Eine Theorie der Raumnutzung in Städten


Diplomarbeit, 2003

62 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnisder benutzten Variablen und Funktionsbezeichner

1. Einleitung

2. Die Monozentrische Stadt
2.1 Historische Belege
2.2 Warum gibt es Städte?
2.3 Das Modell

3. Die Theorie eines symmetrischen Gleichgewichts
3.1 Vorhergehende Bemerkungen
3.2 Prämissen und die Eigenschaften der Stadtfläche
3.3 Der Produktionssektor
3.4 Die Beschäftigten
3.5 Die Lohn-Arbitrage-Bedingung
3.6 die Zahlungsbereitschaft von Haushalten und Unternehmen
3.7 Definition eines Gleichgewichts
3.8 Das Drei-Schritte-Programm
3.9 Die ‚gemischte’ Lohnkurve
3.10 Der Gleichgewichtige Lohnsatz
3.11 Der externe Effekt: die Produktivitätsfunktionz
3.12 Beispiele
3.13 Ergebnisse

4. Eine Erweiterung der Gleichgewichtstheorie
4.1 Die Unterschiede zu Lucas/Rossi-Hansbergs Modell
4.2 Prämissen
4.3 Voraussetzungen für ein Gleichgewicht (mit 0 <q< 1)
4.4 Konstruktion eines Gleichgewichts
4.5 Ein Gleichgewicht ohne Nutzungsbeschränkungen
4.6 Produktion von mehr als einem Gut

5. Zum Vergleich: optimale Raumnutzung
5.1 Aufbau des Modells
5.2 Die Vorgehensweise zur Optimierung
5.3 Maßnahmen zur Effizienzerhöhung
5.4 Der Vergleich

6. Schlussbemerkungen und Ausblick

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der benutzten Variablen und Funktionsbezeichner

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit vielen Jahren wird versucht, die Struktur von Städten zu erklären. Doch Stadtbilder verändern sich von Jahr zu Jahr, und lange Zeit gab es keinen Erklärungsansatz, der dem schnellen Wachstum und der stetigen Veränderung gerecht wurde. Die monozentrische Stadt wurde lange als das Maß aller städtischen Dinge betrachtet – was sie eine zeitlang auch war. Doch das hat sich geändert.

Um den Aufbau einer Stadt vollständig und in all ihrer Komplexität – mit Einwohnern, gewerblichen Aktivitäten, öffentlichen Einrichtungen, Grünflächen, Transportwegen, externen Effekten und vielem mehr – zu verstehen, bedarf es mathematischer Modelle, die viel zu aufwendig sind als dass sie je nützlich wären: hätte man alle Aspekte der Situation erfasst, wäre wahrscheinlich so viel Zeit vergangen, dass der zu erklärende Zustand nicht mehr aktuell ist.

Gut durchdachte Vereinfachungen sind vonnöten. Fragestellungen müssen zwar mathematisch ohne zu hohen Anspruch modelliert werden können, gleichzeitig aber dennoch genügend Aspekte der Realität wiederspiegeln um als Erklärung dieser behilflich zu sein.

In dieser Arbeit sollen drei Artikel vorgestellt werden, die sich mit der Raumaufteilung in Städten befassen.

In Kapitel 3 geht es zunächst um eine gleichgewichtige Raumaufteilung: angenommen, Unternehmen und Haushalte könnten über ihren Standort frei entscheiden – unter der Voraussetzung, dass sie ihren individuellen Nutzen maximieren, wie sähe das resultierende Stadtbild aus?

Kapitel 4 beschäftigt sich mit einer Erweiterung des in Kapitel 3 vorgestellten Modells, um es anpassungsfähiger an die Realität zu machen.

Zuletzt wird in Kapitel 5 der Vergleich zwischen gleichgewichtiger und optimaler Raumnutzung angestellt und Möglichkeiten aufgezeigt, beide miteinander zu vereinbaren.

Die Ergebnisse der in dieser Arbeit dargestellten Untersuchungen sollen neue Erklärungsansätze für die Form und Entstehung urbaner Lebensräume liefern. Außerdem könnten sie dabei helfen, öffentliche Eingriffe und Maßnahmen zur Steuerung der wirtschaftlichen Aktivitäten in Städten zielgerichtet zu konzipieren – wenn nicht als Handlungsanweisung, so doch als Denkanstoß für Stadtplaner und solche, die es werden wollen.

