Die Gefahrtragung beim Werkvertrag

Römisches Privatrecht und ABGB im Vergleich


Seminararbeit, 2013

23 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1) Werkvertrag §§ 1165 ff ABGB
a) Allgemein
b) Gefahrtragung
i. Vereitelung der Herstellung - OGH Entscheidung
ii. Zufälliger Untergang des bereits hergestellten Werkes
iii. Untauglichkeit des Werkstoffes
iv. Warnpflicht
v. Leistungsgefahrtragung

2) locatio conductio operis
a) Allgemein
i. adprobatio
b) Gefahrtragung und Sphärentheorie

3) Gegenüberstellung

Literaturverzeichnis

Vorwort

Dass ich mich mit dem Römischen Recht beschäftigt habe, ist inzwischen schon eine ganze Weile her. Die FÜM I liegt einige Jahre zurück, aber ich erinnere mich immer gerne daran, da es ein idealer Einstieg in die Rechtswissenschaften war und mir das Lösen der relativ kurzen Fälle sehr viel Spaß gemacht hat. Viele Kollegen äußern sich negativ darüber, dass der Studienplan auch das Römische Recht beinhaltet, weil sie es als nicht zeitgerecht und überflüssig empfinden, Rechtssätze, die sich nicht mehr in Geltung befinden zu lernen.

Dass jemand nicht an Geschichte im Allgemeinen interessiert ist und auch dass nicht jeder jeden Rechtsbereich lieben kann ist nicht nur verständlich, sondern sogar wichtig, aber dass einem das Römische Recht nichts bringt und dass man es nicht mehr bräuchte, dem kann ich nicht zustimmen. Würde man sich nicht zuerst an der Falllösung im Römischen Recht üben, so hätte man es mM nach wesentlich schwerer, die Fälle des geltenden Rechts zu lösen und ich weiß nicht, ob ich nicht sogar teilweise den Mut verloren hätte, wäre ich sofort mit Fällen à la FÜM II eingestiegen.

Spannend ist für mich, dass, wenn man das geltende Recht lernt, immer wieder Schemen auftauchen, die einem noch vom Römischen Recht bekannt sind. Das finde ich sehr spannend, dass Regeln und Formeln, die vor 2000 Jahren galten, noch immer aktuell sind. Wie wir vor allem bei meinem Thema, dem Werkvertrag, merken werden, hat sich einiges nicht wesentlich verändert, obwohl ganze Reiche, Kriege und 1000e Jahre zwischen der Zeit des Corpus Iuris Civilis und heute liegen.

Ich habe vor meinem Studium der Rechtswissenschaften zwei Semester Geschichte studiert, weil ich unglaublich davon fasziniert bin, was vor unserer Zeit und mit einfachsten Mitteln bereits für herausragende Leistungen geschaffen wurden - seien es nun denkerische, technische oder bauliche Leistungen, ich kann mich dafür begeistern.

Dies sind also meine Beweggründe dafür, mir dieses Seminar ausgesucht zu haben.

1. Der Werkvertrag §§ 1165ff ABGB

a. Allgemein

Durch den Werkvertrag nach dem ABGB (§§ 1165ff) verpflichtet sich ein Werkunternehmer gegenüber einem Werkbesteller zur Herstellung eines bestimmten Erfolges. Der geschuldete Erfolg kann eine bewegliche oder unbewegliche, körperliche oder unkörperliche Sache darstellen. Rechtshandlungen können im Gegensatz zu einem Erfolg tatsächlicher Natur nur Gegenstand eines Auftrages sein.1

Schwierigkeiten bereitet oft die Abgrenzung zum Dienstvertrag und zum Kaufvertrag. Dabei ist wesentlich, dass im Dienstvertrag nicht ein bestimmter Erfolg, sondern ein sorgfältiges Bemühen geschuldet wird und durch dieses ist der Vertrag bereits erfüllt, dh dass der Leistungsempfänger das Risiko des ausbleibenden Erfolges trägt, wohingegen beim Werkvertrag der Erfolg geschuldet ist und somit das Risiko des ausbleibenden Erfolges beim Unternehmer liegt. Ein Kaufvertrag wird im Zweifel angenommen, wenn der Hersteller auch das Material zur Verfügung stellt, außer die Sache ist gerade nach den Vorstellungen und Bedürfnissen des Besteller hergestellt worden, so liegt ein Werkvertrag vor. Ebenfalls von einem Werkvertrag ist auszugehen, wenn der Besteller das Material zur Verfügung stellt.2

