Abenteuer Auswandern: Neuanfang in Paraguay

Wie eine deutsche Familie in Südamerika eine neue Heimat fand


2014-01-10, 163 Seiten (ca.)

PDF, ePUB und MOBI

Originalausgabe


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Auf und davon

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
Ein Koffer zu viel
Von Brasilien nach Paraguay

Realitäten und Formalitäten beim Auswandern nach Paraguay

Papierkram zur Einwanderung
Die richtige Entscheidung

Unsere kleine Farm
Am Anfang war da ein Stück Land
Wir werden Bauer
Senacsa
Fischers Fritz
Die Selbstversorgerfrage
Das neue Zuhause auf unserer kleinen Farm
Tierischer Nachwuchs

Alltag in Paraguay
Bürokratie auf Paraguayisch
Alles klar, Herr Kommissar?
Mobiles Büro
Es werde Licht
Strom abgestellt
Doppelnamen in Paraguay
Autozulassung in Paraguay
Willkommen in Paraguays Straßenverkehr
Der Führerschein in Paraguay
Verkehrsregeln in Paraguay
Die Polizei, dein Freund und Helfer
Achtung Rinder
Abgefahren
Collectivos in Paraguay
Collectivo-Abenteuer
Ein Taxi gefällig?
Service bei Rot
Das liebe Geld
Zinsen in Paraguay
Abzocker in Paraguay
Shopping
Der Mercado Quadro in Asunción
Der Tante-Emma-Laden
Marktplatz in Luque
Expo in Mariano Roque Alonso
Paraguayische Straßenstände
Paraguayische Butterfahrt
Essen und Trinken
Kochen gefährdet Ihre Gesundheit
Backe, backe Kuchen
Kaffee in Paraguay
Tereré und Mate
Frutilla – die Erdbeere
Fleisch in Paraguay
Paraguayischer Schnellimbiss
Pilz mit z
Pflanzenwelt
Der Lapacho
Die Coco-Palme
Die Medizin aus dem Garten
Eine ganz normale Pflanze: Cannabis
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen
Feierabendbier
Weihnachten in Paraguay
Der einfallsreiche Paraguayer – Fußballnachmittag in Quiindy
Kindergeburtstag in Paraguay
Klassentreffen mit Nachwehen und warum Frauen nicht einparken können
Lagerfeuergeschichten
Tierische Geschichten
Killerwespen
Sandfloh oder Pikes
Große Echsen, kleine Maschen
Wenn Ernst mal ernst macht
Handzahm
Warten auf das „Kuhllektivo“
Meine ersten Reitversuche
Der Ochsenkarren und seine Zugtiere
Wanted
Konzertsaal Natur
Baugeschichten
Sie ist kein Elektriker!
Die rote Erde Paraguays
Plomero kàu
Friedhofsarbeit
Es lebe die Improvisation
Meister im Basteln und Improvisieren.
Hauptsache es funktioniert I
Hauptsache es funktioniert II
Wickeldraht und Co.
Jugend forscht
Digitaler Strommesser
In Paraguay ist vieles ein bisschen anders
Was gibt es in Paraguay nicht?
Winterzeit – schöne Zeit?
Paraguays Indianer
Sitzende Paraguayer
Schuften bei 60 °C
Frisörbesuch
Der Tischler war’s
Normale Lieferschwierigkeiten
Paraguayische Post
Wo kommt denn das Internet her?
Duales System in Paraguay
Wenn der Nachbar dreimal klatscht
Schwindelfrei
Sauberkeit am Arbeitsplatz
Andere Länder, andere Sitten
Rauchende Colts
Polizeieinsatz auf der Farm
Pilgern nach Caacupé
Wo geht’s denn hier zum Motel?
Vorbeugen ist besser als Gartenarbeit

Unterwegs in Paraguay
Areguá und Umgebung
Quiindy
Lago Ypoá
Angelausflug nach Villa Florida
Die Wasserfälle von Foz do Iguaçu
Der Botanische Garten in Asunción
Rinderversteigerung in Mariano Roque Alonso
Ausflug nach San Juan Bautista und Puerto Garata
Überfahrt mit der Autofähre in Pilar
Picknick im Wald
Ausflug nach Chololó
Die Chacotour
Wo geht’s denn hier zum Salto Cristal?
Markttag in San Bernardino
Pedro Juan Caballero, China Shopping und Bonito
Angeln in Acahay
Der Berg ruft
Ausflug nach Alberdi

Zufrieden in Paraguay

Bildnachweis

Auf und davon

„Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für uns.“

Die Idee auszuwandern beschäftigte uns schon seit Langem. Im Jahr 2000 hatten wir Deutschland schon einmal verlassen, um in der Dominikanischen Republik ein neues Leben zu starten. Nach knapp zwei Jahren in der Karibik kehrten wir allerdings nach Deutschland zurück. Ein schrumpfender Geldbeutel, fehlende bezahlbare Schulbildung für die Kinder, Heimweh und der so genannte Inselkoller trieben uns in die alte Heimat, nach „Good old Germany“, zurück.

„Wir“, das sind übrigens Angelika, mit Spitznamen „Helmut“, die als Mutter an der Spitze unserer Familie steht, Paul unser Sohn (Jahrgang 1991), unsere Tochter Marie, die zwei Jahre jünger ist, und ich, Kay, der Vater des Ganzen.

Es folgten acht Jahre Deutschland mit zwei Monaten Sonne pro Jahr, Freistellungsbescheinigung vom Steuerabzug für Bauleistungen, Schornsteinfegerzwang, TÜV und ASU, Leinenzwang und Hundesteuer, ständige Strom- und Benzinpreiserhöhungen, ewiger Vizemeister, regengraues Wetter, deutsche Gerechtigkeit, GEZ und PISA-Studie. Das alles und natürlich die Suche nach einem neuen Abenteuer machten uns die Entscheidung leicht. Wir kehrten Deutschland abermals den Rücken und sagten: ,,Hola Paraguay“.

Wir hatten das Land bereits drei Mal bereist und uns vor Ort einen eigenen Eindruck verschafft. Unsere Entscheidung stand fest: ,,Dies sollte unsere zukünftige Heimat sein“

Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Der Abreisetag stand lange Zeit fest im Kalender. Unser Flugzeug sollte am 3. September 2008 von Frankfurt aus in Richtung Salvador de Bahia in Brasilien starten. Am 2.September wollten wir ganz gemütlich mit einem Mietwagen von Berlin nach Frankfurt fahren und dort eine Nacht schlafen, um am nächsten Morgen unsere große Reise anzutreten – ausgeschlafen und entspannt. Die Abschiedsfeier mit unseren Freunden legten wir vorsorglich vier Tage vor unseren Abreisetermin, um genügend Zeit zu haben, die Koffer zu packen und das Haus leer zu räumen.

