Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionen und theoretische Grundlagen
2.1 Definition der Begriffe Buch und E-Book
2.2 Ökobilanzen
2.2.1 Definition und Charakteristika der Ökobilanzierung
2.2.2 Gründe und Ziele einer Bilanzierung
2.2.3 Abgrenzung zu weiteren Bewertungsmethoden
2.2.4 Aufbau einer Ökobilanz
2.2.5 Probleme bei der Ökobilanzierung
2.2.6 Empirische Befunde zum Einsatz von Ökobilanzen
2.2.7 Einsatzpotenziale im Buchmarkt
3 Analyse bisheriger Ökobilanzierungen von E-Books
3.1 Moberg, Borggren und Finnveden: Books from an environmental perspective
3.2 Öko-Institut Freiburg: PROSA E-Book-Reader
3.3 Kritische Analyse der Bilanzierungsversuche
4 Exemplarische Annäherung an eine Ökobilanz von E-Books
4.1 Zielsetzung, Funktion und funktionelle Einheit
4.2 Herleitung der Produktlebenswege aus der Struktur des Buchmarktes
4.2.1 Der Buchmarkt und der Lebenszyklus des gedruckten Buches
4.2.2 Der Buchmarkt und der Lebenszyklus des E-Books
4.3 Probleme der Identifikation von Einflussfaktoren
4.3.1 Probleme der Identifikation von Einflussfaktoren und der Datenerfassbarkeit innerhalb des Lebenszykluses von E-Books
4.3.2 Probleme der Identifikation von Einflussfaktoren und der Datenerfassbarkeit innerhalb des Lebenszykluses von E-Book-Readern
5 Fazit und Ausblick: Ökobilanzen von E-Books
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Nachhaltiges Publizieren, auch ‚green publishing‛ genannt, ist ein hochaktuelles, vielseitig diskutiertes Thema der deutschen Buchbranche. Dies zeigt sich u.a. bei Veranstaltungen wie der Frankfurter Buchmesse, bei der 2011 das Projekt Nachhaltiges Publizieren – Neue Umweltstandards für die Verlagsbranche[1] gestartet wurde, oder dem Kolloquium der Mainzer Buchwissenschaft 2013, das unter dem Titel Bio im Bücherregal? Green Publishing in Theorie und Praxis[2] Vorträge zu verschiedenen Aspekten der Thematik anbot. Auch der Fachkongress Publishing der Zukunft[3] verdeutlicht die Aktualität dieses Themas. Darüber hinaus verwenden Verlage und Druckereien zunehmend zertifizierte Papiersorten[4] oder neutralisieren durch die Aufforstung von Wäldern CO2-Emissionen, die beim Druck in die Umwelt gelangen.[5]
Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit
Im Rahmen dieses aktuellen Themas scheint es passend zu sein, dass E-Books als ökologischer Fortschritt gelten und „‚Dead-Tree-Books‘ bald der Vergangenheit angehören, und nicht länger Wälder für die Buchproduktion abgeholzt werden“[6]. So zeigt eine Umfrage des Börsenvereins von 2012, dass 64 % der Befragten der Aussage zustimmen, dass „E-Books umweltfreundlich [sind], weil sie die aufwändige Papierproduktion einsparen“[7]. Doch stimmt diese Aussage? Ist E-Book-Lesen grundsätzlich ökologisch unbedenklich? Ist E-Book-Lesen ‚grüner‛ als das Lesen gedruckter Bücher? Und wenn nicht, was muss sich ändern, damit es unbedenklicher wird? Dass dies – nicht nur in der Branche in Deutschland – hoch diskutiert wird, zeigt die Vielzahl von Artikeln zu diesem Thema.[8] Jedoch werden in diesen Beiträgen wichtige Aspekte außer Acht gelassen oder es fehlen gesicherte Daten, die die Ergebnisse begründen. Der Börsenblatt-Artikel Grüner lesen von Roesler-Graichen weist darauf hin, dass der gesamte Lebenszyklus des Produktes untersucht werden muss.[9] Dabei müssen nicht nur die E-Books einer Analyse unterzogen werden, sondern auch die E-Book-Reader,[10] die für eine Nutzung von E-Books unabkömmlich sind.
Um die Frage beantworten zu können, ob E-Book-Lesen ökologisch unbedenklich ist, muss Folgendes geklärt werden: Welche Prozesse und Aspekte innerhalb der Lebenszyklen von E-Book und E-Book-Reader wirken sich auf die Umwelt aus? Wie kann dies systematisch untersucht werden?
