Bavaria und die Bonner Union 1844-1867. Die Frühzeit katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland


Magisterarbeit, 2004

118 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1. Von der Nation zum Corps: Ein Überblick über die Geschichte studentischer Zusammenschlüsse von Reformation bis Vormärz

2. Humboldt und die Folgen: Die Hochschulwelt des Vormärz unter konfessionellen Gesichtspunkten

3. Zwischen Säkularisierung, Ultramontanismus und Annäherung: Katholische Rheinlande und protestantisches Preußen im Spannungsverhältnis
3.1. Die „paritätische“ Bonner Friedrich Wilhelms Universität: Eine Chronik konfessionell bedingter Konflikte
3.2. Staat, Kirche und Laien: Die Entstehung katholischer Öffentlichkeit und Massenbewegung im Rheinland

4. „Einigkeit macht stark, so dachten sie...“ Die Frühformen katholischer Studentenzusammenschlüsse in Bonn
4.1. Gründung und erste Jahre der „Bavaria“
4.2. Korporisierung und Ausweitung: Die Bonner Union
4.3. Alternative, Konkurrenz oder Anerkennung? Die Bonner Studentenschaft und ihr Verhältnis zur Union
4.4. 1848: Das Verhalten der Unionsstudenten in studentischer Reformbewegung und Revolution
4.5. Unerwartete Gegner: Zerfall und Niedergang der Union

5. Kein Einzelfall: Das Entstehen deutschlandweiter katholischer Studentenzusammenschlüsse und die Rolle der Bonner hierbei
5.1. München, Berlin, Breslau: Gründungswelle und überregionale Kontaktaufnahme. Cartell- und Korrespondenzverhältnisse
5.2. Wiedererstarken in Bonn: Die Neugründung der Bavaria
5.3. Einreihung in die katholische Bewegung: Georg von Hertling, der Katholikentag in Frankfurt und die „zweite Welle“
5.3.1. Katholische Studenten auf dem Frankfurter Katholikentag
5.3.2. Konkurrenz in Bonn: Bavaria und Arminia
5.4. Der „Würzburger Bund“ und sein Scheitern unter besonderer

Berücksichtung der Rolle Bonner Vereinigungen hierbei

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Bonn, 8. Juli. Neben den vielen, bisher unter den hiesigen Studenten bestehenden Corps und Burschen- schaften hat sich jüngst ein neuer Verein von katholischen Studenten gebildet, der zwar nach Art jener anderen Verbindungen mit farbigen Mützen und Bändern auftritt, aber doch (...) eine ganz andere Richtung als jene zu verfolgen scheint (...), einen Zweck (...), der der Religion und Sittlichkeit nicht entgegengesetzt ist.1

Mit diesen Zeilen berichtete die Rhein- und Moselzeitung im Sommer 1847 auf ihrer Titelseite von einem Ereignis, das der Öffentlichkeit eine völlig neue Erscheinung in der akademischen Welt präsentierte: die erste öffentlich auftretende Vereinigung katholischer Studenten an einer deutschen Universität, die Bonner Union.2

Einen solchen Zusammenschluss katholischer Studenten3 hatte es bis dato nicht gegeben, erst recht nicht im genuin deutschen Stil einer Studentenverbindung. Mit einem Band über der Brust - in den rot-weiß-roten Farben der Erzdiözese Köln - setzten die Unionsmitglieder deutliche Zeichen und meldeten in aller Öffentlichkeit einen dergestalteten Anspruch auf eine respektable Stellung innerhalb der Studentenschaft an, wie es bisher vor allem die Corps getan hatten. Die Vereinigung der Bonner Studenten war ein klares Signal für das erstarkte Selbstbewusstsein des Katholizismus4 an der Universität.

Gerade dieser neue konfessionelle Aspekt in der Geschichte deutscher Studenten wird von der studentenhistorischen Forschung weitgehend ausgeblendet. Abgesehen davon, dass Stu- dentengeschichte ohnehin nur eine weitgehend stiefmütterlich behandelte und von einer klei- nen Gruppe Interessierter betriebene Teildisziplin der Bildungs-, Sozial- oder Kulturge- schichte ist, fällt auf, dass sie fast ausschließlich um denselben Kernbereich kreist: die dezi- diert politisch intendierten Studentenbewegungen wie die Urburschenschaft,5 Studenten in NS-Zeit und im Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund6 oder die 68er-Bewegung. Für das 19. Jahrhundert liegt der Forschungsschwerpunkt in der Einheitsbewegung der frü- hen Burschenschaft und ihrer späteren Variante des so genannten „Progress“, sowie in der prägenden Rolle der feudalen Corps des Kaiserreiches.7

Die religiös motivierten Studentenvereinigungen finden sich sowohl in den jüngeren Standardwerken zur Geschichte des 19. Jahrhundert als auch in der Studentengeschichts- schreibung alter und junger Generation nur als Randbemerkungen.8 Diese Nicht-Beachtung der katholischen Korporationen9 wird der Realität an den deutschen Hochschulen spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht gerecht, denn seither überholten die Mitgliederzahlen der katholischen Studentenverbände sowohl die der Corps als auch die der Burschenschaf- ten.10 Die fehlende konfessionelle Fokussierung in der Studentenhistoriographie lässt sich mit Einschränkung auf die Geschichtsschreibung überhaupt übertragen. So hat es zumindest Olaf Blaschke jüngst bewusst überpointiert postuliert und eine Diskrepanz zwischen der his- toriographischen Geringschätzung der Religion und ihrer prägenden Rolle in Politik, Gesell- schaft und Kultur ausgemacht. Die Historikerschaft habe den Konfessionalismus „lange ein- mütig ignoriert, beinahe tabuisiert“, meint er und sieht in der Zeit von 1800 bis 1970 „ein zweites konfessionelles Zeitalter“.11 Auch wenn er etwas überspitzt erscheint, soll Blaschkes Ansatz, der religiös-konfessionellen Dimension „stärkere Beachtung“ zukommen zu lassen, mit Bezug auf den Mikrokosmos der studentischen Welt Mitte des 19. Jahrhunderts in dieser Arbeit verfolgt werden.

Der konfessionelle Aspekt ist nicht das einzige Problem bei einer wissenschaftlichen Aus- einandersetzung mit Studentengeschichte. Es mangelt - vereinfacht gesagt - generell an ob- jektiver, wissenschaftlich fundierter und aktueller Korporationsgeschichtsschreibung. Ein Großteil der Literatur zu diesem Thema ist umstritten. Sie liegt, wie Thomas Mayer formu- liert, in einem „Spannungsfeld von Apologetik und Polemik“12. Auf der einen Seite steht ei- ne breite Festschriftenliteratur der studentischen Verbindungen und Verbände. Diese, nicht selten von Laien und Hobbyhistorikern verfassten Festschriften, bleiben „fast durchweg ent- weder in kulturgeschichtlichen Schilderungen älteren Stils oder in reinen, an Traditionsstif- tung und Traditionspflege interessierten Korporationsgeschichten stecken“.13 Wenngleich diese Einschätzung Wolfgang Hardtwigs differenzierter bewertet werden sollte,14 verweist sie auf die entscheidende Achillesverse dieser Art studentenhistorischer Literatur. Seit ihren Anfängen Ende des 19. Jahrhunderts war die Studentengeschichte eine „Laienwissenschaft“. Zwar institutionalisierte sie sich als „Hochschulkunde“ zunehmend in verschiedenen Einrich- tungen,15 doch deren Mitglieder - eine Mischung aus Laienforschern16 und professionellen Historikern - gehörten vielfach als „Alte Herren“ einer Studentenverbindung an.17 Eine Aus- nahme bildete der bekennende Freistudent Paul Ssymank. Sein gemeinsam mit Friedrich Schulze verfasster Zweibänder „Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zu Gegenwart“ gilt besonders dank seines Quellenreichtums und der kulturgeschichtlichen Be- trachtungen als das lesenswerteste Werk dieser Zeit.18 Da ohne das nachvollziehbare Interes- se der Verbindungsmitglieder an ihrer eigenen Geschichte eine Lücke in der Forschung ent- standen wäre, und es an Alternativen und Quellensammlungen mangelt, war die Rezeption der frühen studentenhistorischen Darstellungen und der Festschriftenliteratur für diese Ma- gisterarbeit aber unumgänglich. Ihre besondere Charakteristik wird jedoch stets berücksich- tigt.

Ebenso problematisch ist ein anderes Spektrum von Werken, das sich mit studentischen Korporationen auseinandersetzt: Die Publikationen der Marburger Geschichtswerkstatt und ähnlich motivierte Nachfolger. Zwar erheben diese mehr Anspruch auf geschichtswissen- schaftliches Vorgehen als die Festschriftenliteratur, sind aber nicht weniger subjektiv und fragwürdig motiviert. Studentenverbindungen generell als „Wegbereiter des Faschismus“19 zu bezeichnen, ist wenig differenziert. Diese aus einer neo-marxistischen Faschismusdefini- tion entsprungene Pauschalisierung greift nicht nur im Bezug auf die Waffenstudenten (also die Mitglieder „schlagender“, Mensur fechtender Verbindungen) zu kurz. Sie blendet vor al- lem die besondere Stellung katholischer Verbindungsstudenten im korporativen Spektrum der deutschen Hochschulgeschichte aus. Thomas Mayer protestiert vehement gegen diese Form von Geschichtsschreibung und sieht in ihr nur den „platten Stil einer Anklageschrift gegen das Verbindungswesen“20. Dies ist zwar auch wieder verallgemeinernd, allerdings drängt sich bei der Lektüre der tendenziösen Werke von Finke, Elm, Kühnl oder Stefan21 der Eindruck auf, die oft lediglich auf Quellen nach 1933 basierende oder auch nur apodiktisch behauptete These, die Korporierten hätten dem Hitler-Faschismus den Weg bereitet, dient zum Beleg für eine pauschal erhobene Anklage: Das heutige Verbindungswesen spiele eine entscheidende (...) Rolle bei der Entwicklung eines neuen Rechtsradikalismus, eine unbelegbare Unterstellung.22

Im Ton ebenfalls latent klassenkämpferisch und einem marxistischen Geschichtsverständnis folgend, zeigen sich die DDR-Historiographen. Ähnlich wie ihre oben genannten Parallelen in der Bundesrepublik bezeichnen sie „die Verbindungen (...) als ideologische Wegbereiter des Antidemokratismus, Revanchismus und Antikommunismus sowie als Machtstützen des imperialistischen Systems in der Studentenschaft“.23 Trotzdem zeigt sich die DDR- Forschung zur Studentengeschichte in ihren Ergebnissen ertragreich. Die Werke von Grie- wank, Steiger, Flaschendräger oder Juckenburg24 haben insbesondere im Bezug zur Rolle der Burschenschaft und des Progress im Vormärz erheblich zum aktuellen Kenntnisstand beige- tragen.25

Wissenschaftlichen Ansprüchen genügen dahingegen weder die frühe Monographie von Fick26 noch die jüngeren, für ein Allgemeinpublikum verfassten und reich bebilderten Werke von Krause, Gladen oder Prahl.27 Einen gut lesbaren Einstieg in die Thematik vermittelt aber besonders Krause allemal.

Wesentlich ambitionierter als diese Kulturgeschichtsschreiber stellt sich eine Reihe von Forschern da, die seit den frühen 1980er Jahren der Hochschul- und Studentengeschichte ganz neue Perspektiven eröffnet haben. Durch die „Verzahnung von traditioneller Universi- tätsgeschichte mit einer sozialgeschichtlich gefassten Wissenschafts- und Bildungsgeschich- te“28 haben Konrad Jarausch29 und Charles McClelland30 neue Standards gesetzt. Notker Hammerstein31, Klaus Malletke32 und insbesondere Wolfgang Hardtwig33, sowie Peter Brandt34 und Harm-Hinrich Brandt35 haben diese Tendenz aufgenommen und unter den neuen Ausgangspunkten aufschlussreiche Erkenntnisse zur Korporationsgeschichte im „Spannungsfeld von Modernisierung und Antimodernismus“36 gewinnen können.

Hier möchte diese Magisterarbeit anknüpfen - mit der Fokussierung auf den konfessio- nellen, präziser: den katholischen Aspekt. Ausgenommen der aktuellen Dissertation von Thomas Mayer, des unentbehrlichen Lexikons von Schieweck-Mauk37, eines knappen Über- blicks von Peter Hartmann38 und einer wertvollen Arbeit von Matthias Stickler39 gibt es so gut wie keine aktuelle wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem katholisch- studentischen Vereins- und Verbindungswesen. Das gilt besonders für die vorwilhelminische Zeit. Für diese Arbeit muss somit auf ältere Publikationen aus katholischen Verbandskreisen zurückgegriffen werden,40 die wenig objektiv sind. Sie changieren in einer Grauzone zwi- schen Sekundärliteratur und Traditionsquelle. In ihren Quellenzitaten ist diese Literatur je- doch unentbehrlich.41 Es gilt, diese Quellen unter veränderten Gesichtspunkten zu untersu- chen. Die Fragestellungen und Erkenntnisse der jüngeren Forschung werden dabei berück- sichtigt. Die zum Teil negativen Bewertungen, die katholische Verbindungen und Studenten- vereine durch die Studentengeschichtsschreibung verschiedener Couleur erfahren haben42, sind ebenso zu überprüfen wie die teilweise kulturkämpferisch-legitimierende Geschichts- schreibung der katholischen Verbände. Dabei wird versucht, die divergierenden Entwicklun- gen, die die verschiedenartigen katholischen Studentenzusammenschlüsse genommen haben, zu vergleichen. Die bisherigen Publikationen betrachten vornehmlich nur einen Verband o- der eine Vereinigung. Ein übergreifender Ansatz erscheint aber durchaus gerechtfertigt. Denn ebenso wie die frühen Burschenschaften und die Corps stellten die neuen katholischen Studentenvereinigungen zunehmend einen relevanten Faktor für die Sozialisation großer Tei- le späterer katholischer Funktionseliten dar. Dies gilt teilweise bis heute.43

Am Anfang dieser Magisterarbeit steht ein Überblick über die Geschichte studentischer Zusammenschlüsse in Deutschland von der Reformation bis zum Vormärz. Diese Betrachtung soll aufzeigen, welche Traditionslinien die katholischen Studentenvereinigungen zu älteren Vereinigungen hatten und inwiefern sie dies mit ihren zeitgenössischen Konkurrenzkorporationen verband oder wie weit es sie von ihnen unterschied.

Ebenso unabdingbar ist eine Betrachtung der deutschen Bildungslandschaft. Der spezifi- sche Charakter der deutschen Hochschulen des 19. Jahrhunderts stellte eine wesentliche Be- dingung für die Entstehung von Studentenverbindungen dar, auch für die katholischen. Da- her ist diesem Aspekt ein Abschnitt gewidmet. Hier soll auch die Sozialstruktur der deut- schen Studenten in der vorwilhelminischen Zeit thematisiert werden. Wie stellte sie sich ins- besondere im Hinblick auf die Konfession dar? Welche Aufschlüsse gibt dies möglicherwei- se über die Frage, aus welchen Kreisen sich die katholischen Stundentenzusammenschlüsse rekrutierten?