Aber es kam wie immer anders als geplant und so waren wir einen Tag vor der Abreise immer noch beim Abschiednehmen von unseren Freunden, die sich bis zur letzten Minute nicht von uns trennen konnten. Deshalb war am Morgen der geplanten Abreise von Berlin nach Frankfurt noch kein Koffer gepackt und es waren noch nicht alle Zimmer geräumt. Die Spedition hatte sich für 14:00 angemeldet, um unsere Umzugskartons und unseren Kühlschrank für die Verschiffung abzuholen – das einzige Inventar, das mit auf die große Reise gehen sollte. Bis 14:00 verblieben nur noch ein paar Stunden und immer noch fehlten diverse Kartons und es waren längst nicht alle Sachen verstaut. Die Kinder unserer Hauskäufer saßen bereits an unserem Küchentisch und machten ihre Hausaufgaben – um es kurz zu sagen: Es herrschte Chaos!

Zur Abfahrt bereit

Außerdem musste ich noch zur brasilianischen Botschaft und die Gesundheitspapiere unseres Hundes beglaubigen lassen. Und dann war da noch der Mietwagen, der bis 12:00 mittags abgeholt werden musste.

Stress pur, aber irgendwie haben wir doch alles auf die Reihe gebracht und der Mietwagen stand wie geplant um 15:00 bepackt und abfahrbereit vor der Tür. Nun hieß es, Abschied nehmen von dem, was uns ans Herz gewachsen war. Ein paar Tränen kullerten auch, als wir uns endgültig von unseren Freunden verabschiedeten. Dann konnten wir endlich durchstarten.

Ein kleines Problem gab es trotzdem noch aus der Welt zu schaffen. Die brasilianische Botschaft konnte mir die beglaubigten Gesundheitspapiere für unseren kleinen Hund am Vormittag nicht gleich mitgeben, weil angeblich der zuständige Bearbeiter nicht im Hause war. Deshalb mussten wir noch einmal einen Abstecher ins Zentrum von Berlin machen, wo wir die Papiere ausgehändigt bekamen.

Ein Koffer zu viel

Auf dem Weg zur brasilianischen Botschaft stellten wir fest, dass das Auto ein bisschen zu klein für unsere vierköpfige Familie mit Hund war und wir einen Koffer – von insgesamt acht – einsparen und loswerden mussten, um ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen in Frankfurt anzukommen. Dies gelang durch neue Stapeltechniken, Umpacken und Anwendung roher Gewalt.

Meine liebe Frau hatte die fantastische Idee, den Koffer einfach gleich dort vor der brasilianischen Botschaft unter Beobachtung mehrerer Überwachungskameras abzustellen. Natürlich setzten wir das nicht in die Tat um, denn wir wollten schließlich noch an diesem Tag in Frankfurt ankommen. Noch dazu hätte man mich und unseren Sohn Paul auf Grund einer Wette, die wir am Abschiedsabend einzulösen hatten und die uns unsere komplette Kopfbehaarung gekostet hatte, leicht einer rechtsextremistischen Gruppierung zuordnen können.

Es war gar nicht so einfach, einen geeigneten Platz für unseren Koffer mitten in Berlin zu finden. Letztendlich stellten wir ihn in einem Wohngebiet geöffnet an ein paar Mülltonnen ab. Ich hoffe nicht, dass wir uns damit strafbar gemacht haben. Aber wie das in Deutschland oft ist, wahrscheinlich steht das illegale Entsorgen von Koffern unter besonders hoher Strafe.

Nun konnte es endlich in Richtung Frankfurt am Main gehen, wo uns ein alter Freund aus der Lehrzeit meiner Frau erwartete. Nach fünf Stunden Fahrtzeit waren wir angekommen und wurden mit einem leckeren Abendessen und einem frischem Bier empfangen. Der vorläufig letzte Tag in Deutschland war geschafft und unserer Reise nach Paraguay stand nichts mehr im Weg.

Von Brasilien nach Paraguay

Es war unser vorläufig letzter Morgen in Deutschland und wir verabschiedeten uns von unserem Freund in Frankfurt, der uns unser letztes Nachtquartier zur Verfügung gestellt hatte. Wir machten uns auf den Weg und unser Flugzeug startete planmäßig in Richtung Brasilien.

Nach zehn Stunden Flugzeit und pünktlicher Landung kamen wir gesund und munter an. Unser Hund Asta hatte den Flug ebenfalls ohne Schaden überstanden und konnte einreisen. Vor uns lag nun eine mehrtägige Autofahrt von Salvador de Bahia über Sao Paulo nach Paraguay. Wir wählten den Landweg, um unserem Hund das Umsteigen auf einem südamerikanischen Flughafen zu ersparen. Außerdem planten wir mehrere Stopps an der Atlantikküste Brasiliens, um ein paar schöne Urlaubstage zu verbringen.

Von Deutschland aus hatten wir bereits einen VW-Bus gemietet – T4 oder gleichwertig, so hieß es bei der Buchung. Als wir unseren Mietwagen abholten, wussten wir, wir sind in Lateinamerika angekommen. Unter gleichwertig verstand die ansässige Autovermietung, dass alle Autos mit einem VW-Zeichen gleichwertig mit einem modernen T4-Bus seien. Vor uns stand (nagelneu, mit 900 km auf dem Tacho) ein T1-Bus (VW Bulli – Flower Power) mit allen Einsparungen, die man machen konnte. So hatte unser Auto weder Servolenkung, Bremskraftverstärker noch Airbag. Ein Traum wäre eine Klimaanlage oder vielleicht sogar eine Heizung gewesen. Jetzt werden viele fragen: „Wofür braucht man in Brasilien eine Heizung?“ Darauf werde ich etwas später zurückkommen.

