Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Aufgabenstellung
Abstract
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Schallwahrnehmung
3 Forschungsstand
3.1 Forschungsfragen
4 Active Sound Design
4.1 Definition
4.2 Ausgangssound
4.3 Zielsound
4.4 Möglichkeiten der Sounderzeugung im Fahrzeug
4.4.1 ASD-System 1
4.4.2 ASD-System
4.4.3 ASD-System
5 Messungen
5.1 Außengeräuschmessung der Vorbeifahrt nach NHTSA/Volpe Center
5.2 Außengeräuschmessung der Vorbeifahrt nach ECE R
5.3 Außengeräuschmessung mit ASD-System
6 Probandenbefragung
6.1 Fragenblock I „Allgemein“
6.2 Fragenblock II „Elektromobilität“
6.3 Fragenblock III „Nach dem Testhören“
7 Auswertung der Probandenbefragung
7.1 Physikalische Auswertung der Fragebogen-Sounds
7.2 Psychoakustische Auswertung der Fragebogen-Sounds
7.2.1 Lautheit
7.2.2 Rauigkeit
7.2.3 Schärfe und Tonalität
8 Schlussfolgerung
9 Ausblick
Glossar
Verzeichnis der Formelgrößen
A Anhang
A.1 Grundlegende Formeln
A.1.1 Wellengleichung für eindimensionale Schallfelder
A.1.2 Fourier-Transformation
A.2 Fragebogen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Linien gleicher Lautstärke
2 Menschlicher Hörbereich
3 Schematische Darstellung des menschlichen Ohres
4 A-, B-, C-, und D-Filterkurven
5 Innengeräuschausgangsmessung des Basisfahrzeuges
6 Verarbeitung der Basismodulationsparameter
7 Anbringung des Körperschallaktuators des ASD-Systems 1 (gelb dargestellt)
8 Anbringung des Außengeräuschlautsprechers des ASD-Systems 1 (gelb dargestellt)
9 Signalerzeugung ASD-System 2
10 Funktionsweise ASD-System 2
11 An- und Abschaltvorgang ASD-System 2
12 Schematische Darstellung der Hardware des ASD-Systems 3
13 Schematische Darstellung der Funktionsweise des Renderers des ASD- Systems 3
14 Synthesizer des ASD-Systems 3
15 Messaufbau nach NHTSA/Volpe Center
16 Messaufbau nach ECE R51
17 Außengeräusch-Leerlaufmessungen
18 Außengeräusch-Vorbeifahrtmessungen
19 Außengeräusch-Vorbeifahrtmessungen Terzbänder
20 Ergebnisse Frage I.1
21 Ergebnisse Frage I.2
22 Ergebnisse Frage I.3
23 Ergebnisse Frage II.1
24 Ergebnisse Frage II.2
25 Ergebnisse Frage II.2a
26 Ergebnisse Frage II.2b
27 Ergebnisse Frage II.3
28 Ergebnisse Frage III.1
29 Ergebnisse Frage III.2
30 Ergebnisse Frage III.3
31 Ergebnisse Frage III.4
32 FFT-Analyse der Fragebogen-Sounds
33 Vorgehensweise zur Bestimmung der Lautheit in ArtemiS . .
34 Lautheit-Kurven der Fragebogen-Sounds
35 Blockschaltbild der Rauigkeitsberechnung
36 Rauigkeits-Kurven der Fragebogen-Sounds
37 Kettenleiter-Modell für eine Gassäule aus Massen m und Federelementen s
38 Kräftegleichgewicht eines infinitesimal kleinen Elementes einer Gassäule
Tabellenverzeichnis
1 Zuordnung zwischen Schalldrücken und Schalldruckpegeln
2 Fahrmanöver vor Fußgängerunfällen mit Hybridfahrzeugen und Fahrzeu- gen mit Verbrennungsmotor
3 7 Kriterien für den Zielsound eines Active Sound Design Systems als mög- liches Lastenheft
4 Atmosphärische Werte der Geräuschpegelmessung ASD-System 1
5 Atmosphärische Werte der Terzbandmessung ASD-System 1
6 Testsounds für den Probandenfragebogen
Aufgabenstellung
TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN Institut für Land- und Seeverkehr Kraftfahrzeuge
Diplomarbeit Nr.: 23/10 cand. ing. Nils Donath
„Markentypisches Sounddesign für den elektrischen Fahrbetrieb“
Das Geräusch eines Kraftfahrzeuges mit Elektroantrieb ist geprägt durch die Anteile von Roll- und Windgeräuschen. Antriebsgeräusche sind weitestgehend nicht vorhanden. Dies führt einerseits zu einem wenig emotionalen und unattraktiven Gesamtgeräusch und andererseits ist insbesondere bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten das Geräuschniveau so niedrig, dass die akustische Wahrnehmbarkeit bei Fußgängern nicht mehr ausreichend ist.
Die Wahrnehmung von Fahrzeugen durch Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer ist zum großen Teil durch die Akustik geprägt: Die Fahrzeugakustik dient als Imageträger und Markenbild sowie zur Identifikation und als Differenzierungsmerkmal. Folglich entstehen durch die Elektromobilität neue Herausforderungen für die Akustikentwicklung, da konventionelle Verbrennungsmotor-Geräusche nicht oder nur temporär hörbar sein werden.
Es ist die Aufgabe ein Fahrzeug-Geräusch-Profil für den elektrischen Fahrbetrieb mittels akustischer Maßnahmen zu erzeugen, welches lastdynamisch, charakteristisch und emotional ist.
