Kritische politische Bildung vs. affirmative politische Bildung

Referatsentwurf


Referat (Ausarbeitung), 2013

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Sachanalyse

2. Bedingungsanalyse

3. Didaktisch - methodische Analyse

4. Reflexion des Referatsverlaufs

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

6. Anhang (Materialien)
6.1. Schema des Brainstormings an der Tafel (inklusive Erwartungsbild)
6.2. Handout
6.3. Rollenkarten

1. Sachanalyse

Die betreffende Seminarsitzung in der Lehrveranstaltung „Aktuelle Tendenzen in der Politischen Bildung“ hat die Kontroverse zwischen der etablierten politischen Hochschuldidaktik und der kritischen politischen Bildung zum Inhalt. Für eine Thematisierung dieser Kontroverse im Rahmen des Studiums der politischen Bildung sprechen dabei diverse Gründe. Zum einen wurde der Fokus in der bisherigen didaktischen Ausbildung ausschließlich auf die in diesem Zusammenhang als „etablierte“ politische Bildung bezeichnete Hochschuldidaktik gelegt. Dies meint die Theorieschule rund um die GPJE und somit bedeutende Didaktiker wie Sander, Massing, Detjen, Gieseke und andere. Die vergleichsweise junge kritische politische Bildung erhielt demgegenüber noch keinerlei Beachtung innerhalb der didaktischen Ausbildung. Eine Tatsache, die es umso wichtiger erscheinen lässt, sich mit eben jener, vergleichsweise neuen, Theorieschule zu befassen. Des Weiteren ist es nur angemessen, sich in einer Lehrveranstaltung, die ihren Fokus auf aktuelle Entwicklungen in der sozialwissenschaftlichen Bildung legt, nicht nur mit stark praxisbezogenen Themen auseinanderzusetzen, sondern auch einmal den Blick auf die Theorie ihres Faches zu lenken und in diesem Zusammenhang aktuelle Debatten und Kontroversen zu verfolgen und zu thematisieren. Die von der kritischen politischen Bildung angestoßene Debatte ihrer selbst mit der etablierten Hochschuldidaktik stellt eine solche aktuelle Kontroverse dar. Um deren Kern jedoch zu verstehen und die spezifischen Argumentationsstränge nachvollziehen zu können, ist es unerlässlich, sich mit den Grundlagen der kritischen politischen Bildung auseinanderzusetzen.

Diese, sich selbst als neu und innovativ darstellende, Theorieschule hat ihren Ursprung in der Kritischen Gesellschaftstheorie und begründet sich auf eben deren Vorstellungen von Demokratie, Politik und Gesellschaft. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang in erster Linie die Frankfurter Schule, die gleichzeitig als Begründer und wichtigster Impulsgeber der Kritischen Theorie gilt. Basierend auf der Analyse aktueller Herrschafts- und Machtverhältnisse strebt die Kritische Theorie eine Überwindung unterdrückender und ausbeuterischer Gesellschaftsstrukturen an und impliziert dabei eine Ablehnung totalitärer und autoritärer Herrschaftsregime (vgl. Weiß 2011: 78). Sie fordert in diesem Zusammenhang eine Emanzipation sowohl des Einzelnen als auch der gesamten Gesellschaft von repressiver Herrschaft, die mit einer Ausweitung demokratischer Teilhabe einhergeht (vgl. ebd. 2011: 78). Die aber wohl in Hinblick auf den Zusammenhang zur kritischen politischen Bildung entscheidendste Veränderung in der Vorstellung von Gesellschaft und Politik ist das Verständnis gesellschaftlicher Strukturen als vom Menschen gemacht (vgl. ebd. 2011: 78f.). Dies impliziert, dass eben jene Strukturen auch vom Menschen selbst verändert werden können und sollen. Eine Tatsache, die den Bürgern der demokratischen Gesellschaft die ganz konkrete Aufgabe politischer Teilhabe und Partizipation auferlegt.

Eine ständige Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Verhältnissen ist für die Kritische Theorie damit notwendigerweise unerlässlich. An dieser Stelle knüpft die auf der Kritischen Gesellschaftstheorie aufbauende kritische politische Bildung an. Nach Bettina Lösch sind die Bewahrung von Aktualität und die permanente Anpassung des Themenkanons an situative Gegebenheiten und sowohl innerstaatliche als auch globale Veränderungen ein zentrales Gütekriterium sozialwissenschaftlichen Unterrichts (vgl. Lösch 2011: 118). In diesem Zusammenhang hebt sie insbesondere die Bedeutung einer globalen Sichtweise auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hervor. Die Politikdidaktik müsse ihr Denken im „nationalstaatlichen Container“ überwinden und sich stärker dem Globalen Lernen zuwenden (vgl. ebd. 2011: 123). Diese Forderung leuchtet ein, bedenkt man, dass die wenigsten politischen Themen ausschließlich auf das eigene politische System bezogen sind und losgelöst vom Kontext des internationalen politischen Geschehens sinnvoll analysiert werden könnten. Das aktuelle politische und wirtschaftliche Geschehen in einer globalen Betrachtungsweise zum Gegenstand des sozialwissenschaftlichen Unterrichts zu machen, ist demzufolge ein zentrales Kriterium kritischer politischer Bildung.