Zunächst folgt eine kurze Entstehungsgeschichte von Städten, eine Erläuterung der bis vor kurzem aktuellen Sichtweise der Raumaufteilung, und dann folgt der Übergang zu den moderneren Modellen.

2. Die Monozentrische Stadt

2.1 Historische Belege

Die Idee der monozentrischen Stadt beruht auf tatsächlichen Beobachtungen.

Im 19. Jahrhundert waren Städte gewöhnlich an Wasserwegen und Eisenbahnlinien zu finden. Der Hafen oder der Bahnhof waren das Zentrum der wirtschaftlichen Aktivität, da die Kosten für Gütertransporte innerhalb der Stadt verhältnismäßig hoch waren,1jedoch fielen die durchschnittlichen Transportkosten stärker, je mehr Fracht per Schiff oder Bahn transportiert wurde.2Deshalb siedelten sich Produzenten in der Nähe des Hafens oder des Bahnhofs an, ebenso in der Nähe von anderen Unternehmen: Kommunikation zwischen Produzenten fand vor der Erfindung des Telefons hauptsächlich mittels Boten statt und war entsprechend kostspielig.

Insbesondere in den USA brachte selbst die Einführung der Straßenbahn keine signifikante Änderung. Sie erlaubte zwar vielen Beschäftigten der mittleren und oberen Gehaltsklassen, nach weiter außerhalb zu ziehen (woraufhin sich viele Vororte um Stationen des strahlenförmig gelegten Straßenbahnnetzes bildeten3), doch die Struktur eines zentralen Produktionsgebiets umgeben von Wohngebieten blieb weitgehend erhalten.4

Mit der Erfindung des Automobils und des Telefons vergrößerten sich die Maßstäbe dieser Struktur insofern, dass sich Unternehmen an preiswerterem Land orientieren konnten, das weiter vom Zentrum entfernt war. Dennoch waren sie weiterhin abhängig von Häfen oder Bahnhöfen. Wohngebiete verlagerten sich weiter nach außen und breiteten sich dort aus.5

Bis nach dem zweiten Weltkrieg blieb das Vorkommen der monozentrischen Stadt erhalten. Dann kamen Highways und S-Bahnen, der Güter- und Personentransport wurde preiswerter, und niedrige Mietpreise in den Außenbezirken lockten Produktion und Beschäftigung an den Stadtrand. Im Zentrum blieben Dienstleistungen und Büros zurück.6

In den 60er Jahren wurde zum ersten Mal das „Modell der monozentrischen Stadt“ formuliert, um die damals beobachteten Stadtbilder zu erklären. Es wurde erweitert, um den Sektoren „Produktion“, „Wohnen“ und „Transport“ gerecht zu werden7und fand dauerhaften Anklang in der Wirtschaftstheorie.

2.2 Warum gibt es Städte?

Zu Beginn ein Gedankenexperiment: angenommen, in einer Volkswirtschaft wird ein Konsumgut hergestellt, dessen Produktionsfunktion konstante Skalenerträge aufweist. Außerdem gibt es die (nicht produzierten) Güter „Fläche“ und „Arbeitskraft“, und beide sind homogen. Sämtliche In- und Outputs innerhalb der Volkswirtschaft werden auf Wettbewerbsmärkten gehandelt. Nutzenfunktionen haben die üblichen Formen und Eigenschaften.

Warum sollte es in einem solchen Szenario Städte geben? Konsumenten würden sich, um hohe Mietpreise zu vermeiden, gleichmäßig über die gesamte Fläche der Volkswirtschaft verteilen. Jeder Haushalt hätte in unmittelbarer Nähe einen Produktionsbetrieb, der ihn mit der benötigten Menge des Konsumgutes versorgt (wenn er das Konsumgut nicht gleich selbst herstellt). Denn durch die Annahme der konstanten Skalenerträge gilt, dass jede noch so kleine Menge eines Gutes ohne Effizienzverlust hergestellt werden kann. Ohne jegliche Notwendigkeit einer städtischen Ballung können auf diese Weise Transportkosten komplett vermieden werden.8