Auch die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Deutschland des Vormärz, der Revolution und der nachrevolutionären Zeit insbesondere im preußischen Rheinland werden thematisiert. Inwiefern spielten sie eine Rolle bei der Entstehung katholischer Stu- dentenvereinigungen, die sich gerade in Bonn zuerst entwickelten? Hier ist es unentbehrlich, gesondert auf die Universität Bonn einzugehen. Was zeichnete diese Hochschule aus? Wie haben möglicherweise ihre Professoren, besonders die der katholischen Fakultät und das Konvikt die Studenten beeinflusst? Wie stellte sich das Bonner Verbindungsleben in den

1840er, 1850er und 1860er Jahren dar? Welche Einflüsse könnte es auf die Gründung der Union und die weitere Entwicklung katholischer Korporationen gehabt haben? Den Hauptteil dieser Arbeit bildet die Untersuchung der Jahre 1844 bis 1867. 1844 ent- stand die „Bavaria“ in Bonn als erster katholischer Studentenzusammenschluss in Deutsch- land überhaupt.44 Im Wintersemester 1866/67 löste sie sich auf.45 Das Jahr 1866 bildet au- ßerdem aus zwei weiteren Gründen den Schlusspunkt dieser Arbeit. Zum einen bahnte sich in diesem Jahr durch den zweiten Einigungskrieg endgültig die kleindeutsche Lösung und somit ein künftiger deutscher Staat mit protestantischer Bevölkerungsmehrheit an. Und auf studentischer Seite kam es zur Bildung zweier unterschiedlicher katholischer Studentenver- bände. Dazwischen liegen 22 wechselhafte Jahre, die verschiedene Zusammenschlüsse ka- tholischer Studenten in Bonn und anderswo sahen. Die Union ist einer davon. Mit dieser Entwicklung beschäftigt sich diese Magisterarbeit. Ihr Hauptteil ist in zwei Schwerpunkte unterteilt.

Zum einen soll die innere Entwicklung der Bavaria und der anderen katholischen Studen- tenvereinigungen in Bonn untersucht werden. Zunächst die Gründung und frühen Jahre der Bavaria, dann die Entstehung der Union, ihre weitere Entwicklung und die ihrer Mitglieds- korporationen. Wo lagen die konkreten Gründe für ihre Entstehung? Was sollte der Zusam- menschluss bewirken und wie sollte dies erreicht werden? Wie sah das Leben in ihren Verei- nigungen konkret aus? Es soll untersucht werden, worin die Vorstellungen der Unionsmit- glieder über ihre Vereinigung übereinstimmten, wie sie sich unterschieden und welche ver- schiedenen Wege die Studenten daher einschlugen. Ihr Verhältnis zu den Kommilitonen ist ebenso Thema wie die Interaktion mit der Universität und der Stadt. Von wem und warum wurde der katholische Studentenzusammenschluss akzeptiert oder abgelehnt? Welche Stel- lung nahmen Kirche, Konvikt und katholisch-theologische Fakultät in dieser Sache ein? Welche Auswirkungen hatte dies?

Sowohl für Rückschlüsse auf die Stellung der Unionsstudenten innerhalb der Bonner Stu- dentenschaft als auch im Hinblick auf ihre politische Einstellung soll das Jahr 1848 in einem Kapitel gesondert untersucht werden. Welche Rolle spielte die junge Vereinigung der katho- lischen Studenten im Revolutionsjahr? Das Verhalten der Unionisten bezüglich des Studen- tenkongresses in Eisenach wird ebenso thematisiert wie ihre Rolle in der studentischen Re- formbewegung in Bonn. Welcher (hochschul-) politischen Richtung lassen sich die katholi- schen Korporierten zuordnen?

Diese Fragen sollen anhand von Statuten, Presseberichten, Erlassen, Protokollen, Briefen, Erinnerungen und Reden bearbeitet werden. Da sich aufgrund der Quellenlage ein eklekti- zistisches Vorgehen nicht vermeiden lässt, ergibt sich für diese Arbeit ein multiperspektivi- scher Ansatz, der sowohl Elemente der Sozial-, als auch der Religions-, Konfessions-, Ge- sellschafts- und Kulturgeschichte umfasst. Zu sehr überschneiden sich im Themenbereich konfessioneller Studentenvereinigungen die Diskurse, als dass sich das historiologische Vorgehen auf eine Forschungsform minimieren ließe.

Im zweiten Hauptteil der Arbeit soll für die 1860er Jahre untersucht werden, in welcher Beziehung die Bonner zu anderen Studentenzusammenschlüssen ähnlicher Art in Deutschland standen. Welche gab es überhaupt und wie schlossen sich die Bonner mit ihnen zusammen? Welche Probleme entstanden dabei? Die Betrachtung dieser äußeren Beziehungen ist entscheidend, denn im von dieser Magisterarbeit betrachteten Zeitraum liegen die Anfänge der drei großen katholischen Studentenverbände, die bis heute existieren: CV, KV und UV. Es wird gezeigt, dass sie alle in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bonner Union stehen, teilweise sogar ihren Ursprung dort haben.

Zusammengefasst ist das Ziel dieser Magisterarbeit, die Frühzeit katholischer Studenten- zusammenschlüsse in Deutschland am Beispiel ihrer Bonner Spielarten in möglichst vielen Aspekten neu und umfassend zu beleuchten. Aufgrund dieser Untersuchung soll schlussend- lich überprüft werden, ob die bisherigen Ansichten zur Relevanz katholischer Studentenzu- sammenschlüsse in der Geschichte des 19. Jahrhunderts revidieren werden müssen oder bes- tätigt werden können. Somit soll eine zeitgemäße Stellung in der Hochschulhistoriographie bezogen werden - zum besonderen Phänomen katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland.

1. Von der Nation zum Corps:

Ein Überblick über die Geschichte studentischer Zusammenschlüsse von Reformation bis Vormärz Studentische Korporationen können als eine genuine Erscheinung der deutschen Kulturwelt bezeichnet werden.46 Kein anderes Land kennt ähnliche Zusammenschlüsse.47 Die Gründe liegen in der spezifischen deutschen Universitätsentwicklung. Und die ursächlichen Weichenstellungen finden sich bereits in der frühen Neuzeit.

Die mittelalterliche Universität kannte keine eigenständigen studentischen Zusammen- schlüsse. Auch wenn immer wieder die nationes als „Vorbild aller späteren Studentenver- bindungen“48 angesehen werden, sind weder diese Zusammenschlüsse49 noch das Bursen- wesen50 direkten Vorläufer moderner Studentenkorporationen. Vielmehr ist davon auszu- gehen, dass gerade das Ende dieser Einrichtungen eine Entwicklung einleitete, die zum stu- dentischen Verbindungs- und Vereinswesen des 19. Jahrhunderts führte. Reformation und Humanismus spielten dabei eine entscheidende Rolle. Die humanistische Abwendung von der Scholastik und ihren auctoritates veränderte das akademische Leben grundlegend ver- änderte. Unmittelbarere Auswirkungen auf die studentische Lebenswelt hatte die durch Re- formation und Gegenreformation geschaffene konfessionelle Spaltung und Partikularisie- rung des deutschen Reichs und somit der deutschen Hochschullandschaft. Die Entstehung konfessionell bestimmter kleinräumiger Territorialstaaten verhalf dem neuen Typus der Landesuniversität im evangelischen wie im katholischen Bereich zum Durchbruch. Die kle- rikale Aufsicht der Magister über ihre Scholaren spielte an den selbständig finanzierten fürstlichen Stiftungsuniversitäten keine Rolle mehr. „Der Exodus aus den Kollegien und Bursen beendete das studentische Zusammenleben in quasi-klösterlichen Gemeinschaf- ten“.51 Durch die neugewonnene „Burschenfreiheit“52 entstand ein erzieherischer Freiraum, der für das deutsche Hochschulleben im Gegensatz zu französischen Akademien und englischen Colleges charakteristisch war und es bis heute ist. In diesen Freiraum stieß das neu entstehende studentische Verbindungswesen mit seinem „heimliche[n] Lehrplan der korporativen Charaktererziehung“.53

Sein erster Träger waren die so genannten „Landsmannschaften“, Zusammenschlüsse von Studenten derselben Heimatregion. Der eklatante Unterschied zu den alten nationes be- stand darin, dass es sich nun um selbständige, zunächst freiwillige und viel regionalere Zu- sammenschlüsse ohne behördliche Anerkennung handelte. Bereits im 16. Jahrhundert lässt sich deren Auftreten erstmals nachweisen.54 Deutlich tritt das Phänomen aber erst im 17. Jahrhundert auf. Die eigentliche Grundidee der Landsmannschaften war die gegenseitige Unterstützung und Fürsorge der Studenten untereinander. Sie führten eigene Kassen, aus denen die erhaltenen Mitgliedsbeiträge als Darlehen für minderbemittelte Landsleute ge- währt wurden, unterhielten eigene Begräbnisstätten und Chöre in der Kirche, schlichteten Streitigkeiten in demokratischer Abstimmung „vor dem ganzen Collegium“ und wählten Vorsitzende (Senior) und Kassenwarte (Fiscal).55 Darüber hinaus führten diese Lands- mannschaften eigene Matrikellisten, hatten regelmäßige Zusammenkünfte und korrespon- dierten mit den Korporationen anderer Universitäten.

Diese Form studentischer Zusammenschlüsse ist allerdings differenzierter zu betrachten. Brandt sieht sie „Mustern der Rottenbildung mit jugendspezifischen Gruppenriten und Eh- renkodices“ folgen, die durch „ein hohes Maß an Aggressivität“ gekennzeichnet waren.56 Festzumachen ist dies an der Erscheinung des so genannten „ Pennalismus “ im 17. Jahrhun- dert, eine Form der zeitweiligen (Gewalt-) Herrschaft der älteren Studenten über die Neu- linge.57 Sie wird von einem Großteil der Forschung im Zusammenhang mit den Lands- mannschaften gesehen.58 Zweifelsohne sind hier die Ursprünge des späteren „Fuchsensta- tus“ von Erstsemestern und Neumitgliedern in studentischen Korporationen des 19. Jahr- hunderts zu sehen.59 Unter konfessionellen Gesichtspunkten ist dabei zu beachten, dass Landsmannschaften und Pennalismus Phänomene waren, die fast ausschließlich evangelische Universitäten betrafen.60

Wichtiger an diesem „Zeitalter des Pennalismus61 ist die Ausbildung von Riten, die im 19. Jahrhundert dann studentisches Allgemeingut waren. Diese Ritenbildung steht auch im Zusammenhang mit der veränderten sozialen Zusammensetzung der Studentenschaft. Das Ideal einer societas academicam war einer studentischen Klassengesellschaft gewichen. Deren Oberschicht bildeten privilegiert in Professorenhäusern wohnende, meist Jura studie- rende adelige Söhne62 sowie vermögendes Bürgertum, die auf die ärmlichen, in Konvikten lebenden Theologiestipendiaten herabblickten. Diese Attitüde war auch im 19. Jahrhundert noch weit verbreitet. Die Ansprüche adeliger Studenten, ihr selbstverständliches Waffen- tragen und das damit verbundene Duellwesen, sowie ihre Art, sich zu kleiden, übertrugen sich in einer ganz eigentümlichen Mischung auf die gesamte Studentenschaft. Feudale Ehr- begriffe verschmolzen mit jugendlichem Raufbedürfnis. In den Freiräumen studentischer Selbsterziehung bildeten sich akademische Sitten „die als gesunkenes feudales Kulturgut der Studentenkultur dauerhafter Strukturelemente eingrub[en]“.63 Neben dem Duellwesen, studentischem Liedgut und studentischer Standessprache, traten ritualisierte Trink- und Feierformen und erstmals deutlich sichtbar getragene Farben als landsmannschaftliche Ab- zeichen auf.64 Das ist das Entscheidende dieser Epoche für die Geschichte der deutschen Studenten. Im ausgehenden 17. Jahrhundert bildeten sich formalisierte studentische Um- gangsformen und Rituale friedlicher und gewaltsamer Konfliktregulierung. Es sind die ers- ten Ansätze zu einem studentischen „ Comment “.65 Und die Landsmannschaften bean- spruchten für sich als Repräsentanten der Gesamtheit der Studenten einer Universität, die- sen zu überwachen.

Im 18. Jahrhundert änderte sich dies nicht grundlegend, doch die Umwelt der Studenten wandelte sich erheblich. Zum einen blühten Akademien und gelehrte Gesellschaften auf. Sie wurden zum eigentlichen Heimatort aufklärerischen Gedankenguts, das die Universität als praxisfernes mittelalterliches Überbleibsel betrachtete. Die vom französischen Hof beein- flussten neuen Ideale bevorzugten adelige Tugenden. Die Kavalierstour setzte sich anstelle eines regulären Studiums durch. Auch die Frequenzzahlen sanken erheblich. Die Forschung spricht daher vor allem für die zweite Jahrhunderthälfte von einer „Universitätskrise“.66 Zum anderen sind auch ganz deutliche Neuansätze zu erkennen. Bereit 1694 hatte die preußische Universitätsgründung von Halle mit der Einführung des Deutschen als Unterrichtssprache, stärkerer Praxisorientierung und rationalerem Wissenschaftsverständnis neue Impulse gege- ben. Im Besonderen setzte die 1737 gegründete Universität Göttingen neue Akzente. Mit dem Fokus auf den juristischen Studien und einer Aufwertung der philosophischen Fakultät studierten hier vor allem leistungswillige adelige Söhne und wohlhabendes Bürgertum - ü- berkonfessionell. Durch die Auflösung des Jesuitenordens wandelten sich nach 1773 auch die katholischen Universitäten und modernisierten unter dem Einfluss aufklärerischer Ideen ihre Fakultäten.