Eine sehr dezidierte Darstellung der Grundlagen kritischer politischer Bildung liefert Frank Nonnenmacher, indem er fünf Kernthesen schulischen Politikunterrichts formuliert. Diese bringen die zentralen Annahmen kritischer Politikdidaktik auf den Punkt und erleichtern somit das Verständnis über Sinn und Kern dieser neuen Theorieschule. Des Weiteren eignen sich eben jene Kernthesen dazu, Kriterien für einen guten Politikunterricht aus Sicht der kritischen politischen Bildung abzuleiten. Dies führte dazu, dass die fünf Kernthesen nach Nonnenmacher den Mittelpunkt der frontal angelegten Inputphase innerhalb des durchgeführten Referats bilden.

Als erstes wichtiges Kriterium kritischen Politikunterrichts bestimmt Nonnenmacher die Bearbeitung aktueller Kontroversen mit dem Ziel fundierter Urteilsbildung auf der Grundlage offener Curricula (vgl. Nonnenmacher 2011: 459). Die Notwendigkeit, aktuelle und grundsätzliche politische Auseinandersetzungen zum Inhalt sozialwissenschaftlichen Unterrichts zu machen, wird weitgehend in der gesamten politikdidaktischen Literatur hervorgehoben (vgl. ebd. 2011: 459). Mit dem Ziel, bei den Schülern eine Urteilskompetenz auszubilden, sollen sie anhand aktueller Fragestellungen lernen, bestehende Konflikte und deren Lösungsmöglichkeiten zu analysieren sowie den eigenen oder auch einen fremden Standpunkt einzunehmen und zu vertreten. Diese Ausrichtung des Politikunterrichts auf Analyse- und Urteilskompetenzen (ganz im Sinne der Entwicklung von der Input- zur Output-steuerung) erfordert jedoch auch eine Hinwendung zu offeneren Curricula. Auch vor dem Hintergrund der rasanten Veränderungen des politischen Geschehens in der Welt und der sich stets erweiternden Wissensbestände ist ein systematischer Wissenskanon, der unbedingt gelehrt werden müsse, aus Sicht der kritischen politischen Bildung nicht sinnvoll (vgl. Nonnenmacher 2011: 460). Vielmehr dürften Lehrpläne keine strikten Inhalte und Themenvorgaben enthalten, sondern stattdessen konkrete Ziele, die Orientierung an fachdidaktischen Prinzipien und die Verwendung spezieller Erschließungskategorien im Unterricht vorschreiben (vgl. ebd. 2011: 461).

Als zweites wichtiges Kriterium kritischer Politikdidaktik bestimmt Nonnenmacher die Interdisziplinarität politischen Unterrichts (vgl. ebd. 2011: 462). Er kritisiert in diesem Zusammenhang die Vorstellung, dass im Falle einer entstehenden Zusammenarbeit zwischen Disziplinen, diese auch nur innerhalb der eigenen Fachkultur erfolgen könne (vgl. ebd. 2011: 462). Allen Themen des politischen Unterrichts erlauben und verlangen jedoch sogar oft den Rückgriff und den Verweis auf andere Fächer. Das Tragen der sprichwörtlichen „Scheuklappen“ durch Lehrkräfte und Hochschuldidaktiker ist somit im Sinne einer umfassenden Allgemeinbildung, in der die Schüler zusammenhängendes Wissen erwerben sollen, weder logisch noch gewinnbringend. Als Konsequenz für die Praxis an der Schule beschreibt Nonnenmacher die Abstandnahme von der eigenen Fachbezogenheit und eine darauf aufbauende Kooperation im gesamten Kollegium, mindestens aber mit den anderen sozialwissenschaftlichen Kollegen, als absolut notwendig (vgl. ebd. 2011: 463).

