Seit den späten 1970er Jahren hat eine Welle von Reformen die öffentliche Verwaltung in Ländern aller Erdteile tiefgreifend verändert. Unter dem Schlagwort New Public Management (NPM) führen staatliche Organisationen unternehmerische und marktwirtschaftliche Elemente in ihre Planungs-, Steuerungs-, Leistungs- und Kontrollabläufe ein. Die Reformen zielen vor allem auf die Steigerung der Effizienz und der Effektivität staatlichen Handelns ab und reichen von der Ausrichtung der Organisationen auf neue strategische Grundsätze (Kunden-, Output-, Wettbewerbs-, Qualitätsorientierung) bis zu konkret-technischen Neuerungen, die sich aus dieser Neuausrichtung ableiten (E-Government, Umstellung von kameralem auf doppisches Rechnungswesen, leistungsorientierte Bezahlung des Personals usw.). In Lateinamerika setzte die Reformwelle Ende der 1980er Jahre ein.
Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob NPM in Ländern wie den lateinamerikanischen, in denen die Bürokratie im Sinne Max Webers nie real existiert hat, überhaupt sinnvoll und erfolgreich sein kann. Dies wird in der vorliegenden Arbeit sowohl überblicksartig für Lateinamerika, als auch detailliert anhand des Länderfalls Mexiko untersucht. Im Mittelpunkt der Analyse zu Mexiko steht dabei ein gesellschaftliches und politisches Phänomen, das als eines der zentralen Legitimitäts-, Effektivitäts- und Effizienzdefizite staatlichen Handelns in jenem Land gilt: der Klientelismus.
Bei der Beurteilung der Sinnhaftigkeit und des Erfolgs von NPM-Reformen in lateinamerikanischen Ländern ist zu berücksichtigen, dass dort neben der angestrebten Effizienz- und Leistungssteigerung immer auch die Vertiefung der Demokratie zu den Zielen der NPM-Verfechter gehört. Diese demokratieorientierte Zielsetzung von NPM haben die lateinamerikanischen Regierungen selbst explizit formuliert: 1998 veröffentlichten sie eine Art Manifest mit einem starken Bekenntnis zu NPM; darin heißt es unter anderem, NPM habe „a direct impact on the consolidation of democracy.” Die Resultate der NPM-Reformen in Lateinamerika müssen sich folglich auch an dieser demokratiebezogenen Zielsetzung messen lassen.
Die gegenseitige Beeinflussung von NPM und (defekter) Demokratie in Lateinamerika ist Gegenstand dieser Arbeit. Die zentrale These lautet, dass das Wechselverhältnis von NPM und Demokratie in Lateinamerika stark durch die Existenz informeller Institutionen wie des Klientelismus geprägt ist.
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- New Public Management und Demokratie in Lateinamerika
- Die theoretische Perspektive des Neoinstitutionalismus
- Zentrale Begriffe
- Demokratie, defekte Demokratie, Neopatrimonialismus, Klientelismus
- Öffentliche Verwaltung, Verwaltungsreform, New Public Management
- Die Debatte um den Zusammenhang von New Public Management und Demokratie und die Vernachlässigung „nicht-westlicher“ Fälle
- Demokratiedefizite in Lateinamerika
- New Public Management in Lateinamerika
- Zwischenresümee: Wechselwirkungen zwischen New Public Management und Demokratie in Lateinamerika
- Fallbeispiel Mexiko
- Klientelismus in Mexiko
- New Public Management in Mexiko
- Klient, Bürger, Kunde und die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Mexiko
- Schlussbetrachtung: New Public Management und (defekte) Demokratie in Lateinamerika
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen New Public Management (NPM) und Demokratie in Lateinamerika, insbesondere in Mexiko. Sie analysiert die Herausforderungen der Implementierung von NPM-Reformen in einem Kontext, der durch Demokratiedefizite und spezifische politische und administrative Strukturen geprägt ist. Die Arbeit beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen NPM und bestehenden institutionellen Gegebenheiten, wie z.B. Klientelismus und Neopatrimonialismus.