Eine Möglichkeit für die systematische Analyse von Umweltauswirkungen von Produkten bieten Ökobilanzen,[11] welche jedoch hochgradig komplex sind. Die zwei bisher einzigen Bilanzierungsversuche in Richtung E-Book und E-Book-Reader, die von dem Öko-Institut in Freiburg[12] sowie von Åsa Moberg, Clara Borggren und Göran Finnveden[13] stammen, finden in der Branche kaum Beachtung. Die vorliegende Arbeit möchte deshalb eingehend erläutern, welche Aspekte in eine Ökobilanz von E-Books einfließen müssen und in welchem Umfang dies überhaupt möglich ist, da nicht zu jedem Punkt geeignete Daten vorliegen. Ziel dieser Analysen ist ein Vergleich von gedrucktem Buch und E-Book. Daraus kann abgeleitet werden, was eventuell verbessert werden kann und was in der Branche getan werden muss, um die Aufstellung einer Ökobilanz zu ermöglichen. Der Untersuchungsrahmen begrenzt sich dabei auf den deutschen Buchmarkt, da keine globalen Aussagen, beispielsweise über Produktion oder Nutzungsverhalten, getroffen werden können. Aufgrund der bereits genannten Komplexität von Ökobilanzen und der fehlenden Datenbasis, auf die noch genauer eingegangen wird, ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, eine eigenständige Ökobilanz aufzustellen. Darüber hinaus sind nur vage Aussagen möglich, da keine wissenschaftliche Untersuchung erfolgt.
2 Definitionen und theoretische Grundlagen
2.1 Definition der Begriffe Buch und E-Book
Zunächst muss eine Arbeitsdefinition der Begriffe Buch und E-Book erfolgen, da in der Literatur keine einheitliche Definition existiert, eine genaue Produktbeschreibung für die Ökobilanz jedoch vorgeschrieben ist.[14] Die Definitionsversuche des traditionellen Buchbegriffes, die in Tabelle A1 in Anhang 1 zusammengestellt sind, verweisen meist auf die nicht-periodische Erscheinungsform sowie die Herstellungsart als gebundene Sammlung von Papierseiten. Bei diesem Ansatz sind Unterarten wie Hörbuch und E-Book von der Betrachtung ausgeschlossen. Janello versucht in seiner Dissertation von 2010 auch diese Aspekte in folgender Definition unterzubringen:
„Ein Buch ist ein nicht periodisch erscheinendes, thematisch abgeschlossenes und typischerweise als Langtext verfasstes Medienprodukt, das in indirekter Kommunikation durch ein Medium zeitversetzt vermittelt wird.“[15]
Kritisch zu hinterfragen sind die Nicht-Periodizität, da sie genau genommen Jahrbücher ausschließt[16], sowie die Beschränkung auf Langtext, da diese Bilderbüchern und künstlerischen Bildbänden nicht gerecht wird.[17] In Anbetracht dieser Verwirrungen ist es fraglich, ob es überhaupt sinnvoll und möglich ist, eine Definition des Buchbegriffes zu finden, die sämtliche Unterarten vereint und dennoch genügend Abgrenzung zu anderen Erscheinungsformen, wie z.B. einer Zeitung, enthält.
Die Begriffsungenauigkeit setzt sich beim E-Book fort. Zum einen wird der Begriff sowohl für den digitalen Inhalt als auch für die Endgeräte zur Wiedergabe der Texte verwendet (vgl. Tabelle A2 in Anhang 2). Zum anderen fehlt meist der Einbezug so genannter Enhanced E-Books. Diese werden auch Enriched E-Books genannt, die mit multimedialen Zusätzen wie Videos, Musik, interaktiven Spielen oder Vorlesefunktionen angereichert sind.[18] Enhanced E-Books werden derzeit vor allem als Apps entwickelt, insbesondere für iPhone und iPad.[19] Diese Form von E-Books ermöglicht somit weitere Funktionen. Da Enhanced E-Books allerdings noch einen äußerst geringen Marktanteil innehaben,[20] werden sie von der weiteren Betrachtung in dieser Arbeit ausgeschlossen.