Doch die Realität sieht anders aus. Wie im vorigen Abschnitt erläutert bildeten sich viele Städte an Wasserwegen. Das heißt, dass Fläche nahe des Ufers für Produzenten und Händler wertvoller war als weiter landeinwärts – Fläche war und ist also ein heterogenes Gut. Es lohnte den höheren Preis, sich auf das günstiger gelegene Land zu konzentrieren, und so bildeten sich Siedlungen.9

Auch die Annahme der konstanten Skalenerträge muss aufgegeben werden, um die Existenz von Städten zu rechtfertigen. Steigende Skalenerträge kommen der Realität näher, und zwar aus zwei Gründen:

1. Spezialisierung. Die Übertragung einzelner Produktionsschritte auf verschiedene auf diese Schritte spezialisierte Beschäftigte führt dazu, dass sich diese besser auf ihre Aufgabe konzentrieren können. Durch die häufige Wiederholung und einen gewissen Lerneffekt können sie ihre Fertigkeit verbessern, was sich durch höhere Produktivität bemerkbar macht.
2. Fixkosten. Um beispielsweise ein Brot zu backen, benötigt man einen (ggf. teuren) Ofen, mit dem man aber ebenso gut hundert Brote backen (und diese verkaufen) kann, ohne dass der Ofen dadurch teurer wird. Der Preis des Ofens sind die Fixkosten der Brotproduktion, und auf die produzierte Stückzahl umgerechnet haben sie weniger Gewicht, wenn möglichst viel Brot gebacken wird.10

2.3 Das Modell

Ausgehend von den Beobachtungen wurde die monozentrische Modellstadt als kreisförmig bestimmt, mit einem Produktions-/Wirtschaftsbereich in der Mitte. Dieser wird im weiteren als „CBD“ („central business district“) Bezeichnet. Er ist der Standort aller Arbeitsstellen in der Stadt und damit Ziel aller (Pendel-)Fahrten ihrer Bewohner.11Die Entfernung, die die Beschäftigten auf dem Weg zum CBD zurücklegen müssen, wird mitxbezeichnet.

Alle Haushalte der Stadt sind identisch. Ihre Anzahl sei gleich der Einwohnerzahl (ebenso gleich der Beschäftigtenzahl) und mitNbezeichnet. Sie teilen ihr exogen vorgegebenes Nettoeinkommenwzwischen Güterkonsum, Mietzahlungen für die Menge an genutzter Wohnfläche und Fahrtkosten von und zur Arbeitsstelle auf.

Jeder Haushalt konsumiert die Mengeceines Numéraire-Gutes und eine Menge[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]an Wohnfläche und erreicht dadurch ein Nutzenniveau vonU(c,[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]). Diese Nutzenfunktion ist für alle Haushalte die gleiche.

Die jährlichen Fahrtkosten (im weiteren bezeichnet als „Transportkosten“) pro Haushalt, der in einer Entfernungxvom CBD angesiedelt ist, belaufen sich auft(x). Eine Einheit Wohnfläche wird zum PreisQ(x) gemietet.

Die sog. „Rentenangebotsfunktion“ („bid rent function;“ Bodenrente, d.h. die maximale Mietzahlung, die ein Haushalt für eine Einheit Wohnfläche zahlen kann und gleichzeitig ein Reservationsnutzenniveauūerreicht) wird durchb(x,ū) definiert. Es sei Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten u. d. N. Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. (2.1) Laut dem Envelope-Theorem12ist die Steigung der Rentenangebotsfunktion Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. (2.2)

Diese Gleichung bedeutet, dass ein Haushalt, der nur eine sehr geringe zusätzliche Streckedxvom CBD entfernt angesiedelt ist, zusätzliche Transportkosten in Höhe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten hat. Das maximierende Argument der Gleichung ist Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, und damit der Haushalt indifferent zwischen beiden Standorten ist, muss der Mietpreis an dem von Zentrum weiter entfernten Punkt um die Höhe der zusätzlichen Transportkosten niedriger sein:Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.13

Es muss einen gleichgewichtigen MietpreisQ(x) geben, der diese Anforderungen erfüllt, d.h. der mit einem der Bodenrentenangebote der Haushalte übereinstimmt, unter der Bedingung, dass der Reservationsnutzenūerreicht wird. Um diesen Preis zu bestimmen müssen zwei weitere Bedingungen beachtet werden: 2.a) Mietpreise am Stadtrand Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten sei der noch zu bestimmende optimale Radius der Stadt) dürfen nicht höher und nicht niedriger sein als die Miete QL, die für landwirtschaftlich genutzte Fläche gezahlt würde und überall als gleich hoch angenommen wird.