Die landsmannschaftlichen Zusammenschlüsse hingegen hielten sich an den Hochschulen. Nach einer Verbotsperiode in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts traten sie seit den 50er Jahren öffentlich auf, verfestigten ihre Struktur und gaben sich Statuten, die gegenseiti- ge Freundschaft, karitative Hilfe, Geselligkeit, demokratisches Mehrheitsprinzip und immer wieder die angemessene Reaktion auf Beleidigungen thematisierten.67 Das Duell grub sich als festes Charakteristikum in die Studentenschaft. Auch der studentische Comment wurde kodifiziert. Er definierte den Ehrbegriff und regelte als studentische Standesordnung Duell- und Trinksitten.68

Gegen diesen kodifizierten „Rauf- und Saufkomment“69 wandten sich nun neue Formen studentischer Zusammenschlüsse. Beeinflusst von den Idealen der Französischen Revolution und in Anlehnung an freimaurerische Formen entstanden studentische „Orden“.70 Im Unterschied zu den Landsmannschaften waren diese Orden angesichts behördlicher Verfolgung geheim und rekrutierten ihre Mitglieder sehr selektiv. Selbstverantwortung, Individualisierung und Affektbewältigung waren ebenso ihre Ideale wie eine stärkere Berufsvorbereitung. Im Gegensatz zu ihren Kommilitonen suchten „Amicisten“, Harmonisten“, „Unitisten“ oder „Constantinisten“ den Kontakt zur nichtstudentischen Außenwelt und hielten diesen auch nach der Studienzeit aufrecht. Das war in Studentenkreisen ebenso neu wie die Übernahme freimaurerischer Rituale, die sich dauerhaft etablieren konnten.71

Daneben entstanden seit den 1750er Jahren weitere studentische Reformgruppen, die sich von den Landsmannschaften absonderten und in literarischen oder religiösen Zirkeln dem flotten Burschenleben den Rücken kehrten. Auch diese Studenten lehnten das Duell ab und erreichten beispielsweise in der Jenaer „Schokoladisten“-Bewegung größere studentische Kreise.72 In der Form so genannter „Kränzchen“ kulminierten gegen Ende des Jahrhunderts schließlich die Übernahme traditioneller korporativer Formen (Organisation, Liedgut, For- meln, Rituale) einerseits und Reformansätze (Ablehnung von Duell, Trinkzwang und lands- mannschaftlichem Prinzip) andererseits. So gilt für die Studentenschaft ebenso wie für die gesamte Bildungslandschaft des 18. Jahrhunderts: Stagnationserscheinungen und Reformim- pulse hielten sich die Waage.73

Seit der Reformzeit zog sich also eine Reihe von Kontinuitätslinien durch den Charakter der deutschen Studentenschaft. Als die deutsche Bildungswelt in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts durch die Humboldtschen Reformen einen Wandel durchlebte, beeinflusste dies zwar auch die Studenten, von einem Bruch in der Entwicklung des studentischen Verei- nigungswesens kann jedoch nicht die Rede sein. Die neuhumanistischen Reformer hatten in ihrem Einsatz für freie Forschung und Lehre, sowie in ihrer Betonung der selbständigen geis- tigen und sittlichen Entwicklung der Studenten auf eine Reform der universitären Strukturen und des Studentenlebens keinen Wert gelegt. Da letztendlich niemand für die propagierte all- gemeine Menschenbildung zuständig war, blieb das Erziehungsvakuum weiter bestehen, das die deutschen Universitäten schon die Jahrhunderte zuvor gekennzeichnet hatte. Die idealis- tische Ablehnung des reinen Brotstudiums wurde für viele Studenten in ihrem Alltag zum handfesten Problem. Mit den Ideen der geistigen Väter der neuen Universität, mit Schleier- machers Utopie „alles aus dem Gesichtspunkt der Wissenschaft zu betrachten (...) in bestän- diger Beziehung auf die Einheit und Allheit der Erkenntnis“74 hatte die studentische Lebens- welt nicht viel zu tun. Fichtes Glauben an die Macht des Geistes und den „Gelehrten als Er- zieher der Menschheit“75 war für viele der Studenten ebenso schwer in der Praxis nachvoll- ziehbar wie Humboldts Vorstellungen der Notwendigkeit von der „Einsamkeit und Frei- heit“.76 Die neuhumanistische Universitätsreform blieb „weit entfernt von den idealen Zielen der Reformer“.77 Und ihr fehlte die wichtige Dimension der studentischen Erziehung.78

Es entstand eine Kluft zwischen der beanspruchten ‚inneren‘ Motivation, dem Interesse an der Wissenschaft und der Realität der Berufsvorbereitung, der ‚Einsamkeit‘ und dem Bedürfnis nach gemeinsamem Leben; die Begegnung mit der Wissenschaft reichte als Erziehungsmacht nicht oder jedenfalls nicht für alle hin. Diesen freien Raum füllten die studentischen Verbindungen.79

Diese Verbindungen stellten sich alles andere als homogen dar. Abgesehen von den nicht organisierten Studenten, die von den Korporierten abschätzend als „Finken“, „Wilde“ oder „Kamele“ tituliert wurden, waren bis in die 1840er Jahre im Wesentlichen zwei Richtungen studentischer Gruppierungen ausschlaggebend: Corps und Burschenschaft(en).

Die Corps hatten sich seit der Jahrhundertwende als Repräsentanten der gesamten Studentenschaft verstanden. Als Nachfolger der Landsmannschaften, und teilweise in Tradition der Orden, sahen sie in ihren örtlichen Seniorenconventen80 (S.C.) die einzige Instanz für alle studentischen Belange und besonders für die Überwachung des Comments. Sie entschieden mit dem gefürchteten Mittel des „Verruf“ oder „Verschiss“81 über Ansehen, Wohl und Wehe nicht nur von Studenten, sondern auch von Professoren und Philistern82. Doch ihre unpolitische Haltung und der zunehmende Hang zum Duellieren und rituellen Trinken kollidierte nicht nur mit den neuen Bildungsidealen an den Universitäten Humboldtscher Prägung, sondern auch mit der veränderten gesellschaftspolitischen Situation.

Aus der nationalen Begeisterung und Erfahrung der anti-napoleonischen Befreiungskriege wuchs mit der Burschenschaft spätestens seit 181583 eine neue studentische Institution, deren Ansätze über den Kreis einer Universität und damit über die Welt der Corps hinausging.84 Am 12. Juni 1815 lösten sich die Landsmannschaften der Universität Jena auf und begründe- ten unter dem Gesang von Ernst Moritz Arnds Lied „Was ist des Deutschen Vaterland“ die erste Burschenschaft. Weit über 100 Studenten traten ihr sofort bei. Das Besondere dieser Burschenschaft war die Verbindung national-liberaler politischer Vorstellungen mit geist- lich-sittlichen Reformideen für das akademische Leben. Ihre Führer betonten den Gedanken an ein gemeinsames Vaterland ebenso wie sie die landsmannschaftliche Zersplitterung der Studentenschaft ablehnten. In der Erneuerung der Universitäten erstrebten die Burschen- schafter einen deutschlandweiten „Studentenstaat“,85 der modellhaft für die ganze Nation stehen sollte. Die nationale Erfahrung des Krieges, der Dienst in Lützows Freikorps, wel- ches eben im Gegensatz zu den anderen Armee-Teilen eine „aus ganz Deutschland gesam- melte Truppe“86 darstellte, hat die Väter der Urburschenschaft im nationalen Sinne beein- flusst. Ihr Programm war zunächst jedoch nicht primär national-politisch gedacht, sondern verstand sich als Reformansatz für das studentische Leben. Falsch verstandenen Ehrbegrif- fen, die sich im Duellwesen äußerten, sollte ebenso Contra gegeben werden wie den Aus- wüchsen falsch verstandener akademischer Freiheit: Bummelstudententum, Trunksucht, Zechprellerei und mangelnde Sexualmoral. Von Aufklärung und Neuhumanismus beeinflusst sahen sich die frühen Burschenschafter mit ihrem „nationale[n] Selbsterziehungspro- gramm“87 anders als die Corps im Bezug zum Bürgertum und ihrer künftigen gesellschaftlichen Rolle.88 Dabei scheuten sie sich nicht Personal, Organisationsformen und Riten von den Studentenkorporationen herkömmlicher Art zu übernehmen.89

Öffentliches Aufsehen erregte die burschenschaftliche Bewegung durch das Wartburgfest im Oktober 1817. Die Jenaer Burschenschaft hatte in einem Schreiben an die deutschen Uni- versitäten den Wunsch geäußert „mit allen braven deutschen Burschen (...) am 18ten Oct. 1817 (...) auf der Wartburg bei Eisenach zu feiern“. Es sollte ein Fest werden „in drei schö- nen Beziehungen, nämlich der Reformation, des Sieges bei Leipzig und der ersten freudigen und freundschaftlichen Zusammenkunft deutscher Burschen von den meisten vaterländischen Hochschulen“.90

Gemeint war diese Zusammenkunft in einer Mischung aus nationalem und protestanti- schem Bewusstsein als Erinnerungsfeier an die doppelte Befreiung Deutschlands: der durch die Reformation erreichten geistlichen Befreiung von römisch-päpstlicher Vormundschaft und der politischen Befreiung vom „Franzosenjoch“. Ebenso galt es aber auch in gemeinsa- men Beratungen die akademischen Reformideen der Burschenschaft in die Tat umzusetzen. Was aus dieser Idee der Jenaer Burschenschafter aber wurde, war nicht weniger als eine bis dato in Deutschland noch nie da gewesene öffentliche politische Demonstration. Es war „die erste Manifestation des nationaldemokratischen Prinzips in Deutschland“.91 Diese Feier brach erstmals das herrschaftliche Festmonopol. In den Aussprüchen der Festredner manifes- tierte sich der Wunsch nach politischen Reformen. Die Enttäuschung über die Ergebnisse des Wiener Kongress’, brach sich mit romantischem Bezug auf die Geschichte Bahn: Die Ver- gangenheit sollte vergegenwärtigt werden, um „Kraft zu schöpfen für die lebendige That in der Gegenwart“.92 Deutlich trat der Gedanke „zum einigen Deutschen Vaterland“ vor, für dessen Realisierung der evangelische Theologiestudent Riemann „Kraft (...) zu jedem Kamp- fe“93 erbat. Den Höhepunkt erreichte diese oppositionelle Haltung im kleinen Teilnehmer- kreis des (im Veranstaltungsplan offiziell nicht vorgesehenen) Autodafés auf dem Warten- berg.94 In dieser „symbolischen Kriegserklärung an den konservativen Geist“95, die als einen geistiger „Akt des Terrors“96 oder zumindest als „Akt bedenklicher Geistesverachtung“97 bezeichnet wird, lagen bereits die Ansätze zu einer Radikalisierung der Burschenschaft und der Anfang vom Ende dieser ursprünglich allseitigen studentischen Reformbewegung. Die Reformanregungen des Wartburgfestes, gingen im negativen Echo auf die Verbrennungsaktion unter. Selbst auf bisherige Befürworter der Burschenschaft wirkte die Aktion „wie ein Schock“ und sie wandten sich von den Studenten ab.98

Dass auch innerhalb der Burschenschaft die Vorstellungen von den Zielen und deren Rea- lisation unterschiedlich waren, zeigte sich am radikalen Weg, den eine Minderheit, die so ge- nannten Giessener „Schwarzen“ oder „Unbedingten“ unter Führung des Jura-Dozenten Karl Follen, einschlug. Unter dem Postulat der direkten Aktion wurde die Auffassung propagiert, dass gegebenenfalls auch Gewalt und Tyrannenmord zur Durchsetzung burschenschaftlicher Ziele nötig seien. Der Einzelgänger und Theologiestudent Karl Ludwig Sand, ein „wirre[r] Schwärmer“99, setzte die Idee mit der Ermordung des konservativen Schriftstellers und russi- schen Informanten August von Kotzebue am 23. März 1819 in die Tat um.100 Für Fürst Met- ternich war das der willkommene Anlass gegen die missliebigen Burschenschaften vorzuge- hen. „In einem mehr als fragwürdigen Eilverfahren“101 setzte der österreichische Minister am 20. September 1819 die berühmten „Karlsbader Beschlüsse“ durch.102 Die Burschenschaft hatte letztendlich selbst die endgültige reaktionäre Wende hervorgerufen. Was folgte, war eine Entpolitisierung der Studentenschaft. Ohnehin gehörten der bur- schenschaftlichen Bewegung nur ein Fünftel bis ein Viertel der deutschen Studenten an,103 auch wenn Nipperdey diese als „eigentlicher Träger der politischen Jugendbewegung“104 be- zeichnet. Der Großteil der Studenten schreckte sowohl vor dem politischen Radikalismus als auch vor den lebensreformerischen Ansätzen der Burschenschafter zurück. Insbesondere die Corps sahen ihre Alleinvertretungsansprüche gefährdet und widersetzten sich. Die nun ein- setzende Verfolgung der Burschenschaften schaffte die Voraussetzungen für ein Aufblühen der weitgehend unpolitischen Verbindungen traditionellen Typs. „In der Friedhofsstille der Restauration“ wurden sie „als geringeres Übel von den Behörden geduldet, weil Saufen und Duellieren weniger gefährlich als politische Subversion erschienen“.105 In der Forschung ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die burschenschaftliche Oppositionsbewegung nie ganz zum Erliegen kam und sich der Erfolg der Karlsbader Be ven Geister der Heiligen Allianz einen preußischen Ulanenschnürleib, einen österreichischen Korporalstock und einen kurhessischen Militärzopf. Angeblich ging die Aktion auf Jahns Anregung zurück, der aber selbst nicht am Fest teilnahm. Vgl. Malletke: Politische Bedeutung, S. 23. schlüsse in Grenzen hielt.106 Das zeigt sich angesichts der Weiterexistenz burschenschaftli- cher Verbindungen, die sich auf geheimen Burschentagen außerhalb von Universitätsstädten trafen und „die Erregung einer Revolution, um durch diese die Freiheit und Einheit Deutsch- lands zu erreichen“107 propagierten.108 Auch der letzte vormärzliche Höhepunkt studenti- schen Aufbegehrens, der Frankfurter Wachensturm 1833, weist ebenso auf ein politisches Bewusstsein der Studenten hin, wie deren Beteiligung am Hambacher Fest 1832 oder die studentische Affinität zum griechischen und polnischen Freiheitskampf. Die deutschen Uni- versitäten blieben ein politisches Zentrum des Liberalismus109 im Vormärz. Für ihre Profes- sorenschaft ist dies beinahe sprichwörtlich geworden. Rotteck und Welcker sind mit ihrem „Staatslexikon“110 dafür genauso ein Beispiel wie die berühmten Göttinger Sieben. Für die deutschen Studenten und ihre Vereinigungen lässt sich dies nur sehr eingeschränkt behaup- ten. Studentischer Liberalismus stand eher im Gleichklang mit der bürgerlichen Bewegung, ging mit ihr zusammen (Beispiel Hambach), als fortwährend an der Spitze zu stehen. Die Burschenschaft hatte ihren Allgemeinheitsanspruch, der ohnehin in der Realität nie durchge- setzt werden konnte, aufgeben müssen und sich schon 1826/27 in zwei Richtungen („Armi- nen“ und „Germanen“) geteilt, deren eine sich zunehmend dem traditionellen Verbindungs- treiben annäherte. Letztendlich scheiterte sie sowohl an der Einigung und Befreiung Deutschlands als auch an der Reform des Studentenlebens.111 Der Großteil der Studenten im Vormärz war nicht radikal. „Die studentische Aktivität bei Einzelaktionen [darf] nicht dar- über hinwegtäuschen, daß der Normalstudent sich um seine Studien kümmerte oder um das, was seit Generationen unter fröhlicher ‚Burschenfreiheit‛ verstanden wurde“.112 Die wesent- lichen Elemente der spezifisch deutschen studentischen Kultur verfestigten sich nun. Organi- satorischer Anlaufpunkt für dieses traditionelle burschikose Studentenleben, das sich, stan- desbewusst von der nicht-akademischen Welt isoliert, wieder Alkohol, Duellwesen und Ta- bak zuwandte, waren die Corps. Sie lösten endgültig die Landsmannschaften ab und verwar- fen deren regionales Rekrutierungsprinzip. In einer Vielzahl blühten sie an fast allen Univer sitäten auf, propagierten weiterhin feudal-akademische Ehrbegriffe, verfestigten ihre Strukturen und Comments und wurden auch von den Nichtkorporierten so weit anerkannt, dass sich diese häufig als „Renoncen“ in „eine Art Klientel- oder Schutzverhältnis“113 zu ihnen begaben. Dabei waren sie dezidiert unpolitisch.