Folgende Aufgaben ergeben sich hieraus:
1. Definition eines emotionalen, Porsche - typischen Zielsounds für das Außengeräusch eines im Elektrobetrieb fahrenden Porschefahrzeuges
2. Ausarbeitung und Bewertung von Konzeptalternativen für die Umsetzung im Fahrzeug
Hierbei leiten sich die folgenden inhaltlichen Schwerpunkte ab:
- Literaturrecherche
- Durchführung von Benchmarkanalysen
- Ausarbeitung von Konzeptalternativen
- Einleitung von Körperschall mit Soundaktuatoren
- Erzeugung von Luftschall mit Lautsprecher
- Einbau dieser Alternativen in ein Demonstratorfahrzeug
- Prüfen verschiedener Methoden zur Sounderzeugung im Fahrzeug
- Erzeugung einer Auswahl von Elektro-Sound-Schemata nach den Kriterien
- Markentypus
- Emotionalität
- Bestimmung der Psychoakustik-Einflussfaktoren
- Durchführung und statistische Auswertung von Probandenbefragungen
Die Arbeit ist selbständig zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Die Ergebnisse der Arbeit sind in geeigneter Form darzustellen und zu dokumentieren. Die Arbeit ist auch als digitale Version (PDF-Datei) mit allen dargestellten Bildern abzugeben. Zusätzlich ist eine einseitige Zusammenfassung der Arbeit in elektronischer Form zu erstellen. Alle relevanten Informationen sind in das Wiki-System des Fachgebietes einzuarbeiten. Die Ergebnisse der Arbeit sind im Rahmen des Diplomandenseminars vorzustellen.
Berlin, den 17.01.2011
Betreuer TU Berlin Industrieller Betreuer Mitberichter TU Berlin
Abstract
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Problematik geringer Geräuschemissionen von elektrisch betriebenen Kraftfahrzeugen. Diese Problematik entsteht durch die nicht ausreichende akustische Warnfunktion für andere Straßenverkehrsteilnehmer (z. B. Fußgänger und Radfahrer), durch die schlechte Rückmeldung der Fahrzeugführungsgrößen (z. B. Drehzahl und Last) an den Fahrer und durch eine fehlende Identifikation des elektrisch fahrenden Kraftfahrzeugs mit der Fahrzeugmarke bzw. mit dem Image des Fahrzeugherstellers. Daher ist es das Ziel, ein künstliches Fahrzeuggeräusch zu implementieren, das die oben genannten Defizite ausgleicht.
Um diese Thematik anzugehen, wurden durch den Autor drei unterschiedli- che Systeme zur künstlichen Geräuscherzeugung entwickelt, getestet und aus- gewertet. Darüber hinaus wurden die drei Systeme in einen prototypischen Produktentstehungsprozess eingebunden. Das System 1 ist zusammen mit einem Automobilzulieferer weiterentwickelt worden. Hardwareseitig ist eine Anbringung an ein Demonstratorfahrzeug vorgenommen und mittels Außen- geräuschmessungen hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit validiert worden. Die Sound-Bedatung - die softwareseitige Generierung und Steuerung von einem Fahrzeuggeräusch - wurde bezüglich der Emotionalisierung durch verschie- dene akustische Analysen der Innen- und Außen-Geräuschaufnahmen unter- sucht und optimiert. Das System 2 wurde ebenfalls zusammen mit einem Zulieferer softwareseitig weiterentwickelt. Neue Funktionen, wie eine akusti- sche Simulation des An- und Abschaltvorganges, wurden implementiert. Eine Sound-Bedatung für das Fahrzeug-Innen- und Außengeräusch ist umgesetzt worden. Das dritte System zur künstlichen Fahrzeuggeräuscherzeugung wurde zusammen mit einem Zulieferer neu entwickelt. Dabei ist eine neue Sound- Software nach eigenen Vorgaben entwickelt worden. Es konnten neuartige Fahrzeug-Sounds komponiert werden.
Die Außengeräuschmessungen haben gezeigt, dass die Lautstärkepegel eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor auch von einem Fahrzeug im elektrischen Fahrbetrieb mit einer künstlichen Geräuscherzeugung auf Basis von Luft- oder Körperschall erreicht und übertroffen werden können. Im weiteren Ver- lauf wurde eine Probandenbefragung durchgeführt. Hierfür sind 62 Personen innerhalb des Entwicklungszentrums Weissach befragt worden. Innerhalb des erstellten Probandenfragebogens wurde das subjektive Urteil über den Klang- charakter eines Sounds, der am besten gefiel, als Kernfrage ermittelt. Die aus Innengeräuschmessungen abgeleiteten Analysen zeigten, dass es Korrelatio- nen der Ergebnisse der Probandenbefragung mit dem physikalischen Klang- bild und einigen psychoakustischen Werten der Fragebogen-Sounds gibt: Der am häufigsten genannte Fahrzeug-Sound zeigt bei zwei psychoakustischen Kennwerten die größten Amplituden. Es konnte ein Beitrag zum besseren Verständnis der Mensch-Maschine-Schnittstelle geleistet werden.
1 Einleitung
Die Wahrnehmung von einem Kraftfahrzeug ist zum großen Teil durch sein Klangbild geprägt, welches seit über 100 Jahren fast unverändert blieb. Die für den Fußgänger asso- ziierte Warnfunktion ist für seine persönliche Sicherheit im Straßenverkehr unabdingbar.
Angaben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) zufolge, ist der Bestand an Hybrid- und Elektroautos seit 2006 steigend. Eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von ca. 28 % ist zu verzeichnen. Folgt man diesem Trend, ist ein Hybrid- und Elektrofahrzeugbestand von ca. 39.0001 Fahrzeugen für 2011 zu prognostizieren.2
Das Fehlen von charakteristischen Verbrennungsgeräuschen bei leisen Fahrzeugen3 ist besonders für sehbehinderte Menschen im Straßenverkehr ein Problem. Sehende Menschen sind nach einer Studie der National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) ebenso betroffen, denn Ergebnisse haben gezeigt, dass die Unfallwahrscheinlichkeit bei elektrisch fahrenden Fahrzeugen teilweise bis zu zwei mal höher ist, als bei Fahrzeugen, die ein Verbrennungsmotorgeräusch emittieren.4 Somit stellt diese Problematik einen aktuellen Handlungsbedarf dar.
Die Vorhaben der Fahrzeugindustrie dieser Problemstellung entgegenzutreten, lassen sich unter dem Begriff „Sound-Design“ zusammenfassen. Damit wird versucht, ein künstliches Fahrzeuggeräusch zu erzeugen, um einerseits Fußgänger zu warnen und andererseits das Markenimage so gut wie möglich zu transportieren, um vom Kunden akzeptiert zu werden und Kaufentscheidungen zu begünstigen. Um diese Ziele zu erreichen, muss die Mensch-Maschine-Schnittstelle besser verstanden werden.
