildung wird deutlich visualisiert, welche Phasen im kompletten Produktentstehungsprozess durchlaufen werden. Klar wird gezeigt, dass die Zulieferer bereits in der Konzeptentwicklungsphase für die Auslegung und Fertigung des Prototypen mit einbezogen werden und über die Serienentwicklungsphase bis zum Produktionsstart der Serie einen festen Bestandteil im Produktentstehungsprozess einnehmen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Darstellung des Entwicklungsprozesses in der Automobilindustrie [eigene Darstellung in enger Anlehnung an: Braess & Seiffert - Vieweg Handbuch der Kraftfahrzeugtechnik (2011), S. 881]

Die beiden Schnittstellen zwischen der eigentlichen Entwicklungsphase bilden die vorgelagerte Konzeptphase sowie die nachgelagerte Serienentwicklungsphase. In der Konzeptphase wird bereits ein Team aus Spezialisten der Modul- und Systemlieferanten sowie dem OEM zusammengestellt. Wichtigste Abteilung ist hier die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, die eine gemeinsame Konzeptauslegung mit dem Kunden anstrebt. Die Fachbereiche Einkauf und Vertrieb fungieren lediglich als beratende Instanz, um den zukünftigen Bedarf des Produktes und den Zielverkaufspreis festzulegen.28

In der eigentlichen Entwicklungsphase wird nach den Vorgaben des Lastenheftes die Produktentwicklung durchgeführt. Die Zusammenarbeit erfolgt in einem Simultaneous Engineering. Es werden verschiedene Produktvarianten ausgelegt und als Prototypen auf dem Prüfstand getestet. Abgeschlossen wird die Testphase, wenn alle kritischen Merkmale aus dem Lastenheft erfüllt wurden. Zusätzlich werden in dieser Phase des Produktlebenszyklus Maschinen und Werkzeuglieferanten in den Entwicklungsprozess involviert, um vorzeitig sämtliche Optimierungspotenziale für die spätere Serienfertigung zu erörtern. An diesem Punkt wird auch entschieden, wieweit die Fertigungstiefe gehen soll und bei welchen Komponenten aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten besser zugekauft werden sollte. Diese Festlegung ist für die Auslegung der Fertigungsstraßen oder Fertigungszellen zwingend notwendig. Die benötigten Maschinen und Betriebsmittel werden nun beschafft, oder auf die jeweiligen Bedürfnisse umgearbeitet. Anschließend wird ein Marketingkonzept enwickelt sowie eine Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt. Nachdem das Pflichtenheft und sämtliche fertigungsrelevanten Zeichnungen durch das Projektteam freigegeben wurden, ist der Entwicklungsprozess abgeschlossen.29

Das Projektteam wird während der Musterphase um die restlichen, am Wertschöpfungsprozess beteiligten Mitglieder erweitert. Zu diesem Zeitpunkt wird das Projekt noch bis zum Serienanlauf vom Entwicklungsteam begleitet. Das primäre Ziel der Musterphase ist es, das entwickelte Produkt sowie die zugehörigen Produktions-, Montage- und Prüfprozesse serientauglich zu optimieren. Daher werden aus Rationalisierungsgründen noch erhebliche Änderungen am Produkt sowie am Herstellungsprozess vorgenommen. Um die Produktionslinien möglichst effizient planen zu können, muss der Verkauf und das Marketing verlässliche Absatzzahlen vom Kunden anfordern. Angestrebt wird eine frühzeitige Beendigung der Phase, um das Produkt am Markt platzieren zu können und sich gegenüber Wettbewerbern Marktvorteile zu sichern. Wurden die Prozesse serientauglich gestaltet, werden die Produkt- und Fertigungslinien freigegeben und die Musterphase ist beendet.30 31

4. Prozessoptimierung - Konzepte

4.1 Lean Production

Das Konzept Lean Production hat seinen Ursprung in Japan und wurde von Taiichi Ohno dem Betriebsleiter des Automobilkonzerns Toyota erfunden.32 Das Toyota Produktionssystem steht weltweit für das Optimum einer schlanken Produktion. Tragende Elemente von Lean Production stellen die Vermeidung von Verschwendung und der kontinuierliche Verbesserungsprozess dar, durch die eine nachhaltige Optimierung der Produktion erreicht werden soll.33