Der Charakter der deutschen Studentenschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellt sich somit als ambivalent dar. Fortschritt verknüpfte sich mit romantischer Schwärme- rei. Gemäßigten Reformansätzen stand der Terror einer Minderheit gegenüber. Traditionelle Formen und Riten hielten sich ebenso, wie sich neue Ansätze bemerkbar machten. Einige Gruppen tradierten ständische, vorbürgerliche Konventionen, andere propagierten liberal- nationales Gedankengut - und manches überschnitt sich in einer eigentümlichen Mischung. Entscheidend für das Thema dieser Arbeit ist, dass in diesem Wechselspiel die katholischen Studenten keine aktive Rolle einnahmen. Die burschenschaftliche Bewegung war eine pro- testantische. Schon die Einladung zum Wartburgfest war ausschließlich an die gemischt kon- fessionellen oder protestantischen Universitäten ergangen. Die Feier an sich hatte in ihrer Konzeption einen so ausgesprochen protestantischen Charakter (inkl. evangelischer Messfei- er), dass die Teilnahme katholischer Studenten als äußerst unwahrscheinlich erscheint. Im Sinne der nationalen Idee heißt es zwar in den Grundsätzen der Burschenschaft: „Wenn viele Deutsche sich zur katholischen Kirche bekennen und viele Deutsche den protestantischen Grundsätzen anhängen, so sind sie darum nicht minder sämtlich Deutsche und eins durch das Vaterland“.114 Doch im Gegensatz zu den protestantischen Kommilitonen waren die Katholi- ken durch ihre Konfession noch auf ein übernationales Weltbild, festgelegt, dass sich an an- deren Instanzen orientierte als an der neuen Idee der Nation. Dieser Begriff berührte ihre Le- benswelt noch wenig. Die Probleme die sie beschäftigten waren ganz anderer Art. Denn die Umwälzungen in Gesellschaft, Kirche und Bildungswelt betrafen die katholischen Studenten zu nachhaltig, als dass sie aktiv an der burschenschaftlichen Reformbewegung hätten teil- nehmen könnten. Ihr Studium und ihr Alltag standen unter anderen Vorzeichen.

2. Humboldt und die Folgen:

Die Hochschulwelt des Vormärz unter konfessionellen Gesichtspunkten Wohl kaum eine andere Institution hat die deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts so beeinflusst wie die Universität. Auch wenn Wehler zurecht kritisiert, der Humboldtsche Uni- versitätsmythos sei durch spätere Generationen „maßlos übertrieben“115 worden, ist nicht zu bestreiten, dass dieser „vorindustrielle[n] Philosophengründung“ ausgerechnet im Zeitalter fortschreitender Modernisierung, Industrialisierung und Demokratisierung ein erheblicher Stellenwert in der Lebensorientierung der Bevölkerung zukam.116 Sie wurde gar zur zentra- len Instanz. Die Gelehrten und an ihrer Spitze die Professoren als neue soziale, sowie politi- sche Elite, erfuhren eine beispiellose Aufwertung. Das Beamten- und Bildungsbürgertum war im vorwilhelminischen Deutschland sozial wie politisch die bewegende Klasse, wenn nicht sogar „die einflußreichste Gruppe in der deutschen Gesellschaft“.117 Und diese Gruppe rekrutierte sich beinahe ausschließlich aus Akademikern. Dass die späteren Entscheidungs- träger der Gesellschaft die Humboldtschen Ideale der neuen Wissenschaftlichkeit verinner- licht hatten, prägte auch im Hinblick auf die Religion ein Weltbild. Nach der Zerschlagung des katholischen Bildungswesens durch die Säkularisation hatte sich die neue Universität auf ihrem Weg zu einer „Veranstaltung des Staates“118 aus dem Geflecht von Kirche, Kommune und konfessionellen Fürstentümern gelöst. Die neue Auffassung von der wissenschaftlichen „Allheit der Erkenntnis“ (Schleiermacher) hatte spätestens jetzt starre religiöse und scholasti- sche Dogmen als hinfällig klassifiziert. An ihrer Stelle trat das Paradigma des Fortschritts, der Herausforderung etablierter Autoritäten. Der Glaube an die Macht der Wissenschaft er- setzte zunehmend, besonders angesichts des Aufstiegs der Naturwissenschaften, traditionelle Glaubensideale. Enthusiastisch sprachen Gelehrte nun vom „Naturforscher als Priester“ und vom „Tempel der Wissenschaft“.119 Der katholische Teil der Bevölkerung tat sich mit dieser „quasireligiöse[n] Wissenschaftsgläubigkeit“120 schwer.

Ein Blick auf die konfessionelle und soziale Zusammensetzung der Studenten- und Pro- fessorenschaft, sowie die der einzelnen Fakultäten, fügt dem besonderen Charakter der deut- schen Bildungslandschaft des 19. Jahrhunderts ein paar Fakten hinzu. Generell blieben die deutschen Hochschulen im 19. Jahrhunderts trotz gewisser Aufstiegsmöglichkeiten weitge- hend selbstrekrutierend und Elite bildend. Darüber herrscht in der Forschung Einigkeit. Der überwiegende Anteil der Studenten stammte aus Beamtenfamilien, war bürgerlich- akademischer Herkunft, und er war evangelisch. Der Anteil der Protestanten an der Gesamt- zahl der deutschen Studenten machte bis zur Jahrhundertmitte rund 70 Prozent aus. Sieben bis zehn Prozent der Studenten waren jüdischen Glaubens und nur etwa 20 Prozent katholisch.121 Angesichts eines katholischen Bevölkerungsanteils von circa 35 Prozent war das ein klares katholisches Bildungsdefizit.122

In der Verteilung auf die Fakultäten lassen sich weitere soziale und konfessionelle Diffe- renzen feststellen. Adelige Studenten besuchten fast ausschließlich die juristischen Fakultä- ten. Grund hierfür war die lange Dauer des kostenintensiven Jura-Studium, das nur für gut begüterte Studenten - eben Adelige oder wohlhabende Bürgerliche - finanzierbar war. Der bürgerliche Mittelstand hingegen verteilte sich auf die philosophischen und theologischen Fakultäten. Letztere verloren allerdings ihre Rolle als Führungskraft an die philosophischen Fakultäten.123 Diese wurden vermehrt frequentiert und nun zu einer Schleuse sozialen Auf- stiegs, denn das Lehrerstudium war günstiger und kürzer als das juristische, und verhieß e- benso eine recht sichere staatliche Arbeitsstelle.124 Traditionelle Plattformen sozialen Auf- stiegs waren und blieben aber die theologischen Fakultäten. Die katholischen Theologiestu- denten stammten dabei weitaus stärker als die evangelischen Theologen aus weniger gebilde- ten Schichten, aus Handerwerker- und Bauernfamilien.125 Ihre protestantischen Kommilito- nen rekrutierten sich zum Großteil aus Pastorenfamilien. Für die katholischen Unterschichten machte die Aussicht auf eine sichere Stelle als Pfarrer und ein mögliches kirchliches Stipen- dium oder die günstige Unterkunft im Konvikt das Theologiestudium attraktiv.

Vereinfacht ausgedrückt: Wohlhabendere, protestantische Studenten aus AkademikerFamilien wandten sich eher dem Jura-Studium zu, ärmere katholische Studenten dem Theologiestudium und Mittel- bis Unterschichten beider Konfessionen dem Lehrerberuf.

Aus der sozialen Rekrutierung der Fakultäten, aber vor allem aus den oben genannten geistigen Voraussetzungen resultierte, dass das konfessionelles Verhältnis der Professorenschaft weitaus einseitiger war. Noch gegen Ende des Jahrhunderts waren rund 85 Prozent der Lehrstühle in Deutschland von Protestanten besetzt,126 auch in Gebieten mit katholischer Bevölkerungsmehrheit Gebiet und ganz besonders im rheinisch-preußischen Bonn. Dabei war diese Uni bewusst als paritätische Anstalt gegründet worden.

3. Zwischen Säkularisierung, Ultramontanismus und Annäherung: Katholische Rheinlande und protestantisches Preußen im Spannungsverhältnis

3. 1. Die „paritätische“ Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität: Eine Chronik konfessionell bedingter Konflikte

Am 18. Oktober 1818, dem Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht, stiftete König Fried- rich Wilhelm III. die Universität Bonn - „unter Zittern und Zagen“, wie Joseph Görres die Umstände um die keineswegs unumstrittene Gründung beschrieb.127 Ein langes Tauziehen zwischen Befürwortern einer Wiedereröffnung der 1794 durch die napoleonischen Besatzer geschlossenen Kölner Universität und den Anhängern einer Neugründung in Bonn war der Entscheidung vorausgegangen. In zahlreichen Denkschriften hatten sich etwa Kreisdirektor Philipp Joseph von Rehfues128, Freiherr vom Stein, Staatskanzler Hardenberg oder Ernst Mo- ritz Arndt in die Diskussion eingebracht. Die ältere Tradition der Kölner Hochschule, ihre katholische Vergangenheit und die Charakterisierung der Stadt als „Brennpunkt der deut- schen Obskuranz“129 gaben schließlich den Ausschlag für Bonn. Bereits vor der Stiftung hat- te damit das konfessionelle und kirchenpolitische Element eine Rolle gespielt - obwohl, oder gerade weil sich der preußische König eine paritätisch evangelisch-katholische Hochschule nach Breslauer Vorbild gewünscht hatte.130 Die Befürchtung der katholischen Bevölkerung, „die Universität zu einem Bollwerk von Tendenzen zu machen, die dem rheinischen Geist nicht entsprachen“131 erwiesen sich als nicht unbegründet. Bereits die Ablehnung von Görres als Lehrkraft zeigte, dass auch in Bonn ein Favorisieren evangelischer Dozenten, wenn nicht bewusst geplant so doch zumindest auch nicht bewusst verhindert wurde, und die neue Uni- versität analog zur Entwicklung in ganz Deutschland einen zunehmend protestantischen Cha- rakter erhielt. Dennoch hatte die seit 1828 „Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität“ ge- nannte Bonner Hochschule132 nach einigen Anfangsschwierigkeiten und einer unrühmlichen Rolle in der Demagogenverfolgung133 dank der Verpflichtung wissenschaftlicher Größen wie August Wilhelm von Schlegel, Friedrich Gottlieb Welcker, Barthold Georg Niebuhr oder Georg Hermes in den 1820er Jahren einen guten Ruf in der deutschen Hochschulland- schaft.134 Sie wurde zum „Symbol preußischen Kulturstrebens im Westen“.135 Auch in der anfangs skeptischen Bonner Bevölkerung fasst sie nicht zuletzt dank ihrer wirtschaftlichen Bedeutung Fuß.136 Doch angesichts ungleicher Entlohnung evangelischer und katholischer Dozenten, eines protestantischen Kurators und eines protestantischen Universitätsrichters, sowie der Rücksetzung von Katholiken bei der Besetzung des Rektorats (bis 1863 waren nur zwölf von 44 Rektoren katholisch), der Prüfungskommission oder des Vorstandes des Akademischen Lesevereins und der Auswahl der dort ausliegenden Zeitschriften,137 zeigte sich konfessionelles Konfliktpotential, das besonders im Umfeld der katholisch-theologischen Fakultät und des katholischen Konvikts zu Tage trat.

Die katholisch-theologische Fakultät durchlebte die wohl wechselvollste Geschichte der fünf Bonner Fakultäten. Geplant war sie in einem Kompromiss zwischen Diözese und Minis- terium als Ausbildungsstätte für den Priesternachwuchs, der im Anschluss an die theoreti- schen Bonner Studien seine praktische Lehre im Kölner Priesterseminar durchlaufen sollte. Im Gegenzug für diese Zugeständnis Spiegels138 wurde nach einiger Vorbereitungszeit 1828 in Bonn ein katholisches Konvikt für bedürftige Theologiestudenten errichtet. Dies war von Beginn an nicht als Universitätseinrichtung, sondern als „ein integrierender Theil des Erzbi- schöflichen Seminars in Cöln“ geplant, wie der preußische Oberpräsident von Solms- Laubach bestätigte.139 Die Zielsetzung der Einrichtung definierte Erzbischof Spiegel in ei- nem Schreiben an Minister von Altenstein am 31. Oktober 1824 so:

Zum Zwecke der Anstalt rechne ich vorläufige, aber streng geregelte Vorbereitung zum geistlichen Stande a) durch Leitung gemeinschaftlicher Religionsübungen, b) durch Aufsicht über das Privatstudium der Theologiestudirenden außerhalb der Vorlesungen, c) durch eine zweckmäßig geordnete Lebensweise dieser (...) jungen Männer.140

Schon früh kam es zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Staat und Diözese über das auch von Universitätskurator Refuehs einst als „ein vom Erzbischofe abhängiges Institut“141 be- zeichnete Konvikt. Die Universität führte die Einrichtung in ihrem Vorlesungsverzeichnis trotz kirchlicher Beschwerden lange Zeit als Universitätsinstitut. Das Ministerium behielt sich außerdem über Jahre eine Mitsprache bei der Besetzung des Konviktleiters („Inspektor“) vor, der gleichzeitig Ordinarius an der katholisch-theologischen Fakultät war, und der Uni- versitäts-Kurator wurde mit der Aufgabe, den Schriftverkehr zwischen Inspektor und Erzbis- tum zu überwachen, als behördliche Zwischeninstanz eingesetzt. Auch angesichts der unzu- reichenden Ausstattung des Konviktes, die dazu führte, dass seit Mitte des Jahrhunderts Be- werber abgewiesen werden musste, häuften sich die Klagen seitens der Kurie. Trotzdem war das Konvikt eine feste Größe in der Studentenschaft der katholisch-theologischen Fakultät.

