Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Kino und Videofilm in Afrika – ein Überblick
3. Das Filmschaffen in drei afrikanischen Ländern
3.1. Ghana – Aufstieg und Fall des Kinos
3.2. Nigeria – ein afrikanisches Hollywood?
3.3 Madagaskar – die Abwesenheit des Kinos
4. Fazit
5. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Kernthema der vorliegenden Hausarbeit ist das afrikanische Kino in den Ländern Ghana, Nigeria und Madagaskar. Durch eine die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den aktuellen Entwicklungen soll die Frage herausgearbeitet werden, ob „afrikanisches Kino“ überhaupt existiert.
Unter dem recht offenen Begriff „afrikanisches Kino“ wird allgemein das Filmschaffen in Afrika ab dem Ende der Kolonialzeit verstanden. Davon allerdings kommt nicht sehr viel in unserer westlichen Welt an. Im Gegensatz zu Filmen aus Europa, Amerika und Asien finden wir so gut wie keine afrikanischen Filme in deutschen Kinos oder in den Regalen eines DVD Handels. Johannes Rosenstein beschreibt in seinem Werk „Die Schwarze Leinwand – Afrikanisches Kino der Gegenwart“ die Assoziation, die wir mit afrikanischem Kino haben als „Ahnungslosigkeit“.[1] Auch bei mir ist es nicht anders, trotz meinem Studium der Filmwissenschaften und einem großen Interesse an Film als Medium. Mit dieser Hausarbeit möchte ich mich an das Thema „Film in Afrika“ wagen – und Einblicke in das in unseren Augen geheimnisvolle, Filmschaffen in Afrika bekommen. Dabei kann diese Arbeit nicht das komplette Schaffen Afrikas darstellen, da dieses natürlich weitaus umfangreicher und komplexer ist, als der Rahmen dieser Hausarbeit zulässt. Deshalb werde ich mich im Hauptteil auf drei verschiedene Länder – Ghana, Nigeria und Madagaskar – konzentrieren und deren Filmgeschichte sowie aktuelle Situation des Films darstellen.
Die beiden ehemaligen britischen Kolonien Ghana und Nigeria besitzen eine ereignisreiche Filmgeschichte und eine aufstrebenden Videoindustrie und haben damit eine Art Vorbildfunktion in Afrika. Die ehemalige französische Kolonie Madagaskar ist ein Gegenbeispiel zu Ghana und Nigeria, stellt jedoch eine Interessante Position im Gesamtbild des afrikanischen Kinos dar.
Bevor ich zum Hauptteil komme, werde ich im Folgenden zuerst näher auf den Begriff „afrikanisches Kino“ eingehen. Abschließend werde ich dann im Fazit noch einige persönliche Gedanken zu der Entwicklung des afrikanischen Films äußern.
2. Kino und Videofilm in Afrika – ein Überblick
Laut Filmwissenschaftlerin Marie-Hélène Gutberlet hat es „sich eingebürgert, unter Afrikanischem Kino das Filmschaffen afrikanischer Autoren zu verstehen, die seit den Unabhängigkeitserklärungen in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren zu filmen begannen“.[2] Man sollte das Filmschaffen eines ganzen Kontinents nicht unter einem Begriff zusammenfassen, da sonst die Gefahr besteht, die tatsächliche Vielfalt zu übersehen. Auch sonst würde man in einem wissenschaftlichen Kontext vom auch nicht verallgemeinernd vom europäischen oder asiatischen Kino sprechen - doch in dieser Arbeit geht es mir nicht vorrangig um die kritische Auseinandersetzung mit einem Begriff, sondern vielmehr um das tatsächliche Schaffen, das sich dahinter verbirgt.