Folgende Schriften beinhalten den aktuellen Forschungsstand zum Thema
- Küppers (2011): Zielger ä uschentwicklung von Elektrofahrzeugen Daimler AG, Konferenzbeitrag, DAGA 2011, Düsseldorf.
Küppers erörtert den Unterschied der Geräuschcharaktere von Elektrofahrzeugen zu Fahrzeugen mit konventionellem Verbrennungsmotor und betitelt den Zielfin- dungsprozess für das elektromotorische Klangbild als „komplex und dynamisch in seiner Entwicklung“. Küppers spricht dabei die Probleme der in den Vordergrund tretenden Stör- und Umweltgeräusche und das Fehlen von einer Rückmeldung über Geschwindigkeit und Lastzustand eines Fahrzeuges im elektrischen Fahrbetrieb an. Das Einholen von Kundenwünschen bei der Definition eines Elektrofahrzeugsounds, um eine Akzeptanz zu gewährleisten, sieht Küppers als wichtig an.
- Fiebig, Sottek (2011): Neue Stra ß enverkehrsger ä usche aufgrund neuer Fahrzeu- gantriebskonzepte HEAD acoustics GmbH, Konferenzbeitrag, DAGA 2011, Düssel- dorf.
Nach Fiebig und Sottek eröffnen sich Chancen zur erheblichen Verringerung von Straßenverkehrslärm durch die Zunahme von Hybrid- und Elektrofahrzeugen. An- dererseits sehen Sie das Problem eines erhöhten Unfallrisikos für Fußgänger auf- grund von sehr leisen Kraftfahrzeugen. Um die Hörbarkeit von leisen Fahrzeugen bei niedrigen Geschwindigkeiten zu ermöglichen, werden akustische Warnsignale in Betracht gezogen. Im Rahmen eines Europäischen Forschungsprojektes wird eine Technologie zur Verkehrsgeräuschsynthese entwickelt, die es erlaubt, beliebige Ver- kehrsszenarien zu erzeugen und zu auralisieren. Damit können die Auswirkungen der Elektrifizierung des Straßenverkehrs und von Warnsignalen auf das Gesamtver- kehrsgeräusch detailliert abgeschätzt werden.
- Letens (2010): Von der Psychoakustik ü ber die psychologische Akustik zur ganz heitlichen Ger ä uschbewertung in der Fahrzeugakustik Daimler AG, Konferenzbeitrag, DAGA 2010, Berlin.
Letens beschreibt einen Prozess einer ganzheitlichen wahrnehmungsorientierten Fahrzeuggeräuschbewertung mit den Dimensionen Wertanmutung, Emotionalit ä t und Positionsierungs-Konformit ä t. Darüber hinaus legt er eine Herleitung einer „geeigneten arithmetischen Vorschrift zur Verknüpfung der drei Grunddimensionen zu einer übergeordneten Größe“ nahe und betitelt diese als „Sound-Performance“.
- Zeitler, Liebing, Kerber (2010): Sounddesign im Dienste der Wahrnehmbarkeit von leisen Fahrzeugen BMW AG, Konferenzbeitrag, DAGA 2010, Berlin.
Zeitler, Liebing und Kerber stellen ebenfalls zur DAGA 2010 Messungen zum Ab- stand der Hörwahrnehmung über der Mithörschwelle und dem Schalldruckpegel für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, (Voll-) Hybridmotoren und Elektromoto- ren vor. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell für die Bestimmung der auditiven Wahrnehmbarkeit von Fahrzeugen Vorhersagen für unterschiedliche Hintergrundge- räusche und Fahrzeugtypen zulässt. Dabei liegen Elektrofahrzeuge und Hybridfahr- zeuge ab einem Maskiererpegel von 52 dB(A) in einem Bereich, bei dem Passanten diese herannahenden Fahrzeuge nicht mehr rechtzeitig wahrnehmen können und somit eine Kollision verursacht werden könnte.
Die Schallwahrnehmung des Menschen ist ein Vorgang, der bisher wenig erforscht ist. Das Übertragungsverhalten von der Schallquelle zur Perzeption im menschlichen Gehirn läuft höchst unterbewusst ab und ist von sehr vielen Einflussfaktoren, wie Gemütsver- fassung bzw. Stimmung, gleichzeitig auftretenden Gerüchen, Umweltbedingungen usw. abhängig. Diese Arbeit soll zum besseren Verständnis der menschlichen Perzeption von akustischen Reizen beitragen. Um diese Ziele zu erreichen, werden im Umfang der vor- liegenden Diplomarbeit Probandenbefragungen und Geräuschmessungen durchgeführt. Um die oben genannten Sachverhalte theoretisch zu erfassen, bedarf es nachfolgender theoretischer Grundlagen.