Stets ein Drittel bis die Hälfte ihrer Studenten war in dieser Einrichtung mit all ihren Regeln und Einschränkungen für das Studentenleben untergebracht.142

Abgesehen von fortwährenden Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche bei der Beset- zung der Lehrstellen in der Fakultät,143 waren die Konflikte dort mehr innerkatholischer und theologischer Natur. Ursache für lang andauernde Streitigkeiten, die besonders in den 30er Jahren eskalierten, war die Berufung von Georg Hermes im Herbst 1819 nach Bonn. Der herausragende Theologe begründete eine nach ihm benannte neue Richtung in der Theologie, indem er versuchte, die Theologie dem Idealismus anzunähern, auf den Boden der Kantschen Philosophie zu stellen, und so der menschlichen Vernunft mehr Gewicht gegenüber der ü- bernatürlichen Heilswahrheit zu verschaffen. Von Kurator Rehfues, Minister Altenstein und Erzbischof Spiegel144 unterstützt stieg Hermes in den 1820er Jahren auf und machte die Bonner Universität zum Hauptsitz des Hermesianismus. Er zog mit Dozenten wie Johann Heinrich Achterfeldt (der bis 1843 das Konvikt leitete) und Johann Wilhelm Braun seine Anhänger nach sich und verdrängte zunehmend die Kritiker. Der Tod des kränkelnden Her- mes im Mai 1831, die päpstliche Untersuchung und schließliche Indizierung seiner Thesen durch die Breve „Dum acerbissimas“ 1835 und die vehemente Gegnerschaft von Erzbischof Clemens August von Droste zu Vischering, der dem im selben Jahr verstorbenen Spiegel auf den Bischofsstuhl gefolgt war, brachte die Wende. Vischering schritt gegen die Anhänger von Hermes ein, verweigerte ihnen die Approbation, verbot die hermesianische Zeitschrift und den Studenten den Besuch der Vorlesungen.145 Die preußische Regierung hingegen un- terstützte die Anhänger Hermes’ stark. Auch das Konvikt war durch die Gegnerschaft Ach- terfelds zu Vischering von dem Streit betroffen. Achterfeld drohte studentischen Befolgern der erzbischöflichen Anordnungen mit Entzug der Freistellen, worauf im Sommer 1837 41 von 49 Studenten das Konvikt verließen. Minister Altenstein verweigerte ihnen daraufhin den Empfang der Weihen auf preußischem Staatsgebiet.146 Der Streit stürzte die Fakultät in eine tiefe Krise, schädigte ihren Ruf nachhaltig und verunsicherte die Studenten auf Jahre hinaus.147 Die Suspendierung Vischerings und zeitweise völlige hermesianische Ausrichtung der Fakultät konnte daran nichts ändern. Die Frequenzzahlen sanken erheblich.148

Erst durch die von Vischerings Nachfolger Johan von Geißel berufenen Franz Xaver Die- ringer und Konrad Martin an Fakultät und Konvikt konnte die Situation ab 1843 auf Dauer verbessert werden. Während Achterfeldt und Braun nach dem Regierungswechsel vom kir chenfreundlichen neuen König Wilhelm IV. von ihren Aufgaben entbunden wurden, revi- dierten die Rom und Dogmen treuen Dieringer (der „stets gegenwärtige Helfer seines erzbi- schöflichen Gönners“149 ) und Martin die hermesianischen Lehrpläne, disziplinierten die Stu- denten und konnten mit der Einführung des akademischen Gottesdienstes für alle katholi- schen Studenten nachhaltig den Gemeinschaftssinn ihrer Konfession an der Universität stär- ken.150 Dank des Durchgreifens Dieringers und Martins hatte sich die Fakultät 1845 wieder weitgehend von den hermesianischen Wirren erholt. Die Frequenzzahlen stiegen an.151 Die gesamte Universität erlebte seit spätestens Mitte der 1840er Jahre einen Aufschwung. Nicht nur die innerkirchlichen Auseinandersetzungen an der katholisch-theologischen Fakultät hat- ten sich im Sinne der erzbischöflichen Autorität weitgehend gelegt, auch der Konflikt mit dem preußischen Staat war entschärft. Der neue Kultusminister Johan Albrecht Friedrich Eichhorn galt ebenso wie Friedrich Wilhelm IV. als offen gegenüber den Bedürfnissen der Katholiken.152 Mit der Rehabilitierung Ernst Moritz Arndts,153 dessen Einsetzung als Rektor, sowie der Berufung von Friedrich Christoph Dahlmann entstand an der Universität nach den restaurativen Einschnitten der Jahrzehnte zuvor ein liberaleres Klima. Das machte sich in der Studentenschaft bemerkbar. Die Corps blühten auf, Burschenschaften gründeten sich wieder, und eine Fülle neuartiger studentischer Zusammenschlüsse entstand. Einer davon war die ka- tholische Bavaria. Im nun katholisch gefestigten, disziplinierten Umfeld der Fakultät und des Konvikts einerseits und in einem regen studentischen Treiben verschiedenster Richtungen andererseits fanden sich ihre Gründer 1844.

3. 2. Staat, Kirche und Laien.

Die Entstehung katholischer Öffentlichkeit und Massenbewegung im Rheinland Das 19. Jahrhundert war ein christlich, ein kirchlich geprägtes Jahrhundert. Vor allem die katholische Kirche durchlebte eine Zeit umfassender Veränderung, ein Wechselspiel von Modernisierung und Rückwärtsgewandtheit. Durch die Folgen der französischen Revolution und der napoleonischen Ära, durch Säkularisierung und Mediatisierung hatte sie am Anfang dieser Epoche weitgehend ihre Macht, aber auch ihre finanziellen Grundlagen und ihre Vor- herrschaft im Bildungsbereich eingebüßt. Das machte einen Neuaufbau nötig, der die katho- lische Kirche in Deutschland von Grund auf wandelte. Aus einer Adelskirche mit regionaler weltlicher Macht wurde eine straff strukturierte, hierarchisierte Zentralkirche mit Klerikern bürgerlicher, kleinbürgerlicher und bäuerlicher Herkunft. Bei aller Kritik der Dogmatisierung des internationalen päpstlichen Absolutismus und Zentralismus, der vielzitierten „ultramon- tanen“ Entwicklung, ist bemerkenswert, dass nach den tiefen Einschnitten des ersten Jahr- zehnts der personelle Neuaufbau und die Reorganisation der Kirche bis zur Vormärzzeit weitgehend abgeschlossen waren.154 Seitdem war die Ausrichtung allerdings klar, Papst Gre- gor XVI. hatte sie selbst in seinem „Triumph des Heiligen Stuhls“ 1833 formuliert. Dem Papst und dem Episkopat untergeordnet stand für die neuen Kleriker der vorbehaltlose Dienst an ihrer Kirche im Mittelpunkt. Innerkirchliche Reformbewegungen waren die Ausnahme, auch wenn es zu Versuchen kam, die Kirche mit den Tendenzen der Zeit zu versöhnen. Na- men wie Sailer, Döllinger oder Görres mit ihrem Wirken in München (dem „Eos“-Kreis), die „Tübinger Schule“ Johan Adam Möhlers oder der Mainzer Kreis mit der seit 1821 erschei- nenden Monatsschrift „Der Katholik“ stehen stellvertretend für diese weitgehend bürgerli- chen, meist romantisch orientierten Initiativen.155 Doch die meisten Katholiken erfuhren die moderne Welt als feindlich und suchten in ihrer Kirche einen Rückhalt, der ihnen beständige Wahrheiten in einer sich rapide verändernden Umwelt vermitteln sollte. Demokratisierende Reformversuche und theologische Modernisierungsansätze wie die von Hermes in Bonn scheiterten am Widerstand des hohen Klerus. Letztendlich waren diese innerkirchlichen Re- formansätze nicht entscheidend. Ultramontane Ausrichtung, Dogmenstrenge und hierarchi- sche Disziplin setzten sich durch: „Gehorsam gegen die Kirche, gegen Rom (...), wird fast zur Haupttugend“.156 Polemisch wendete sich die Kirche gegen die Zeit und suchte auch an den Universitäten die Katholiken von der modernistischen Ausbildung fernzuhalten. Theolo- giedozenten wurden überwacht, die Priester zunehmend an geschlossenen Seminaren ausge- bildet - abgeschottet von liberalen und staatlichen Einflüssen. Das Bonner Konvikt und die Konflikte um diese Institution stehen beispielhaft dafür.157

Zunächst stand diese auf Rom zentrierte Ausrichtung der katholischen Kirche noch im Gegensatz zum (protestantischen) preußischen Staat. Seit dieser nach dem Wiener Kongress die Rheinlande übernommen hatte, bahnte sich eine Auseinandersetzung an, die zum „Jahr- hundertkonflikt“158 werden sollte. Die Wiener Bundesakte hatte bestimmt, dass die Konfes- sion „keinen Unterschied in dem Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte“ machen dürfe, und auch König Friedrich Wilhelm III. verkündete in einer Proklamation am 5. April 1815: „Eure Religion (...) will Ich ehren und schützen. Ihre Diener werde Ich auch in ihrer äußeren Lage zu verbessern suchen“.159 Sowohl politisch Interessierte wie Joseph Görres als auch die Masse der katholischen Bevölkerung standen daher den neuen Herrschern anfangs nicht ausschließlich ablehnend gegen.160 Der zunehmend unsensible Umgang der preußi- schen Behörden mit den Bedürfnissen der katholischen Rheinländer führte jedoch zu Unzu-

[...]


1 Rhein- und Moselzeitung (Koblenz) Nr. 156. 10. Juli 1847, S. 1. Zitiert nach Wolf, Otto: Geschichte der katholischen deutschen Studentenverbindung Bavaria 1844-1914. Bonn, 1914. S. 236. Ebenfalls in Weiß, Joseph: An der Wiege der ka- tholischen deutschen Studentenverbindungen. Neues von der Bonner Union 1847-53 -55 (= Der Weiße Turm. Zeit- und Le- bensbilder aus dem katholischen Studententum. Bd.1). München, 1930. S. 25. Bei Weiß heißt es allerdings „Studirende“ statt „Studenten“. Da die Moselzeitung im Original nicht einsehbar war, halte ich mich an das zeitnahere Werk von Wolf.

2 Die Union war ein lokaler Verbund mehrerer katholischer Studentenverbindungen. Bis zum Jahr 1849 nannte sich der Zusammenschluss allerdings noch „Gesamtverein“.

3 In dieser Arbeit wird aus naheliegendem Grund ausschließlich der Begriff Studenten gegenüber dem heute gebräuchlichen Wort „Studierende“ verwendet. Weibliche Studierende sind erst nach 1905 an den deutschen Universitäten präsent. Siehe Prahl, Hans-Werner: Sozialgeschichte des Hochschulwesens. München 1978, S. 233.

4 Der Begriff „Katholizismus“ meint in dieser Arbeit eine durch den katholischen Glauben geprägte Welt- und Lebensauffassung, die Einfluss auf die gesellschaftliche Wirklichkeit zu gewinnen suchte, also eine „religiöse, soziale, später auch politische Sammlung der Katholiken in der Öffentlichkeit“. Siehe Maier, Hans: 1848 und die deutschen Katholiken. In: Hehl, Ulrich von und Kronenberg, Friedrich (Hrsg.): Zeitzeichen. 150 Jahre Deutsche Katholikentage 1848- 1998. Paderborn u.a., 1999. S. 23-30. Hier S. 25. Diese „Sammlung“ stand unter dem vornehmlichen Einfluss von Laien und darf als Akt der Selbstfindung und Selbstbehauptung der Katholiken in der modernen Welt verstanden werden. Siehe Maier, Hans: Katholizismus. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. 5. Freiburg u.a., 1996, Sp. 1368-1370.

5 Siehe vor allem die Reihe „Quellen und Darstellungen zur Geschichte der Burschenschaft und der deutschen Einheitsbewegung“ (QuD) sowie als jüngsten Forschungsbeitrag den Sammelband von Asmus, Helmut (Hrsg.): Studentische Burschenschaften und bürgerliche Umwälzung. Zum 175. Jahrestag des Wartburgfestes. Berlin, 1992. Weitere Angaben zum Thema Burschenschaft und Wartburgfest weiter unten.

6 Vgl. u.a. Faust, Anselm: Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, 2 Bde. Düsseldorf, 1973; Grüttner, Michael: Studenten im Dritten Reich. Paderborn u.a., 1995; Brunck, Helma: Die Deutsche Burschenschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. München, 1999; Weber, Rosco: Die deutschen Corps im Dritten Reich (= Abhandlungen zum Studenten- und Hochschulwesen 8). Köln, 1998; Rösgen, Hans Jürgen: Die Auflösung der katholischen Studentenverbände im Dritten Reich (= Dortmunder Historische Studien, Bd. 15). Bochum, 1995.

7 Vgl. u.a. Studier, Manfred: Der Corpsstudent als Idealbild der Wilhelminischen Ära. Untersuchungen zum Zeitgeist 1888 bis 1914. Nürnberg, 1965; Jarausch, Konrad: Students, Society and Politics in Imperial Germany. The Rise of Academic Illiberalism. Princeton, 1982. Vgl. auch Elias, Norbert: Die Satisfaktionsfähige Gesellschaft. In: Ders.: Studien über die Deutschen. Machtkämpfe und Habitusentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt/M., 1989. S.61-158.

8 Vgl. folgende für das 19. Jahrhundert unabdingbare Gesamtdarstellungen: Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1800- 1866. Bürgerwelt und starker Staat. München, broschierte Sonderausgabe 1998 (1983); Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Ge- sellschaftsgeschichte, Bd 2. Von der Reformära bis zu industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815- 1848/49. München, 1998 (Wehler scheint mir aber besonders beim Thema Religion zur Polemik zu neigen. Vor allem im Bezug zum Katholizismus fehlt ihm anscheinend das Verständnis); Langewiesche, Dieter: Europa zwischen Restauration und Revolution. Vierte Auflage, München, 2003 (1985. Besonders in der Betrachtung der konfessionellen Problematik be- deutend, wenn auch älter: Schnabel, Franz: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 4 Bde. Freiburg, 1929-1937 (Neudruck München, 1987). Sozialgeschichtlich betrachtet: Rürup, Reinhard: Deutschland im 19. Jahrhundert. 1815 -1871. Zweite Auflage, Göttingen 1992 (1984).

9 Korporation wird in dieser Arbeit als Synonym zu Studentenverbindung und Studentenverein verwendet.

10 Siehe Jarausch: Academic Illiberalism, S. 304.

11 Blaschke, Olaf (Hrsg.): Konfessionen im Konflikt. Deutschland zwischen 1800 und 1970: ein zweites konfessionelles Zeitalter. Göttingen, 2002, S. 7ff.

12 Mayer, Thomas: Katholische Farbstudenten im Kulturkampf. Eine Untersuchung der Periodika katholischer Korporationsverbände im 19. Jh. Stein am Rhein (CH), 2003. S. 14.

13 Hardtwig, Wolfgang: Studentische Mentalität - Politische Jugendbewegung - Nationalismus. Die Anfänge der deutschen Burschenschaft. In: Historische Zeitschrift 242. 1986, S. 581-628, hier S. 582. Vergleiche die ähnliche Kritik Steinhilbers zu Beginn seiner Dissertation über studentische Stammbücher: Steinhilber, Horst: Von der Tugend zur Freiheit: studentische Mentalitäten an deutschen Universitäten 1740-1800. Hildesheim, 1995.

14 Mayer sieht vor allem in den jüngeren Selbstdarstellungen ein Bemühen um „quellenkritische Beiträge, die möglichst von Historikern aus den eigenen Reihen verfasst werden sollten“. Siehe Mayer: Katholische Farbstudenten, S. 14.

15 Die "Burschenschaftliche Historische Kommission" (heute „Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e. V.“) entstand zur Jahrhundertwende. Das "Hochschularchiv der Deutschen Studentenschaft" sollte in den 1920er Jahren zur umfassenden Sammelstelle der Hochschulkunde werden, erreichte dieses Ziel aber nie. Ein Lehrauftrag für Hochschulkunde bestand in den 1920er und 1930er Jahren an der Universität Frankfurt/M. Ungefähr zur gleichen Zeit etablierten sich jährli- che „Tagungen deutscher Studentenhistoriker“. Einen vorläufigen Höhepunkt erreicht die Hochschulkunde in der Errichtung des „Instituts für Studentengeschichte“ 1939 in Würzburg. Dieses stand allerdings unter der Ägide des nationalsozialisti- schen Historikers A. Brügmann. Der wetterte bereits in seiner Antrittsrede gegen die „volkszersetzenden Komponenten (...) des Katholizismus (...) an den deutschen Universitäten“ und dessen „Bundesgenossen“, den „jüdische[n] Marxismus“. Sein in Berlin 1941 erschienenes Werk „Zucht und Leben der deutschen Studenten 1648-1848“ ist daher heikel, hält aber im Quellenteil einige wichtige Dokumente bereit. Angesichts dieser Leitung sowie aufgrund des Krieges konnte das Institut nie eine regelmäßige freie Forschung aufnehmen. 1954 wurde es als „Institut für Hochschul- und Studentengeschichte“ unter der Leitung von Georg Meyer-Erlach wiedereröffnet. Dieser war ebenso wie der Initiator neuer Studentenhistorikertagungen Robert Paschke Corpsmitglied. Heute ist das Institut an die Universitätsbibliothek Würzburg angeschlossen und Teil der „Deutschen Gesellschaft für Hochschulkunde“. Studenten- und Verbindungsgeschichte widmen sich außerdem die „Ge- meinschaft für deutsche Studentengeschichte e.V.“, der „Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung“ , die „Gesell- schaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung e.V.“ und die „Studentengeschichtliche Vereinigung des Coburger Con- ventes“. Zur Geschichte der Hochschulkunde siehe Ssymank, Harald: 40 Jahre Tagungen deutscher Studentenhistoriker. In: Der Convent. Akademische Monatszeitschrift. Jg. 16, 7/1965. S. 145-172. Obige Zitate nach ebenda, S. 159f. Vgl.: www.studentenhistoriker.de/studentengeschichte.htm.

