Die Tibetforschung im 3. Reich

Ziele und Motivation hinter Himmlers Ahnenerbe und der Ernst-Schäfer-Expedition 1938/39


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Welche Ziele verfolgte die tibetische Regierung?

2. Welche Ziele verfolgte „Das Ahnenerbe“ unter Heinrich Himmler?

3. Welche Ziele verfolgten die Deutschen Forscher ?
3.1 Ernst Schäfer
3.2. Bruno Beger

4. Der Film Geheimnis Tibet

Fazit

Quellen

Einleitung

Unter dem Motto „Treffen des westlichen und östlichen Hakenkreuzes in Freundschaft und Frieden“ brach die Deutsche Tibet-Expedition unter Ernst Schäfer zum Dach der Welt auf. Die Tatsache, dass die tibetische Regierung den deutschen Forscher 1938 kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges erlaubte das abgeschottete Land zu betreten, wird immer wieder als eines der Hauptindizien für eine rege Zusammenarbeit zwischen Hitler und dem Dalai Lama angeführt. Popularisiert wurde diese Idee zusätzlich von den beiden Französischen Schriftstellern Pauwels und Bergier in ihrem 1960 erschienen Roman Le Matin de magicien [1]. Demnach sollen Truppen der roten Armee nach Ende des zweiten Weltkrieges in einem Vorort Berlins eine grosse Gruppe buddhistischer Mönche in SS Uniformen gefunden haben (Engelhardt, 2008a,81) Desweiteren soll es unter der Leitung eines gewissen „Dr. Scheffer“ wiederholt und „praktisch ohne Unterbrechungen bis zum Jahr 1934“ zu Tibetexpeditionen gekommen sein. (Bergier/Pauwels (1962) zitiert in: Kaufmann 2010;22)

Zusätzlich wird die Expedition aber auch immer wieder als Beweis für die Verbindung vom Nationalsozialismus und dem Okkulten angeführt. Spuren der Besessenheit der Nationalsozialisten mit dem Okkulten finden sich seit den 1960ern in allen Formen der Populärkultur wieder; von Comics (Vgl. z.B. Hellboy (Mignola, 1993)), Hollywoodspielfilmen (Vgl. die Indiana Jones-Reihe, hier besonders Raiders of the lost Ark (Lucas/Spielberg, 1981) und Indiana Jones and the Last Crusade (Lucas/Spielberg, 1989)) bis zu Videospielen (Vgl. Return to Castle Wolfenstein (ID Software, 2001) und Wolfenstein (ID Software, 2009)), sowie in eine lange Reihe von wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Dokumentationen.

Isrun Engelhardt bezeichnet den Gedanke einer Verbindung zwischen Tibet und Nazideutschland als A Twentieth Century Myth „involving a „creative“ reshaping of history“ (Engelhardt, 2008;64) und so konstruiert unter anderen z.B. das Autorenpäarchen Victor und Victoria Trimondi eine „unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute“ (Trimondi, 2002).

Vor diesem Hintergrund soll die folgende Arbeit nun dabei helfen die Agierenden der Tibetforschung im Dritten Reich zu ermitteln, sowie die Beteiligten der Expedition von 1938 darzustellen und deren Motivation und Ziele zu analysieren. Um der Frage nach der Rolle Tibets nachzugehen wird zunächst die politische Situation Tibets zu Beginn des 20. Jahrhunderts erläutert und auf mögliche Gründe der Zusammenarbeit hin analysiert.

Da die Expedition unter offizieller Schirmherrschaft Heinrich Himmlers und dem Ahnenerbe der SS stand, wurde sie seit jeher als „SS-Expedition“ gesehen und gewertet. Deshalb beschäftigt sich der zweite Teil mit den Zielen der SS, bzw. Himmlers und dem immer wieder hergestellten Zusammenhang zum Okkultismus.

Anschließend wird der Frage nachgegangen in weit sich die Ziele der bekanntesten Teilnehmer der Expedition, Dr. Ernst Schäfer und Bruno Beger, mit denen Himmlers deckten. In einem letzten Schritt wird schließlich die Wirkung des Dokumentarfilms Geheimnis Tibet beleuchtet.