Die Verschwendungsarten lassen sich in die Kategorien Ausschuss und Nacharbeit, Überproduktion, erhöhte Lagerbestände, Material- oder Vorproduktbewegungen, nicht wertschöpfende Prozesse, Transportzeiten, Prozess-Wartezeit und Energie einteilen, die es zu eliminieren gilt.34 Generell lassen sich aber der Kategorie Verschwendung sämtliche Aktivitäten und Ressourcen zuordnen, die keinen Mehrwert für den Kunden erzeugen.35 Kontinuierliche Verbesserung steht für die ständige und in kleinen Schritten vollzogene Optimierung von Prozessen durch das Fachpersonal.36 Lean Production lässt sich in allen Unternehmensbereichen anwenden und versucht, durch die Einbeziehung aller am Wertschöpfungsprozess Beteiligten, die Prozesskette zu optimieren. Als größte Stärke kann hier die Fähigkeit, in jedem Prozess die Verschwendung zu erkennen und zu beseitigen, genannt werden.37

Um Verschwendung im Sinne der Lean Production zu vermeiden, hat sich ein bestimmtes Werkzeug als besonders effektiv erwiesen. Die sogenannte 3 MuCheckliste. Die 3-MUs stehen für Muda, Muri und Mura die es allesamt zu minimieren oder gar zu eliminieren gilt.38 Muda steht dabei für nicht wertschöpfend und bezieht sich auf die bereits genannten acht Verschwendungsarten. Muri hat die Bedeutung, dass eine Überlastung von Menschen und Maschinen vorliegt. Eine Überlastung von Mitarbeitern der Produktion kann zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko führen, oder die Qualität des Produktes negativ beeinträchtigen. Eine Überlastung der Maschinen führt wiederum zu vermehrten Ausfällen und erhöhten Instandhaltungsaufwendungen. Mura bedeutet direkt übersetzt Ungleichmäßigkeit und ist der Hauptverursacher von Muda. Diese Ungleichmäßigkeiten im Produktionsprozess können aufgrund konjunktureller Absatzschwankungen oder interner Probleme, wie einer erhöhten Ausschussquote oder Maschinenstillstandszeiten entstehen. Ziel der 3-Mu-Checkliste ist demnach, die Prozesskosten zu senken, die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Zufriedenheit der Kunden nachhaltig zu verbessern. Die Checkliste bildet hierbei die Grundlage, dass keines der Ms vergessen wird und sie in der angegebenen Reihenfolge beseitigt werden.39

Der kontinuierliche Verbesserungsprozess, im Weiteren als KVP bezeichnet, soll gewährleistet werden, indem Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge zu Arbeitsabläufen in ihrem Verantwortungsbereich beschreiben.40 Der KVP lässt sich hierbei in drei unterschiedliche Kategorien einteilen. Der Mitarbeiter-KVP ist Teil des Tagesgeschäfts, in dem jeder Mitarbeiter, innerhalb seines Aufgabenbereichs, Verbesserungsvorschläge erarbeiten kann. Dies wird durch ein Ideenformular vollzogen und bei großem Einsparpotenzial der Mitarbeiter mit einer Prämie honoriert. Beim Experten-KVP werden nicht einzelne Abläufe, sondern ganze Prozessketten optimiert. Daher setzt sich das KVP-Team aus Fach- und Führungskräften zusammen, die eine prozessübergreifende Denkweise sowie die notwendigen Kompetenzen mitbringen. Der Methoden-KVP hat zum Ziel, mit bestimmten Methoden wie zum Beispiel der Rüstzeitoptimierung oder der autonomen Instandhaltung, das strategische Ziel der Geschäftsführung zu erreichen. Hierbei muss zwingend beachtet werden, dass durch die Optimierung kein anderer Bereich zu Mehrarbeit kommt.41 Es entsteht kein Mehrwert, wenn in der Produktion optimiert wird und dadurch beispielsweise für die Qualitätskontrolle ein zusätzlicher Aufwand entsteht.