Flower Power Feeling – unser Mietwagen

Detlef, so nannten wir unser neues Auto liebevoll, sollte uns nun 3.500 Kilometer durch Brasilien nach Paraguay bringen. Unser erstes Hotel lag circa 50 Kilometer vom Flughafen entfernt. Nach anfänglichen Fahrschwierigkeiten im brasilianischen Straßenverkehr und etwas Eingewöhnungszeit an das neue Auto hatten wir es nach 2 Stunden Fahrzeit erreicht. Ein bisschen k.o., aber zufrieden, den Flug hinter uns zu haben, ließen wir den Tag bei einer erfrischenden Cola und ein paar Bier ausklingen und freuten uns auf die nächsten Tage.

Für unsere Fahrt durch Brasilien bis zur paraguayischen Grenze hatten wir circa 10 Tage eingeplant. Das hieß, es lagen täglich ungefähr 350 Kilometer brasilianischer Straßen vor uns. Wer einmal auf den Bundesstraßen von Brasilien unterwegs war, weiß, dass das ein gefährliches und anstrengendes Abenteuer sein kann.

Autos von der Größe unseres Busses stellten keine Gefahr da, aber mir kam es so vor, als ob auf den brasilianischen Bundesstraßen nur lebensmüde LKW-Fahrer unterwegs waren, die enorm hohe Unfallversicherungen hatten und diese schnellstmöglich kassieren wollten. Mir machte das Autofahren jedenfalls keinen Spaß mehr und so entschied der Familienrat, die geplanten Urlaubstage zu kürzen und auf dem schnellsten Wege nach Paraguay zu fahren.

Nachdem wir am 8. September gegen 12:00 Rio de Janeiro und danach gegen 16:00 Sao Paulo passierten, führte uns der Weg ins Landesinnere Brasiliens. Unser Ziel war es, an diesem Tage noch die Hochebene von Curitiba hinter uns zu lassen.

Es ging nur noch bergauf. Unser Tank war halb voll und vor uns lagen 50 Kilometer Serpentinenstraße Richtung Himmel. Nach ungefähr 20 Kilometer fuhren wir durch eine geschlossene Wolkendecke und mit der klaren Sicht war es vorbei.

Nun kommt der Punkt, an dem ich auf die fehlende Heizung zurückkomme: Stellt euch vor, ihr fahrt mit dem Auto im November bei 5 °C und Nebel durch den Harz und sitzt leicht bekleidet mit einem T-Shirt am Steuer. So, und nun stellt euch vor, es gibt keine Heizung und ihr seht mit Erschrecken, dass die Tankanzeige auf Rot steht. Hinter mir saßen meine Kinder Paul und Marie, die froren und Hunger hatten, und neben mir saß meine Frau und machte kluge Sprüche, wie man sich aufwärmt.

Keiner meiner Familie wusste bis dahin, dass der Tank gleich leer sein würde. Als ich ihnen die Neuigkeit unterbreitete, wurde es ruhig in unserem Spaßmobil. Als wir endlich eine Tankstelle erreichten und anhielten, mussten wir mit Entsetzen feststellen, dass sich diese Tankstelle im Umbau befand. Auf die Frage, wann die nächste käme, sagte man uns „in circa 35 Kilometern“. Da wir den Kamm der Hochebene überschritten hatten und es bergab ging, konnten wir hoffen, dass wir es auch ohne Benzin bis zur nächsten Tankstelle schaffen würden. Allerdings kamen immer wieder kleinere Anstiege, an denen ich Gas geben musste. Dann war der Motor aus!

Wir rollten noch einen Kilometer bergab, dann kam eine kleine Baustelle, in die wir ohne Motorengeräusche hineinrollten. Mittlerweile war es dunkel, kalt und wir wussten nicht, wie weit es bis in die Zivilisation war. Da kam ein älterer Mann auf uns zu und fragte, ob wir Hilfe bräuchten. Ich erklärte ihm unser Problem und da unser supertolles und fetziges Auto mit einem allesschluckenden Flexfuelmotor ausgerüstet war, konnte er uns tatsächlich helfen. Wir bekamen von ihm zwei Liter Alkohol, der eigentlich dafür gedacht war, innerlich einzuheizen, und konnten so unsere Reise fortsetzen. Nach kurzer Zeit erreichten wir auch endlich eine Tankstelle und konnten beruhigt weiterfahren. Beim Abendessen erklärte man uns, dass das letzte Hotel vor der Grenze, die noch circa 350 Kilometer entfernt war, in ungefähr 15 Minuten Fahrtzeit zu erreichen sei. Da es wirklich das letzte Hotel war und wir extrem müde waren, übernachteten wir die letzte Nacht vor unserer Ankunft in Paraguay dort.

Wir hatten wunderschöne Strände und Orte Brasiliens kennen gelernt, aber auch viel Armut und Elend gesehen. Schließlich erreichten wir drei Tage früher als geplant die paraguayische Grenze.

Endlich war es geschafft: Die Grenze nach Paraguay

Realitäten und Formalitäten beim Auswandern nach Paraguay

Inzwischen sind fünf Jahre vergangen und wir leben noch immer in Paraguay, im Herzen Südamerikas. Wir kennen das Land und seine Menschen zwar nur im Ansatz, aber Einiges haben wir schon gelernt.

Die wichtigsten Voraussetzungen, wenn man nach Paraguay auswandert, sind ein Grundwortschatz der spanischen Sprache, Respekt gegenüber der paraguayischen Mentalität und die Liebe zum Land.

Eine dicke Brieftasche und die Arroganz, ein Deutscher zu sein, lassen viele Auswanderer oftmals vergessen, dass wir hier Ausländer und die Paraguayer nicht minderwertig sind. Wer als Herr „Allesbesserwisser“ oder Don „Die-Paraguayer-sind-doch-alle-doof“ nach Paraguay kommt, sollte die Koffer bei der Ankunft in Asunción gar nicht erst vom Band nehmen.

Mit dieser Einstellung wird man schnell abgezockt – meist von den eigenen Landsleuten oder von schlauen Paraguayern – und endet verbittert und frustriert. Wer sich dann noch einen Flug nach Deutschland oder in ein anderes Land leisten kann, ist gut bedient. Hat man kein geregeltes Einkommen oder sind die Ersparnisse aufgebraucht, steht man auf der Straße und die Botschaft ist die letzte Hoffnung auf einen Rückflug ins soziale Netz Deutschlands.

Papierkram zur Einwanderung

Paraguay ist zwar noch lange nicht so reglementiert wie Deutschland, aber es gibt sie auch hier, die verhasste Bürokratie. Spätestens nach dem Entschluss, hierher umzusiedeln, kommt man früher oder später an einem Gebäude nicht vorbei – der „Migracion“ in der Hauptstadt Asunción. Denn nur dort gibt es die Aufenthaltsgenehmigung für Paraguay.