- Einführung von NPM-Reformen in Lateinamerika
- Wechselwirkungen zwischen NPM und Demokratiedefiziten
- Der Einfluss von Klientelismus und Neopatrimonialismus auf NPM-Implementierung
- Fallstudie Mexiko: Analyse der NPM-Reform und ihrer Auswirkungen
- Theoretische Einordnung mit dem Neoinstitutionalismus
Zusammenfassung der Kapitel
New Public Management und Demokratie in Lateinamerika: Dieses einleitende Kapitel beschreibt die globale Verbreitung von New Public Management (NPM)-Reformen in der öffentlichen Verwaltung seit den späten 1970er Jahren. Es hebt die Zielsetzung dieser Reformen – Steigerung von Effizienz und Effektivität – hervor und verdeutlicht den Widerspruch, der sich aus der Übertragung des westlich geprägten NPM-Konzepts auf die lateinamerikanische Realität ergibt. Die Arbeit argumentiert, dass das Weber'sche Ideal der Bürokratie in Lateinamerika nie vollständig implementiert wurde, was die Herausforderungen der NPM-Einführung verstärkt.
Die theoretische Perspektive des Neoinstitutionalismus: Dieses Kapitel legt die theoretische Grundlage der Arbeit dar, indem es den Neoinstitutionalismus als analytisches Rahmenwerk einführt. Der Neoinstitutionalismus wird als Ansatz präsentiert, der die Interaktion zwischen formellen und informellen Institutionen, sowie deren Einfluss auf die Politikgestaltung und -implementierung erklärt. Die Kapitel erläutert die Relevanz des Neoinstitutionalismus für das Verständnis des Zusammenhangs zwischen NPM und Demokratie in Lateinamerika.
Zentrale Begriffe: In diesem Kapitel werden die zentralen Begriffe der Arbeit definiert und abgegrenzt. Es werden die Konzepte von Demokratie (inklusive defekter Demokratie), Neopatrimonialismus, Klientelismus, öffentlicher Verwaltung, Verwaltungsreform und New Public Management präzise erläutert. Diese Definitionen bilden die Grundlage für die nachfolgende Analyse.
Die Debatte um den Zusammenhang von New Public Management und Demokratie und die Vernachlässigung „nicht-westlicher“ Fälle: Das Kapitel diskutiert die bestehende Literatur zum Thema NPM und Demokratie. Es hebt die Vernachlässigung von „nicht-westlichen“ Fällen in der bisherigen Forschung hervor und argumentiert für eine differenziertere Betrachtungsweise, die die spezifischen Kontextfaktoren in Lateinamerika berücksichtigt.
Demokratiedefizite in Lateinamerika: Dieses Kapitel analysiert die Demokratiedefizite in Lateinamerika, die die Implementierung von NPM-Reformen beeinflussen. Es beleuchtet strukturelle Herausforderungen und deren Auswirkungen auf die Effektivität und Legitimität staatlichen Handelns. Die Analyse umfasst Aspekte wie Korruption, schwache Institutionen und mangelnde Bürgerbeteiligung.
New Public Management in Lateinamerika: Dieser Abschnitt beschreibt die Einführung und Umsetzung von NPM-Reformen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern. Es werden sowohl Erfolge als auch Herausforderungen im Detail dargestellt, und die Unterschiede in den Implementierungsstrategien werden untersucht.
Zwischenresümee: Wechselwirkungen zwischen New Public Management und Demokratie in Lateinamerika: Dieses Kapitel fasst die bisherigen Erkenntnisse zusammen und stellt die Wechselwirkungen zwischen NPM und Demokratie in Lateinamerika dar. Es bietet eine vorläufige Bewertung der Auswirkungen von NPM-Reformen auf die demokratischen Prozesse in der Region.
Fallbeispiel Mexiko: Das Kapitel widmet sich der Analyse des Fallbeispiels Mexiko. Es werden die spezifischen Herausforderungen der NPM-Implementierung im mexikanischen Kontext dargestellt und eingehend diskutiert.