Für diese Arbeit werden folgende Definitionen zugrunde gelegt. Da in den weiteren Kapiteln das gedruckte Buch untersucht wird, genügt eine enge Begriffsdefinition, die Unterarten wie Hörbuch und E-Book ausschließt: Das Buch ist eine nicht-periodisch erscheinende Publikation mit mindestens 48 bedruckten, beschriebenen oder leeren Seiten und weist eine in sich geschlossene Inhaltsdarstellung auf, sofern die Seiten bedruckt sind. Die Seiten werden mit einer Bindetechnik zusammengehalten und sind mit einem Umschlag oder Einband versehen.
Für E-Books wird die Definition von Živković übernommen, da diese durch den monographischen Aspekt die Nähe zum Buch aufweist und sich von Datenbanken oder digitalen Aufsätzen abgrenzt, aber dennoch durch Einbau von Bild, Video und Ton Enhanced E-Books umfassen kann[21]:
„An electronic book consists of one or more files of monographic character available to the public online or in physical form (on CD-ROM, diskette and the like physical carriers). In addition to text it may include images and sound, links to related online pages and programs to change and supplement it.”[22]
Die mobilen Endgeräte, die speziell für die Wiedergabe der E-Books hergestellt werden, werden als E-Book-Reader, kurz E-Reader, bezeichnet.
2.2 Ökobilanzen
Es existiert eine Vielzahl von Instrumenten, die ermöglichen, die ökologische Auswirkungen von Produkten, Prozessen und Unternehmen zu analysieren. Eines davon ist die Ökobilanz, im Englischen ‚Life Cycle Assessment‛ (LCA) genannt, deren Methodik durch DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14044 genormt ist.[23]
2.2.1 Definition und Charakteristika der Ökobilanzierung
Die Ökobilanz stellt in vier aufeinander aufbauenden Phasen die Input- und Outputströme eines Produktes oder einer Dienstleistung und deren potenzielle Umweltwirkungen zusammen und beurteilt diese.[24] Dabei wird der gesamte Lebensweg („cradle-to-grave“) betrachtet: von der Rohstoffgewinnung über die Produktion, die Distribution, die Verwendung bis zu der Entsorgung (Recycling, Abfall, endgültige Beseitigung).[25] Dieser Ansatz kann das Nichterkennen von Umweltauswirkungen ebenso vermeiden wie eine Verschiebung von Umweltbelastungen in andere Lebenszyklusphasen.[26] Die vielfach in der Literatur verwendete Definition, Ökobilanzen seien Vergleiche von mehreren Produkten,[27] ist nur begrenzt richtig, da der Vergleich lediglich ein angestrebtes Ziel eines LCA sein kann. Obwohl die ISO-Normen Ökobilanzen für Produkte definieren, gibt es Abstufungen von Ökobilanztypen, je nachdem, welche Aspekte untersucht werden: Produkt-, Prozess- und Betriebsökobilanz (vgl. Abb. A3 in Anhang 3).[28]
Darüber hinaus basiert die Ökobilanz auf wichtigen Leitideen. Eine davon ist die der funktionellen Einheit (FE), die festlegt, was zu untersuchen ist, und als Bezugsbasis für Vergleiche dient.[29] Die FE „quantifiziert die Funktion und damit den Nutzen eines Produktes und bildet die Bezugsgröße der Ökobilanz“[30]. Somit müssen die Energie- und Stoffströme zur Erstellung dieser FE untersucht werden. Sollen beispielsweise verschiedene Verfahren zum Händetrocknen verglichen werden, eignet sich die ‚Anzahl getrockneter Handpaare‛ als Definition der funktionellen Einheit. Darauf aufbauend können z.B. Papierhandtücher und Lufttrocknungssysteme verglichen werden.[31] Um eine Ökobilanz von E-Books aufstellen zu können, muss somit eine FE definiert werden, wie es in Kapitel 4.1 geschieht.
Eine weitere Leitidee ist die des relativen Ansatzes. Ökobilanzen sind darauf ausgelegt, lediglich potenzielle Umweltwirkungen, die auf die FE als Referenzeinheit bezogen sind, zu bestimmen.[32] Eine absolute Aussage darüber, ob ein Produkt umweltschädlich ist oder nicht, ist daher nicht möglich.