Der Werkvertrag ist ein Zielschuldverhältnis. § 1171 ABGB verdeutlicht, dass der Tod des Werkunternehmers den Vertrag nicht beendet, außer es werden höchstpersönliche Leistungen geschuldet (ein Gemälde von eben diesem Künstler). Der Tod des Bestellers vereitelt die Vertragserfüllung nur, wenn diese sinnlos geworden ist, weil zB ein Maßanzug für den Besteller geschuldet wurde.3

Die Werklohnzahlungspflicht ist die Hauptleistungspflicht des Bestellers im Werkvertrag. Er hat das bedungene oder wenn nichts bedungen wurde ein angemessenes Entgelt zu leisten. Nur wenn ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart wird, muss der Besteller kein Entgelt leisten.4Der Werkunternehmer hat ein Retentionsrecht nach § 471 ABGB, er kann also das Werk einbehalten, bis der Besteller zahlt. Außerdem treffen ihn gewisse Sorgfalts- und Warnpflichten.5

b. Gefahrtragung

Nicht allen Problemen, die im Zusammenhang mit der vertragsmäßigen Erfüllung des Werkvertrages ergeben, kann mit den §§ 1168, 1168a ABGB Abhilfe geleistet werden. ZB lassen sich Fälle des Verzugs des Unternehmers mittels § 918 ABGB lösen6, des Annahmeverzug mit § 1419 ABGB7. Auf nachträgliche Unmöglichkeit im Sinne einer Vereitelung der Erfüllung durch den Unternehmer ist der § 920 ABGB anzuwenden.8

Das Problem der Gefahrtragung stellt sich beim Werkvertrag in zweifacher Hinsicht. Einerseits geht es darum, wer den wirtschaftlichen Nachteil trägt, wenn die Ausführung des Werkes durch Zufall unterbleibt und andererseits, wen der zufällige Untergang des bereits hergestellten Werkes trifft.9

§ 1168 ABGB regelt den Fall des Unterbleibens der Ausführung. Über diesen trifft er drei Aussagen: Absatz 1 regelt einerseits den Entgeltsanspruch bei Unterbleiben der Ausführung des Werkes wegen Umständen aus der Sphäre des Bestellers und andererseits einen Entschädigungsanspruch bei aus Verzögerung entstandener Verkürzung. Der Absatz 2 regelt ein Rücktrittsrecht des Unternehmers bei mangelnder Mitwirkung des Bestellers.10Hier soll nur auf den 1. Absatz eingegangen werden und dabei vor allem auf den ersten Regelungsgehalt.

Nach der Besprechung des § 1168 ABGB werde ich auf § 1168a ABGB eingehen, der den zufälligen Untergang des bereits hergestellten Werkes behandelt und eine Regelung über Warnpflichten des Unternehmers enthält.

Insgesamt gehen die Bestimmungen von einer ungeschriebenen Grundregel aus, nämlich, dass der Unternehmer nur dann einen Anspruch auf Zahlung des Entgelts hat, wenn er den bedungenen Erfolg tatsächlich herstellt. Somit stellen die §§ 1168, 1168a ABGB Ausnahmen, oder auch Präzisierungen (§ 1168a - ausdrückliche Zuweisung der Preisgefahr an den Unternehmer bei zufälligem Untergang des bereits hergestellten Werkes) dieses Grundsatzes dar.11

i. Vereitelung der Herstellung

Besonderheiten regelt der § 1168 ABGB für den Werkvertrag, wenn die Ausführung des Werkes durch bestellerbedingte Vereitelung und Verzögerung unterbleibt.12Es handelt sich um einen Fall der nachträglichen Unmöglichkeit, dh, die Herstellung des Werkes muss endgültig unmöglich sein.13

§ 1168 (1) ABGB Unterbleibt die Ausführung des Werkes, so gebührt dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist; er muß sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Wurde er infolge solcher Umstände durch Zeitverlust bei der Ausführung des Werkes verkürzt, so gebührt ihm angemessene Entschädigung.14