Der bequeme, wenn auch teurere Weg ist, die benötigten Papiere, Zeugnisse und notariell beglaubigten Urkunden durch einen Einwanderungshelfer zusammentragen zu lassen. Wer der spanischen Sprache ein wenig mächtig ist und etwas Zeit mitbringt, kann seine Papiere aber auch alleine zusammensammeln. Was man alles benötigt, findet man im Internet auf der Seite der paraguayischen Botschaft in Berlin: http://www.botschaft-paraguay.de/migration-laengerer-aufenthalt.html

Auch wir gingen die Herausforderung an, die Aufenthaltsgenehmigung selbst zu beantragen. Nach einer Woche Ämter-, Behörden- und Notarbesuchen konnten wir die gesammelten Werke einreichen. Bei Abgabe wurde sofort die Vollständigkeit kontrolliert.

Nach drei Monaten und zwei Wochen hatten wir unser Plastikkärtchen mit der permanenten Aufenthaltsgenehmigung für Paraguay schließlich in der Hand. Der Aufwand und Papierkram hat uns doch sehr an deutsche Ämter und Behörden erinnert, obwohl ich natürlich nicht weiß, was in Deutschland für die Einwanderung benötigt wird.

Die richtige Entscheidung

Vor einiger Zeit fragte mich meine Mutter, ob wir uns noch wohl fühlen in Paraguay und ob unsere Entscheidung die Richtige war. Sicher, es gibt bestimmt einige Dinge, die uns in Paraguay nicht gefallen, wie bettelnde Kinder an den Kreuzungen der Hauptstadt, wilde Müllhalden an den Straßenrändern oder abgemagerte und kranke Straßenhunde.

Außerdem gibt es einige Dinge, die nicht anders als in Deutschland sind. Auch hier findet man deutsches Brot oder deutsche Wurst. Es gibt deutsche Gaststätten mit Stammtischen und den dazugehörigen Geschichten und auch Mercedes und Volkswagen fahren auf paraguayischen Straßen. Sicherlich haben wir einen anderen Blickwinkel auf Paraguay als ein Paraguayer, der jeden Tag kämpfen muss, um für sich und seine Familie das Essen auf den Tisch zu bekommen. Aber bis heute haben wir den Tausch von zwei Monaten Sommer gegen 300 Sonnentage, 620 qm Grundstück mit fünf Nachbarn gegen 75.000 qm Farm mit Bach und Wasserfall, Konsumrausch gegen Badelatschen, RTL und Sat1 gegen Sonnenuntergang und Glühwürmchen, Autobahnen gegen Sandwege, frieren gegen schwitzen, schnell gegen langsam und natürlich „Berliner Kindl“ gegen paraguayisches „Pilsen“ nicht bereut – aber nun der Reihe nach.

„Rohayhu Paraguay“ – ich liebe Paraguay, wie die Paraguayer sagen würden.

Ein Traum von einem Land

Unsere kleine Farm

Am Anfang war da ein Stück Land

Als wir im Jahr 2008 nach Paraguay kamen, um dem Stress und der Hektik in Deutschland zu entfliehen, waren unsere Köpfe voller Ideen, wie wir unser neues Leben gestalten wollten. Heute leben wir auf einer kleinen Farm mitten in Paraguay. Dies war nicht unbedingt unser Plan, doch wir wuchsen mehr und mehr in das Farmleben hinein und heute fühlen wir uns hier richtig wohl. Während ein 15-Stunden-Arbeitstag in Deutschland für uns keine Seltenheit war, gehen wir den Tag hier ohne Stress und schnellen Frühstückskaffee an. Das Handy liegt irgendwo herum und bestimmt nicht mehr unser Leben. Unsere kleine Farm gibt uns eine Sicherheit, die uns keine Versicherung bieten kann. Kein Bankkonto der Welt kann uns diese Zufriedenheit auszahlen, die wir durch das Leben auf unserer Farm haben. Der nächtliche Sternenhimmel oder einfach nur ein Regenbogen sind Naturschauspiele, die es auch in Deutschland gibt, doch dort habe ich diese nie so gesehen. Früher wollte ich immer 100 Jahre alt werden, heute lege ich da noch 15 Jahre drauf.

Unsere kleine Farm liegt 14 Kilometer von der Stadt Quiindy entfernt. Durch unseren Arbeiter wurden wir über die Bedeutung des Stadtnamens aufgeklärt. „Quii“ ist Guarani und bedeutet „Pfeffer“. „Ndy“ ist ebenfalls Guarani und bedeutet so viel wie „wächst viel“. Ob die Schreibweise so korrekt ist, weiß ich nicht. Man kann aber sagen, dass wir da wohnen, wo der Pfeffer wächst. Sollte uns das jemand bei unserer Auswanderung gewünscht haben, dann auf diesem Weg ein herzliches Dankeschön.

Die Farm ist 7,5 ha groß. Anfangs gab es einen kleinen Bestand an Citrusbäumen und Zuckerrohranpflanzungen. Das Grundstück liegt an einem leichten Hang und im Tal wird es durch einen Bach mit glasklarem Wasser und einem kleinen Wasserfall begrenzt. Ein kleines paraguayisches Häuschen stand bereits auf unserem Land, als wir es Ende 2008 kauften. Das Haus war relativ neu und entsprach gutem paraguayischem Standard. Es hatte fließendes Wasser, Strom und ein – wenn auch enges – gefliestes Bad, drei Zimmer und einen Wohnraum. Wir wollten das Haus in seinem ursprünglichen Zustand lassen, ihm nur einen neuen Anstrich verpassen und keine großen baulichen Maßnahmen vornehmen. Wir richteten das Häuschen mit dem Nötigsten ein, wie einem Kühlschrank, Tisch und Stühlen und den Betten.

Es gab immer eine Menge zu tun auf unserer Ranch, aber der Anfang war gemacht und die Arbeit machte riesigen Spaß. Leider waren die Tage dort anfangs immer viel zu kurz und nur auf jedes zweite Wochenende beschränkt. Unsere Tochter besuchte nämlich noch die Schule in Asunción, weshalb wir die erste Zeit in Areguá wohnten, einem kleinen Künstlerdorf in der Nähe von Asunción.