2.2.2 Gründe und Ziele einer Bilanzierung
Abhängig vom Auftraggeber einer LCA-Studie können die Gründe und Ziele einer Ökobilanzierung stark variieren. Hauptsächlich werden mit einer Ökobilanz zwei Ziele verfolgt: die Erstellung einer „Öko-Inventur“[33] eines einzelnen Produktes oder der Vergleich zwischen zwei Produkten. Mit Hilfe einer Öko-Inventur werden die Schwachstellen eines Produktes identifiziert.[34] So kann ein Unternehmen langfristig Produktionsprozesse und die Auswahl von Material nachhaltig planen oder die Öffentlichkeit über die Umweltauswirkungen des Produktes informieren.[35] Für Marketingzwecke eignet sich ebenfalls der Vergleich von zwei alternativen Produkten[36], um die Vorzüge eines Produktes gegenüber einem anderen herauszustellen.[37] Der Staat dagegen gibt Ökobilanzen in Auftrag, um z.B. Produktgruppen zu identifizieren, die staatlich beeinflusst werden sollten. Weitere Gründe sind die Verbraucherinformation über Umweltwirkungen von Produkten oder die Vorbereitung umweltpolitischer Maßnahmen.[38]
2.2.3 Abgrenzung zu weiteren Bewertungsmethoden
Neben der Ökobilanz gibt es weitere Instrumente zur Umweltbewertung, die sich in Untersuchungsgegenstand, -umfang und -methode voneinander unterscheiden. Einen guten Überblick über die Bewertungsmethoden bieten Rubik und Teichert in Ökologische Produktpolitik.[39] Im Rahmen dieser Arbeit wird die Ökobilanz nur beispielhaft zu der Produktlinienanalyse und der Umweltverträglichkeitsprüfung abgegrenzt.
Eine Verwechslungsgefahr für das LCA besteht insbesondere mit der Produktlinienanalyse, da beide Verfahren mit dem „cradle-to-grave“-Prinzip arbeiten.[40] Die Produktlinienanalyse untersucht neben den ökologischen zusätzlich die sozialen und ökonomischen Aspekte von Produkten,[41] wodurch sie komplexer ist als eine Ökobilanz.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein Instrument, das die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projektes auf die Umwelt frühzeitig und umfassend ermitteln, beschreiben und bewerten soll.[42] Sie ist lediglich ein „unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen“[43]. Je nach Art des Vorhabens besteht eine Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht,[44] was den größten Unterschied zum LCA darstellt.
Im Vergleich dieser drei Methoden zeigt sich, dass für die Untersuchung der Auswirkungen von E-Books die Ökobilanz das geeignetste Instrument darstellt, da die Umweltverträglichkeitsprüfung für andere Untersuchungsgegenstände, nicht jedoch für Produkte, relevant ist und die Produktlinienanalyse soziale und ökonomische Aspekte untersucht, die für eine erste Annäherung an dieses Thema keine Bedeutung haben.
2.2.4 Aufbau einer Ökobilanz
Eine Ökobilanz lässt sich in vier Phasen gliedern, deren jeweilige Aufgaben eingehend erläutert werden:
- Festlegung des Ziel- und Untersuchungsrahmens („goal and scope definition“)
- Sachbilanz („inventory analysis“)
- Wirkungsabschätzung („impact assessment“)
- Auswertung („interpretation“)[45]
Das Verfahren hat einen iterativen Ansatz. Ergebnisse, die in einer Phase ermittelt werden, werden in der nachfolgenden Phase weiterverwendet.[46] Außerdem findet während des gesamten Ablaufs eine Kontrolle statt, um rückwirkend notwendige Veränderungen vornehmen zu können. So kann z.B. während der Datensammlung bei der Sachbilanz in Phase 2 eine weitere Systemeinschränkung rückwirkend für die erste Phase vorgenommen werden.[47] Es bestehen somit Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Teilabschnitten. Diese können in Abb. A4 in Anhang 4 weiterführend eingesehen werden.