2 Theoretische Grundlagen
Ein akustisches Schallereignis entsteht in seiner Schallquelle. Die Schallquelle wird durch Druckschwankungen, welche die umgebene Luft in Schwingungen versetzt, erzeugt. In Folge von Kompressibilität und Masse der Luft werden diese Druckschwankungen über- tragen und gelangen so zum Ohr, wo sie vom Menschen wahrgenommen werden.5 Die so entstandenen Geräusche sind mittels des zeitabhängigen Schalldrucks p (t) mathematisch modellierbar. Der Schalldruck, als der sich zeitlich ändernde lokale Luftdruck, wird in der Einheit Pascal [Pa] angegeben.6 Der Wertebereich, den das menschliche Ohr wahrneh- men kann, variiert zwischen der Ruhehörschwelle (2 · 10 − 5 Pa) und der Schmerzschwelle (2 · 102 Pa). Es liegen demnach sieben Zehnerpotenzen innerhalb des Wertebereichs der menschlichen Hörwahrnehmung. Das ist ein sehr großes physikalisches Intervall. Daher wird der Schalldruckpegel L nicht mit Exponenten gerechnet, sondern als logarithmische Größe in Pegeln in der Einheit Bel [B] bzw. Dezi-Bel [dB] dargestellt. Der Logarithmus ist nur für dimensionslose Zahlen definiert. Jede zu logarithmierende Größe muss auf einen Bezugswert normiert werden. Für den Schalldruck ist p 0 ein Bezugswert mit
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
und entspricht in etwa der Hörschwelle für eine Frequenz f von 1000 Hz. Der Schalldruck- pegel L kann über Schalldruck- oder Schallintensitätsverhältnisse angegeben werden (mit einer Näherung für 10 ◦ C < ϑ < 70 ◦ C), wobei p der Effektivwert des Zeitverlaufes ist:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Skala des Schalldruckpegels in dB ist so gewählt, dass man zwei Schalle, welche sich um 1 dB unterscheiden, gerade noch als different empfindet. Tabelle 1 verdeutlicht die Anwendung des Schalldruckpegels in dB.8
2.1 Schallwahrnehmung
Ein an einem Ort wahrgenommenes Schallereignis hat im Wesentlichen zwei Merkmale: „Klangfarbe“ und „Lautstärke“. Das Maß für die Klangfarbe ist die Frequenz f. Sie gibt die Anzahl der Periodendauern pro Sekunde in der Einheit Hertz [Hz] an. Mit steigender Frequenz nimmt die wahrgenommene Tonhöhe zu. Der vom Menschen wahrnehmbare Frequenzbereich ist nicht exakt angebbar, da er u. a. abhängig vom Lebensalter und der bisherigen „Hörerfahrung“ ist. Er reicht in etwa von 16 Hz bis 16.000 Hz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Zuordnung zwischen Schalldrücken und Schalldruckpegeln nach Cremer, Möser (2009). Seite 7
Die Ohrempfindlichkeit hängt von der Tonhöhe bzw. der Frequenz ab. In dem rechts dargestellten Schalldruckpegel-Fre- quenzdiagramm sind die Kurven glei- cher Lautstärke-Empfindung für ein ebe- nes Schallfeld9 abgebildet. Die hier reprä- sentierten Kurven gleicher Lautstärke sa- gen u. a. aus, dass man einen 50 Hz Ton von 80 dB tatsächlichem Schalldruckpegel und einen 1 kHz Ton von 60 dB tatsächli- chem Schalldruckpegel als gleich laut emp- findet.10
Der Lautstärkepegel L N muss durch empirische Lautstärkevergleiche ermittelt werden und ist somit eine gemittelte sub- jektive Größe. Die Einheit des Lautstär- kepegels wird in phon angegeben. Zur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Linien gleicher Lautstärke nach ISO 226:200311
Festlegung bediente man sich einer Frequenz f = 1 kHz und definierte den Lautstär- kepegel als den Schalldruckpegel des gleich lauten 1-kHz-Tones. Der Lautstärkepegel kann mit elektronischen Nachbildungen des Gehörs angenähert werden und ist für quan- titative Angaben über die Empfindung der Lautstärke ungeeignet, da die Perzeption des Stimulus nicht berücksichtigt wird. Die Lautheit N in der Einheit sone dient dazu eine
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Menschlicher Hörbereich nach Fastl, Zwicker (2007)
direkte Proportionalität zur Lautstärkeempfindung herzustellen. Für den 1-kHz-Ton mit einem Pegel von 40 dB wurde die Lautheit N = 1 sone festgelegt. Subjektive Messungen ergaben, dass eine Schalldruckpegelsteigerung um 10 dB die Lautheit des 1-kHz-Tones verdoppelt (gilt für Pegelwerte über 30 dB).12 Aus der grünen Linie aus Abbildung 1 ist die Ruhehörschwelle (threshold in quiet) ersichtlich. Sie muss erreicht werden, um ein Geräusch wahrzunehmen.
Abbildung 2 zeigt ebenso die Frequenz (frequency) über der Lautstärke (sound pres- sure level). Die Bereiche in denen Musik und Sprache wahrgenommen werden, die Scha- densgrenze (limit of damage risk) und die Schmerzgrenze (threshold of pain) sind hier zusätzlich aufgetragen. Daneben sind Schallintensität und -druck auf einer eigenen Ska- la dargestellt. Die gepunktete Linie markiert den lokalen Verlauf der Hörschwelle, die bei Personen auftritt, die häufig lauten Geräuschen oder lauter Musik ausgesetzt sind.
Betrachtet man zusätzlich Abbildung 1, so lässt sich darauf schließen, dass das Ohr im mittleren Frequenzbereich viel emp- findlicher ist als bei hohen und tiefen Fre- quenzen. Die Tatsache, dass die Linien gleicher Lautstärke im mittleren Frequenz- bereich weiter auseinander liegen, lässt diesen Schluss zu. Wir sind dort für die Sprache sensibilisiert, was u. a. auch mit der Form des menschlichen Ohres zusam- menhängt.13 Ursache für den Zusammen-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Schematische Darstellung
des menschlichen Ohres nach Lerch, Sessler, Wolf (2009) ist die Form unseres Ohres. Schall wird mit der Entfernung abgeschwächt, hat Wel- lencharakter und kann z. B. reflektiert werden. Daneben beeinflusst das Vorhandensein jedes Körpers im Schallfeld das Schallfeld selbst und somit das eigene Hörempfinden. Die subjektive Wahrnehmung der Lautstärke ist nicht nur von der Frequenz, sondern auch von der Bandbreite des Schallereignisses abhängig. Der Zusammenhang zwischen der ob- jektiven Größe Schalldruckpegel und der subjektiven Größe Lautstärke lässt sich mittels sogenannter Filterkurven erfassen. Sie interpretieren bzw. bewerten den Schalldruck und die Frequenz und geben die subjektiv empfundene Lautstärke an. Diese Filterkurven sind international anerkannt. Der „A-bewertete Schallpegel“ stellt die Frequenzanteile des Hörbereichs dar und liefert den sog. dB(A)-Wert, dessen Frequenzgang in Abbildung 4 aufgetragen ist. Die A-Filterkurve entspricht in etwa der Umkehrung der Kurve gleicher Lautstärke mit dem Pegelwert von 30 dB bei 1 kHz. Dabei haben tiefe und sehr hohe Frequenzen einen wesentlich geringeren Anteil am dB(A)-Wert als die mittleren Frequen- zen.14 Die in diesem Zusammenhang stehende Übertragungsfunktion zwischen Stimulus und Wahrnehmung beim Menschen ist sehr komplex und wird im Folgenden verdeutlicht.
