Zu den zentralen Texten des Alten Testaments zählen die vier Gottesknechtslieder (Jes 42, 1-9; 49, 1-9; 50, 4-9; 52,13-53,12). Sie stehen im Kontext des babylonischen Exils. Diese Periode ist eine Zeit der Entwurzelung für die Verbannten Israels, denn die Exilerfahrung führt das Volk zu einem neuen Anfang.
Die Vernichtung des Tempels und Jerusalems, der Untergang aller politischen und religiösen Institutionen und die Deportation der oberen Klasse sind, sowohl eine soziale und politische Katastrophe, als auch eine Glaubenskrise. Das Volk hat viele Schwierigkeiten bei der Glaubensweitergabe. Ihm ist nicht ganz bewusst, dass sie Gottes erwähltes Volk sind. Das Volk trägt sein Schicksal mit Ergebenheit, aber gleichzeitig lebt es in einer tiefen Depression. In diesem hoffnungslosen Kontext sind die Gottesknechtslieder eine wertvolle Hilfe für das Volk, um die Wirklichkeit neu zu verstehen, und sie bringen eine neue Perspektive gegen die Ratlosigkeit und Resignation.
Bernhard Duhm schlug 1892 vor, dass die vier Gottesknechtslieder eine Einheit innerhalb eines heterogenen Textes - dem Deuterojesajabuch - bilden, was jahrelang wie ein Axiom verstanden wurde. Obwohl diese Meinung bis heute verbreitet ist, gibt es auch andere Expertenmeinungen, die auch nicht zu vernachlässigen sind. Seitdem wurde, sowohl über dieses Thema als auch über die Identität des Knechtes, viel geschrieben und diskutiert.
Nach einer Beschreibung der ersten Drei Lieder, die den Plan Gottes für seinen Knecht darlegen, wird das vierte Lied im Detail untersucht. Obwohl die Texte für die Zeitgenossen des Propheten geschrieben wurden, lasen die Urchristen die Texte in Bezug auf Christus. Die Ostererfahrung, die die ersten christlichen Gemeinden machten, beeinflusste die Interpretation dieser Lieder, vor allem die des Vierten. Deswegen konzentriert sich diese Arbeit auf eine christliche Perspektive der Lieder und versucht, eine Gesamterklärung darzustellen und die Auseinandersetzung um die Identität des Gottesknechtes zu erläutern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die vier Gottesknechtslieder
- Kontext
- Der Gottesknecht
- Das erste Lied: Jes 42, 1-9
- Das zweite Lied: Jes 49, 1-9
- Das dritte Lied: Jes 50, 4-9
- Das vierte Lied: Jes 52, 13—53, 12
- Übersicht
- Erläuterung zu einigen Begriffen
- Knecht JHWHs
- Wir
- Leiden
- Perspektive
- Kollektive Deutung
- Einzelne nicht messianische Deutung
- Einzelne messianische Deutung
- Offene Deutung
- Vergleichstexte
- Gottesknecht und Menschensohn: Mk 10, 45
- Das Kelchwort: Mk 14, 24
- Zu den Verbrechen gerechnet: Lk 22, 37
- Der äthiopische Kämmerer: Apg 8, 26-40
- Auslegung
- Schluss
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den vier Gottesknechtsliedern in Jesaja (42, 1-9; 49, 1-9; 50, 4-9; 52, 13 - 53,12), die zu den zentralen Texten des Alten Testaments zählen. Sie analysiert den Kontext der Lieder im babylonischen Exil, untersucht die Figur des Gottesknechtes und seine Rolle im Plan Gottes, und beleuchtet die verschiedenen Interpretationen der Lieder, insbesondere die christliche Perspektive.
- Die Rolle des Gottesknechtes im Kontext des babylonischen Exils
- Die verschiedenen Deutungen der Figur des Gottesknechtes (Individuum vs. Kollektiv, Messias vs. andere Figuren)
- Die Bedeutung der Gottesknechtslieder für die christliche Theologie und die Interpretation des Lebens und Wirkens Jesu
- Die Auswirkungen der Gottesknechtslieder auf die Liturgie und das Selbstverständnis der Kirche
- Die Frage der Stellvertretung und Schuldübernahme im Kontext des vierten Liedes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Gottesknechtslieder als zentrale Texte des Alten Testaments vor und erläutert ihren Kontext im babylonischen Exil. Sie beschreibt die Bedeutung der Lieder für das Volk Israel in einer Zeit der Entwurzelung und Glaubenskrise und beleuchtet die historische und theologische Debatte um die Identität des Gottesknechtes.
Das Kapitel "Die vier Gottesknechtslieder" bietet eine detaillierte Analyse der einzelnen Lieder, beginnend mit einer Beschreibung des Kontextes im Buch Jesaja und der Rolle der Lieder innerhalb der deuterojesajanischen Schule. Es werden die wichtigsten Motive und Themen jedes Liedes beleuchtet, wobei ein besonderer Fokus auf das vierte Lied (Jes 52, 13-53, 12) gelegt wird.
Der Abschnitt "Das vierte Lied: Jes 52, 13—53, 12" bietet eine umfassende Analyse des Liedes, die sich mit der Struktur, den wichtigsten Begriffen und den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten auseinandersetzt. Es werden die verschiedenen Interpretationen des Gottesknechtes beleuchtet, darunter die kollektive Deutung, die den Knecht mit dem Volk Israel identifiziert, sowie die einzelnen Deutungen, die den Knecht mit verschiedenen Figuren des Alten Testaments oder mit dem Messias in Verbindung bringen. Auch die offene Deutung, die den Knecht mit verschiedenen Figuren gleichsetzt, wird behandelt.
Der Abschnitt "Vergleichstexte" zeigt die Rezeption der Gottesknechtslieder im Neuen Testament und untersucht die Parallelen zwischen den Liedern und der Darstellung Jesu in den Evangelien. Es werden verschiedene Textstellen aus den Evangelien und der Apostelgeschichte analysiert, die auf die Gottesknechtslieder verweisen und die christliche Interpretation der Lieder beleuchten.
Der Abschnitt "Auslegung" beschäftigt sich mit der Frage, ob das vierte Lied auf die Vergangenheit oder die Zukunft ausgelegt werden kann. Es werden verschiedene Interpretationen des Liedes im Kontext der christlichen Theologie beleuchtet, wobei ein besonderer Fokus auf die Vorstellung Jesu als Gottesknecht gelegt wird. Die Bedeutung des stellvertretenden Leidens des Gottesknechtes für das Heilshandeln Jesu und die Bedeutung der Gottesknechtslieder für das Selbstverständnis der Kirche werden diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Gottesknecht, die vier Gottesknechtslieder, Jesaja, das babylonische Exil, die christliche Interpretation, die Identität des Gottesknechtes, das stellvertretende Leiden, die Schuldübernahme, die Heilstat Jesu und die Bedeutung der Gottesknechtslieder für die Liturgie und das Selbstverständnis der Kirche.
- Arbeit zitieren
- Roberto Garcia (Autor:in), 2013, Die Gottesknechtslieder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/266686