Abschließend lässt sich festhalten, dass Lean Production eine Menge Potenzial beinhaltet. Hierzu zählen Verbesserungen im operativen Bereich, die durch die Reduzierung von Verschwendung und die Steigerung der Produktqualität erreicht werden können. Ebenso besteht die Möglichkeit, strategische Verbesserungen durchzusetzen, die zu einer höheren Markt- und Kundennähe führen und die Wettbewerbsfähigkeit steigern können. Selbst in den administrativen Bereichen lassen sich Verbesserungen in die Realität umsetzen. So ist es möglich, die Effizienz der Prozesse zu steigern, die Durchlaufzeiten zu reduzieren und die Produktqualität zu steigern. Erzielt werden diese Verbesserungen durch eine ganzheitliche Ausrichtung auf den Kunden und durchgängig optimierte Wertschöpfungsprozesse.42 Die praktische Umsetzung von Lean Production wird in einem späteren Kapitel ausführlich erklärt und auf die vielseitigen Instrumente, auf deren Erläuterung hier bewusst verzichtet wurde, eingegangen.

4.2 Six Sigma

Das Konzept von Six Sigma zielt auf die Fehlervermeidung und gezielte Prozessverbesserung ab. Die tragenden Elemente von Six Sigma-Projekten stellen die am Kunden orientierten Prozessziele, die ständige Überprüfung der Prozessgüte und die Verwendung statistischer Instrumente zur Auswertung von Prozessergebnissen dar.43 Durch den Fokus auf die Zielgrößen Qualität, Zeit und Kosten sollen sämtliche kritischen Merkmale, die für den Kunden relevant sind, erreicht werden. Ebenso wird durch optimierte Prozesse eine Verkürzung der Durchlaufzeiten angestrebt. Daraus resultierend werden die entstehenden Prozesskosten gesenkt.44 Diese Ziele sollen durch eine Null-Fehler-Qualität in den Prozessen erreicht werden.

Orientiert man sich an der Six Sigma-Qualität, so gilt es, Produkte und Prozesse in einem solchen Rahmen zu entwickeln, dass minimale Abweichungen vom Zielwert erreicht werden können. Eine komplette Fehlervermeidung ist bei der Herstellung von Gütern nicht zu erreichen. Ein Grund hierfür stellt die Streuung der Prozessgüte dar. Durch verschiedene Arbeitsschritte sowie wechselnder Güte der Materialchargen entstehen unterschiedliche Prozessergebnisse. Eine konstante Fertigung auf Nennmaß ist daher nicht umsetzbar. Daher ist es zwingend notwendig, die Werte über die Streuung der Prozessgüte zu sammeln und auszuwerten.45

Berechnungsgrundlage ist hierfür die Standardabweichung 6 (Sigma) der Normalverteilung, die im Regelfall ± 36 beträgt; das heißt, dass 99,73 Prozent der Prozessergebnisse in diesem Bereich liegen, was einer Fehlerrate von 0,27 Prozent entspricht. In der Realität reicht das 36-Niveau allerdings nicht aus, da eine unzureichende Wiederholgenauigkeit der real ablaufenden Prozesse eine Verschiebung von ±1,56 zum arithmetischen Mittelwert hervorrufen kann. Aufgrund dieser Tatsache wird ein 66-Niveau der Prozesse notwendig, in das 99,9996 Prozent der Prozessergebnisse fallen. Dieses Niveau entspricht außerdem einer Fehlerrate von 0,0000034 Prozent und ist für Six Sigma-Prozesse anzustreben. Die Abbildung 2 stellt den 66-Bereich sowie die Verschiebung um 1,56 innerhalb der Gaußschen Glockenkurve dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Six Sigma-Prozess

[Quelle: Entnommen aus: http://www.six-sigma- college.de/sixsigma.php, Stand 03.11.2013]

Six Sigma steht außerdem für klar definierte Projekte, die den Fokus auf Prozesse und deren Prozesseigner gesetzt haben.46 Vor Beginn eines Six Sigma-Projektes wird dieses genau definiert. Das geschieht über den DMAIC-Zyklus. Die Abkürzung DMAIC steht hierbei für Define, Measure, Analyze, Improve, Control und betrifft sämtliche Vorgehensphasen. In diesen Phasen wird der Projektauftrag bezüglich Hintergrund, Ziele, Nutzen, Verantwortlichkeiten et cetera genau definiert. Die Measure- und Analyzephasen setzen sich mit den Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen auseinander und bedienen sich hierbei statistischer Werkzeuge, um die Ursachen zu messen und auszuwerten. In der Improvephase wird versucht, aus den gewonnenen Erkenntnissen, Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten. Die Controlphase beinhaltet mehrmalige Testläufe, um vor dem finalen Serienstart die Fehlerquellen behoben zu haben.47 Im Bereich der Entwicklung kommt das Design-for-Six-Sigma zum Einsatz, auf das im späteren Praxisteil eingegangen wird.