Ich verdiente mein Geld als Fliesenleger und meine Baustellen befanden sich ebenfalls hauptsächlich im Umkreis von Asunción. Das Landleben fesselte uns dennoch immer mehr.

Doch was ist eine Farm ohne Tiere? Wir machten uns also auf den Weg zu einem drei Kilometer entfernten Bauernhof. Hier lief alles herum, was laut meinen Bilderbüchern aus der Kindheit auf einen Bauernhof gehört: Enten, Truthähne, Schweine, Hühner, Schafe und auch Gänse lebten friedlich zusammen. Unser Hühner-, Enten- und Gänsestall war fertiggestellt und wartete auf seine ersten Bewohner. Ein Gänsepärchen, zwei Hennen und ein Hahn wurden eingesackt und zu ihrem neuen Zuhause gebracht. Wir hatten keine große Ahnung von Geflügelzucht und wollten es langsam angehen lassen. Würde schon gut gehen, dachten wir uns.

Frisches Gemüse aus dem eigenen Garten wollten wir auch unbedingt verspeisen und so legten wir unseren Gemüsegarten an. Nach drei Wochen waren dann auch schon die ersten Erfolge zu sehen. Ich denke, Frau Bauer, meine ehemalige Schulgartenlehrerin wäre stolz auf mich gewesen. Neben Weißkohl, Rotkohl, Kohlrabi, Salat und Bohnen zeigten auch die gesäten Wassermelonen bald ihre ersten Blättchen und bereits einen Monat später konnten wir das erste Mal den Geschmack unseres Landes kosten – Radieschen wachsen schnell und immer.

Nicht nur ein Gemüsegarten, sondern auch ein Obstgarten ist Pflicht auf einer Farm. Apfelsine, Pampelmuse, Limone und Maracuja waren schon von unserem Vorgänger angepflanzt worden und hinzu kamen nun noch Apfel, Birne, Banane, Graviola, Kakaonuss, Weintrauben und Kaki.

Mit dem Kauf unserer kleinen Farm übernahmen wir auch den dort beschäftigten Arbeiter. Wir vereinbarten mit ihm eine Probezeit und wollten sehen, ob wir uns mit Elso vertragen würden. Seine Aufgaben umfassten die Pflege und das Füttern der Tiere und das Aufpassen auf unsere Farm während unserer Abwesenheit. Nach drei Monaten Landleben saßen wir abends am Lagerfeuer bei einem leckeren Bierchen, absoluter Dunkelheit und zirpenden Grillen. Wir waren sehr zufrieden mit der Arbeit von Elso und unterhielten uns darüber, dass wir ihm ein kleines Arbeiterhäuschen mit einem Zimmer und einem Bad bauen wollten. Schon am nächsten Morgen begannen wir mit den Fundamentarbeiten. Zwei Tage später waren die Fundamente fertig und wir suchten uns zwei Maurer, die den Rest der Behausung bauen sollten. Diese waren auch schnell gefunden und nach kurzen Verhandlungen stand der Preis fest.

In Paraguay ist Handwerk noch echtes Handwerk. Der Mörtel wurde mit der Hand gemischt und den Sand holten wir, mit Schippe und Ochsenkarren, aus unserem Bach. Drei Wochen später war das Haus fertig und Elso, der sich riesig freute, konnte sein Bett aufstellen.

Elsos neues Häuschen

Eines Morgens stand Elso mit einer Kuh vor unserer Tür und fragte, ob wir diese kaufen wollten. Von Rindern hatten wir nun überhaupt keine Ahnung, doch unser Land konnte bis zu 10 Rinder ernähren. Ich legte einen ernsten Rinderzüchterblick auf und mit einer Mimik, die großes Fachwissen über Viehzucht vortäuschen sollte, schaute ich mir die Kuh an. Ich lief dreimal um das liebe Vieh herum und klopfte der Kuh prüfend auf die Keulen. Einmal noch kurz an den Hörnern gewackelt und dann war der Kuhhandel perfekt. Der Preis war in Ordnung und so wechselte die zweijährige Färse für 2.000.000 Gs (ca. 330 Euro) ihren Besitzer.

Da eine Kuh nicht ohne Liebe Nachwuchs bekommt und erst recht keine Milch gibt, stand nun noch der Kauf eines Stieres auf dem Plan. Diesen fanden wir auf einer Farm 100 Kilometer von uns entfernt. Um ein Rind durch Paraguay zu fahren, sind ein paar Papiere notwendig. Diese bekamen wir bei der SENACSA – der für die Rinderhaltung zuständigen Behörde.

Um 8:00 morgens trafen wir uns auf der Granja Don Ernesto in Villeta und bevor der Stier verladen wurde, erfolgte die Bezahlung in bar. 1.500.000 Gs kostete mich der Einstieg in die Rinderzucht. Danach wurden Ernesto, so nannten wir unseren neuen Stier, die Füße zusammengebunden, um ihn gemeinsam auf die Ladefläche meines Pickups legen zu können. Circa 140 Kilogramm wog der junge Stier und wir hatten alle Hände voll zu tun, um ihn in die richtige Position für den 100 Kilometer langen Transport zu bringen. Kurze Zeit später ging es auch schon los und nach 1,5 Stunden Fahrtzeit erreichten wir unsere Farm. Dort wartete bereits unser Arbeiter auf den neuen Mitbewohner.

Das Abladen war weniger problematisch und schnell hatten wir die Fußfesseln wieder gelöst. In diesem Moment kam das Temperament des jungen Tieres zum Vorschein und drei Männer waren nötig, um den Jungstier zu bändigen. Nach ein paar Minuten hatten sie ihn unter Kontrolle und konnten ihn an einem Baum anbinden, wo er sich erst einmal an die neue Umgebung gewöhnen sollte.

Außerdem war es an der Zeit, seine zukünftige Liebschaft kennenzulernen. Deshalb banden wir unsere Kuh Renate in seiner Nähe ebenfalls an einen Baum. Den Namen Renate bekam die Kuh von meiner Mutter, der es eine Ehre war, unserer ersten Kuh ihren Namen zu geben. In der Nacht blieb Ernesto noch an den Baum gebunden, bevor es am Morgen auf die Weide ging. Da er sehr wild und kaum zu bändigen war, war es notwendig, ihm das Laufen an der Leine zusammen mit einem ruhigen, zahmen Stier, den wir uns in der Nachbarschaft borgten, beizubringen. Das klappte nach einigen Metern auch gut. Das war unser Einstieg in die Rinderzucht und uns blieb zu hoffen, dass sich Ernesto und Renate schnell anfreunden würden und wir unseren ersten eigenen Rindernachwuchs begrüßen könnten.