2.b) Das Integral über die relative Haushaltsdichte Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten muss gleich der gesamten Anzahl HaushalteNsein: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.14 (2.3) Durch 2.a) und 2.b) erhält man Ergebnisgleichungen für sowohlx* als auchū; die Lösung für letzteres soll mituebezeichnet werden.

Wohnfläche wird an jedem Punkt innerhalb der Stadt an den höchstbietenden vermietet, und der Mietpreis entspricht der höchsten Zahlungsbereitschaft der Haushalte dort:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.15 (2.4)

Wohnfläche gehört und wird vermietet von abwesenden Landeigentümern, die ansonsten keine Rolle im wirtschaftlichen Geschehen spielen.

Die komparative Statik des Modells kann anhand eines Beispiels von Anas/Arnott/ Small dargestellt werden: Angenommen, die BevölkerungsmengeNvergrößere sich. Sowohl die Rentenangebotsfunktion (2.1) als auch die Flächennutzung[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](×) bleiben davon unberührt. Laut (2.3) bedeutet aber die höhere Einwohnerzahl auch einen höheren Flächenverbrauch. Das führt dazu, dass das neue Gleichgewicht eine höhere Haushaltsdichte, niedrigere Nutzenniveaus, steilere Rentenangebotsfunktionen und einen größeren Stadtumfang aufweist.16

In diesem einfachen Modell ist die endgültige Raumaufteilung und –nutzung pareto-optimal.17Würde man aber – um sich der Realität anzunähern – Externalitäten wie Überlastungen der Transportwege (Staus), Luftverschmutzung, Agglomerationsvorteile etc. in die Betrachtung mit einbeziehen, sähe ein Gleichgewicht u.U. ganz anders aus. Trotzdem nutzen Anas/Arnott/Small die oben erläuterten Annahmen zur Erklärung der oft beobachteten Dezentralisierung von Städten in den letzten ein- bis zweihundert Jahren.18Ein reiner CBD ist heutzutage seltener als im 19. Jahrhundert, und die Existenz von externen Effekten bietet weitere Untersuchungsmöglichkeiten.

Eine besteht z.B. darin, von einer positiven Beeinflussung der Produktivität eines Betriebes auszugehen, die sich durch die Nähe zu anderen Unternehmen ergibt. R.E. Lucas, Jr. und E. Rossi-Hansberg bedienen sich insbesondere dieser Annahme19, lockern außerdem das bisherige monozentrische Modell in einigen zusätzlichen Punkten und kommen so zu wegweisenden Ergebnissen hinsichtlich der Raumnutzung in Städten. Ihr Modell soll nun vorgestellt werden.

3. Die Theorie eines symmetrischen Gleichgewichts

Der Grundstein für das Modell von Lucas/Rossi-Hansberg ist die Lockerung der Annahme eines CBD dahingehend, dass sich Unternehmen und Bewohner an jedem beliebigen Punkt innerhalb der Stadt ansiedeln dürfen. Voraussetzung dafür ist, dass die verfügbare Fläche keinen Nutzungsplänen, Bauvorschriften oder anderen Restriktionen unterworfen ist. Dadurch stehen Unternehmen und Haushalte an jedem Punkt in der Stadt im Wettbewerb um Fläche,20und die Partei, die bereit ist, die höhere Miete zu zahlen, gewinnt. Sind beide bereit, den gleichen Betrag zu zahlen, bildet sich ein Mischgebiet in dem sowohl Unternehmen als auch Haushalte vertreten sind.21

Lucas/Rossi-Hansberg zeigen in ihrem Artikel „On the Internal Structure of Cities,“ dass ein CBD nicht immer vorteilhaft ist, und dass sich aus den individuellen Präferenzen und Entscheidungen von Unternehmen und Haushalten ein Gleichgewicht für verschiedene Arten der Flächennutzung ergeben kann. Ihre Annahmen sind fortschrittlich weil sie nicht nur die Entscheidungen der Haushalte bezüglich ihrer Arbeitsstelle berücksichtigen, sondern auch das Problem der Standortwahl von Unternehmen.22Das Modell liefert damit den Grundstein für weitere Untersuchungen (s. u.a. Kapitel 4), die der Städteplanung in Zukunft zugute kommen könnten.