16 Deren Publikationen kritisierte der Frankfurter Privatdozent Rheindorf bereits 1930 als „für den Historiker unbrauchbar. Die primitivsten Grundsätze historischer Kritik fehlen, phraseologischer Schwung ersetzt sachliche Darstellung“. Zitiert nach: Ssymank: 40 Jahre, S. 153.

17 Wilhelm Fabricius, Verfasser der ersten umfassenden Darstellung des Corps-Wesen („Die deutschen Corps“. Berlin, 1898) war Mitglied in Gießener, Jenenser und Marburger Corps. Friedrich Meinecke und Heinrich von Srbik, Begründer der QuD, waren Burschenschafter in Berlin und Wien.

18 Schulze, Friedrich und Ssymank, Paul: Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zu Gegenwart. Leipzig, 1910.

19 Heither, Dietrich und Lemling, Michael: Die studentischen Verbindungen in der Weimarer Republik und ihr Verhältnis zum Faschismus. In: Elm: Füxe (siehe Fußnote 21), S. 92-157. Hier S. 143. Ähnlich der Tenor in Heither, Dietrich: Burschenschaften. Weltbild und Habitus eines schlagenden Männerbundes. In: Butterwegge Christoph und Hentges, Gudrun (Hrsg.): Alte und Neue Rechte an den Hochschulen (= agenda Politik 19). Münster 1999. S. 92-114.

20 Mayer: Katholische Farbstudenten, S. 15.

21 Siehe Finke, Lutz: Gestatte mir Hochachtungsschluck. Deutschlands korporierte Elite. Hamburg, 1963 (Thomas Mayer identifiziert Finke als das SDS-Mitglied Michael Mauke. Siehe Mayer: Farbstudenten, S. 15). Vgl. Kühnl, Reinhard: Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten. Vierte Auflage, Köln, 1979; Stefan, Klaus-Dieter: Blind wie zu Kaisers Zeiten. Säbel, Seidel, Schmisse - neue „Burschenherrlichkeit“? Berlin (Ost), 1985; sowie Elm, Ludwig, Heither, Dietrich und Schäfer, Gerhard (Hrsg.): Füxe, Burschen, Alte Herren. Studentische Korporationen vom Wartburgfest bis heute. Köln, 1992. Elm wurde als regimetreuer Jenaer Professor nach der Wende entlassen. 1994 war PDS-Abgeordneter im Bundestag. Siehe Mayer: Farbstudenten, S. 15.

22 Mayer: Farbstudenten, S. 15.

23 So Juckenburg, Gerhard: Jenaer Progressstudenten 1840-1849. Das Ringen Jenaer Progressstudenten um eine demokratische Gestaltung Deutschlands. Jena, 1972, S. 125.

24 Griewank, Karl: Deutsche Studenten und Universitäten in der Revolution von 1848. Weimar, 1949; Steiger, Günter und Flaschendräger, Werner: Magister und Scholaren. Geschichte deutscher Universitäten. Leipzig/Jena/Berlin 1981.

25 Siehe Mayer: Farbstudenten, S. 16.

26 Fick, Richard: Auf Deutschlands hohen Schulen. Eine illustrierte kulturgeschichtliche Darstellung deutschen Hochschulund Studentenwesens mit 400 Abbildungen. Berlin u.a., 1900.

27 Krause, Alexander: „O alte Burschenherrlichkeit“. Die Studenten und ihr Brauchtum. Vierte, verbesserte Auflage, Graz/Wien, 1983 (1979); Prahl, Hans-Werner und Schmidt-Harzbach, Ingrid: Die Universität. Eine Kultur- und Sozialge- schichte. München/Luzern, 1981; Gladen, Paulgerhard: Gaudeamus igitur. Die studentischen Verbindungen einst und jetzt. München, 1986.

28 Bruch, Rüdiger vom: Universität, Staat und Gesellschaft. Neuere sozial- disziplin- und personengeschichtliche Beiträge zum deutschen Hochschulwesen vorwiegend im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Archiv für Sozialgeschichte 21 (1980), S. 526-544.

29 Jarausch, Konrad: Deutsche Studenten 1800-1970. Frankfurt/M., 1984; Ders.: Illiberalism. Ders.: Korporationen im Kai- serreich. Einige kulturgeschichtliche Überlegungen. In: Brandt, Harm-Hinrich und Stickler, Matthias: „Der Burschen Herr- lichkeit“ (siehe Fußnote 35), S. 63-84; Ders.: Die neuhumanistische Universität und die bürgerliche Gesellschaft 1800-1870. Eine quantitative Untersuchung zur Sozialstruktur der Studentenschaft deutscher Universitäten. In: QuD II Bd. 11. Heidel- berg, 1981, S. 11-57; Ders.: The Sources of German Student Unrest 1815-1848. In: Stone, Lawrence: The University in So- ciety, Bd. 2. Princeton, 1974.

30 McClelland, Charles E.: State, Society and University in Germany 1700- 1914. Cambridge u.a., 1980.

31 Hammerstein, Notker: Zur Geschichte und Bedeutung der Universitäten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. In: Historische Zeitschrift 241 (1985), S. 287-328; Ders.: Antisemitismus und deutsche Universitäten 1871-1933. Frank- furt/M. u.a., 1995; Ders.: Bildung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (= Enzyklopädie deutscher Geschichte 64). München, 2003; Ders. (Hrsg.): Universitäten und Aufklärung (= Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa 3). Göttingen, 1995.

32 Malletke, Klaus: Zur politischen Bedeutung des Wartburgfestes im Frühliberalismus. In: Ders. (Hrsg.): 175 Jahre Wartburgfest. 18. Oktober 1817-18. Oktober 1992. Studien zur politischen Bedeutung und zum Zeithintergrund der Wartburgfeier (= QuD II 14). Heidelberg, 1992. S. 9-30.

33 Hardtwig, Wolfgang: Krise der Universität, studentische Reformbewegung (1750-1819) und die Sozialisation der jugendlichen deutschen Bildungsschicht. Aufriß eines Forschungsproblems. In: Geschichtliche Grundbegriffe 11 (1985), S. 155 - 176; Ders.: Studentische Mentalität - Politische Jugendbewegung - Nationalismus. Die Anfänge der deutschen Burschenschaft. In: Historische Zeitschrift 242. 1986, S. 581-628.

34 Brandt, Peter: Das studentische Wartburgfest vom 18./19. Oktober 1817. In: Düding, Dieter u.a. (Hrsg.): Öffentliche Festkultur. Politische Feste von der Aufklärung bis zum ersten Weltkrieg. Reinbeck, 1988. S.89-112.

35 Brandt, Harm-Hinrich und Stickler, Matthias (Hrsg.): „Der Burschen Herrlichkeit“. Geschichte und Gegenwart des studentischen Korporationswesens (= Historia Academica, Band 36). Würzburg, 1998.

36 Brandt, Harm-Hinrich: Korporationen und politisch-sozialer Wandel. Eine historische Betrachtung. In: Ders. und Hardtwig, Wolfgang (Hrsg.): Deutschlands Weg in die Moderne. Politik, Gesellschaft und Kultur im 19. Jahrhundert. München, 1993, S. 122-143. Hier S. 123.

37 Schieweck-Mauk, Siegfried: Lexikon der CV- und ÖCV-Verbindungen. Greifswald, 1997.

38 Hartmann, Peter: Die katholischen Verbände und der Wingolf im Rahmen der deutschen Geschichte. In: Brandt: „Der Burschen Herrlichkeit“, S. 289-311.

39 Stickler, Matthias: Der Würzburger Bund von 1864. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des politischen Katholizismus in Deutschland. In: Ders. u.a. (Hrsg.): Zwischen Korporation und Konfrontation. Beiträge zur Würzburger Universitäts- und Studentengeschichte. Köln, 1999, S. 239-259.

40 Das einzige Werk zur Bonner Union ist das 1930 erschienene Buch Weiß’. Siehe Fußnote 1. Ebenso relevant ist Wolfs Verbindungsgeschichte der Bavaria von 1914. Siehe ebenda. Für die einzelnen Verbände ist ein Blick in die Verbandsge- schichten von Cardauns, Werr und Hoeber ergiebig. Siehe Cardauns, Hermann: Fünfzig Jahre Kartell-Verband (1863-1913). Kempten, München, 1913; Werr, Florian (Hrsg.): Geschichte des Cartell-Verbandes der katholischen deutschen Studenten- Verbindungen. Paderborn, 1890; Hoeber, Karl: Religion, Wissenschaft, Freundschaft. Der Kartellverband der katholischen Studentenvereine Deutschlands (KV). Werden und Wachsen, Wesen und Bedeutung, Aufgaben und Ziele. Überarbeitete Neuauflage, Mönchengladbach, 1921 (1913). Für die Arminia vgl. Rick, Herman-Joseph und Senff, Heinzgeorg (Hrsg.): Arminia 1863-1963. Bonn, 1963.

41 Die Erschließung bisher noch unpublizierter Quellen war in der Recherchephase zu dieser Magisterarbeit ausdrücklich angestrebt. Es stellte sich jedoch heraus, dass weder die Verbands- und Institutions-, noch die Universitäts- und Stadtarchive neues beisteuern konnten. Auch der Besuch des erzbischöflichen Archivs in Köln und der (oft nur von Laien betreuten) Archive einzelner Bonner Verbindungen und Vereine konnte keine neuen Quellen erschließen. Dies soll aber eine detaillierte Recherche für nachfolgende Untersuchungen nicht als von vorneherein zum Scheitern verurteilt klassifizieren.

42 Vgl. u.a. Ssymank: Studententum, S. 214; Finke: Hochachtungsschluck, S. 49; Klose: Freiheit, S. 160.

43 Nur stellvertretend seien für die Zeit vor dem 2. Weltkrieg hier die Reichskanzler Georg von Hertling (CVer und KVer in München, Berlin, Münster und Bonn), Heinrich Brüning (KVer in München, Straßburg und Bonn) und Wilhelm Marx (CVer in Straßburg und Münster und anlässlich seiner ablehnenden Haltung zur sich abzeichnenden Machtübernahme der Nationalsozialisten 1932 Ehren-KVer in Bonn) genannt. Für die frühe Bundesrepublik Konrad Adenauer (KVer in Bonn und München), Kurt-Georg Kiesinger (KV, Bonn), Kardinal Joseph Frings (KVer in Freiburg und Bonn) und August Ever- ding (KVer in Bonn und München). Für die Gegenwart mögen Persönlichkeiten wie Klaus Kinkel (CVer in Tübingen), Friedrich Merz (CVer in Bonn) oder Thomas Gottschalk (CVer in München) als Beispiele genügen. Siehe www.kstv- arminia.de, sowie Gesamtverzeichnis des CV 2001. Die Verbindungen des CV mit ihren Ehrenmitgliedern, Alten Herren und Studierenden. Herausgegeben vom CV Sekretariat. Kirchheim, 2001.

44 In der Schweiz war bereits 1841 mit dem „Schweizerischen Studentenverein“ ein erster katholischer Studentenzusammenschluss entstanden. Er stand jedoch in keinem Zusammenhang mit der Entwicklung in Deutschland. Vgl. das umfassende Werk unter der Leitung von Urs Andermach: „Den Riesenkampf mit dieser Zeit zu wagen...“ Schweizerischer Studentenverein 1841-1991. Luzern, 1993.

45 1873 wurde sie wieder gegründet. Seither existiert sie als „Katholische deutsche Studentenverbindung“ (KDStV) mit Ausnahme einer zwangsweisen Auflösung in der NS-Zeit ununterbrochen.

46 Siehe Brandt: Modernisierung und Antimodernismus, S. 122.

47 Die Ursprünge studentischer Korporationen in den Beneluxstaaten, Osteuropa und der Schweiz sind unverkennbar von der Entwicklung in Deutschland und Österreich beeinflusst. Erscheinungen wie die amerikanischen Fraternities oder spanische Tunas haben völlig andere Ursprünge. Ihr Erscheinungsbild und ihre Traditionen unterscheiden sich erheblich von denen deutscher Korporationen. Ein Zusammenhang kann nicht nachgewiesen werden.

48 Klose, Werner: Freiheit schreibt auf eure Fahnen. 800 Jahre deutsche Studenten. Oldenburg/Hamburg, 1967, S. 17.

49 Unter nationes ist das hochmittelalterliche universitäre Gliederungsprinzip der Studenten nach ihrer geographischen und sprachlichen Herkunft zu verstehen - als gildeförmige, durchaus den Zünften vergleichbare Sozietäten. Ausgehend von Bo- logna übertrug sich die Einrichtung über Paris auch an den deutschen Hochschulen. Siehe: Müller, Rainer A.: Landsmann- schaften und studentische Orden an deutschen Universitäten des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Brandt: Der Burschen Herr- lichkeit. S. 123-34. Gegenüber Müller und Klose sieht Krause in den n ationes eine offiziöse Einrichtung mit behördlicher „Zwangsmitgliedschaft“. Vgl. Krause: Burschenherrlichkeit, S. 20f. Angesichts zunehmender Regionalisierung und Konfes- sionalisierung im Laufe des 16. Jahrhunderts verlor dieses archaische System an Bedeutung. Seine Überbleibsel finden sich aber beispielsweise noch im Leipzig und Wien des 19. Jahrhunderts. Vgl. Steindl, Astred: Die Akademischen Nationen an der Universität Wien. In: Mühlberger, Kurt und Maisel, Thomas (Hrsg.): Aspekte der Bildungs- und Universitätsgeschichte. 16.-19. Jahrhundert (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs Universität Wien 7). S. 15-39.

50 Als eine Art Gemeinschaftswohnheim der Studenten mit einem Magister waren die Bursen kennzeichnend für das studen- tische Leben des Mittelalters. Dabei handelte es sich teilweise um kostspielige Unterkünfte, teilweise um stipendiäre Ein- richtungen. Gekennzeichnet waren sie durch strenge Vorschriften, die ihnen einen „fast klösterlichen“ Charakter verliehen. Die Reformation setzte ihnen zunächst auf protestantischem Gebiet ein Ende. Siehe Paschke, Robert: Studentenhistorisches Lexikon. St. Augustin, 1999, S. 61. Ausläufer im katholischen Bereich lassen sich noch in den Konvikten des 19. Jahrhun- derts finden.

51 Brandt, Harm-Hinrich: Universität und Studenten in Deutschland zwischen alteuropäischer und moderner Welt. In: Wider Zopf und Philisterey. Deutsche Studenten zwischen Reformzeit und Revolution (1800-1850) (= Kleine Drucke der Universitätsbibliothek Würzburg. Bd. 4). Würzburg, 1985 (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung). S. 20-55. Hier S. 22.