Die Wandlung von akustischen Si- gnalen in Nervenimpulse im Ohr pas- siert über einen relativ schnellen Pro- zess. Die Umwandlung akustischer In- formationen in Nervenimpulse erfolgt beim Menschen im Cortischen Or- gan innerhalb der Cochlea auf der Basilarmembran. Sie befindet sich in der Schnecke im Innenohr. Wenn ei- ne Schallwelle das Innenohr erreicht, breitet sie sich als Wanderwelle über die Basilarmembran aus. Das Maxi- mum dieser Wanderwelle tritt je nach Frequenz des Schalles an unterschied- lichen Orten auf. Dabei werden tiefe Abbildung 4: A-, B-, C-, und D-Filterkurven Frequenzen auf Orte nahe dem He- nach Cremer, Möser (2009) licotrema abgebildet, während hohe Frequenzen auf Orte nahe am ovalen Fenster (siehe Abbildung 3) abgebildet werden. Über die Länge der Basilarmembran verteilt befinden sich Haarzellen. Diese sind mit Nervenfasern verbunden, die je nach Stärke der Anregung unterschiedlich starke Impuls- folgen abgeben. Es wird eine Art Fouriertransformation im menschlichen Ohr durchge- führt, indem verschiedene Frequenzen auf unterschiedliche Orte der Basilarmembran und somit auf verschiedene Gruppen von Nervenfasern abgebildet werden.15 Unabhängig von der Position des Ohres ist sogenanntes Richtungshören bzw. binaurales Hören möglich.
Durch die in den Ohren zeitlich versetzt eintreffenden Schallwellen kann eine Lokalisation der Schallquelle im Gehirn erfolgen.
Um akustische Reize wahrzunehmen, bedarf es der oben beschriebenen Wirkungsket- te. Wie beschrieben, gibt es einen Mindestschallpegel, der mindestens vorhanden sein muss, um für den Menschen wahrnehmbar zu sein. Für den komplexen Fall einer lauten Umgebung (Stadtverkehr) kommen hier mehrere Einflüsse hinzu, die manche akustische Reize maskieren können.
Die im menschlichen Gehirn empfangenen Information können Emotionen hervorru- fen. Es gibt hierfür sehr viele Einflussfaktoren, welche die Ausprägung der Emotionen beeinflussen oder bestimmen können. Um die Problematik der Hörbarkeit leiser Fahrzeu- ge anzugehen, werden nachfolgend Studien und Handlungsempfehlungen zur genannten Problematik erläutert.
3 Forschungsstand
Aktuelle Hybrid- und Elektrofahrzeuge generieren im elektromotorischen Betrieb nur sehr geringe Geräuschemissionen. Dabei sind die Innen- und Außengeräusche hauptsächlich durch Wind- und Rollgeräusche geprägt. Deutlich wahrnehmbare Antriebsgeräusche sind im Gegensatz zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nicht vorhanden. Daraus folgt, dass ein Fahrzeug im elektrischen Fahrbetrieb ein wenig emotionales und unattraktives Gesamtgeräusch mit niedrigem Lautstärkepegel erzeugt. Insbesondere bei geringen Fahrgeschwindigkeiten ist das Gesamtgeräuschniveau so niedrig, dass die akustische Wahrnehmbarkeit für Fußgänger nicht mehr ausreichend ist. Es entsteht der Bedarf einen Fahrzeug-Sound zu kreieren, welcher die Funktion der Fußgängerwarnung erfüllt und dabei den Aspekt der Emotionalisierung berücksichtigt.
Der Forschungsgegenstand enthält Untersuchungen zur Wahrnehmung leiser Fahrzeuge. Darüber hinaus gilt es Untersuchungen zu Maßnahmen der Sound-Erzeugung und deren Validierung hinsichtlich der Kriterien
- Wahrnehmbarkeit,
- Emotionalität und
- Markentypus durchzuführen.
Es ist abzusehen, dass voraussichtlich ab dem Jahr 2012 Gesetze über einen Mindestschallpegel elektrisch betriebener Fahrzeuge verabschiedet werden - in den USA durch die National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA)16, in Japan durch das japanische Transportministerium17 und in Europa durch die europäische Wirtschaftskommission der vereinten Nationen18.
Eine Studie der NHTSA vom September 2009 verdeutlicht, dass durch leise Fahrzeuge ein erhöhtes Unfallrisiko gegeben ist. Hierbei wurde ein Vergleich zwischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor (ICE vehicles)19 und Hybridfahrzeugen (HEVs)20 in Bezug auf die Unfallraten mit Fußgängern und Radfahrern gezogen. Insgesamt 8387 Hybridfahr- zeuge und 559703 Autos mit Verbrennungsmotor bilden die Basis für die Statistik. Nach der NHTSA ist die Wahrscheinlichkeit in einen Unfall mit Fußgängern oder Radfahrern verwickelt zu werden, mit einem Hybridfahrzeug in bestimmten Situationen bis zu zwei
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Fahrmanöver vor Fußgängerunfällen mit Hybridfahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nach NHTSA (2010) mal höher als mit einem verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeug. Dabei sind die Manöver „Wenden“ (Making a turn), „Anfahren im Verkehr“ (Starting in traffic) und „Zurücksetzen“ (Backing) signifikant. Tabelle 2 gibt die eben benannten Unfallraten (incidence rate) von Fußgängern (pedestrian) mit Fahrzeugen im verbrennungsmotorischen und im elektrischen Fahrbetrieb in verschiedenen Situation wieder.
In der am 29. Januar 2010 erschienenen Guideline on Low-noise Measures for HEV, etc 21 des japanischen Transportministeriums wird der Bedarf von u. a. sehbehinderten Menschen beschrieben, leise Fahrzeuge (künstlich) mit einem Fahrzeugaußengeräusch auszustatten. Dabei sollten folgende Bedingungen für Hybridfahrzeuge im elektrischen Fahrbetrieb und für Elektrofahrzeuge gelten:
- Der Sound sollte ab dem Start des Fahrzeugs mindestens bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h und beim Rückwärtsfahren, wenn dies noch nicht vorgesehen war, automatisch generiert werden.