1. Welche Ziele verfolgte die tibetische Regierung?

Die Ziele der tibetischen Regierung zu beschreiben ist aufgrund der Quellenlage schwierig, da sich keine eindeutigen Aussagen finden lassen und es zudem schwer abzuschätzen ist, was die Regenten des nach außen abgeschotteteten Landes über Deutschland und die Nationalsozialisten wussten. Als eines der wichtigsten Beweisstücke für eine rege Zusammenarbeit zwischen Tibet und Deutschland gilt der Brief des Reting Rimpoche an den „trefflichen Herrn Hitler (wörtlich: König)“[2], den er zusammen mit wertvollen Geschenken an Ernst Schäfer übergeben hat. In dem Brief wird Hitlers Stellung als Führer anerkannt, der sich um „das Werden eines Dauerhaften Reiches in friedlicher Ruhe und Wohlstand, auf rassischer Grundlage“ bemüht. Zudem wird der ausdrückliche „Wunsch einer zukünftigen Ausdehnung des vorgenannten gegenseitigen freundschaftlichen Verkehrs“ durch den Reting Rimpoche geäußert.

Es scheint also so zu sein, dass Tibet sich dem Deutschen Reich bewusst annähern wollte. Im Hinblick auf die jüngere Geschichte des Landes als Spielball der Mächte England und China, erscheint dies zunächst begründet. Nachdem Tibet durch den Sturz der Qing-Dynastie unabhängig geworden war, hatte es seit Anfang des Jahrhunderts mit wiederholten Invasionsversuchen der Briten aus dem Süden zu kämpfen (Vgl. die Younghusband-Expedition von 1904). Auf der anderen Seite kämpfte Japan, seit 1936 Verbündeter Deutschlands, im Norden erfolgreich gegen China. Unter dem Leitsatz „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ wäre es daher im Interesse der tibetischen Regierung unter den Schutz der Achsenmächt zu treten. Aber obwohl Edmund Fürholzer, ein deutscher Geschäftsmann in China, 1942 in seinem Reisebericht betont „der Panchen Lama war außerordentlich gut über europäische und Weltvorgänge unterrichtet“ (zitiert nach Trimondi (2002;131)) lässt sich laut Mierau (2006;357) aber nicht eindeutig nachweisen, „was die tibetische Regierung über den Nationalsozialismus und die Ereignisse in Europa wusste“. Die Anmerkung Trimondis zu dem Zitat räumt zwar ebenfalls ein, dass es sich um nachträglich eingefügte Propaganda halten könne, „aber sie kann ebenso der Wahrheit entsprechen“ (Vgl. Trimondi (2002;566 Anm 83).

Eine genaue Analyse des Briefes durch Isrun Engelhardt (2008b) kommt jedoch zu einer Reihe von Ergebnissen, die den Brief (und damit die Motivation des Reting Rimpoche) hinterfragen. Als erstes stellt sie heraus, dass der Brief auf eine Initiative Schäfers zurückging, Reting Rimpoche also zu dem Brief überredet werden musste. Schäfer sah sich genötigt Hitler handfeste Beweise für seine Expedition zu liefern. Wie bereits angedeutet ist es daher auch sehr wahrscheinlich, dass der tibetische Regent keine Ahnung hatte wer Hitler war, über die Tatsache hinaus, dass es sich um einen Herrscher (eine Art „König“) handelte (Engelhardt, 2008a;80). Daher stellte der tibetische Originalbrief auch lediglich ein typisches Beispiel für „formal Tibetian courtesy correspondence“ ohne irgendeine politische Bedeutung (Engelhard, 2008b;82) dar. Stilistisch gesehen war Reting darüber hinaus „uninterested in creating a good impression […] or in flattering Hitler in any way.“ (ebd.).