Wir werden Bauer

Das erste Jahr als Farmer brachte uns eine Menge neue Erfahrungen. Wir lernten viele nette Menschen in unserer Nachbarschaft kennen und wurden freundlich von den Paraguayern aufgenommen. Inzwischen waren wir jedes Wochenende auf unserer Farm anzutreffen und genossen das Landleben in vollen Zügen. Unseren morgendlichen Kaffee schlürften wir im Freien beim Sonnenaufgang, bevor wir uns in die Landarbeit stürzten.

Bald konnten wir auch die ersten Erfolge verzeichnen. So stieg die Zahl unserer Gänse an. Sie brüteten ihre ersten Eier aus und fünf kleine Gössel wackelten hinter den stolzen Eltern her.

Unsere erste Gänsenachzucht

Auch die Hühner brüteten fleißig und mit einigen Zukäufen saßen inzwischen 20 Hühner auf der Hühnerleiter, die nicht nur für ein leckeres Frühstücksei sorgten, sondern auch die Grundlage einer deftigen Hühnersuppe bildeten. Zu den Hühnern und Gänsen gesellten sich außerdem drei Entendamen, denen jedoch noch der nötige Ehemann fehlte. „Drei süße Enten-Ladys suchen netten Erpel zum Austausch von Zärtlichkeit“. So ungefähr hätte das Inserat in der Entenhausener Tageszeitung ausgesehen, wenn unsere Enten die Nichten von Donald Duck gewesen wären.

Da dem aber nicht so war, musste ich einen netten jungen Entenmann für meine drei Damen suchen. Eigentlich sollte das nicht so schwierig sein, aber irgendwie war der Entenmännermarkt in Paraguay wie leergefegt. Fündig wurde ich erst auf dem Mercado 4 in Asunción. Ein Markt, auf dem man von Gemüse und Fleisch, über Handys und Akkuschrauber, bis hin zu lebenden Tieren fast alles bekommt, was das Herz begehrt.

Jedem Tierliebhaber wird der Tiermarkt ein Graus sein. Nicht nur Enten in Stallungen, die kein Tageslicht zulassen, sondern auch Papageien in kleinen dunklen Kisten oder übereinandergestapelte Schildkröten lassen Wut aufkommen. Am liebsten würde man alle Tiere mitnehmen. Ich fand einen jungen Erpel und befreite ihn aus einem ein Quadratmeter großen Stall, in dem noch 15 andere gefiederte Freunde auf ein neues Zuhause warteten. Am ersten Tag auf unserer Farm lernte der Erpel nicht nur Grünfutter mit frischer Luft und Sonne kennen, sondern machte auch die Erfahrung, dass Enten schwimmen können.

Nachdem er über eine Stunde nur am Rand unseres Ententeiches verbracht und den Entendamen beim Baden zugeschaut hatte, wagte er den Schritt ins kühle Nass und genoss sein erstes Bad. Auch die Entendamen waren nun nicht mehr abgeneigt und wackelten flott mit dem Hintern vor ihm her. Nach ein paar Wochen hatte er seine Vergangenheit im engen dunklen Käfig vergessen und keine Ente konnte ihm mehr widerstehen.

Unser Erpel am Tag der Ankunft ...

... und hier nur vier Wochen später

Die Arbeit als Bauer zog mich und meine Frau in ihren Bann. Während sich meine Frau um Haus und Garten kümmerte, war ich für die Tiere zuständig. Doch nicht nur die Tiere hatten es mir angetan, sondern auch die Arbeit auf dem Acker machte mir Spaß. So wurde circa ein Hektar Acker mit Maniok bepflanzt. Dafür musste das Feld aber noch gepflügt werden und so kam ich zu meinen ersten Pflugstunden mit Elsos Ochsengespann. Die erste Furche schlängelte sich etwas seltsam durch die Landschaft, aber nach geschätzten 500 Metern hatte ich den Dreh raus, die Ochsen in der richtigen Bahn zu halten, und fing mir sogar ein Lob von Elso ein.

Elsos Ochsengespann

Auch unsere kleine Kuhherde wurde größer, als wir eine weitere Mutterkuh mit einem Stierkalb dazukauften. Weil auch im paraguayischen Winter die Natur zur Ruhe kommt und das Gras sehr wenig wächst, pflanzten wir zusätzliches Futtergras und Zuckerrohr an. Zwei Hektar Kamerun- und Elefantengras stehen seitdem für die Wintermonate als Zufutter zur Verfügung.

Da wir nun auch eine Kuh mit Kälbchen hatten, konnten wir unsere erste eigene Milch zapfen. Aber wie macht man das? Ramona, die Frau unseres Arbeiters, führte mich eines Morgens in die Kunst des Melkens ein. Damit die Kuh ruhig steht, werden ihr als Erstes die Hinterläufe zusammengebunden und das Kälbchen darf kurz am Euter naschen, damit die Kuh die Milch freigibt. Noch bevor das Kälbchen richtig auf den Geschmack kommt, wird es wieder von der Mutter getrennt und schon kann man mit dem Melken beginnen. Dabei werden alle Zitzen abwechselnd und mit den Fingern vom Euter ausgequetscht. Nicht ziehen, sondern wie aus einer Zahnpastatube den Inhalt rausdrücken. Das war es dann auch schon.

Nach der Theorie kam die Praxis und ich musste ran an die Brust. Und, oh Wunder, auch bei mir kam Milch herausgespritzt. Zwei Liter in fünf Minuten waren genug und das Kälbchen kam auch noch auf seine Kosten. Danach gab es Frühstück mit der ersten eigenen Milch, frischem, selbstgebackenem Brot – und das bei 25 °C und Sonnenschein. Einfach wunderbar!

Senacsa

Wer sich in Paraguay mit der Zucht und Haltung von Rindern beschäftigen will, kommt an der SENACSA nicht vorbei. Die SENACSA kann man grob als das Kontrollorgan für Gesundheit, Bestand, Transport und Export von Tieren bezeichnen.

Jede Region hat ihr eigenes Büro. Das für uns zuständige befindet sich in Caapucú, direkt an der Ruta 1, circa 30 Kilometer von unserer Farm entfernt. Da nun schon insgesamt vier Rinder auf unserer Weide standen, wollten wir ein eigenes Brandzeichen beantragen.