4.3 Simultaneous Engineering

Wie in Kapitel 3.4 bereits erwähnt, kommt im Produktentwicklungsprozess, das Simultaneous Engineering zum Einsatz. Simultaneous Engineering ist ein Konzept zur Entwicklungszeitverkürzung. Im Vordergrund steht hierbei die annähernd simultane Zusammenarbeit aller Wertschöpfungsbeteiligten in interdisziplinären Teams, um die Kosten- und Qualitätsanforderungen, die an das marktfähige Produkt gestellt werden, bereits in der frühen Entwicklungsphase zu berücksichtigen sowie die gesamte Produktentwicklungszeit zu reduzieren. Als primäre Orientierungsrichtung zählt hier der Kunde, da dessen Zufriedenstellung wichtigste Voraussetzung für den Erfolg neuer Produkte ist.

Im Entwicklungsstadium sind Entwickler, Fertigungsingenieure, Maschinen- und Werkzeughersteller, Zulieferer und Kunden, welche auch für die Realisierung verantwortlich sind, aktiv beteiligt. Vorrangig werden allerdings Aufgaben aus den Fachbereichen Entwicklung, Konstruktion und Fertigungsplanung bearbeitet. Das Qualitätsziel sollte vollständig am Kunden, beziehungsweise am Zielmarkt, ausgerichtet sein, da einzig und allein ein zufriedener Kunde der Schlüssel zum Erfolg ist.48 Die interdisziplinäre und parallele Zusammenarbeit mit dem Simultaneous-Engineering- Team ermöglicht es, die Entwicklung sämtlicher benötigter Produktionsressourcen parallel durchzuführen.

Um die Vorteile des Simultaneous Engineering zu verwirklichen, müssen die einflussnehmenden Prozesse parallelisiert, standardisiert und integriert werden. Die Standardisierung bezieht sich auf die Beschreibung und Regelung des Entwicklungsprozesses. Wichtig sind hier die technischen, die prozessorientierten und die aufbauorganisatorischen Aspekte.49 Unterstützt werden die Abläufe durch ein PDM und CAx-Systeme, die es ermöglichen, auf die gemeinsamen Daten zuzugreifen.50 Eine genauere Definition dieser Systeme erfolgt in Kapitel 5.3 und 5.4. Die Vorteile der Standardisierung liegen eindeutig darin, dass das Hauptaugenmerk auf kreative und innovative Aufgabenstellungen gelegt werden kann. Ebenfalls wird ein Zeitpuffer für das Management generiert, um auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren zu können. Bei der Parallelisierung werden Prozesse nicht mehr schrittweise nacheinander abgearbeitet. Es werden parallel abhängige Arbeitsschritte bearbeitet, oder voneinander unabhängige separat bearbeitet. Die Parallelisierung ist möglich, da kurz nach Beginn des Produktentstehungsprozesses bereits die ersten Daten zur Verfügung stehen, um die nachfolgenden Arbeitsschritte bearbeiten zu können. Durch die Parallelisierung können zeitliche Sicherheitspuffer weitestgehend vermieden werden.