Phase 1: Festlegung des Ziel- und Untersuchungsrahmens
In diesem Abschnitt wird definiert, aus welchen Gründen die Studie durchgeführt wird, welche Anwendung für die Bilanz vorgesehen ist, welcher Zielgruppe sie vorgelegt wird und ob die Ergebnisse für vergleichende Aussagen genutzt werden.[48] Damit das vorgegebene Ziel widerspruchsfrei erreicht werden kann, ist es notwendig, dass der Untersuchungsrahmen so exakt wie möglich definiert wird.[49] Die ISO-Normen 14040 und 14044 schreiben dabei eindeutig vor, welche Faktoren mindestens berücksichtigt und beschrieben werden müssen:
- das zu untersuchende Produkt und dessen Funktionen,
- die funktionelle Einheit, auf der sich die Ökobilanz gründet, und die daraus folgenden Systemgrenzen,
- die Anforderungen an die Daten und Datenqualität,
- die Allokationsverfahren (siehe Phase 2: Sachbilanz),
- die Methoden für Wirkungsabschätzung, Wirkungskategorien und Auswertung,
- die Art der kritischen Prüfung (sofern vorgesehen) sowie die Art und der Aufbau des Berichtes.[50]
Phase 2: Sachbilanz
Als zweite Phase dient die Sachbilanz der Bestandsaufnahme von Input- und Output-Daten.[51] Der Lebenszyklus des zu untersuchenden Produktes wird dafür in Module aufgegliedert (Vertikalanalyse[52] ), für die nacheinander qualitative und quantitative Daten erhoben werden.[53] Diese Daten werden dabei wiederum in Gruppen eingeteilt, wie z.B. Rohstoff-Inputs, Abfall, Emissionen in die Luft, Bodenverunreinigung (Horizontalanalyse[54] ).[55] Dieser Schritt kann sehr aufwändig bis nahezu unmöglich sein, wenn keine sinnvollen Einschränkungen und Systemgrenzen in Phase 1 definiert wurden.[56] Anschließend werden die Inputs und Outputs für jedes Modul berechnet, um für die Sachbilanz zusammengefasst zu werden.[57] Gegebenenfalls müssen Allokationsverfahren angewendet werden, um die Input- und Outputflüsse dem richtigen Produkt zuzuordnen,[58] da Prozesse meist mehr als ein Produkt erzeugen.[59] Beispielsweise können während einer Produktion Akkus hergestellt werden, die nicht nur für E-Reader eingesetzt werden, sondern auch für andere mobile Endgeräte. Dieser Prozess verbraucht Strom oder erzeugt Emissionen, die auf die Produkte aufgeteilt und entsprechend zugeordnet werden müssen.[60] Durch die anteilige Berechnung ist gesichert, dass dem Produkt nur die Auswirkungen zugeteilt werden, die es auch verursacht.
Phase 3: Wirkungsabschätzung
Die Wirkungsabschätzung strebt eine „Beurteilung der Bedeutung potenzieller Umweltwirkungen mit Hilfe der Ergebnisse der Sachbilanz“[61] an. Sie besteht aus drei verbindlichen Bestandteilen:
- der Auswahl von Wirkungskategorien und Wirkungsindikatoren,
- der Zuordnung der Sachbilanzergebnisse (Klassifizierung)
- sowie der Berechnung der Wirkungsindikatorwerte (Charakterisierung).[62]
Einen Überblick über die verschiedenen Vorschläge der zu verwendenden Wirkungskategorien bietet Behrendt.[63] In jeder Kategorie kommen Wirkungsindikatoren zum Tragen, z.B. CO2(und dessen Äquivalente) in der Kategorie Treibhauseffekt.[64] Nachdem eine Auswahl getroffen wurde, werden die Sachbilanzergebnisse den jeweiligen Kategorien zugeordnet, um anschließend Wirkungsindikatorenwerte auszurechnen.[65] Diese ergeben gesammelt ein Wirkungsabschätzungsprofil, das Informationen über die Umweltthemen liefert, die mit dem Produkt verbunden sind.[66]
Phase 4: Auswertung
In der letzten Phase werden die Ergebnisse von Sachbilanz und Wirkungsabschätzung zusammen analysiert. Diese dienen der Ableitung von Schlussfolgerungen und Empfehlungen.[67] Dabei muss der relative Ansatz der Studie berücksichtigt werden. Es können lediglich potenzielle Wirkungen beschrieben werden, keine tatsächlichen.[68] Aus diesem Grund können nur relative Aussagen über das Produkt getroffen werden. Ein Vergleich mehrerer Produkte kann hilfreich sein, um bei variierenden Szenarien herauszustellen, welches Produkt ökologisch besser ist. Jedoch müssen für einen Vergleich dieselbe FE und äquivalente methodische Festlegungen, beispielsweise bzgl. der Systemgrenzen, verwendet werden.[69]
Um die Ergebnisse der Sachbilanz und Wirkungsabschätzung zu bewerten, gibt es unterschiedliche Bewertungsmethoden[70], auf die jedoch nicht näher eingegangen wird, da sie für den Fortgang der Arbeit irrelevant sind. Nichtsdestotrotz müsste bei der Erstellung einer Bilanz jedoch diskutiert werden, welche Bewertungsmethode die geeignetste darstellt.