Wenn man mit Behörden in Paraguay zu tun bekommt, braucht man viel Geduld, Zeit und Ausdauer. Es war bereits unser dritter Anlauf bei der SENACSA, wobei wir jedes Mal andere Informationen zu benötigten Schriftstücken bekamen. Auch bei diesem dritten Versuch wollte man uns wieder unverrichteter Dinge gehen lassen, da die genaue Reihenfolge der Anträge wieder eine völlig andere war, als man uns beim letzten Mal beschrieben hatte.

Nach einigem Hin und Her konnten wir unsere Papiere doch dort lassen, denn „zufällig“ kannte die nette Bürokauffrau jemanden, der für uns alle Wege erledigen würde, sodass wir in circa 20 Tagen unser Brandzeichen ausgehändigt bekämen. Natürlich ließen wir noch etwas Kleingeld für den unbekannten Bekannten da und fuhren hoffnungsvoll wieder nach Hause.

Fast pünktlich, nach 30 Tagen, kam dann tatsächlich der Anruf von unserer Sachbearbeiterin. „Ihr könnt euer Brandzeichen abholen.“ Ein paar Stunden später hielten wir es auch in den Händen „I K 7“ war darauf in Spiegelschrift zu lesen. Während man früher einmal sein eigenes Brandzeichen entwerfen konnte, bekommt man diese heute von der SENACSA zugeteilt. Sicherlich kann man mit ein wenig Kleingeld unterm Bürotisch noch etwas Einfluss nehmen, aber nicht nur uns, sondern bestimmt auch den Kühen war es egal, was da später auf der Hinterkeule steht.

Fischers Fritz

Auf unserer Farm gibt es ein paar kleinere Quellen, von denen wir eine für einen Fischteich nutzen wollten. Mitten im Wald sollte der Teich entstehen. Nach einem Tag Arbeit war die Quelle frei von Buschwerk und Unkraut und der Platz für die Staumauer abgesteckt. Eine Woche wurde gebuddelt und der Staudamm angelegt, bevor dann das Wasser in den Teich geleitet wurde.

Unser zukünftiger Fischteich

Nach vier Wochen hatte sich das Becken gefüllt und wir konnten die ersten Fische einsetzen.

Viele Jahre waren vergangen, seit ich das letzte Mal in Gummistiefeln durch die Prärie geschlurft war, jetzt kamen sie wieder zum Einsatz. Wir wollten bei unserem Maurer in der Nachbarschaft ein paar Fische aus seinen Fischteichen angeln. Schnell wurden noch die Angeln gebaut (1,50 m Bambus, zwei Meter Angelsehne und ein Haken) und schon konnte die Jagd losgehen. Ich weiß nicht, ob es nun an den neuen Gummistiefeln lag, aber ich holte nach fünf Minuten meinen ersten Tilapia aus dem kleinen Teich. Am Ende waren 15 Fische im Eimer und diese sollten nun ihr neues Zuhause kennenlernen. Der eigene Fischteich war fertig und ein Jahr später sollte unsere Tilapiazucht hoffentlich für einen leckeren Bratfisch sorgen.

Die Fische konnten kommen

Die Selbstversorgerfrage

Als Selbstversorger in Paraguay möchte man natürlich nicht auf die leckeren Dinge des Alltags verzichten. In Paraguay ist es jedoch schwer, leckeres Schwarzbrot zu finden. Also lernten wir, selbst Brot zu backen. Gemüse wurde angebaut, Kühe gemolken und irgendwann wagten wir uns an die erste selbstgemachte Wurst. Wie man das anstellt und was man dazu braucht, suchte sich meine Frau aus dem Internet und schon legte die selbsternannte Metzgerin los.

3,5 Kilogramm pures Rindfleisch, das zu diesem Zeitpunkt noch aus der Frischtheke des Supermarktes stammte, kamen in den Fleischwolf und wurden von ihr durchgedreht. Danach wurde die Fleischmasse gesalzen und gewürzt, bevor die Masse zu guter Letzt in den Darm gepresst wurde. Die Zutaten sind natürlich streng geheim und nur meine liebe Frau wusste, was alles in der Wurst war.

Das war auch schon alles und ein paar Wochen später konnten wir unsere erste hausgemachte Salami verkosten.

Die erste selbstgemachte Salami meiner Frau

Eine Farm und sich selbst zu versorgen ist für viele Menschen ein Traum – aber was bedeutet das und wie weit kann man sich wirklich selbst versorgen?

Selbstversorgung beginnt im eigenen Gemüsegarten: Bereits dabei zeigen sich in Paraguay schnell die ersten Schwierigkeiten, denn auch hier wächst nicht alles und schon gar nicht immer. Man muss viel experimentieren und braucht Geduld und Ausdauer, bevor man die ersten Früchte ernten kann. Die liebe Sonne lässt den Traum vom frischen Gemüse schnell vertrocknen. Einige Tiere können aus dem leckeren Blumenkohlauflauf einen Auflauf ohne Blumenkohl machen. Das Frühstücksei vom eigenen Huhn ist relativ einfach und schnell realisierbar, aber will man ein saftiges Steak vom eigenen Schwein, Rind oder Hammel, bedarf es schon etwas mehr Aufwand. Soll dann noch die eigene Milch im Kühlschrank stehen, muss man auch noch melken können.

Voraussetzung für die Selbstversorgung ist ein Stückchen Land, das sinnvoll bewirtschaftet wird. Tägliches Tun und auch der eine oder andere Schweißtropfen liegen auf dem Weg zur Unabhängigkeit vom Supermarkt. Zurück zur Natur ist die Devise und der Geruch von Kuhmist gehört genauso dazu wie der Komposthaufen oder die Sickergrube ohne Abwassergebühren. Nach zwei Jahren hatte sich schon einiges getan auf unserer kleinen Farm, doch von der Selbstversorgung waren wir noch ein ganzes Stück entfernt. Aber es ging voran und vier Rinder, 20 Hühner, vier Enten, sieben Gänse, ein kleiner Fischteich mit Tilapien, verschiedenes Gemüse, Kartoffeln und Mais sowie viele Obstbäume sorgten für einen um Biokost ohne Lug und Betrug erweiterten Speiseplan. Für uns stand somit fest: „Wir ziehen endgültig aufs Land.“

Unsere Tochter und unser Sohn waren inzwischen auch so weit, dass sie die Füße unter ihren eigenen Tisch stellen konnten, und so hielt uns nichts mehr in der Stadt.