Schlüsselwörter
New Public Management (NPM), Demokratie, Lateinamerika, Mexiko, Neopatrimonialismus, Klientelismus, Verwaltungsreform, Effizienz, Effektivität, Neoinstitutionalismus, Demokratiedefizite, öffentliche Verwaltung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: New Public Management und Demokratie in Lateinamerika
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen New Public Management (NPM) und Demokratie in Lateinamerika, insbesondere in Mexiko. Sie analysiert die Herausforderungen der Implementierung von NPM-Reformen in einem Kontext, der durch Demokratiedefizite und spezifische politische und administrative Strukturen geprägt ist. Ein Schwerpunkt liegt auf den Wechselwirkungen zwischen NPM und bestehenden institutionellen Gegebenheiten wie Klientelismus und Neopatrimonialismus.
Welche theoretische Perspektive wird verwendet?
Die Arbeit verwendet den Neoinstitutionalismus als analytisches Rahmenwerk. Dieser Ansatz erklärt die Interaktion zwischen formellen und informellen Institutionen und deren Einfluss auf Politikgestaltung und -implementierung. Er hilft, den Zusammenhang zwischen NPM und Demokratie in Lateinamerika zu verstehen.
Welche zentralen Begriffe werden definiert?
Die Arbeit definiert und grenzt zentrale Begriffe ab, darunter Demokratie (inkl. defekter Demokratie), Neopatrimonialismus, Klientelismus, öffentliche Verwaltung, Verwaltungsreform und New Public Management. Diese Definitionen bilden die Grundlage der Analyse.
Wie wird die Debatte um NPM und Demokratie behandelt?
Die Arbeit diskutiert die bestehende Literatur zu NPM und Demokratie und kritisiert die Vernachlässigung „nicht-westlicher“ Fälle. Sie plädiert für eine differenziertere Betrachtungsweise, die spezifische Kontextfaktoren in Lateinamerika berücksichtigt.
Welche Demokratiedefizite in Lateinamerika werden betrachtet?
Die Arbeit analysiert Demokratiedefizite in Lateinamerika, die die Implementierung von NPM-Reformen beeinflussen. Dazu gehören strukturelle Herausforderungen wie Korruption, schwache Institutionen und mangelnde Bürgerbeteiligung.
Wie wird NPM in Lateinamerika dargestellt?
Die Arbeit beschreibt die Einführung und Umsetzung von NPM-Reformen in verschiedenen lateinamerikanischen Ländern. Sie zeigt sowohl Erfolge als auch Herausforderungen und untersucht Unterschiede in den Implementierungsstrategien.
Wie werden die Wechselwirkungen zwischen NPM und Demokratie zusammengefasst?
Die Arbeit fasst die Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen zwischen NPM und Demokratie in Lateinamerika zusammen und bietet eine vorläufige Bewertung der Auswirkungen von NPM-Reformen auf demokratische Prozesse in der Region.
Welche Rolle spielt das Fallbeispiel Mexiko?
Mexiko dient als Fallbeispiel, um die spezifischen Herausforderungen der NPM-Implementierung in einem lateinamerikanischen Kontext darzustellen und eingehend zu diskutieren. Es werden Aspekte wie Klientelismus und die Interaktion verschiedener Akteursrollen (Klient, Bürger, Kunde) analysiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: New Public Management (NPM), Demokratie, Lateinamerika, Mexiko, Neopatrimonialismus, Klientelismus, Verwaltungsreform, Effizienz, Effektivität, Neoinstitutionalismus, Demokratiedefizite, öffentliche Verwaltung.
Welche Kapitel enthält die Arbeit?
Die Arbeit enthält Kapitel zu Abkürzungen, New Public Management und Demokratie in Lateinamerika, dem Neoinstitutionalismus, zentralen Begriffen, der Debatte um den Zusammenhang von NPM und Demokratie, Demokratiedefiziten in Lateinamerika, NPM in Lateinamerika, einem Zwischenresümee, dem Fallbeispiel Mexiko und einer Schlussbetrachtung.
- Arbeit zitieren
- Peter Peetz (Autor:in), 2013, New Public Management und Demokratie in Lateinamerika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267680