Nach der Auswertung kann ein Bericht, der an genaue Vorgaben gebunden ist, verfasst werden, der der Öffentlichkeit oder anderen relevanten Interessensgruppen vorgelegt wird.[71]
2.2.5 Probleme bei der Ökobilanzierung
Trotz der Normierung durch ISO 14040 und 14044 lassen sich noch immer viele Kritikpunkte an dieser Methode aufdecken. Viele Probleme resultieren aus der Unsicherheit der Daten und der Methoden.[72] Zum einen könnten laut Kirchgäßner „im Rahmen der Stoff- und Energieflußrechnung [sic!] bestimmte Angaben weggelassen bzw. verfälscht dargestellt werden“[73], da keine einheitliche Konzeption vorgegeben ist. Dieser Spielraum kann ebenfalls bei Zieldefinition und Bewertung ausgenutzt werden, um Ergebnisse zu beschönigen, was zu einer geringen Akzeptanz der Studie in der Öffentlichkeit führt.[74] Zum anderen könnte auf ungeeignete Daten zurückgegriffen oder der Aspekt von der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden, wenn keine relevanten Daten vorhanden sind. Dies kann das Ergebnis deutlich modifizieren. Die Genauigkeit der Daten hat Einfluss auf die Interpretierbarkeit der Ergebnisse[75] und damit Einfluss auf deren Glaubwürdigkeit.[76] Die Streitfrage, die sich immer wieder stellt, ist die, wie perfekt eine Ökobilanz dargestellt werden sollte, um dem untersuchten System noch gerecht zu werden.[77] Zwar ist es laut Schorb illusorisch „zu glauben, mit Hilfe einer Ökobilanz in allen Fällen den gesamten Lebensweg eines Produktes vollständig beschreiben zu können“[78], dennoch muss eine gewisse Realitätsnähe gegeben sein.
[...]
[1] Vgl. In Arbeit. Standards für nachhaltiges Publizieren. In: boersenblatt.net vom 12.10.2011. http://www.boersenblatt.net/459070/ [01.05.2013].
[2] Vgl. Mainzer Institut für Buchwissenschaft (Hrsg.): XVIII. Mainzer Kolloquium: Bio im Bücherregal? Green Publishing in Theorie und Praxis. In: Website des Mainzer Instituts für Buchwissenschaft vom 17.12.2012. http://www.buchwissenschaft.uni-mainz.de/fileadmin/Dokumente/Kollo-quium-Bio-im-Buecherregal.pdf [01.05.2013].
[3] Vgl . „Publishing der Zukunft“. In: boersenblatt.net vom 10.08.2012. http://www.boersenblatt.net/545-076/ [23.05.2013].
[4] Vgl. WWF Deutschland (Hrsg.): WWF Unternehmensranking Holz und Papier 2012. Berlin: WWF Deutschland 2012. In: Website des WWF vom 02.05.2013. http://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/-Publikationen-PDF/WWF_Unternehmensbefragung_Holz_und_Papier_2012.pdf [23.05.2013], S. 13f.
[5] Vgl. CPI Books. Info-Center. News. CPI ermöglicht klimaneutrales Drucken. Mehr Bäume, weniger CO2. http://cpibooks.com/de/umwelt/mehr-baume-weniger-co2/klimaneutral/ [23.05.2013].
[6] Roesler-Graichen, Michael: Grüner lesen. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 6 vom 09.02.2012, S. 22f.
[7] Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Hrsg.): Markt mit Perspektiven – das E-Book in Deutschland 2011. In: Website des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vom 04.06.2012. http://www.boersenverein.de/sixcms/media.php/976/E-Book-Studie%202012%20PRESSEMAPPE-_print.pdf [15.05.2013], S. 4.
[8] Einen guten Überblick über Artikel bietet die Seite ecolibris.net, auf der einige Links zu diesem Thema zusammengestellt sind: Vgl. Ecolibris. Ebooks vs. Paper books. http://www.ecolibris.net/ebooks.-asp [01.05.2013].
[9] Vgl. Roesler-Graichen: Grüner lesen, S. 22.
[10] Vgl. ebd.
[11] Vgl. DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN ISO 14040:2009-11: Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen. Berlin: Beuth Verlag GmbH 2009, S. 4.
[12] Vgl. Öko-Institut e.V. (Hrsg.): PROSA E-Book-Reader. Entwicklung der Vergabekriterien für ein klimaschutzbezogenes Umweltzeichen. In: Website des Öko-Instituts e.V. von Juni 2011. http://www.oeko.de/oekodoc/1179/2011-037-de.pdf [22.05.2013].