- Es ist möglich das Fahrzeug mit einem „Pause Schalter“ auszurüsten. Damit könnte die Sounderzeugung temporär ausgesetzt werden. Diese Funktion müsste angezeigt und sollte automatisch wieder eingeschaltet werden.
- Der „Pause Schalter“ sollte einfach zu erkennen und zu bedienen sein.
Es werden innerhalb der „technical guideline“ Vorgaben gemacht, wie das Außenge- räusch elektrisch betriebener Fahrzeuge nicht klingen darf. Folgende Sounds seien zu vermeiden:
- Sirene, Glocke, Klingel, Melodie,
- Hupe,
- Tiergeräusche, wie Vogelgesang,
- Umweltgeräusche, wie Wasserwellen, Wind und
- jedes Geräusch, welches nicht als motorähnlich erkannt werden kann.
Das Außengeräusch solle automatisch in Lautstärke oder Tonhöhe in Abhängigkeit der Fahrzeuggeschwindigkeit verändert werden. Der automatisch erzeugte Sound von Fahrzeugen im elektrischen Fahrbetrieb solle maximal so laut sein wie das Außengeräusch eines Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor. Für die Geräuschmessungen wird eine Vorbeifahrt bei 20 km/h empfohlen.
In einem Artikel der „Welt am Sonntag“ vom 04. Juli 2010 mit dem Titel „Aus Stille wächst Gefahr“ wird auf die Problematik der Wahrnehmung leiser Fahrzeuge eingegan- gen:
„ Die Fl ü sterer stellen ein Risiko dar. So hat die University of California her- ausgefunden, dass ein n ä her kommendes Elektroauto im Vergleich zu einem Modell mit Verbrennungsmotor erst in zwei statt achteinhalb Meter Entfer- nung zu h ö ren ist. Und die US-Verkehrssicherheitsbeh ö rde NHTSA konsta- tierte schon im vergangenen Jahr: ,Elektrisch betriebene Autos sind h ä ufiger in Kollisionen mit Fu ß g ä ngern und Radfahrern verwickelt als andere Autos ’ . Dennoch gibt es auch Gegenstimmen: Die Verantwortung w ü rde durch die akustische Berieselung vom Fahrer auf unschuldige Fu ß g ä nger verlagert, be- m ä ngeln viele. “ 22
In einem Report des Arbeitskreises der UNECE23, welcher sich ausschließlich mit der Fahrzeugakustik beschäftigt, wird ein Bedarf für neue Geräuschemissionsgrenzen dargestellt. Diese Grenzwerte sollen weltweit innerhalb einer ISO-Norm24 harmonisiert sein und im Jahr 2012 veröffentlich werden.
Ein Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika empfiehlt, akustische Warnsysteme zukünftig in elektrisch und hybrid betriebenen Fahrzeugen zu implementieren und innerhalb einer globalen technischen Vorschrift anzuordnen.
Der japanische Vertreter präsentiert Faktoren für das „ideale Warngeräusch“ (siehe Seite 11) und mögliche Konzepte für Sound-Systeme bzw. approaching vehicle audible systems (AVAS)25.
Der Fachmann der Europäischen Vereinigung der Automobilzulieferer (CLEPA) betonte die Notwendigkeit einen wahrnehmbaren, umweltfreundlichen und wiedererkennbaren Sound zu generieren. Dafür schlägt er ein breitbandiges Geräusch vor.
Weitherin wird berichtet, dass die Direktorin der Transport Division der UNECE die Vorschläge begrüßt. Sie unterstreicht dabei den Bedarf einer ganzheitlichen Sicht bezüg- lich neuer Ansätze zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und Verkehrserziehung.26
3.1 Forschungsfragen
Neben der akustischen Wahrnehmbarkeit von elektrisch betrieben Kraftfahrzeugen ist die Perzeption durch den Menschen ein Kernthema der vorliegenden Arbeit. Viele aktu- elle Forschungsarbeiten befassen sich im weitesten Sinne mit Kundenanforderungen, mit der Kundenakzeptanz, den Kundengewohnheiten und der Wahrnehmung von Fahrzeu- gen durch den Kunden. Kaufentscheidungen werden meist im Unterbewusstsein getroffen. Im engeren Sinne müssen zur Beurteilung dieses Vorgangs psychoakustische Hilfsmittel eingesetzt werden.27 Die sich daraus ergebenden Forschungsfragen sind nachfolgend auf- gelistet.
1. Können mit Systemen der künstlichen Sound-Erzeugung die Lautstärkepegel eines konventionellen Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor erreicht werden?
2. Ist es möglich die Emotionalität von Fahrzeuggeräuschen zu objektivieren?
3. Gibt es eine Korrelation von psychoakustischen Werten mit dem subjektivem Emp- finden eines Klangbilds eines Fahrzeugs?
Frage 1 zielt auf die akustische Wahrnehmung durch den Menschen ab. Ist ein Fahr- zeug mit Active Sound Design System schlecht oder nicht hörbar, verhilft ein ASD Sys- tem zu keinem Mehrwert. Durch entsprechende Außengeräuschmessungen können Rück- schlüsse und Vergleiche zu verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeugen gezogen wer- den. Durch die Beantwortung der Frage 2 könnten Rückschlüsse auf die komplexen Vorgänge im menschlichen Gehirn bei der Hörwahrnehmung gezogen werden. Ein objek- tives Bewertungssystem für Fahrzeuggeräusche wäre denkbar. Frage 3 bezieht sich auf die menschliche Hörwahrnehmung. Psychoakustische Werte28 werden bestimmten Klang- bildern gegenübergestellt und auf Korrelationen untersucht. Die Ergebnisse könnten das Verständnis über die menschliche Hörwahrnehmung verbessern und weitere Forschungs- fragen eröffnen.