3.1 Vorhergehende Bemerkungen

Vom ursprünglichen monozentrischen Modell aus Kapitel 2.3 haben Lucas/Rossi-Hansberg die Annahmen übernommen, dass alle Haushalte in der Stadt identisch sind und dass ihre Gesamtzahl der Anzahl der Einwohner/Beschäftigten in der Stadt entspricht. Alle haben identische Präferenzen, die gleiche NutzenfunktionAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und den gleichen (exogen vorgegebenen) ReservationsnutzenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten .23Die Stadt ist immer noch kreisförmig, und Landeigentümer/Vermieter nehmen immer noch nicht an wirtschaftlichen Aktivitäten teil.24

Lucas/Rossi-Hansbergs Modell unterscheidet sich allerdings in einigen Punkten von dem aus Kapitel 2.3. Zunächst betrifft dies die Transportkosten: um zu vermeiden, dass ein zusätzlicher Aktivitätssektor für den Transport modelliert werden muss, werden Transportkosten in der sog. „Eisbergform“ angenommen.25In diesem speziellen Fall heißt das, dass die Beschäftigten mit ihrer Fahrt zum Arbeitsplatz einen Teil ihrer verfügbaren Arbeitszeit verlieren.26Lucas/Rossi-Hansberg wählen die Lösung, dass die Fahrtkosten der Beschäftigten vom Arbeitgeber in Form von zusätzlichem Lohn getragen werden, und zwar mit dem Ziel, dass alle Beschäftigten innerhalb der Stadt dasselbe Nettoeinkommen haben, unabhängig davon, wie viel Zeit sie mit der Fahrt von und zur Arbeitsstelle verlieren (s. Kapitel 3.4 für eine genauere Erläuterung).

Der bereits erwähnte externe Effekt in der Produktion, die sog. „Produktionsexternalität,“ zeichnet sich dadurch aus, dass Betriebe von der Nähe zu anderen Betrieben profitieren: die eigene Produktivität wird erhöht. Ohne diesen Agglomerationsvorteil würden sich Unternehmen dorthin verlagern, wo Land am preiswertesten ist: aus der Stadt hinaus.27Diese Externalität, ortspezifische Lohnsätze und Mietpreise für Wohn- und Produktionsfläche sollen Unternehmen und Haushalten Anreize geben, Flächenverbrauchsentscheidungen im Hinblick auf ihren eigenen Nutzen zu treffen.

Der Radius und damit die Fläche der Stadt in diesem Modell ist nicht endogen, sondern von Anfang an gegeben, d.h. am Stadtrand kann kein Land dazugekauft oder –gemietet werden. Des weiteren stellt die Stadt einen in sich geschlossenen Wirtschaftsbereich dar, der weder durch Pendler noch durch Handel oder Kapitalverkehr mit der „großen“ Volkswirtschaft verbunden ist. Lediglich bestimmte Werte, die nicht nur in der Stadt sondern in der gesamten Volkswirtschaft gelten, werden als gegeben angenommen, u.a. der Preis für das produzierte Gut und der Reservationsnutzen der Beschäftigten.28Diese und weitere vereinfachende Annahmen sollen dafür sorgen, dass die mathematischen Dimensionen des Modells in einem überschaubaren Rahmen bleiben.

Die Ergebnisse der Untersuchung könnten als Basis für offizielle Maßnahmen dienen, um die wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Stadt und das Stadtbild zu beeinflussen, z.B. durch angemessene Flächennutzungs- oder Bebauungspläne, ortsgebundene Steuervorteile, Fahrtkostenzuschüsse, etc. Um solche Maßnahmen sinnvoll zu konzipieren benötigt man Theorien sowohl der gleichgewichtigen als auch der optimalen Raumnutzung.29Das Augenmerk liegt hier auf der Raumaufteilung die sich ergibt, wenn Unternehmen und Haushalte frei über ihre Standorte entscheiden können.30Ein so erhaltenes Gleichgewicht kann in der Städteplanung u.U. dazu dienen, gesamtwirtschaftliche und soziale Ziele mit denen der Individuen zu vereinen.