Das afrikanische Kino, wie Gutberlet es definiert, beschränkt sich lediglich auf das überschaubare Werk „einiger weniger Filmemacher“[3]. Durch die schwierige ökonomische Lage in den Entstehungsländern, in denen sich Kinos kaum halten können, werden sie oft selbst vom eigenen Publikum kaum gesehen.[4] Die hohen Kinokartenpreise und illegale Raubkopien auf dem Schwarzmarkt führen dazu, dass es kaum mehr als 50 Kinos in Afrika gibt, und diese Zahl zurzeit sogar weiter sinkt.[5] Auch in der westlichen Welt findet das afrikanische Kino nur wenig Beachtung. Abgesehen von wenigen Filmen, die auf internationalen Festivals oder in Programmkinos laufen, ist das afrikanische Filmschaffen dem Großteil der Europäer und Amerikaner nahezu unbekannt. Es drängt sich also die Frage auf, was afrikanisches Kino ohne nennenswerte Filmindustrie, Filmpolitik, Vertriebssystem oder gar Publikum bezeichnen soll.[6] Fest steht, dass das Kino, wie wir es in Deutschland als erschwingliche und selbstverständliche Abendgestaltung kennen, in Afrika nicht existiert. Für eine funktionierende Kinoindustrie fehlt es vor allem an Geld, Infrastruktur und moderner Technik.[7] Gaston Kaboré, burkinischer Filmemacher und Vorsitzender von FEPACI, einem Verband afrikanischer Filmemacher[8], sagte zum Anlass des hundertjährigen Bestehens des Films 1995, dass „das Kino in Afrika noch nicht geboren sei, auch wenn es mit einigen wichtigen Werken zum universellen Filmerbe beigetragen habe.“[9]
Wenn man nun aus rein westlicher Perspektive das afrikanische Kino allerdings lediglich als das Werk einiger Autoren betrachtet, läuft man Gefahr etwas zu übersehen, das es bei uns in dieser Form gar nicht gibt: eine lokale Videofilmszene. In großen Teilen Afrikas boomt die lokale Videoproduktion. In Nigeria werden jährlich bereits mehr Filme produziert als in Hollywood.[10] Auch Filme aus Kamerun, Ägypten und anderen afrikanischen Ländern erfreuen sich auf dem afrikanischen Kontinent großer Beliebtheit.[11] Diese Filme werden oft mit einem sehr geringen Budget von unter 10.000 $ in wenigen Tagen produziert und auf Videomärkten dann für den Gegenwert weniger Dollar verkauft. Schließlich gilt es die Preise der illegalen Raubkopieren, die zuvor die Märkte beherrschten, zu unterbieten.[12] Der Videoboom in Afrika zeigt uns, dass Film dort sehr wohl eine große Rolle spielt, jedoch verleiten uns unsere Sehgewohnheiten dazu, ihn in dieser Form unserem Kino unterzuordnen.
Ich möchte den Blick auf das afrikanische Kino nun vertiefen und die Filmgeschichte dreier Länder etwas detaillierter vorstellen.
3. Das Filmschaffen in drei afrikanischen Ländern
3.1. Ghana - Aufstieg und Fall des Kinos
Wie alle ehemaligen britischen Kolonien wurde Ghana während der Kolonialzeit von Groß-Britannien mit einer „Film Unit“ ausgestattet. In Ghana, welches zu diesem Zeitpunkt noch Gold Coast hieß, wurde 1948 die „Gold Coast Film Unit“ gegründet. Ihre Aufgabe bestand darin, mit Dokumentationen und kleinen Filmproduktionen, Propaganda für die britischen Kolonialherren zu betreiben und diese dadurch in vorteilhaftem Licht dastehen zu lassen.[13] Doch bereits vor der Unabhängigkeit Ghanas 1957 wurde die „Film Unit“ zur selbständigen Einheit, die sich mit den vorgegeben Aufgaben und der Ästhetik der Kolonialherren nicht mehr identifizieren wollte. „Da die Entwicklung und die Montage des 35mm-Materials in London stattfand, war die Unabhängigkeit ökonomisch gesehen Makulatur“ so der deutsche Dokumentarfilmer und Autor Johannes Rosenstein.[14]