Zur Beantwortung der o. g. Fragen werden Vorbeifahrtsmessungen, Innengeräuschmes- sungen, Probandenbefragungen und die entsprechenden Analysen und Auswertungen durchgeführt. Dabei sind die Lautstärkepegel und Frequenzspektren von einem Fahr- zeug mit Verbrennungsmotor mit denen eines Fahrzeugs im elektromotorischen Betrieb und eines Fahrzeugs mit einem Active Sound Design System im elektromotorischen Betrieb zu vergleichen. Daneben gilt es Probanden zu einer Auswahl an künstlich erzeugten Sounds zu befragen, um die Ergebnisse anschließend entsprechend den Ergebnissen der akustischen Analysen zu validieren. Frequenzspektren des physikalischen Klangbildes werden psychoakustischen Analysen gegenübergestellt, um Korrelationen bezüglich der menschlichen Perzeption aufzustellen.
Die resultierenden Erkenntnisse aus den Forschungsfragen können eine Brücke zwischen der menschlichen Wahrnehmung von Schall zu dessen Erzeugung schlagen und somit die Mensch-Maschine-Schnittstelle besser verständlich machen. Um die o. g. Forschungsfragen anzugehen, müssen verschiedene Sound-Systeme untersucht, erprobt und gemessen werden. Die Erzeugung von künstlichen Fahrzeuggeräuschen via Active Sound Design ist daher Inhalt der nächsten beiden Kapitel.
4 Active Sound Design
4.1 Definition
Der Begriff „Active Sound Design“ (ASD) beschreibt das gezielte Erzeugen oder Verändern eines Geräusches mittels Signalquellen. Dazu können u. a. Lautsprechersysteme oder Systeme zur Erzeugung von Körperschall dienen.
In der Fahrzeugtechnik beschreibt „Active Sound Design“ das Vorhaben, künstlich Fahrzeuggeräusche zu erzeugen, zu steuern und abhängig von verschiedenen Fahrzustandsgrößen29 eines Kraftfahrzeuges in Tonhöhe und/oder Lautstärkepegel zu variieren. Die Ausgabe kann innerhalb und/oder außerhalb des Fahrzeuges erfolgen.
4.2 Ausgangssound
Der Arbeitsvorgang eines Viertaktmotors besteht aus vier Prozessen: Einlassen, Verdichten, Zünden und Auslassen. Für diesen Vorgang sind zwei Kurbelwellenumdrehungen (n Zuendung = 2) von Nöten. Eine Kurbelwellenumdrehung entspricht dabei einem Winkel (φ Umdrehung = 360 ◦) von 360 ◦. Das verbrennungsmotorisch betriebene Basisfahrzeug hat sechs Zylinder (n Zylinder = 6). Um zu errechnen, bei welchem Kurbelwellenwinkel eine Zündung erfolgt, dient nachfolgende Gleichung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für φ Zuendung ergibt sich somit ein Kurbelwellenzündwinkel von 120 ◦. Innerhalb von einer Verbrennungsmotorkurbelwellenumdrehung wird ein Sechszylinderboxermotor drei mal gezündet.30 Dementsprechend ist die dritte und sechste zündharmonische Motor- hauptordnung dominant und für den Verbrennungsklang eines Sechszylindermotors cha- rakteristisch.31 Zur Verifizierung der o. g. Theorie wurde eine Innenraumgeräuschmessung des Basisfahrzeugs durchgeführt. Die auf Abbildung 5 dargestellte Innengeräuschaufnah- me eines Volllasthochlaufes wurde durch eine Fast-Fourier-Transformation (FFT) aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich überführt32. Die Ergebnisse sind dreidimensio- nal als Drehzahl [1 / min ] über Frequenz [ Hz ] und über A-bewerteter Lautstärke [ dB (A)] in Abbildung 5 dargestellt. Es ist sehr gut zu erkennen, dass die zündharmonische drit- te Motorordnung (MO) dominiert. Ein Einfluss weiterer harmonischer Hauptordnungen, wie der 1,5ten, 6ten und 9ten Motorordnung ist hauptsächlich bei höheren Drehzahlen zu sehen. Die Bildunschärfe ensteht durch Rauscheinflüsse. Diese werden hauptsächlich durch Abroll- und Windgeräusche hervorgerufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Innengeräuschausgangsmessung des Basisfahrzeuges
4.3 Zielsound
Es ist das Ziel einen Sound für rein elektrisch betriebene Fahrzeuge zu kreieren, welcher von dem Geräusch eines konventionellen verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeu- ges33 abweicht. Dabei ist die Zielvorgabe einen emotionalen und sportlichen Klang zu generieren, welcher markentypisch ist. Es gilt einen Kompromiss zwischen dem gewohn- ten emotionalen Geräusch eines sportlichen Kraftfahrzeuges mit Verbrennungsmotor und einem elektrisch klingenden Maschinengeräusch zu generieren. Dabei müssen mehrere Kompromisse eingegangen werden. Die daraus resultierenden Kriterien für den Zielsound sind nachfolgend aufgelistet. Die aufgeführten Kriterien haben jeweils unterschiedliche Geltungsbereiche. In den beiden rechten Spalten sind die Kennzeichnungen „außen“ und „innen“ entsprechend den Geltungsbereichen für den Außen- und Innen-Sound.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3: 7 Kriterien für den Zielsound eines Active Sound Design Systems als mögliches Lastenheft
4.4 Möglichkeiten der Sounderzeugung im Fahrzeug
Das Erzeugen künstlicher Fahrzeuggeräuschsignale geschieht in Echtzeit. Dabei werden mit Hilfe relevanter Fahrzustandsgrößen Geräuschsignale generiert. Diese Eingangsgrößen werden dem Controller Area Network (CAN) - Bus des Fahrzeugs entnommen. Es existieren zwei unterschiedliche Prinzipien der künstlichen Sound-Erzeugung im Kraftfahrzeug: synthetisch und aufnahmebasiert.
Synthetische Erzeugung von Fahrzeuggeräuschen Die synthetische Sound-Erzeugung basiert auf der Modulation mindestens eines Zeitsignals über der Eingangsgröße. Dabei moduliert ein digitaler Soundprozessor die Zeitsignale in Frequenz und/oder Amplitude. Die Zeitsignale können dabei frei gewählt werden. Sind die Zeitsignale sinusförmig, spricht man von einer „oszillatorbasierten synthetischen Signalerzeu- gung“.
