Annahmen und Grundbegriffe des Life Model als ein ökologisches Handlungskonzept der Sozialen Arbeit


Referat (Handout), 2001

8 Seiten, Note: 1


Leseprobe

Inhalt:

1. Hinführung

2. Der ökologische Ansatz der Sozialen Arbeit
2.1. Der Begriff „Ökologie“
2.2. Die Bedeutung der ökologisch orientierten Sozialen Arbeit

3. Grundlegende Annahmen und Begriffe des „Life Model“
3.1. Der Mensch lebt in einer materiellen und sozialen Umwelt
3.2. Die Bedeutung der „Transaktion“
3.3. Die „Nische“, der soziale Standort des Menschen
3.4. Das „Habitat“ als ein Teil der ökologischen Perspektive
3.5. Der „Lebens-Stress“ im „Life Model“
3.5.1. „Coping“ und „Lebens Stress“

4. Allgemeine Vorgehensweise in der Praxis

5. Zusammenfassung

6. Stellungnahme

7. Bibliographie

1. Hinführung

Aus einem Erleben eines Praktikums in dem Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit heraus haben sich mir Fragen nach der Konzeption der modernen Sozialen Arbeit gestellt. In meiner Praktikumzeit, bei einer sozialpädagogischen Familienhilfe, kam ich immer wieder in Kontakt mit der ökologischen Sichtweise der Sozialen Arbeit. Diesem Konzept bin ich nachgegangen und habe dessen stärkste Ausprägung im „Life Model“ gefunden und im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit dargestellt. In Bezug auf die Soziale Arbeit konnte ich mich nie einer einseitigen Sichtweise anschließen, sondern bin immer ein Vertreter der ganzheitlichen und ökologischen Sozialen Arbeit gewesen. Das „Life Model“ wurde Anfang der 80er Jahre von den US-amerikanischen Sozialwissenschaftlern Carel B. Germain und Alex Gittermann in Ihrem Werk „Praktische Sozialarbeit - Das „Life Model“ der Sozialen Arbeit“ niedergelegt. Im Folgenden sollen nun die Annahmen und Begriffe des „Life Model“ Ausführungen finden.

2. Der ökologische Ansatz der Sozialen Arbeit

2.1. Der Begriff Ökologie

Der Begriff „Ökologie“ wurde bereits im 19. Jahrhundert in die Biologie eingeführt. Man meint damit die Lehre, die die Wechselbeziehungen der Organismen und ihre unbelebte und belebte Natur wissenschaftlich erhellt. Der Ökologiebegriff wurde bald aus der Biologie entlehnt und auf die Humanwissenschaften übertragen. Germain und Gittermann definierten Ökologie folgendermaßen: „Ökologie ist das biologische Studium der Beziehungen der Komponenten einer biotischen Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft umfasst neben der Flora und Fauna und die Merkmale der physischen Umwelt wie Landschaft und Klima und natürliche Störungen. Durch die Akzentuierung der wechselseitigen Abhängigkeit von Organismus und Umwelt eignet sich die Ökologie besonders als ein Metapher für die Soziale Arbeit.“ (Zitat aus Germain und Gittermann, Praktische Sozialarbeit, 1999(3), S.5)(2). Daraus lässt sich für die ökologische orientierte Soziale Arbeit erschließen, dass diese sich mit den Wechselbeziehungen der Menschen untereinander und den sozialen und materiellen Bedingungen, die von der umgebenden Umwelt gestellt sind auseinandersetzet und so zu einer ganzheitlichen Sicht der Dinge gelangt (vgl. Heidenreich, Grundwissen Pädagogik, 1996(1), S. 182 und S. 186)(1). Nicht nur der Begriff Ökologie wurde aus der Biologie entlehnt auch die unter 3.3. und 3.4. zu besprechenden bio- ökologischen Grundbegriffe „Habitat“ und „Nische“ stammen ursprünglich aus dem Gebiet der Biologie.