52 = Freiheit vom Leben in der Burse. Es herrscht etymologischer Konsens darüber, dass sich das deutsche Wort Bursch, später gleichbedeutend mit Student, vom lateinischen bursa, der Gemeinschaftskasse der mittelalterlichen Wohnheime (als pars pro toto namensgebend für die gesamte Einrichtung) entwickelte. Siehe Paschke: Lexikon, S. 58.

53 Jarausch: Deutsche Studenten, S. 9.

54 Siehe Keil, Richard und Robert: Geschichte des Jenaischen Studentenlebens von der Gründung der Universität bis zur Gegenwart (1548-1858). Leipzig, 1858, S. 63; Ssymank: Deutsches Studententum, S. 86; Brügmann, A.: Zucht und Leben der deutschen Studenten 1648-1848. Berlin, 1941. S. 14.

55 Dies belegen die Statuten zweier Rostocker Landsmannschaften, der Mark Brandenburger und der Westfalen, die einen Einblick in die innere Organisation und die Prinzipien dieser Zusammenschlüsse geben. In: Brügmann: Zucht und Leben, S. 58f. und S. 97ff.

56 Brandt: Universität und Studenten, S. 23.

57 Der Begriff leitet sich von der Schreibfeder (lat. Penna) ab, die die Neulinge meist mit sich führten. Für ausführliche Schilderungen mit zahlreichen anschaulichen Quellen siehe u.a. Tholuck, A.: Das akademische Leben des siebzehnten Jahr- hunderts (= Vorgeschichte des Rationalismus 1), Halle, 1853; Bruchmüller, Wilhelm: Das deutsche Studententum von sei- nen Anfängen bis zur Gegenwart (= Aus Natur und Geisteswelt, Bd. 477), S. 32-56; Ssymank: Studententum, S. 95-107.

58 So klassifiziert Klose die Landsmannschaften als „Terrororganisationen der Studentenschaft“. Siehe Klose: Freiheit, S. 73. Zahllose behördliche Edikte gegen Pennalismus und Landsmannschaften im 17. Jh. unterstützen diese These. Sogar der Reichstag beschäftigte sich mit dem Phänomen und verbot die „National-Conventicul“. Siehe: Beschluß des Corpus Evan- gelicorum gegen den Pennalismus auf dem Regensburger Reichstag 1654. Appell an die Obrigkeit. Strafen. In: Brügmann: Zucht und Leben, S. 62-66. Ein unmittelbarer Zusammenhang ist allerdings nur bedingt nachzuweisen. Die Tatsache, dass pennalistische Phänomene nicht überall dort verbreitet waren, wo es Landsmannschaften gab, macht ebenso eine differen- ziertere Betrachtung nötig, wie die Tatsache, dass diese auch nach dem Ende des Pennalismus weiter bestanden. Das ganze pennalistische System ist eher im Zusammenhang mit den generellen grobianistischen Zügen der Epoche des Dreißigjähri- gen Krieges zu sehen, der durch seine ungeahnte Brutalität und Dauer zu einer Verrohung der gesamten Gesellschaft führte und massive Auswirkungen auf die Studentenschaft hatte, die ihre Affinität zur Soldateska deutlich durch ihre Kleidung „mit Degen, Federhut, Stiefeln und Sporen“ zeigte (Meyfart, J. M.: Christliche Erinnerung. Zitiert nach Keil: Jenaisches Studentenleben, S. 98).

59 Die bis heute im Korporationswesen für die Neumitglieder gebräuchliche Bezeichnung „Fuchs“ taucht neben zahllosen anderen diffamierenden Bezeichnungen (Quasimodogeniti, Innocentes, Säuglinge, Spülwürmer etc.), die die Unreife der Erstsemester verdeutlichen sollten, erstmals auf. Der Begriff leitet sich wohl vom lateinischen faex für Bodensatz her. Die Herkunft ist aber umstritten. Vgl. Paschke: Lexikon, S. 113f und Böcher, Otto: Kleines Lexikon des studentischen Brauch- tums (= Schriftenreihe aus dem Wingolf 4). Zweite überarbeitete und vermehrte Auflage, Hannover, 2001. S.101-104.

60 Für die katholischen Hochschulen finden sich so gut wie keine Belege über pennalistisches Treiben, ebenso wenig für die Entstehung von Landsmannschaften. Die stärkere Aufsicht in den oftmals jesuitischen Lehranstalten mag dafür eine Erklä- rung sein.

61 Steinmetz, Max u.a.: Geschichte der Universität Jena 1548/58-1958. Festgabe zum vierhundertjährigen Universitätsjubiläum. Band I: Darstellung. Jena, 1958, S. 147.

62 Vgl. zum vermehrten Auftreten adeliger Studenten: Müller, Rainer A.: Aristokratisierung des Studiums? Bemerkungen zur Adelsfrequenz an süddeutschen Universitäten im 17. Jahrhundert. In: Geschichte und Gesellschaft 10 (1983), S. 31-46.

63 Brandt: Modernisierung und Antimodernismus, S. 125.

64 Als Schleife am Degen, Quaste oder Feder am Hut oder Scherpe über der Brust. Die im 19. Jahrhundert übliche Form farbiger Brustbänder trat noch nicht auf. Zum Farbentragen vgl. Fußnote 217.

65 Von “Comment faire et comment vivre“. Die erste, eher ironisch gemeinte, niedergeschriebene (aber noch nicht gedruckte) Form eines solchen Comments, der sich vor allem mit Trinkritualen beschäftigte, erschien 1616 unter dem vielsagenden Pseudonym des “Blasius Vielsauf“. Vgl. Golücke, Friedhelm: Studentenwörterbuch. Das akademische Leben von A bis Z. Graz/Wien/Köln, 1987, S. 97.

66 Jarausch: Deutsche Studenten, S. 14.

67 Siehe die Statuten einer Jenenser Landsmannschaft nach Friedrich Christian Laukhards Lebenserinnerungen bei Krause: Burschenherrlichkeit, S. 41f. Ähnliches bei Jarausch: Deutsche Studenten, S. 17f.

68 Seit 1770 setzte sich der Begriff Comment durch. Das älteste gedruckte Werk stammt aus dem Jahr 1778 und wurde von C. Gleiss unter dem Pseudonym „Martialis Schluck Raufenfeldensis“ als „dissertatio de norma actionum studiosorum seu von dem Burschencomment“ in Erlangen publiziert. Siehe Paschke: Lexikon, S. 68. Dieser Comment erfuhr bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche Auflagen, ist aber angesichts des Verfasserpseudonyms und des Titels möglicherweise weniger ernsthaft zu verstehen als der 1792 als Verständigung zwischen Landsmannschaften und Orden in Jena entstandene Comment. Siehe Krause: Burschenherrlichkeit, S. 64.

69 Brandt: Modernisierung und Antimodernismus, S. 125.

70 Vgl. hierzu ausführlich: Hardtwig, Wolfgang: Studentenschaft und Aufklärung. Landsmannschaften und Studentenorden in Deutschland im 18. Jahrhundert. In: Franςois, Etienne (Hrsg.): Socialité et société bourgeoise en France, en Allemagne et en Suisse, 1750-1850. Paris, 1986, S. 239-260. Weiterführend: Bauer, Joachim und Riederer, Jens (Hrsg.): Zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit. Jenaer Freimaurer und studentische Geheimgesellschaften. Jena/Erlangen, 1991.

71 Die Aufnahmerituale der Orden wurden vom Gros der späteren Verbindungstypen ebenso übernommen, wie Geheimzeichen und die so genannten „Zirkel“ als verschlungene Abkürzungen der Verbindungsnamen oder deren Wahlspruches. Siehe Krause: Burschenherrlichkeit, S. 44-48. Vgl. Abbildung 10 im Anhang.

72 Statt beim Duell wollten die „Schokoladisten“ Streitigkeiten bei einer Tasse Schokolade, dem damaligen studentischen Modegetränk, schlichten. Bis zu 300 Anhänger hatte laut Krause diese Anti-Duell-Bewegung in den 1790er Jahren in Jena. Siehe Krause: Burschenherrlichkeit, S. 43.

73 Brandt: Universität und Studenten, S. 28.

74 Schleiermacher, Friedrich: Gelegentliche Gedanken über Universitäten im deutschen Sinn. Berlin, 1808, S. 33. Zitiert nach Steiger: Magister, S. 79.

75 Fichte, Johann Gottlieb: Über die Bestimmung des Gelehrten. Jena, 1794. Zitiert nach ebenda, S. 74f.

76 Siehe Humboldt, Wilhelm von: Über die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin. Berlin, 1810. In: Ders.: Schriften zur Politik und Bildungswesen (= Werke in fünf Bänden, Bd. 4). 6. Auflage, Darmstadt, 2002 (1964), S. 255-266.

77 Klose: Freiheit, S. 134.

78 Siehe Rassem, M.: Die problematische Stellung der Studenten im sogenannten Humboldtschen System. In: Studien und Berichte der katholischen Akademie in Bayern 44 (1968), S. 15-33.

79 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 475.

80 Unter Convent ist eine Mitgliederversammlung einer oder mehrerer Studentenkorporationen unter der Leitung eines gewählten Vorsitzenden mit demokratischem Abstimmungsprinzip zu verstehen.

81 Unter Verschiss verstanden die Studenten die Ächtung eines Kommilitonen, Professoren oder Bürger, der sich eines Comment -Vergehens schuldig gemacht hatte. Besonders für Handwerker, Schneider, Wirtsleute oder Schwertfeger in kleineren Städten konnte dies existenzbedrohende wirtschaftliche Folgen haben. Vgl. Paschke: Lexikon, S. 285.

82 Unter diesem Begriff titulierten nicht nur Korporationsstudenten die nicht zur Universität gehörigen Bürger ihrer Stadt.

83 Der deutschtümelnde „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn, ein Feind der Corps und bereits Ende des 17. Jahrhunderts „U- nitist“, legte bereits 1811 dem Berliner Rektor Fichte den „Statutenentwurf für eine Burschenschaft“ vor, in der er vor allem die Liebe für ein deutsches Vaterland als höchste Pflicht des Studenten bezeichnete. Siehe Krause: Burschenherrlichkeit, S. 81. Fichte, der jegliche Form studentischer Zusammenschlüsse verurteilte, lehnte ab. 1814 gründeten in Halle rückkehrende Kriegsfreiwillige eine „Teutonia“ mit dem Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“.

84 Einen guten knappen Überblick bietet hierzu: Hardtwig, Wolfgang: Vormärz. Der monarchische Staat und das Bürgertum. Vierte, aktualisierte Auflage, München, 1998 (1985), S. 9-20.

85 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 280.

86 Klose: Freiheit, S. 136.

87 Jarausch: Deutsche Studenten, S. 36.

88 Wie bereits angedeutet, ist diese Bewegung nicht als gänzlich neu zu werten. Auf Kontinuitätslinien zwischen Burschenschaft und älteren studentischen Reformideen hat besonders Wolfgang Hardtwig hingewiesen. Vgl. Hardtwig, Wolfgang: Zivilisierung und Politisierung. Die studentische Reformbewegung 1750 - 1818. In: Malletke: 175 Jahre Wartburgfest, S. 31-60. Ähnlich ders.: Krise.

89 Die meisten Gründer kamen aus der Jenaer Landsmannschaft „Vandalia“. Von ihr übernahm die Urburschenschaft nicht nur einen Großteil der Statuten, sondern auch die Farben: Schwarz, Rot und Gold. Der Historiker (und Burschenschafter) Treitschke wies den unmittelbaren Zusammenhang der Entstehung der ersten Burschenschaftsfahne mit der Vandalia nach. Die romantische Erklärung, diese Farben seien auf die Uniform der Lützower Jäger zurückzuführen, ist zwar nachvollzieh- bar, aber nicht belegt. Siehe Paschke: Lexikon, S. 59. Es ist zu vermuten, dass die Übereinstimmung der Vandalen-Farben mit denen der Lützowschen die Burschenschafter bestärkt hat, sie als die ihren zu akzeptieren. Darüber hinaus will Klose wissen, dass sich die Führer der Urburschenschaft für ihre Rolle in Duellen qualifizieren mussten, was „Böses ahnen“ lässt. Vgl. Klose: Freiheit, S. 142.

90 Einladungsschreiben der Jenaischen Burschenschaft an die protestantischen Universitäten Deutschlands. Jena, 1. August, 1817. In: Kühn, Hugo: Das Wartburgfest am 18. Oktober 1917. Zeitgenössische Darstellungen, archivalische Akten und Urkunden. Weimar, 1913, S. 11-13. Hier S. 11.

91 Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. 1: Reform und Restauration 1789 bis 1830. Stuttgart u.a., 1967, S. 718.

92 Riemann, [ohne Vorname]: Rede im Minnesängersaale der Wartburg. Eisenach, 18. Oktober 1817. In: Kühn, Hugo: Das Wartburgfest am 18. Oktober 1917. Zeitgenössische Darstellungen, archivalische Akten und Urkunden. Weimar, 1913. S. 56-63. Hier S. 57.

93 Ebenda, S. 62. Klaus Malletke weist im Widerspruch zu Steiger und anderen darauf hin, dass der grundsätzliche Tenor der Wartburg-Reden allerdings keineswegs revolutionär gewesen sei und „die große Mehrheit der Burschenschafter auf Reformen, auf eine Politik der Vereinbarungen“ setzte. Siehe Malletke, Klaus: Zur politischen Bedeutung des Wartburgfestes im Frühliberalismus. In: Ders. (Hrsg): 175 Jahre Wartburgfest, S. 09-30. Hier S. 19ff.

94 Im Anschluss an die offizielle Feier verbrannte eine Gruppe radikaler Studenten unter Schmährufen Faksimiles konserva- tiver literarischer Werke ihrer vermeidlichen Gegner sowie des Code Napoleon und als Symbole der verhassten restaurati-

95 Jarausch: Deutsche Studenten, S. 37.

96 Malletke: Politische Bedeutung, S. 24.

97 Brandt: Universität und Studenten, S. 45.

98 Siehe Malletke, Klaus: Das Wartburgfest in den Berichten französischer und britischer Diplomaten. In: Ders.: 175 Jahre, S. 153-168.

99 Klose: Freiheit, S. 147.

100 Jarausch sieht in der Tat trotz ihrer gewissen „Lächerlichkeit“, den „Anfang des modernen politischen Terrorismus in Deutschland“. Siehe Jarausch: Deutsche Studenten, S. 40.

101 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 283.

102 Im wesentlichen bestanden die Beschlüsse aus drei Gesetzen: Mit einem Universitätsgesetz wurde die Burschenschaft verboten, missliebiges Lehrpersonal entfernt und die Universitäten mittels eines außerordentlichen Bevollmächtigten strikt überwacht. Das Pressegesetz führte eine scharfe Vor- und Nachzensur ein und das Untersuchungsgesetz schaffte mit der Einrichtung einer Zentral-Untersuchungskommision die Grundlage für eine bundesunabhängige „Demagogenverfolgung“.

103 Hardtwig: Vormärz, S. 18.

104 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 279.

105 Jarausch: Deutsche Studenten, S. 40.

106 Vgl. Steiger: Magister, S. 93. Ähnlich Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 479; sowie Jeismann, Karl-Ernst und Lundgreen, Peter (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Bd III. 1800-1870. Von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches. München, 1987. S. 237.