Schäfer hatte den Brief an zwei zu dieser Zeit namhafte und bekannte Tibetologen zur Übersetzung gegeben, aber die Übersetzung durch Schubert ist an einigen Stellen falsch, und an anderen Stellen schlichtweg fabriziert (Vgl. ebd. 89). Erst hierdurch bekam der Brief eine eindeutige politische Notation. Und auch die „reichen“ Geschenke des Reting Rimpoche, stellen sich zunächst als eine silberne Teetasse heraus, die relativ geringen materiellen und kulturellen Gegenwert hat. Zwar gab es ein weiteres weitaus wertvolleres Geschenk in Form einer weissen Seidenrobe, die Hitler aber erst 1942 erreichte, und von der der Führer enttäuscht war. (Vgl. ebd. 86). Mit der Veröffentlichung der (größtenteils falschen) Übersetzung Schuberts durch Greve (s.o.) wurde so ein weiterer wichtiger Baustein in das Mosaik einer „unheiligen Allianz“ hinzugefügt.

2. Welche Ziele verfolgte „Das Ahnenerbe“ unter Heinrich Himmler?

Die Idee vom „Mythos Tibet“ ist älter als der Nationalsozialismus und trug so zu einem reichen Nährboden zahlreicher wunderlicher Theorien und Vorstellungen über dieses abgeschottete Land am „Dach der Welt“ bei. Rudolf Kachewky zitiert Herodot als ersten „Kronzeugen“, wenn dieser von einem Land nördlich der Inder spricht, wo es seltsame Riesenameisen geben sollen (Kaschewksy, 1997; 16). Vor dem 20. Jahrhundert wurde das westliche Tibet-Bild aber im wesentlichen von Missionaren und deren Reiseberichten geprägt, die aber aufgrund ihrer Ziele und dem engen Kontakt auch gleichzeitig wissenschaftliche Pionierarbeit leisteten, allen voran natürlich das Erlernen der Sprache. In der kritischen Bewertung, nach John Bray, muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass auch gerade die Absicht der Missionierung von Anfang an einen ideologischen Filter auf die Wahrnehmung setzte. Die Missionare also „der tibetischen Religion gegenüber kritisch sein“ mussten „und zwar in bezug auf sowohl die philosophische Theorie, als auch die soziale und politische Praxis“ (Bray, 1997;48). Was dazu führte, dass sie vieles „was sie sahen, verurteilten oder sogar völlig mißverstanden“ (ebd.). Zum anderen betonten viele Werke, um ein westliches Publikum ansprechen zu können und für einen westlichen Leser interessant zu bleiben, häufig die exotische Natur Tibets (ebd. S. 49).

Parallel zu den wichtigen und wissenschaftliche relevanten Arbeiten und Berichten der Missionare entstand aber in der breiten Öffentlichkeit auch ein mystisches und magisches Bild Tibets. Dies ist jedoch umso kritischer, wenn man bedenkt, das Autoren, wie z.B. James Hilton - der mit seinem Werk „The lost Horizon“ (1933), sowie dessen Verfilmung durch Frank Capra (1937), das Bild des dämonischen Tibets und die Vorstellung von Shangri-La einem breiten Publikum bekannt machte - selber nie in Tibet gewesen sind. (Vgl. McKay 1997;81).

Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen und übertriebenen Reiseberichte, fiktiven Romane, sowie den von den Missionaren teilweise falsch-verstandenen oder falschübersetzen Texten, bildete sich dann auch das Grundgerüst für ein okkultes und esoterisches Tibet-Bild „voll von Zauberei und Magie“. (Greve 1995;168). Darüberhinaus galt Tibet bereits seit langem als Ursprung des Menschengeschlechts, wie es beispielsweise bereits 1853 in Meyers Conversations Lexicon zu finden ist (zitiert durch: Katschewsky 1997;30).

Unter Zuhilfenahme diverser okkulter Theorien und Vorstellung wird dieser Grundgedanke von der Wiege der Zivilisation schließlich im dritten Reich zu einem arischen Schöpfungsmythos synthetisiert. Eine genaue Auflistung aller Okkulten Vorstellungen und Hintergründe würde an dieser Stelle zu weit gehen und den Rahmen der Hausarbeit sprengen, daher werden nur die für das Tibet-Bild relevanten Aspekte angesprochen und zusammengefasst.