Produktänderungen in einem späteren Zeitabschnitt können durch die interaktive Zusammenarbeit ebenfalls vermieden werden. Die direkte Integration aller Unternehmensbereiche, die am Entwicklungsprozess beteiligt sind, führt dazu, dass keine Informationsverluste durch unzählige Schnittstellen entstehen können. Unterstützt wird die Integration im Produktentwicklungsprozess durch eine prozessorientierte Denk- und Handelsweise, Einfallsreichtum und der Entscheidungsfreude aller Teammitglieder. Für eine erfolgreiche Integration ist es unerlässlich, dass verlässliche Daten bezüglich der Resultate, Zeitpläne, Aufwandsgrößen und Kosten zur Verfügung stehen, sodass bisher getrennte Schnittstellen zu verbindenden Einheiten umgeformt werden können. Der Punkt der Integration ist somit ein entscheidender Faktor für das Verständnis von Parallelisierung und Standardisierung von Prozessschritten.51

4.4 Produkt-Lebenszyklus-Management

Das Konzept des Produkt-Lebenszyklus-Managements (PLM) unterstüzt den gesamten Produktentwicklungsprozess von der Konzeption bis hin zur Demontage und zum Recycling. Die Aufgaben schließen die komplette Datenpflege, welche zur Produktdefinition nötig ist, mit ein.52 Im Vergleich zum Enterprise Resource Planning (ERP), das hauptsächlich auf betriebswirtschaftliche Aufgaben ausgerichtet ist, orientiert sich das PLM auf den technologischen Bereich. Eine genaue Definition des ERP-Systems folgt in Kapitel 5.1. Dies betrifft Methoden im Daten- und Prozessmanagement sowie die Integration von CAx-Systemen. Dabei nimmt es eine unterstützende Rolle in sämtlichen Phasen des Produktlebenszyklus ein.53 Die Abbildung A.1 im Anhang stellt diese Phasen dar.

Das PDM, auf das in Kapitel 5.3 eingegangen wird, übernimmt innerhalb des PLM eine wichtige Rolle.54 Alle diese Prozessphasen werden in der Praxis überwiegend von Ingenieuren geplant und umgesetzt. Obwohl die meisten Prozessschritte am Anfang des Produktlebens stattfinden, enden diese nicht mit dem Start der Produktion, sondern sind ein ständiger Begleiter in der Produktlebensphase. Ziel ist es, Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Schon bei der Wahl von umweltgerechten Materialien, über technische Prozesse und Produktionsverfahren bis hin zur Demontage und dem Recycling des Produktes, sollen nicht regenerative Ressourcen möglichst effizient genutzt und Emissionen niedrig gehalten werden.55

5. Prozessoptimierung - IT Systeme

5.1 ERP - System

Ein Enterprise Resource Planning-System, im weiteren ERP-System, stellt ein aus mehreren Teilmodulen bestehendes betriebliches Informationssystem dar, das sämtliche, auf operativer Ebene ausgeführten Prozesse unterstützt.56 Eingeschlossen werden sowohl rechnungswesenorientierte Funktionsbereiche als auch Funktionsbereiche aus der operativen Fertigungsplanung und -steuerung, die in der Vergangenheit noch über ein separates Produktionsplanungs- und Steuerungssystem (PPS) gelaufen sind.57

Um Datenredundanzen durch die Beteiligung der diversen Fachbereiche zu vermeiden, verfügt ein ERP-System über eine Datenbank, auf die alle gemeinsam zugreifen können.58 Die Abbildung A.2 im Anhang gibt einen Uberblick über den Aufbau und die Komponenten, die zum Standard in ERP-Systemen gehören. Daraus resultiert, dass jeder U nternehmensbereich auf die Informationen, welche für sein Handeln relevant sind, zugreifen kann. Ein klarer Vorteil, der durch den Einsatz von ERP im Unternehmen entsteht, ist die Möglichkeit, Geschäftsprozesse zu standardisieren und automatisieren. Dies bewirkt eine Steigerung der Produktivität sowie eine Vereinfachung der Koordination von Abläufen.59 Da ERP-Systeme bei veränderten Umweltbedingungen einen gewissen Mangel an Flexibilität aufweisen, sind Unternehmen unter Umständen gezwungen, ihre Geschäftsprozesse an das eingesetzte ERP-System anzupassen. Gerade für kapitalschwache Unternehmen, unter die auch die KMUs fallen, fehlt meist das notwendige Kapital für eine individuell angepasste ERP- Lösung.60

[...]