107 Beschlüsse des Stuttgarter Burschentages von 1832. Zitiert nach Griewank: Deutsche Studenten, S. 13.

108 Siehe auch Brandt, Peter: Von der Urburschenschaft bis zum Progreß. In: Brandt: „Der Burschen Herrlichkeit“. S. 35-61.

109 Die Begriffe „Liberalismus“ und „liberal“ umfassen ein weites Feld teilweise divergierender und vor allem nicht nur po- litischer, sondern auch allgemein intellektueller, sozialer und moralischer Denk- und Verhaltensweisen. Eine Definition für einen eindeutigen Gebrauch in dieser Arbeit fällt schwer, da das Verständnis von „liberal“ im betrachteten Zeitraum einem erheblichen Wandel unterliegt. Im Prinzip sind in dieser Arbeit drei Gebrauchsweisen zu unterscheiden, die sich je nach Kontext erschließen: Zunächst meint „liberal“ in noch heute gebräuchlicher Verwendung eine allgemein freiheitliche und vorurteilslose Gedankenhaltung. Im politischen Diskurs meint „Liberalismus“ in dieser Arbeit eine auf neuhumanistischen Einfluss zurückgreifende Bewegung, die individuelle persönliche Freiheit für den Einzelnen im Gemeinschafts-, also Staatswesen, durchsetzen will und dabei konstitutionelle bis demokratische oder gar radikale Vorstellungen zunehmend vermischt und überlieferte Autoritäten nur teilweise akzeptiert. Diese Bewegung überschneidet sich zudem geistig mit dem Nationalitätsgedanken, sowie dem Humboldtschen Bildungsideal. In einer dritten Interpretation verstehen vor allem die in dieser Arbeit zitierten katholischen Quellen „liberal“ als beinahe ausschließlich protestantische Geisteshaltung, die Säkulari- sation und Irreligiosität fördert und letztlich in radikalem Systemumsturz und Massendespotie endet. „Liberal“ und „katho- lisch“ stehen sich somit teilweise ausschließend gegenüber, wobei sich im Umfeld von Görres und des Münchner Kreises die Grenzen überschneiden. Siehe Walther, Rudolf: Liberalismus. In: Brunner, Otto u.a. (Hrsg.): Geschichtliche Grundbeg- riffe, Bd. 3. H-M. Stuttgart, 1982, S. 741-815.

110 Staatslexikon, Enzyklopädie der Staatswissenschaften. Das 1834 erstmals erschienene Werk gilt als „umfassendste theo- retische Leistung dieses professoralen deutschen bürgerlichen Liberalismus“ und „passive Form der Opposition“. Siehe Stei- ger: Magister, S. 98.

111 Siehe Jarausch: Deutsche Studenten, S. 44.

112 Klose: Freiheit, S. 159.

113 Brandt: Universität und Studenten, S. 49. „Renonce“ bedeutete bei den Corps aber seit den 1820er Jahren ebenfalls die Vorstufe zur Vollmitgliedschaft als Corpsbursche, mit Verleihung (Renoncierung) eines speziellen Bandes. Wie bei anderen Verbindungen wurden die Renoncen aber seit Mitte des Jahrhunderts zunehmend als „Füchse“ tituliert. Siehe Paschke: Le- xikon, S. 222f.

114 Zitiert nach Hoeber: Religion, Wissenschaft, Freundschaft, S. 21. 18

115 Wehler: Gesellschaftsgeschichte, S. 505.

116 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 470-482. Inzwischen gilt es in der Forschung als communis opinio, dass Realität und Humboldtsche Idealvorstellungen im 19. Jh. weit auseinander lagen. Die durch die ältere Wissenschaftshistoriographie betriebene Mythologisierung der Humboldtschen Universität war vornehmlich bedingt durch eine auf Preußen fokussierte Sicht, die Restdeutschland ausblendete und darüber hinaus mehr von der Humboldt-Idee als ihrer Umsetzung im kulturellen und sozialen Kontext ausging. Siehe als Einführung hierzu das Vorwort in Schubring, Gert (Hrsg.): ‚Einsamkeit und Freiheit’ neu besichtigt. Universitätsreformen und Disziplinenbildung in Preußen als Model für Wissenschaftspolitik im Europa des 19. Jahrhunderts (= Boethius. Texte und Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften. Band XXIV). Stuttgart, 1991. Einen Überblick zu diesem Diskurs leistet ebenda Turner, Steven R.: German Science, German Universities. Historiographical Perspectives from the 1980s. S. 24-36.

117 Vierhaus, Rudolf: Umrisse einer Sozialgeschichte der Gebildeten in Deutschland. In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 60 (1980), S. 395-419. Hier S. 405.

118 Prahl: Sozialgeschichte, S. 233ff.

119 Zitiert nach Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 496f.

120 Wehler: Gesellschaftsgeschichte, S. 507.

121 Zahlen nach Jarausch: Deutsche Studenten, S. 28. Ebenso bei Wehler: Gesellschaftsgeschichte, S. 517.

122 Die Gründe mögen in der geographischen Verteilung der Konfessionen liegen: Katholiken wohnten eher in kleinen und mittelgroßen Gemeinden auf dem Land, während die evangelische Bevölkerung in urbaneren Regionen lebte. Das hatte Konsequenzen für den Zugang zu höherer Bildung.

123 Siehe Jeismann: Handbuch, S. 230.

124 Siehe Prahl: Sozialgeschichte, S. 279.

125 Siehe ebenda S. 286f. Ebenso Jarausch: Deutsche Studenten, S. 31, sowie Jeismann: Handbuch, S. 240. Mergel bestätigt diese Zahlen auch dezidiert für den Raum der Kölner Erzdiözese. Siehe Mergel, Thomas: Zwischen Klasse und Konfession. Katholisches Bürgertum im Rheinland 1794-1914 (= Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte. Bd. 9). Göttingen, 1994, S. 252.

126 Siehe Boogmann: Wissen und Widerstand, S. 219.

127 Zitiert nach Ennen, Edit und Höroldt, Dietrich: Vom Römerkastell zur Bundeshauptstadt. Kleine Geschichte der Stadt Bonn. Dritte, neubearbeitete und erweiterte Auflage, Bonn, 1977 (1967), S. 202.

128 Vgl. Rehfues, Philipp Joseph von: Die Ansprüche und Hoffnungen der Stadt Bonn vor dem Thron ihres künftigen Herrschers niedergelegt. Bonn, 1814. Rehfues wurde erster Kurator der Universität.

129 Rehfues: Ebenda. Zitiert nach Moulin Eckart, Richard Graf du: Geschichte der deutschen Universitäten. Stuttgart, 1929, S. 402.

130 Siehe Ennen: Römerkastell, S. 200.

131 Braubach, Max: Kleine Geschichte der Universität Bonn (= Alma Mater. Beiträge zur Geschichte der Universität Bonn, Bd. 1). S.10. Eine verbesserte und erweitert Neuauflage erschien 1968 in Bonn, bietet aber im Prinzip nur für die Zeit nach 1914 neues.

132 Zuvor hatte sie lediglich „Rhein-Universität“ geheißen. Siehe Dyroff, Adolf: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. In: Doeberl, Michael u.a. (Hrsg.): Das akademische Deutschland, Bd.1. Berlin, 1930, S. 83-96. Hier S. 83.

133 Nach den Karlsbader Beschlüssen wurden die Häuser von Ernst Moritz Arndt und der Gebrüder Welcker durchsucht, Papiere beschlagnahmt und Arndt über 20 Jahre ohne Verfahren von seinem Lehramt suspendiert. Es kam zu „eine[r] gewal- tige[n] Erregung“ unter den Studenten, deren burschenschaftliche „Allgemeinheit“ bald auch verboten wurde. Siehe Ennen: Römerkastell, S. 202ff.

134 Für eine ausführliche Übersicht über die Lehrkräfte in Bonn vgl. Dyroff: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität.

135 Jeismann: Handbuch, S. 223.

136 Siehe Ennen: Römerkastell, S.194f. Ebenso Braubach: Kleine Geschichte, S. 11. Laut Höroldt war jeder dritte bis vierte Taler, der um 1830 in Bonn ausgegeben wurde, universitätsbedingt. Siehe Höroldt, Dietrich (Hrsg.): Geschichte der Stadt Bonn. Bd. 4: Von einer französischen Bezirksstadt zur Bundeshauptstadt 1794-1989. Bonn, 1989, S. 123.

137 Siehe Hauptmann: Katholischer Verein, S. 34-39. Hauptmann stützt sich in seinem Werk auf die - freilich katholisch- intentional - geschilderte Denkschrift des Dekans Floß, der u.a. die Auseinandersetzungen zwischen Staat und Erzbistum über die Finanzierung des Konviktes, das Besetzungsrecht der Vorsteher etc. aufzeigt. Vgl.: Floß, Heinrich: Denkschrift ü- ber die Parität an der Universität Bonn mit einem Hinblick auf Breslau und die übrigen Preußischen Hochschulen. Ein Bei- trag zur Geschichte deutscher Universitäten im neunzehnten Jahrhundert. Nebst Beilagen. Freiburg, 1862. Hier besonders S. 106-137. In seiner Darstellung erscheint Hauptmann mir aber ebenso bemüht einseitig und unreflektiert katholisch wie Schaarschmidt 100 Jahre zuvor begeistert preußisch. Vgl. Schaarschmidt, Karl: Kurzgefaßte Geschichte der Universität Bonn. 1818-1855. Bonn, 1856.

138 In der Bulle „De salute animarum“ hatte Preußen 1821 der Kirche die komplette Ausbildung ihres Priesternachwuchses in der jeweiligen Bischofsstadt zugesichert. Siehe Bernards, Matthäus: Das theologische Konvikt in Bonn. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein. Heft 153/154 (1953), S. 201-235. Hier S. 201.

139 Zitiert nach Floß: Denkschrift, S. 107.

140 Zitiert nach ebenda.

141 So in einem Schreiben an Erzbischof Spiegel vom 14. April 1825. Zitiert nach ebenda, S. 108. 22

142 Siehe Bernards: Konvikt, S. 216.

143 Zahlreiche Posten blieben lange vakant. Floß spricht in seiner Denkschrift von „augenfällige[r] Zurücksetzung“ und „fortdauernde[r] Verwaisung der Hauptlehrvorträge“. Floß: Denkschrift, S. 117.

144 Spiegel, der Hermes schon aus Münsteraner Zeiten kannte, berief ihn unter anderem in das Kölner Domkapitel und machte ihn als Synodalexaminator zum persönlichen Berater in theologischen Fragen. Siehe Lauscher, Albert: Die katho- lisch-theologische Fakultät der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Bonn (1818-1918). Düsseldorf, 1920, S. 18f.

145 Siehe Lauscher: Fakultät, S. 27. Nach dem Hör-Verbot konnten Achterfeld oder Hilger die Besucher ihrer Vorlesungen an einer Hand abzählen, während sich bei Klee die Hörerzahlen auf die Hundert zubewegten.

146 Ebenda, S. 29. Die Parteinahme Preußens zu Gunsten der hermesianischen Sache, kann nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Mischehenstreit (siehe unten) gesehen werden.

147 Einige engagierten sich in öffentlichen Erklärungen auf Seiten Achterfeldts, andere gegen ihn. Es kam zu „eine[r] bemerkenswerte[n] Spaltung innerhalb der Theologenschaft“. Generell sank die Disziplin im Konvikt, bis hin zu „Trinkgelagen“ und „Maskenbällen“. Vom „Verlust aller Autorität“ war die Rede. Im Konvikt gäbe es kein „Zeichen, aus welchem man auf eine katholische Einwohnerschaft schließen könnte“, so der neue Leiter Dieringer nach der Amtsübernahme 1843. Zitiert nach Bernards: Konvikt, S. 222.

148 Waren im Wintersemester noch 340 Studenten für katholische Theologie eingeschrieben, waren es im Sommersemester 1840 nur noch 84. Siehe Immatrikulationszahlen der Universität Bonn vom Wintersemester 1821/22 bis Wintersemester 1855/56. In: Schaarschmidt: Kurzgefaßte Geschichte, S. 24-28.

149 Bezold, Friedrich von: Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität von der Gründung bis zum Jahr 1870. Bonn, 1820. S. 368.

150 Der Gottesdienst wurde sowohl von den Studenten als auch von den katholischen Bürgern Bonns, die insbesondere Die- ringers Kanzelreden schätzten, gerne besucht. Überhaupt vertiefte Dieringer, der später auch ins Kölner Domkapitel berufen wurde, in seiner beinahe dreißigjährigen Tätigkeit in Bonn, den Kontakt der Fakultät zur Bürgerschaft. So durch seine Rolle bei der Gründung des Borromäusvereins, dem er lange vorsaß. Siehe Lauscher: Fakultät, S. 30 und 78.

151 Siehe Ennen: Römerkastell, S. 205f. Vgl. die Zahlen bei Schaarschmidt: Kurzgefaßte Geschichte, S. 24-28.

152 Siehe Ennen: Römerkastell, S. 206.

153 Nach über 20 Jahren Ruhigsetzung. Arndt empfand dies bei aller Begeisterung in Kreisen der Professoren- und Studen- tenschaft weniger als späte Genugtuung denn als Almosen, wie er im Bezug auf seine Ordensverleihung 1842 äußerte: „Der König hat mich geadlert, das ist wie eine Blume aufs Grab gelegt“. Zitiert nach Moulin Eckart: Geschichte, S. 417.

154 Siehe Wehler: Gesellschaftsgeschichte, S. 470f; Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 401-410. Vgl. zur Reorganisation der katholischen Kirche: Ebertz, Michael: „Ein Haus voll Glorie schauet...“ Modernisierungsprozesse der römisch- katholischen Kirche im 19. Jahrhundert. In: Schieder, Wolfgang (Hrsg.): Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (= Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte. Bd. 54). Stuttgart, 1993. S. 62-85.

155 Siehe Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 408f. Vgl. Schwalbach, Helmut: Der Mainzer „Katholik“ als Spiegel des Neu- erwachenden kirchlich-religiösen Lebens in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (1821-1850). Mainz (Diss.), 1966.

156 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 411.

157 Siehe oben. Zur Geschichte der Priesterausbildung in Bonn vgl. Evertz, Wilfried (Hrsg.): Im Spannungsfeld zwischen Staat und Kirche. 100 Jahre Priesterausbildung im Collegium Albertinum (= Studien zur Kölner Kirchengeschichte. Bd. 26). Siegburg, 1992.

158 Nipperdey: Deutsche Geschichte, S. 416.

159 Zitiert nach Hauptmann: Katholischer Verein, S. 28.

160 Siehe Ennen: Römerkastell, S. 186ff.

Ende der Leseprobe aus 118 Seiten

Details

Titel
Bavaria und die Bonner Union 1844-1867. Die Frühzeit katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
118
Katalognummer
V26805
ISBN (eBook)
9783638290364
Dateigröße
1930 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verein, Studenten, Bavaria, Bonner, Union, Beitrag, Frühzeit, Studentenvereinigungen, Deutschland
Arbeit zitieren
Daniel Koschera (Autor:in), 2004, Bavaria und die Bonner Union 1844-1867. Die Frühzeit katholischer Studentenvereinigungen in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26805

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