Als erster wichtiger Aspekt für den Ort Tibet ist die Idee der Hohlerde und Shangri-La (auch Shambala) von Bedeutung. Die Theorie, dass die Erde ein Hohlkörper sei wurde erstmals bereits 1661 von dem britischen Astrologen Sir Edmund Halley – dem Entdecker des Halley'schen Kometes – postuliert und später vom französischen Science-Fiction Autor Jules Verne mit seinem Werk Voyage au centre de la terre (Die Reise zum Mittelpunkt der Erde) (1864) einem weltweiten Publikum bekannt gemacht. 1922 erschien das Buch Beasts, Men and God des polnisch-russischen Entdeckers Ferdynand Ossendowski, das 1924 auch in Deutschland erschienen war und offensichtlich auch von Himmler gelesen worden war. (Mierau, 2006;337) Hier wird von einem „König der Welt“ berichtet, der in einer geheimen Stadt Agarthi, tief unter dem Himalaya wohnt und von dort aus in telepathischem Kontakt mit den wichtigsten Persönlichkeiten steht. Er will mit diesen persönlich in Kontakt gestanden haben (Vgl. ebd., sowie Trimondi, 2002;368). Victor und Victoria Trimondi weisen an dieser Stelle zwar darauf hin, dass Sven Hedin, der berühmte schwedische Tibetologe – oder mit den Worten Trimondis einem „eitlen Erfolgsautor und Asienreisenden“ (ebd.) - nachweisen konnte, dass Ossendowski nie in Tibet war, und die Geschichte auf einen französischen Roman (Mission de l'Inde en Europe) basiert. Aber schon im nächsten Satz allerdings relativieren sie diese Erkenntnis mit dem Verweis auf den in der Mongolei und Tibet bereits existierenden Shambala-Mythos. Sie enden ihren Abschnitt dann damit, dass „der Schwede die Absicht geäußert [hatte], in den Sanddünen der Gobi-Wüste nach einer „untergegangenen Kultur“ zu suchen.“ (Trimondi, 2002;368).

Eine weitere in diesem Zusammenhang schillernde Persönlichkeit ist die Okkultistin Helena Petrovna Blavatsky, auch bekannt als Madame Blavatsky. Nachdem sie ihre Inspiration zunächst aus dem Ägyptischen Sagen und Legendenkreis gezogen hatte, basierend auf okkulter Fiktion des englischen Autoren Sir Edward Bulwer-Lyton, fokussierte sie später ihren Blick auf den Osten und Tibet, wo sie nach eigener Angabe in unterirdischen Klostern unter dem Himalaya – die auch Ossendowski besucht haben will - geheime heilige Schriften studieren konnte. Sie propagierte einen evolutionären Kreislauf der menschlichen Rasse, in Form immerwiederkehrender Wurzelrassen, die sich periodisch manifestierten. Die letzte waren die Atlanteaner, die angeblich über mystische Kräfte verfügt hatten, die es ihnen erlaubten mächtige Bauwerke zu errichten, bevor sie durch eine Flutkatastrophe ausgelöscht wurden. Die nächste dieser Rassen würden die Arier seien. (Goodrick-Clarke 1985;18-20). Obwohl Atlantis traditionell im Mittelmeer vermutet wurde, verlegte Herman Wirth Atlantis nach Norden in den „heutigen Kanal und südwestlich von Island“ (Vgl. Kater 1974;51), um so eine weitere Verbindung zwischen Ariern, Ur-Germanen und Atlaneanern herzustellen.

[...]


[1] dt. Titel : Aufbruch ins dritte Jahrtausend – Von der Zukunft der Phantastischen Vernunft, Bern/München, 1962

[2] Übersetzt von Dr. J. Schubert (1942). Der vollständige Brief wurde erstmals veröffentlicht in Greve (1995; 175, Anm. 25). Nachfolgende Zitate aus dem Brief, siehe dort.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Tibetforschung im 3. Reich
Untertitel
Ziele und Motivation hinter Himmlers Ahnenerbe und der Ernst-Schäfer-Expedition 1938/39
Hochschule
Universität zu Köln  (Ostasiatisches Seminar)
Veranstaltung
Die Tibet-Frage im Film
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
21
Katalognummer
V267941
ISBN (eBook)
9783656590224
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tibet, ahnenerbe, Ernst Schäfer
Arbeit zitieren
Noel Klos (Autor:in), 2013, Die Tibetforschung im 3. Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267941

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