Dies änderte sich 1957 mit der Unabhängigkeit Ghanas; als Präsident Kwame Nkrumah die Filmproduktion und den Verleih verstaatlichte. Dank in der „Film Unit“ bereits vorhandenen Technik und durch die Unterstützung Westdeutschlands baute Ghana von 1957 – 1966 eine hochentwickelte Infrastruktur für Filmproduktionen auf, die es in dieser Form auf dem afrikanischen Kontinent sonst nur noch in Südafrika gab.[15]
Dieser Vorwärtstrend des ghanaischen Films fand jedoch mit dem Sturz Nkrumahs 1966 ein Ende. Alle Filme, die unter Nkrumahs Herrschaft entstanden waren, wurden unter dem Vorwand konfisziert, sie würden einen Personenkult um den Präsidenten betreiben.[16] Sam Aryetey wurde neuer Vorstand der Ghana Film Corporation. Er favorisierte Verleihmöglichkeiten außerhalb Afrikas sowie westliche Koproduktionen und führte die Film Corporation damit in den finanziellen Ruin. Bis 1990 wurden lediglich 20 Filme produziert und aktuelle ghanaische Filmproduktionen sind quasi nicht existent.[17]
Das Interesse der Ghanaer an Filmen blieb trotz der finanziellen Notlage der Film Corporation bestehen. Als die Energiekrise 1998 Kinoproduktionen vollends unfinanzierbar machte, begann der Aufschwung des Videofilms in Ghana.[18]
Videorecorder und Kassetten wurden erschwinglich und es wurde weniger Know-how als für großen Kinoproduktionen benötigt. Freunde und Familienangehörige ließen sich als Schauspieler einsetzen und Videokassetten konnte man sich zu Hause oder in gemieteten Räumen, alleine oder in kleinen Gruppen anschauen. Da Ghana immer wieder von politischen Unruhen erschüttert wurde, war der abendliche Gang ins Kino ein lebensgefährliches Risiko, Milizen und Rebellen machten das Nachtleben zu einem gefährlichen Unterfangen.[19]
Durch die niedrigen Produktionskosten von ca. 8000 $ und die Möglichkeit, diese Kosten durch den Verkauf der Kassetten auf Märkten und in lokalen Videogeschäften schnell wieder einzuspielen, floriert jetzt die Videoindustrie in Ghana.[20] Anders als bei den ausländischen Produktionen, die in den Kinos laufen, können sich die Ghanaer mit den Themen der lokalen Videofilme identifizieren. Motive wie Religion, Kriminalität und Armut tauchen immer wieder auf und werden oft mit dem Element Magie vermischt.[21] Die Magie erlaubt den Filmmachern, die Probleme der Menschen in eine unwirkliche Welt zu verpacken. Geschichten um Hexerei und Magie werden mit schwierigen Themen wie Vergewaltigung, Korruption und Armut vereint. So können die Zuschauern in eine andere Welt abtauchen und sich unterhalten und sehen trotzdem Inhalte mit denen sie sich identifizieren können.[22]
[...]
[1] Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.11
[2] Gutberlet, Auf Reisen, S.103
[3] Gutberlet, Auf Reisen, S.103
[4] Vgl. Gutberlet, Auf Reisen, S.103
[5] The Independent, Nigeria's Nollywood eclipsing Hollywood in Africa, Internet
[6] Vgl. Gutberlet, Auf Reisen, S.103
[7] Vgl. Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.160
[8] FEPACI Homepage, Internet
[9] Vgl. Gutberlet, Auf Reisen, S.105
[10] The Independent, Nigeria's Nollywood eclipsing Hollywood in Africa, Internet
[11] Vgl. Gutberlet, Auf Reisen, S.103
[12] Vgl. Balogun, Booming Videoeconomy, S.176
[13] Vgl. Ogunleye, Video Film in Ghana, S.1
[14] Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.52
[15] Vgl. Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.52
[16] Vgl. Diawara, African Cinema, S.6
[17] Vgl. Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.52-54
[18] Vgl. Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.54
[19] Vgl. Ogunleye, Video Film in Ghana, S.3
[20] Vgl. Rosenstein, Die schwarze Leinwand, S.56
[21] Vgl. Ogunleye, Video Film in Ghana, S.6-15
[22] Vgl. Ogunleye, Video Film in Ghana, S.7