2.2. Die Bedeutung der ökologisch orientierten Sozialen Arbeit

Vor der Einführung der ökologisch orientierten Sozialen Arbeit hatte die Sozialarbeit/Sozialpädagogik meist eine relativ einseitige Sichtweise von Problemen. Man sah Probleme entweder als etwas, das im inneren des Klienten angesiedelt und Ausdruck einer Krankheit ist, die in der Psyche des Menschen zu suchen sei und nur durch die Techniken der Psychotherapie behoben werden kann oder der Sozialpädagoge machte die Umwelt für das Auftreten der Probleme verantwortlich. Man sah folglich die Umwelt als kausalen Grund an und musste somit die Umwelt und damit das störende Verhalten durch professionelle Intervention verändern. Die Bedeutung der ökologisch orientierten Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik ist nun darin zu sehen, dass sich eine Brücke zwischen den verschiedenen „einseitigen“ Sichtweisen bauen kann. Man kann sich dies in einem Bild verdeutlichen: Einseitige Sichtweisen sehen nur ein Stück des Kuchens, während die ökologische Soziale Arbeit (Sozialarbeit + Sozialpädagogik) den ganzen Kuchen betrachtet. Die Probleme werden in der ökologischen Sichtweise als Auswirkungen von gestörten Austauschprozessen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt gewertet. Die Soziale Arbeit zielt nun mit den Interventionen darauf, die Umweltbedingungen für das Individuum zu verbessern, aber auch die Anpassungsfähigkeit des Einzelnen zu fördern und zu begleiten (vgl. Hobmair, Pädagogik Extra, 1995(1), S. 69)(4). Gittermann und Germain schreiben hierzu: „Ökologisches Denken ist auf reziproke Wechselwirkungen von Mensch und Umwelt gerichtet, bei denen sich beide über die Zeit hinweg formen und beeinflussen.“ (Zitat aus Gittermann und Germann, Praktische Sozialarbeit, 1999(3), S.7) (2). Auch Lowy stimmt Gittermann und Germain zu, wenn er schreibt: „Dieses Modell hat als zentralen Fokus die reziproken Transaktionen zwischen Menschen und ihrer Umwelt.“ (Zitat aus Bardy, Pädagogik - Grundlagen und Arbeitsfelder, 1999 (3), S.7) (2). Das oben angeführte möchte ich in einem praktischen Beispiel veranschaulichen: ein Grundschüler weigert sich in die Schule zu gehen (=Problem). Man kann das Problem des Schülers nun als „Schulangst“ interpretieren und die Lösung dieses innerpsychischen Problems in einer Verhaltenstherapie sehen oder man macht das Schulsystem für das Problem des Schülers verantwortlich und versucht über eine Elterninitiative die Schule den vermeintlichen Bedürfnissen des Schülers anzupassen. Beide Ansätze können hier als einseitig betrachtet werden. Die ökologisch orientierte Sozialarbeit würde nun versuchen sowohl die Schulangst des Schülers als auch die Umweltbedingungen die diese Schulangst verursachen zu betrachten und folglich versuchen, die Anpassungsfähigkeit des Schülers an die Schule und die Schule an die Bedürfnisse des Schülers anzupassen.

3. Grundlegende Annahmen und Begriffe des „Life Model“

3.1. Der Mensch lebt in einer materiellen und sozialen Umwelt

Im ökologischen Lebensvollzugsmodel geht man davon aus, dass die Lebensgestaltung des Menschen von drei Faktoren, auch Zonen genannt, beeinflusst wird. diese Zonen sind in der Umwelt bzw. den Umweltbedingungen, der Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen und in den Lebensereignissen zu sehen. (vgl. Heidenreich, Grundwissen Pädagogik, 1996(1), S. 192)(1). Zunächst sollen die Umwelt und deren Bedingungen Betrachtung finden. Germain und Gittermann sehen den Menschen in eine soziale und materielle Umwelt eingebunden. Die materielle Umwelt beinhaltet die Natur (=natürliche Umwelt) und die vom Menschen veränderte Natur (=Kultur). Mit natürlicher Umwelt sind die landschaftlichen und klimatischen Gegebenheiten genauso gemeint wie auch die Ernährung. Die vom Menschen geschaffene Umwelt bezeichnet dagegen die Formen der Verständigung, die Überzeugungen, Wert- und Normvorstellungen, Ideologien, aber auch die Veränderung der Wohnverhältnisse, den Wohnraum, den Bezirk und die Vermögensverhältnisse des Individuums. Die soziale Umwelt meint die mannigfaltigen Organisationsformen und Beziehungen des Menschen wie Familie, familienähnliche Lebensformen (=Primärgruppe), Verhältnisse in der Schule, Geschwisterkonstellationen und die Gemeinde bzw. den Stadtteil. Die soziale und materielle Umweltbedingungen können die Lebensgestaltung des Individuums unterstützen oder beeinträchtigen. (vgl. Hobmair, Pädagogik Extra, 1995(1), S. 70)(4).

3.2. Die Bedeutung der „Transaktion“

Das „Life Model“ nimmt an, dass der Einzelne und die Umwelt sich wechselseitig beeinflussen und eine gegenseitige Veränderung stattfindet. Dieser Vorgang wechselseitiger Beeinflussung wird als Transaktion bezeichnet. Das Individuum beeinflusst seine Lebensverhältnisse (z.B. Wahl der Bauform - massive Bauform) als Folge einer Anpassung an seine Umwelt (z.B. klimatisch raue Umwelt). Dies hat natürlich zur Folge, dass sich die Umweltbedingungen verändern (z.B. durch Bebauung bzw. Zerstörung der Natur). Solche Austauschprozesse münden aber nicht nur in eine Veränderung des Individuums und dessen Umwelt, sondern bewirken auch eine veränderte, subjektive Umweltwahrnehmung und eine Verhaltensänderung (z.B. durch die zunehmende Verdichtung der Städte werden diese als „hässlich“ und „unattraktiv“ wahrgenommen und bewertet. Dies hat eine zunehmende Abwanderung auf das Land und die Suburbs zur Folge. Dadurch kann aber wiederum eine Verstädterung der Dörfer und Vorstädte als Konsequenz der Wanderbewegung entstehen). Gi]ttermann und Germain sehen das Verhalten somit als ein Produkt ständig stattfindender Austauschprozesse zwischen Person und ihrer Umwelt. Diese Austauschprozesse im Sinne von Wirkung und Rückwirkung (Transaktion) können sowohl anspaßungsfördernd als auch anpassungsfeindlich verlaufen. Daraus folgt, dass am Ende der Transaktion entweder ein positives oder ein negatives Person-Umwelt-Verhältnis steht. Anpassungsfördernde Austauschbeziehungen fördern die Entwicklung des Klienten, das psychische und emotionale Wohlbefinden. Anpassungsfeindliche Transaktionen wirken eher beeinträchtigend auf die Entwicklung des Menschen (vgl. Hobmair, Pädagogik Extra, 1995(1), S. 71 und S. 72)(4).