3.2 Prämissen und die Eigenschaften der Stadtfläche

Die Einwohner der Stadt benötigen Wohnfläche und ein Konsumgut. Die gesamte Produktionsaktivität im Modell ist auf die Herstellung dieses einen Gutes eingeschränkt, das mit Aufwand von Land und Arbeit hergestellt und zum Wettbewerbspreis gehandelt wird.31Die Produktion dieses Gutes ist auch die einzige Art von bezahlter Beschäftigung, die in der Stadt ausgeübt wird.

Beschäftigte, die nicht unmittelbar bei ihrer Arbeitsstelle wohnen, verlieren einen Teil ihrer verfügbaren Arbeitszeit durch die Dauer der Fahrt zu und von ihrer Arbeitsstelle. Deshalb müssen Unternehmen bei ihrer Standortwahl die Vorteile, die sich durch die Nähe zu anderen Unternehmen ergeben, gegen die längeren Anfahrtszeiten der Beschäftigten abwägen.32Arbeit und Wohnen werden so näher zusammengedrängt, tendenziell zum Zentrum der Stadt hin: dort sind die Transportwege am kürzesten. Jedoch ist der vorhandene Raum dort begrenzt, und der positive Flächenverbrauch von Unternehmen und Haushalten verhindert, dass sich die Stadt auf einen einzigen Punkt konzentriert.33

Gegenstand der Betrachtung ist das räumliche Modell einer ebenen, kreisförmigen Stadt mit festem RadiusX. Die Untersuchung beschränkt sich auf symmetrische Gleichgewichte, d.h. alle betrachteten Punkte werden nur durch ihre Entfernungxvom Stadtzentrum gekennzeichnet, nicht durch die Polarkoordinaten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten: falls ein Punkt an der Stellexbestimmte Eigenschaften hat, so gelten diese auch für alle anderen Punkte, die in der Entfernungxvom Mittelpunkt liegen; also für einen Kreis mit Radiusx, dessen Mittelpunkt das Stadtzentrum ist. Der Winkelfwird dabei außer Acht gelassen.

Unter diesen Voraussetzungen liegen alle Punktexauf einer Geraden, die vom Stadtzentrum (x= 0) aus bis zum Stadtrand Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten führt; entlang dieser finden alle Transportvorgänge innerhalb der Stadt statt.

Die Stadt hat eine Gesamtfläche vonpX2, die aus Produktions- und Wohnfläche zusammengesetzt ist. Entsprechend ist die um der Symmetrie willen betrachtete Gerade vom Stadtzentrum zum Stadtrand eine Aneinanderreihung von Punkten, die jeweils eine Flächeneinheit darstellen. Produktions- und Wohnfläche müssen auf diese aufgeteilt werden.

Für jedesAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten£ 1 die Produktionsfläche, also der Anteil der Flächeneinheit, der für Produktion verwendet wird. Dementsprechend bezeichnet Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten den Anteil Wohnfläche anx.

Die relative Beschäftigungsdichte (d.h. die Anzahl der Beschäftigten pro Einheit Produktionsfläche) anAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten; Auf einen Kreis umgelegt bezeichnet 2 Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten die Gesamtbeschäftigung pro Flächeneinheit an allen Stellen mit Entfernungxzum Zentrum.

Die Anzahl der Haushalte pro Einheit Wohnfläche an Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten. Jeder Haushalt beansprucht einen Anteil[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](x) der verfügbaren Fläche, und es gilt, dassAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Der Produktionssektor

Es wird eine Produktionsfunktion mit konstanten Skalenerträgen betrachtet, deren Determinanten die Produktionsfläche Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten und die Beschäftigung Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten sind. Dadurch ergibt sich an der Stellexdie Produktionsmenge

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten, wobei (3.1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten mit 0 <g< 1 und (3.2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten mit 0 <a< 1 (3.3)

Cobb-Douglas-Funktionen sind.34

Die Produktionstätigkeit innerhalb der Stadt findet dort - nicht außerhalb - wegen der bereits angesprochenen Produktionsexternalität statt: die Produktivität eines Unternehmens ist umso höher, je höher die Beschäftigung bzw. je höher die Unternehmensdichte an den benachbarten Punkten ist.35Dieser Effekt veranlasst Produzenten, ihren Standort möglichst nah bei anderen Produzenten bzw. ihren Standort alle an der selben Stelle zu wählen. In diesem Fall ist das das Stadtzentrum.36

[...]