Wir sagten der Stadt endgültig Ade

Das neue Zuhause auf unserer kleinen Farm

Die Koffer waren gepackt, die Umzugskartons standen bereit und das große Abenteuer „Selbstversorger in Paraguay“ konnte beginnen.

Unser Haus auf der Farm war einfach gebaut. Es hatte ein kleines gefliestes Bad, eine Küche und drei Zimmer. Das Haus erfüllte anfangs seinen Zweck und war für unsere Wochenendbesuche mehr als ausreichend. Doch da uns nun unser gesamter Hausrat mit aufs Land folgen sollte, wurde es zu eng in der Hütte. Außerdem wünschten wir uns ein bisschen mehr Komfort. So beschlossen wir, dem Haus an die Fundamente zu gehen, um- und anzubauen und unser neues Zuhause nach unserem Geschmack zu gestalten.

Die Küche sollte vergrößert und das Bad komplett neu gebaut werden. Die Dachform wollten wir verändern und das ganze Haus bekam eine umlaufende Terrasse. Elektrik, Zu- und Abwasser hatten eine Kompletterneuerung nötig und auch die Fenster und Türen brauchten eine liebevolle Hand.

Und so sah es damals bei uns aus.

Einen genauen Zeitplan für unsere Bauarbeiten gab es nicht. Die Bauleitung übernahm meine Frau und mit dem Werkzeugkoffer voll Flexibilität ging es mit Schwung ans Werk.

Das Leben in Paraguay findet zum großen Teil im Freien statt und da wir die alte Küche im Haus komplett umgestalten wollten, musste eine Ausweichmöglichkeit geschaffen werden. So entstand unser Quincho, eine mit einem Grasdach überdachte Außenküche, mit Platz für Tisch und Stühle. Im Haus selbst begannen die Bauarbeiten parallel zum Quinchobau.

Unser neu gebauter Quincho

„Ich will einen Ofen mit Ofenbank.“ Der Wunsch meiner Frau war mir Befehl und so machte ich mich an den Bau eines Steinofens mit Sitzbank. Für mich war dies völliges Neuland, aber das Internet und ein paar Bücher halfen weiter. Gemauert wurde nur mit Lehm, der auf unserer Farm ohnehin überall zu finden war. Die warme Luft sollte über einen querliegenden Abgaszug unter der Sitzbank durchgeführt werden, bevor sie dann nach draußen, in den Schornstein ziehen sollte. Nach zwei Tagen harter Arbeit standen die Ofenbank und das Podest für den Feuerraum. Eine Woche später war der Ofen fertig verputzt und am Schornstein angeschlossen.

Die Ofenbank und ein paar Ablagen sollten mit Kacheln verkleidet werden, doch in Paraguay bekommt man so etwas nicht zu kaufen. Jetzt war meine Frau an der Reihe und mit viel Kreativität und begabtem Händchen formte sie die Kacheln selbst.

Das Material dafür besorgten wir uns in einem kleinen Töpferladen in Areguá und gebrannt wurden die getrockneten Kacheln in dem Ofen, den sie später einmal veredeln sollten.

Die selbst geformten Kacheln meiner Frau

Die Feinarbeiten dauerten noch etwas an, aber nach weiteren zwei Wochen war es geschafft und unser neuer Ofen war fertig. Meine Arbeiten waren mit dem Rohbau des Ofens abgeschlossen und meine bessere Hälfte übernahm die Verkleidung und das Design.

Unser wunderschöner neuer Ofen

„Aber wozu braucht man in Südamerika eigentlich einen Ofen?“ Eine Frage, die mir oft gestellt wurde – doch auch in Paraguay gibt es einen Winter. Der paraguayische Winter ist zwar nicht mit dem deutschen zu vergleichen, doch auch hier gibt es kalte Tage, an denen das Thermometer die 10 °C Grenze nicht überschreitet und man bei nächtlichen Temperauren um 0° C kalte Füße bekommt. Aber mit unserem neuen Ofen konnten wir diese Zeit ganz wunderbar aushalten.

Schnell war der Winter vorbei und der Frühling stand vor der Tür. Für uns war das der Zeitpunkt, in unsere Außenküche zu ziehen und den Startschuss für die eigentlichen Bauarbeiten am Haus zu geben.

Der Eingangsbereich an unserem Farmhaus wurde verlegt. Eine Wand war zu viel und ein Zimmer sollte zu Gunsten der großzügigeren Wohnküche verschwinden. Jede Menge Staub und eine trockene Kehle später waren die ersten Abrissarbeiten erledigt.

Die Abrissarbeiten waren in vollem Gange

Weiter ging es mit dem neuen Badezimmer. Der alte Fußboden musste entfernt werden, Mauerwerksabdichtung und Betonbodenplatte wurden eingebaut, Zu- und Abwasser wurden komplett neu verlegt und die Wände von alten Farbresten befreit. Im Boden wurde eine elektrische Fußbodenheizung eingebaut, die wir aus Deutschland mitgebracht hatten. Nach drei Wochen war das neue Bad fertig und meine Frau ließ sich sofort eine heiße Wanne ein.

Neben der Baustelle ging natürlich das Leben auf unserer Farm seinen gewohnten Gang und so wurde ich eines Tages von unserem Nachbarn gefragt, ob ich das Grabmal seiner Mutter fliesen könnte und wie viel das kosten würde. Mein Preis sagte ihm zu, aber er verfügte über kein Bargeld. Deshalb bot er mir eine trächtige Kuh im Tausch an. Ein gutes Geschäft, dachte ich, und der Handel war perfekt. Einen Tag später wurde mir die Kuh dann auch schon gebracht. Obwohl ich meine Arbeiten an dem Grabmal noch nicht einmal begonnen hatte, wurde ich schon dafür bezahlt. Dem Bauern war es so lieber, denn einerseits stand ich nun in seiner Schuld und anderseits hatte er einen Fresser weniger zu versorgen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 163 Seiten

Details

Titel
Abenteuer Auswandern: Neuanfang in Paraguay
Untertitel
Wie eine deutsche Familie in Südamerika eine neue Heimat fand
Autor
Seiten
163
Erscheinungsform
Originalausgabe
ISBN (eBook)
9783656560715
ISBN (Buch)
9783656560722
Dateigröße
8499 KB
Sprache
Deutsch

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Titel: Abenteuer Auswandern: Neuanfang in Paraguay



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