3.3. Die „Nische“ der soziale Standort des Menschen

Durch diesen aktiven gestalterischen Prozess des Austausches zwischen der Person und der Umwelt bildet sich ein sozialer Standort aus, den ein Mensch in einer Gruppe oder in einer Gemeinschaft inne hat. Dieser Standort stellt das Handlungsfeld einer Person dar. Gittermann und Germain sprechen hier von „Nische“. Das Individuum führt nun eine subjektive Bewertung seines Standorts im Gefüge der Beziehungen durch. Diese Bewertung und die damit verknüpften Handlungsmöglichkeiten münden in eine gute oder schlechte Nische. Diese Nischenstruktur ist für das praktische Handeln in der Sozialen Arbeit von großer Bedeutung, da das Wissen von der Struktur eine wichtige Grundlage für das zu planende, helfende Eingreifen bildet (vgl. Hobmaier, Pädagogik Extra, 1995(1), S.72/73)(4). Laut Gittermann und Germain ist bei der Nischenbildung besonders die Güte der interpersonalen Beziehungen ausschlaggebend, d.h. die zweite Zone des „Life Model“ wir hiermit angesprochen. Ich möchte diese Behauptung anhand zweier Beispiele verdeutlichen, wobei ich die Nischenbildung in einer Gruppe Gleichaltriger (=peer group) betrachte (vgl. Heidenreich, Grundwissen Pädagogik, 1996(1), S.195)(1).

Schlechte Nische:

Amanda übernimmt die Leitung eines Arbeitskreises (AK) an der HBI. Ihre Arbeit wird aber von den anderen Mitgliedern (ASTA) als negativ bewertet. Folglich sind auch die Beziehungen zwischen der Gruppe und Amanda von schlechter Qualität und sie beurteilt Ihre Rolle als unwichtig und gerät immer mehr in die Außenseiterrolle.

Gute Nische:

Felix hat die Rolle als AK-Leiter inne. Seine Arbeit wird von der Gruppe anerkannt und geschätzt. Seine „Leitungsposition“ wird aufgrund seiner Sachkompetenz anerkannt. Er hat die „Macht des Experten“ inne und bewertet seinen Standort als angenehm und befriedigend.

3.4. Das „Habitat“ als ein Teil der ökologischen Perspektive

Im Hinblick auf die Bildung der Nischenstruktur ist auch der Ort wichtig, an dem ein Lebewesen anzutreffen ist und der als verhaltensbeeinflussender Lebensraum des Menschen gilt. Dieser Lebensraum wir von baulichen (Wohnhäuser, Fabriken), sozialen Gegebenheiten (Familie, gesellschaftliches Leben, Arbeit) und den kulturellen Einrichtungen (Museen, Theater) gebildet. Germain und Gittermann sprechen in diesem Zusammenhang von „Habitat“. Die Aufgabe der ökologisch orientierten Sozialen Arbeit ist es, Missstände im Habitat zu lokalisieren und zusammen mit den Bürgern ein angenehmes, d.h. ein motivierendes und unterstützendes Habitat zu gestalten. Wie oben schon angedeutet, ist das Habitat eine Vorbedingung der Nischenbildung und beeinflusst diese positiv oder negativ. Unter Habitat versteht der Sozialpädagoge die objektiven Lebensbedingungen eines Menschen. Die objektiven Lebensbedingungen sind die materiellen (z.B. Arbeitsplatz, der Stadtbezirk - Trabantenstadt) und die sozialen Gegebenheiten (z.B. Familie, Nachbarn) unter denen das „eigene Leben“ eines Menschen stattfindet (vgl.Hobmair, Pädagogik Extra, 1995(1), S. 73)(4).

[...]

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Annahmen und Grundbegriffe des Life Model als ein ökologisches Handlungskonzept der Sozialen Arbeit
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt  (FB Pädagogik)
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
8
Katalognummer
V2673
ISBN (eBook)
9783638116138
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr dicht - einzeiliger Zeilenabstand. 238 KB
Schlagworte
Annahmen, Grundbegriffe, Life, Model, Handlungskonzept, Sozialen, Arbeit, Soziale Arbeit, Social Work, Sozialpädagogik, Life Model, Life Modell, Ökologie
Arbeit zitieren
Diplom Online-Journalist Michael Johannes Manger (Autor:in), 2001, Annahmen und Grundbegriffe des Life Model als ein ökologisches Handlungskonzept der Sozialen Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2673

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