Als weiteres Merkmal einer kritischen Politikdidaktik legt Nonnenmacher die Orientierung am Sozialstaatsgebot und am Demokratiepostulat fest (vgl. ebd. 2011: 463). Den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bildet in diesem Zusammenhang die kontroverse und kritische Struktur des Faches. Da sich die politische Bildung durch ihren Fokus auf aktuelle politische und gesellschaftliche Fragestellungen auszeichnet, ist es nur eine notwendige Folge, dass sie stets einen kritischen und kontroversen Blick auf eben jene Themen wirft. Nonnenmacher geht diese Kontroversität und das kritische Hinterfragen jedoch an einigen Stellen zu weit. So bemängelt er die Vorstellung, dass sich die Lehrperson immer wertfrei und neutral zu verhalten habe und alle möglichen Positionen zu einer Thematik im Unterricht zwar dargestellt, aber einfach so im Raum stehen gelassen würden, was zu einer Akzeptanz von fast allem führe (vgl. ebd. 2011: 464). Gerade die demokratische Kultur und der Sozialstaatsgedanke unserer Gesellschaft dürfe eben jedoch keinesfalls als beliebig und austauschbar angesehen werden. Dies hat zur Folge, dass der Wert des Demokratiegedanken und der Sozialstaatlichkeit nach Ansicht der kritischen politischen Bildung im Unterricht stets hervorgehoben werden sollte, um jene wertvollen Güter unserer Gesellschaft zu bewahren und zu schützen.

Als vierte Kernthese beschreibt Nonnenmacher das Engagement als wichtiges Ziel kritischen politischen Unterrichts und hebt in diesem Zusammenhang den handlungsorientierten Charakter des Faches hervor (vgl. Nonnenmacher 2011: 466). Die kritische politische Bildung gibt sich also nicht mit einer bloßen Abhandlung ihres Themenkanons zufrieden, sondern zielt auf die Übernahme von Verantwortung und Partizipationsbereitschaft bei den Schülern ab. Gefordert wird dabei ganz konkret deren praktisches Engagement im politischen Unterricht und über diesen hinaus, wofür der Lehrer ganz speziell Sorge zu tragen hat. Damit handlungsorientiertes, praktisches Lernen im Politikunterricht jedoch gewinnbringend sein kann, legt Nonnenmacher weiterhin 4 zentrale Bedingungen fest, unter denen das Engagement der Schüler zu erfolgen habe:

(1) Bloßer Aktionismus im handlungsorientierten Unterricht ist unbedingt zu vermeiden. Das Handeln muss einem ganz konkreten Zweck dienen und zielgerichtet sein.
(2) Das politische Engagement muss auf einer möglichst breiten Wissensbasis in Bezug auf das behandelte Thema erfolgen. Eine Analyse des Inhalts an sich muss dem Handeln vorausgehen.
(3) Das politische Engagement außerhalb des Unterrichts muss von den Schülern und Lehrern absolut freiwillig erfolgen.
(4) Es muss eine demokratische Öffentlichkeit hergestellt werden, in der das politische Engagement erfolgt.

(vgl. Nonnenmacher 2011: 467)

Schließlich formuliert Nonnenmacher als fünftes Kriterium für eine kritische politische Bildung das Bewusstsein über die Widersprüche, denen das Fach selbst unterworfen ist (vgl. ebd. 2011: 467). Als den wohl deutlichsten Widerspruch beschreibt er in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen dem eigenen Anspruch des Faches, an der Etablierung und Weiterentwicklung einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft mitzuwirken, und der Tatsache, dass das Fach selbst Teil einer wenig demokratischen Institution sei (vgl. ebd. 2011: 467). Die Schule sei eben ein Ort, an dem Anwesenheitspflicht und geringe Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten (z.B. bei der Lehrerwahl, dem Lehrplan, den Bewertungen) an der Tagesordnung seien (vgl. ebd. 2011: 467) und sie somit wenig von dem demokratischen und freiheitlichen Charakter unserer Gesellschaft vermittelt, den wir den Schülern in unserem Unterricht nahe bringen wollen. Jedoch verweist Nonnenmacher an dieser Stelle auf die vorhandenen Möglichkeiten, im eigenen Unterricht demokratische Prozesse zu etablieren und die Schüler durch Mitsprache bei der Inhalts- und Methodenwahl an der Planung der Lernprozesse zu beteiligen (vgl. Nonnenmacher 2011: 468). Eine solche bewusste Verfahrensweise im Unterricht kann helfen, jenen zentralen Widerspruch, dem die politische Bildung unterworfen ist, ein Stück weit aufzulösen und die Schule ein wenig demokratischer werden zu lassen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Kritische politische Bildung vs. affirmative politische Bildung
Untertitel
Referatsentwurf
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Seminar aktuelle Tendenzen der Fachdidaktik
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
17
Katalognummer
V267553
ISBN (eBook)
9783656578239
ISBN (Buch)
9783656578222
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterrichtsentwurf
Arbeit zitieren
Franziska Letzel (Autor:in), 2013, Kritische politische Bildung vs. affirmative politische Bildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267553

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