1 Vgl. Erxleben (2007), S. 2.

2 Vgl. Weber-Rey (2011), S. 75.

3 Vgl. Werner (2013), S. 1.

4 Vgl. Werner (2013), S. 7.

5 Vgl. ebd., S. 17.

6 Vgl. Beckmann (2012), S. 7.

7 Vgl. Schmelzer & Sesselmann (2010), S. 23.

8 Vgl. Beckmann (2012), S. 21 f.

9 Vgl. Beckmann (2012), S. 28 ff.

10 Vgl. Waldraff (2007), S. 170.

11 Vgl. Gottschalk (2007), S. 395.

12 Dienstleistung - konzentrieren zu können.

13 Vgl. Hartig & Richter (2007), S. 252 ff.

14 Vgl. Garcia Sanz (2007), S. 5.

15 Erxleben (2007), S. 47.

16 Vgl. ebd., S. 47.

17 Vgl. Zernechel (2007), S. 374 f.

18 Vgl. Erxleben (2007), S. 48.

19 Vgl. http://www.produktionsforschung.de/verbundprojekte/vp/index.htm7VP ID=259, Stand 18.09.2013.

20 Vgl. Erxleben (2007), S. 47 f.

21 Vgl. Zernechel (2007), S. 368.

22 Vgl. Stöger (2011), S. 4 ff.

23 Vgl. Kuiper (2012), S. 156.

24 Vgl. Schmidt (2012), S. 1.

25 Vgl. Stöger (2011), S. 25 f.

26 Vgl. Posluschny (2012), S. 13.

27 Vgl. Kuiper (2012), S. 156 ff.

28 Vgl. Erxleben (2007), S. 88.

29 Vgl. ebd., S. 90 f.

30 Vgl. Erxleben (2007), S. 92 f.

31 Vgl. Braess & Seiffert (2011), S. 881 ff.

32 Vgl. Töpfer (2009), S. 28.

33 Vgl. Gerberich (2011), S. 97.

34 Vgl. Oeltjenbruns (2000), S. 34.

35 Vgl. Gerberich (2011), S. 121.

36 Vgl. Menzel (2009), S. 13.

37 Vgl. Töpfer (2009), S. 42f.

38 Vgl. Gerberich (2011), S. 122.

39 Vgl. ebd., S. 121 ff.

40 Vgl. Menzel (2009), S. 14.

41 Vgl. ebd., S. 17 ff.

42 Vgl. Gerberich (2011), S. 170 ff.

43 Vgl. Schmelzer & Sesselmann (2010), S. 26 f.

44 Vgl. Töpfer (2009), S. 3 f.

45 Vgl. Syska (2006), S. 135.

46 Vgl. Töpfer (2009), S. 43.

47 Vgl. Töpfer (2009), S. 120 ff.

48 Vgl. Schmelzer & Sesselmann (2010), S. 22 ff.

49 Vgl. Syska (2006), S. 131.

50 Vgl. Melzer-Ridinger & Neumann (2009), S. 88.

51 Vgl. Syska (2006), S. 131 f.

52 Vgl. Klette et al. (2008), S. 1.

53 Vgl. Braess & Seiffert (2011), S. 890.

54 Vgl. Kurbel (2011), S. 8 f.

55 Vgl. Braess & Seiffert (2011), S. 890.

56 Vgl. Hansen & Neumann (2005), S. 529.

57 Vgl. Kiener et al. (2012), S. 36.

58 Vgl. Hansen & Neumann (2005), S. 529.

59 Vgl. http://www.uni-koblenz.de/~fb4reports/2008/2008 11 Arbeitsberichte.pdf, S. 25, Stand 18.09.2013

60 Vgl. ebd., S. 25 f.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Wettbewerbsfaktor "Supply Chain-Prozesse". Einfluss optimierter Entwicklungsprozesse am Beispiel eines mittelständischen Automotive-Zulieferunternehmens
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, München früher Fachhochschule
Veranstaltung
Prozessmanagement
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
70
Katalognummer
V266329
ISBN (eBook)
9783656560517
ISBN (Buch)
9783656560524
Dateigröße
1148 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wettbewerbsfaktor, supply, chain-prozesse, einfluss, entwicklungsprozesse, beispiel, automotive-zulieferunternehmens
Arbeit zitieren
Johannes Ekkehard Keiner (Autor:in), 2013, Wettbewerbsfaktor "Supply Chain-Prozesse". Einfluss optimierter Entwicklungsprozesse am Beispiel eines mittelständischen Automotive-Zulieferunternehmens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266329

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