1Vgl. Moses/Williamson (1967), zitiert nach Anas/Arnott/Small (1998), S. 1428.

2Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1428.

3Vgl. Warner (1962), zitiert nach Anas/Arnott/Small (1998), S. 1429.

4Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1429.

5Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1429.

6Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1430.

7Das Modell wurde in Anlehnung an von Thünens Theorie der Flächennutzung und –preise in der Landwirtschaft entwickelt. Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1434.

8Vgl. Mills (1967), S. 198.

9Vgl. Mills (1967), S. 199.

10Vgl. O’Sullivan (1999), S. 20f.

11Der Einfachheit halber wird in dieser Arbeit immer von einer „geschlossenen“ Stadt ausgegangen, d.h. von gegebener Einwohnerzahl. Vgl. auch Anas/Arnott/Small (1998), S. 1434.

12Das Envelope-Theorem kommt zum Einsatz, wenn bei einem Optimierungsproblem die Auswirkungen von Änderungen in exogenen Variablen (hierwundū) auf den (hier) Maximalwert untersucht werden sollen. Es besagt, dass bei einer solchen Problemstellung nur die direkten Auswirkungen zu berücksichtigen sind, da die indirekten Effekte im Optimum verschwinden. Vgl. Kifmann (2003), S. 1f.

13Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1434f.

14f(x)dxist der Inhalt der Fläche, die zwischenxundx+dxliegt. Gäbe es z.B. nur Wohn- und keine Produktionsfläche in einer kreisförmigen Stadt, wäref(x) = 2px. Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1435.

15Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1435.

16Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1435.

17Vgl. Fujita (1989), zitiert nach Anas/Arnott/Small (1998), S. 1435.

18Vgl. Anas/Arnott/Small (1998), S. 1436.

19Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002).

20So tun sie es auch in realen Städten, sofern keine Flächennutzungsvorschriften oder –beschränkungen vorhanden sind. Die einzige Einschränkung hierbei ist die Zahlungsfähigkeit der Akteure.

21Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1455.

22Vgl. Lucas (2001), S. 246.

23Der z.B. den Nutzen wiederspiegelt, den ein Beschäftigter erreichen könnte wenn er aus der Stadt hinauszöge.

24Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1447.

25D.h. dass der Transport eines Gutes über eine Strecke Kosten in Einheiten des Gutes selbst verursacht, ähnlich eines Eisbergs, der vom Nordpol nach New York transportiert wird und während der Reise durch den Schmelzvorgang an Masse verliert. Vgl. Samuelson (1954), S. 268.

26Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1446.

27Jedoch fiele durch die Bedingung, dass Mietpreise am Stadtrand nicht höher und nicht niedriger sein dürfen als die MieteQL für landwirtschaftlich genutzte Fläche (s. Kap. 2.3 dieser Arbeit) der Anreiz, die Stadt ganz zu verlassen, weg. Unternehmen würden sich einfach in Richtung Stadtrand verlagern.

28Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1450.

29Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1445.

30S. Kapitel 5 für eine kurze Diskussion der optimalen Raumaufteilung.

31Der Handel mit dem Gut selbst (genauer: der Transport des Gutes zwecks Handel) verursacht keine Kosten. Vgl. Lucas (2001), S. 247.

32Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1445.

33Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1446.

34Vgl. Lucas (2001), S. 248.

35Vgl. Lucas/Rossi-Hansberg (2002), S. 1446.

36Vgl. Lucas (2001), S. 246.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Eine Theorie der Raumnutzung in Städten
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (FB Wirtschaftstheorie II)
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
62
Katalognummer
V26782
ISBN (eBook)
9783638290210
Dateigröße
1110 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Theorie, Raumnutzung, Städten
Arbeit zitieren
Kerstin Feuersänger (Autor:in), 2003, Eine Theorie der Raumnutzung in Städten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26782

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