Aufnahmebasierte Erzeugung von Fahrzeuggeräuschen Die aufnahmebasierte Sound- Erzeugung beruht auf Geräuschaufnahmen. Ein digitaler Soundprozessor moduliert die Eingangsgrößen in Tonhöhe und/oder Lautstärkepegel. Um ein breitbandiges Frequenzspektrum zu gewährleisten, benötigt man Aufnahmen in unterschiedlicher Tonhöhe, welche als „Loops“ (Schleifen) dienen, unendlich oft wiedergegeben wer- den und sich teilweise überlagern sollten. Das Funktionsprinzip beider Ansätze ist nachfolgend dargestellt.34
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Abbildung 6: Verarbeitung der Basismodulationsparameter nach Große-Budde (2010)
Um eine Auswahl der Systeme für das Active Sound Design treffen zu können, wurde vorab eine Marktanalyse durchgeführt. Dabei sind technologische als auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt worden. Es wurden drei Active Sound Design Systeme für die Applikation in jeweils ein Elektrofahrzeug ausgewählt, welche sich grundlegend von einander unterscheiden. Folgende Aspekte waren ausschlaggebend für die Auswahl des jeweiligen Active Sound Design Systems:
[...]
1 Das entspricht einem Anteil von ca. 0,1 % bezogen auf den Gesamtfahrzeugbestand in Deutschland.
2 Vgl. Kraftfahrtbundesamt http://www.kba.de/cln_016/nn_269000/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand EmissionenKraftstoffe/b__emi__z__teil__1.html Zugrif: 26.01.2011
3 z. B. Elektrofahrzeuge
4 Vgl. National Highway Traffic Safety Administration (2009): Incidence of Predestrian and Bicyclist Crashes by Hybrid Electric Passenger Vehicles Technical Report, U.S. Department of Trans- portation.
5 Vgl. Cremer, Möser (2009): Technische Akustik Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. Seite 1
6 Vgl. Fastl, Zwicker (2007): Psychoacoustics - Facts and Models Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. Seite 1
7 Vgl. Zollner, Zwicker (1993): Elektroakustik Springer-Verlag, Berlin Heidelberg. Seite 6 - 7
8 Vgl. Cremer, Möser (2009). Seite 6
9 Ein Schallfeld, auch „akustisches Feld“ genannt, ist ein luftgefülltes Raumgebiet, in dem sich Schallwellen ausbreiten. In einem ebenen Schallfeld erfolgt die Ausbrei- tung der Schallwellen senkrecht zur Fortpflanzung stehender Wellenfronten. Quelle: www.mdw.ac.at/upload/MDWeb/derton/pdf/tt11grundlagen.pdf Zugriff: 13.10.2010
10 Vgl. Cremer, Möser (2009). Seite 9 - 10
11 Quelle: www.laermorama.ch/m1_akustik/KurvengleicherLautstaerke_2.gif Zugriff: 28.10.2011
12 Vgl. Zollner, Zwicker (1993). Seite 42 - 44
13 Vgl. Fastl, Zwicker (2007). Seite 17 - 18 hang zwischen tatsächlich auftretendem Schalldruck und empfundener Lautstärke
14 Vgl. Cremer, Möser (2009). Seite 10 - 11
15 Vgl. Kerber (2008): Wahrnehmbarkeit von Fahrzeugau ß enger ä uschen in Hintergrundger ä uschen: Psy- choakustische Beurteilung und modellbasierte Prognosen Dissertation, Technische Universität Mün- chen. Seite 21 - 23
16 Vgl. National Highway Traffic Safety Administration (2009): Incidence of Predestrian and Bicyclist Crashes by Hybrid Electric Passenger Vehicles Technical Report, U.S. Department of Trans- portation.
17 Vgl. Automobilwoche (2010): Toyota l ä sst Prius in Japan mit k ü nstlichem Sound fahren http://automobilwoche.de/apps/pbcs.dll/article?AID=/20100826/ REPOSITORY/100829926 Zu- griff: 09.09.2010
18 Vgl. United Nations Economic Commission for Europe (2010): Report of the Working Party on Noise on its fifty-second session (6-8 September 2010) World Forum for Harmonization of Vehicle Regulations, Geneva.
19 ICE = Internal Combustion Engine
20 HEV = Hybrid Electric Vehicle
21 Vgl. MLIT (2010): Guideline on Low-noise Measures for HEV, etc Engineering and Safety Depart- ment, Land Transport Bureau, General Director, Kokujigi No. 255.
22 Imhof (2010): Aus Stille w ä chst Gefahr Welt am Sonntag - 4. Juli 2010, Springer-Verlag, Berlin. Seite 53
23 Vgl. UNECE (2010)
24 ISO = International Organization for Standardization
25 approaching vehicle audible systems = akustische Systeme für sich nähernde Fahrzeuge
26 Vgl. UNECE (2010). Seite 4 - 8
27 Vgl. Pröpper, Schönherr (2010): Psychoakustisches Messverfahren f ü r den Klangeindruck von PKW-T ü ren in: ATZ 06/2010, Neue Chancen für das Fahrwerk, Wiesbaden.
28 wie z. B. Rauigkeit, Tonalität, Schärfe oder Lautheit
29 z. B. Motordrehzahl, Fahrzeuggeschwindigkeit, Lastzustand
30 Die Zündfolge der Zylinder für zwei Kurbelwellenumdrehungen entspricht 1-6-2-4-3-5. Quelle: boxermotor.com/technik_des_boxsermotors.html Zugriff: 25.11.2010
31 Vgl. Zeller (2009): Handbuch Fahrzeugakustik Vieweg + Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wies- baden. Seite 164 - 165
32 Grundlegende Gleichungen zur näheren Erläuterung einer Fourier-Transformation sind dem Kapitel A.1.2 zu entnehmen.
33 hauptsächlich hervorgerufen durch Abgasmündungsgeräusche
34 Vgl. Große-Budde (2010): Au ß enger ä usch elektrisch angetriebener Fahrzeuge Diplomarbeit, Fach- hochschule Dortmund.