[13] Vgl. Moberg, Åsa/Borggren, Clara/Finnveden, Göran: Books from an environmental perspective – Part 2: e-books as an alternative to paper books. In: The International Journal of Life Cycle Assessment Nr. 3 vom 22.02.2011, S. 238–246. doi:10.1007/s11367-011-0255-0 [01.05.2013].
[14] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 16.
[15] Janello, Christoph: Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt (Markt- und Unternehmensentwicklung/Markets and Organisations.) Dissertation Universität München 2010. Wiesbaden: Gabler 2010, S. 55.
[16] Vgl. Wirtz, Bernd W.: Medien- und Internetmanagement. 7., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Gabler 2011, S. 236.
[17] Vgl. Janello: Wertschöpfung im digitalisierten Buchmarkt, S. 54.
[18] Vgl. Schüssel, Sandra: Enhanced verkauft sich fünfmal so gut. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhande l Nr. 33 vom 19.08.2010, S. 28.
[19] Vgl. ebd., S. 28.
[20] 2010 setzten Verlage in den USA 600.000 Dollar mit Apps und 14,3 Mio. Dollar mit enhanced E-Books um. Vgl. Weise, Tamara: Digitaler Umsatzmotor. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 33 vom 18.08.2011, S. 8.
[21] Vgl. Kraus, Susanne : E-Books auf mobilen Endgeräten. Eine Studie zum deutschen E-Reader-Markt und den darin vorkommenden Nutzerbedürfnissen am Beispiel einer Zielgruppenbefragung. (Alles Buch. Studien der Erlanger Buchwissenschaft 41.) Erlangen 2011. http://www.alles-buch.uni-erlangen.de/Kraus.pdf [28.05.2013], S. 11.
[22] Živković, Daniela: The electronic book. The change of paradigm for a changing bookmarket. Berlin: BibSpider 2005, S. 61.
[23] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11.; Vgl. DIN Deutsches Institut für Normung e.V.: DIN EN ISO 14044:2006-10: Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen. Berlin: Beuth Verlag GmbH 2006.
[24] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 7.
[25] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 4.
[26] Vgl. ebd., S. 14.
[27] Vgl. Arbeitsgruppe Ökobilanzen: Ökobilanzen für Produkte. Bedeutung – Sachstand – Perspektiven. In: Texte/Umweltbundesamt Nr. 38, 1992. Berlin: Umweltbundesamt 1992, S. 5.; Vgl. ebd., S. 17.; Vgl. Meffert, Heribert/Kirchgeorg, Manfred: Marktorientiertes Umweltmanagement. Konzeption – Strategie – Implementierung mit Praxisfällen. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1998, S. 163.
[28] Vgl. Dietzsch, Michael: Grundsätze einer ökologischen Produktgestaltung. In: Ökologische Produktgestaltung. Stoffstromanalysen und Ökobilanzen als Instrumente der Beurteilung. Hrsg. von Lutz Schimmelpfeng und Petra Lück. Berlin [u.a.]: Springer 1999, S. 20.
[29] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 14.
[30] Ecosmes. Grundkurs Ökobilanzen. Ökobilanzen erstellen. Training (3/24). Funktion, funktionelle Einheit und Referenzfluss vom 26.09.2004. http://www.ecosmes.net/cm/navContents?l=DE&navID=LCAbasicCarry&subNavID=2&pagID=4&flag=1 [20.05.2013].
[31] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 24.
[32] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 18.
[33] Tiedemann, Albrecht: Die Ökobilanz als Umwelt-Bewertungsinstrument für Produkte und für Dienstleistungen. In: Ökobilanzen (Seminarband der Zentralen Informationsstelle Umweltberatung Bayern. Band 9). Neuherberg: GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit 1997, S. 8.
[34] Vgl. ebd., S. 11.
[35] Vgl. ebd.
[36] Vgl. ebd., S. 8.
[37] Vgl. Arbeitsgruppe Ökobilanzen: Ökobilanzen für Produkte, S. 14.
[38] Vgl. Tiedemann: Die Ökobilanz als Umwelt-Bewertungsinstrument für Produkte und für Dienstleistungen, S. 11.
[39] Vgl. Rubik, Frieder/Teichert, Volker : Ökologische Produktpolitik. Von der Beseitigung von Stoffen und Materialien zur Rückgewinnung in Kreisläufen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 1997, S. 14.
[40] Vgl. ebd., S. 46.
[41] Vgl. ebd., S. 45.
[42] Vgl. Hoppe, Werner/Beckmann, Martin/Appold, Wolfgang (Hrsg.): Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Kommentar. Mit Kommentierung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetztes (UmwRG) und Erläuterungen zum Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und zum Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben. 4., neu bearbeitete Auflage. Köln: Carl Heymanns Verlag 2012, § 1. Vgl. ebd. § 2 (1), 2. Satz.
[43] Ebd., § 2 (1) 1. Satz.
[44] Vgl. ebd., § 3b.
[45] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 4f.
[46] Vgl. ebd., S. 15.
[47] Vgl. ebd., S. 25.
[48] Vgl. ebd., S. 22f.
[49] Vgl. ebd., S. 23.
[50] Weitere Elemente werden in den Normen genannt. Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 23.; Vgl. DIN EN ISO 14044:2006-10, S. 16.
[51] Vgl. ebd., S. 6.
[52] Arbeitsgruppe Ökobilanzen: Ökobilanzen für Produkte, S. 25.
[53] Vgl. DIN EN ISO 14044:2006-10, S. 23.
[54] Arbeitsgruppe Ökobilanzen: Ökobilanzen für Produkte, S. 25.
[55] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 26.
[56] Vgl. ebd., S. 26.
[57] Vgl. ebd.
[58] Vgl. ebd., S. 10.
[59] Vgl. ebd., S. 26f.
[60] Vgl. DIN EN ISO 14044:2006-10, S. 28.
[61] DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 27.
[62] Vgl. ebd., S. 29.
[63] Vgl. Behrendt, Siegfried [u.a.]: Ökobilanzierung komplexer Elektronikprodukte. Innovationen und Umweltentlastungspotentiale durch Lebenszyklusanalyse. Berlin [u.a.]: Springer 1998, S. 9.
[64] Vgl. Rubik/Teichert: Ökologische Produktpolitik, S. 43.
[65] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S. 18.
[66] Vgl. ebd., S. 18.
[67] Vgl. ebd., S. 31.
[68] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11,, S. 31.
[69] Vgl. DIN EN ISO 14040:2009-11, S.22.
[70] Vgl. Giegrich, Jürgen: Die Bilanzbewertung in produktbezogenen Ökobilanzen. In: Stoffstromanalysen in Ökobilanzen und Öko-Audits. Hrsg. von Mario Schmidt und Achim Schorb. Berlin [u.a.]: Springer 1995, S.264–267.; Vgl. Schorb, Achim: Grundzüge einer Ökobilanzierung. In: Ökologische Produktgestaltung. Stoffstromanalysen und Ökobilanzen als Instrumente der Beurteilung. Hrsg. von Lutz Schimmelpfeng und Petra Lück. Berlin [u.a.]: Springer 1999, S. 46–49.
[71] Vgl. DIN EN ISO 14044:2006-10, S. 55f.
[72] Vgl. Arbeitsgruppe Ökobilanzen: Ökobilanzen für Produkte, S. 62.; Vgl. ebd., S. 64.
[73] Kirchgäßner, Heiko: Informationsinstrumente einer ökologieorientierten Unternehmensführung. Ökobilanz – EU-Öko-Audit – Industrielle Kostenrechnung. Dissertation Universität Würzburg 1995. Wiesbaden: Dt. Universitäts-Verlag/Gabler 1995, S. 104.
[74] Vgl. Lundie, Sven: Ökobilanzierung und Entscheidungstheorie. Praxisorientierte Produktbewertung auf der Basis gesellschaftlicher Werthaltungen. Berlin [u.a.]: Springer 1999, S. 38.
[75] Vgl. Hosseinpour, Jamshid/Schlummer, Martin: Umweltbezogene Produktinformation und Produktkennzeichnung. In: Ökologische Produktgestaltung. Stoffstromanalysen und Ökobilanzen als Instrumente der Beurteilung. Hrsg. von Lutz Schimmelpfeng/Petra Lück. Berlin [u.a.]: Springer 1999, S. 83.
[76] Vgl. Kirchgäßner: Informationsinstrumente einer ökologieorientierten Unternehmensführung, S. 104.
[77] Vgl. Hosseinpour/Schlummer: Umweltbezogene Produktinformation und Produktkennzeichnung, S. 91.
[78] Schorb, Achim: Grundzüge einer Ökobilanzierung, S. 40.