Für die Zuordnung des Unterbleibens der Ausführung zieht man hier die sogenannte „Spährentheorie“ zu Hilfe15. Anhand dieser wird überprüft, wessen Sphäre der Grund für das Unterbleiben der Ausführung des Werkes zuzurechnen ist. Es gibt drei Sphären: die des Unternehmers, des Bestellers und die neutrale Sphäre.16Auch oder vor allem Zufälle können immer einer Sphäre zugerechnet werden, selbst wenn in konkreten Fällen die Zurechnung Probleme bereitet.17Der § 1168 ABGB spricht jedoch nur von der Sphäre des Bestellers, weswegen die Sphäre des Unternehmers und die neutrale nicht weiter erklärt werden müssen, da die Zurechnung zu einer dieser Sphären die Anwendbarkeit des § 1168 nicht begründet.18

Zur Sphäre des Bestellers zählt zum Beispiel, wenn der zu Portraitierende (=Besteller) dem Maler nicht sitzt; der Invalide, für den eine Prothese hergestellt werden soll, stirbt; dem Besteller eine von ihm zu erwirkende Baubewilligung nicht erteilt wird.19

Bei § 1168 ABGB handelt es sich um dispositives Recht.20

Die Anwendung des § 1168 ABGB setzt voraus, dass ein gültiger Werkvertrag zu Stande gekommen ist. Der § 1168 ABGB ist für jene Fälle heranzuziehen, bei denen mit der Herstellung des Werkes noch nicht begonnen wurde, deren Herstellung nach Vertragsabschluss vereitelt wurde und bei denen die Ursache der Vereitelung aus der Sphäre des Bestellers stammt. All dies hat der Unternehmer - einschließlich seiner tatsächlichen Leistungsbereitschaft - darzutun und zu beweisen.21Ist das Werk vollendet und der Zeitpunkt der bedungenen Übergabe eingetroffen, so geht die Gefahrtragung jedenfalls auf den Besteller über. Auch wenn er das Werk noch nicht übernommen hat, er sich also im Annahmeverzug befindet, hat er den Werklohn zu zahlen, selbst wenn das Werk untergehen sollte.22

Die im vorangehenden Absatz erwähnte tatsächliche Leistungsbereitschaft des Unternehmers als Anwendbarkeitsvoraussetzung des § 1168 beinhaltet, dass der Unternehmer die Möglichkeit, Fähigkeit, Zeit, Mittel etc. besitzt, um das Werk tatsächlich herstellen zu können und dass er auch bereit dazu ist, es herzustellen, andernfalls gebührt ihm kein Entgelt nach § 1168 ABGB.23

§ 1168 ABGB verspricht dem Unternehmer seinen Entgeltanspruch sofern das Unterbleiben der Werkherstellung durch Umstände auf Seiten des Bestellers bedingt ist. Wie bereits erwähnt, bedeutet dies aber weder, dass den Besteller Verschulden treffen muss, noch dass spezifische Vertragsbestimmungen verletzt werden müssen.24Einzig muss nach der Sphärentheorie das Unterbleiben dem Besteller zuzurechnen sein.

Geschuldet wird das vereinbarte Entgelt (der vertragliche Werklohnanspruch) abzüglich der Anrechnungsbeträge des § 1168 (1) ABGB, sodass nur der reine Verdienst gesichert ist.25

§ 1168 soll den Unternehmer nicht besser (aber auch nicht schlechter26) stellen, als er bei Ausführung des Werkes gestanden wäre, weswegen nicht ein angemessener Preis, sondern eben der konkret vertraglich bedungene Preis als Berechnungsgrundlage dient.27 Nur dann kann von einem angemessenen Preis ausgegangen werden, wenn eine vertragliche Vereinbarung gänzlich fehlt.28Von dieser Berechnungsgrundlage muss sich der Unternehmer abziehen lassen, was er sich durch das Unterbleiben der Ausführung erspart hat. Dazu zählen zum Bespiel erspartes Material, ersparte Entlohnung Leistungen Dritter, nicht aber der Wert der ersparten Arbeitsleistung des Unternehmers selbst.

[...]


1Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 13 II (2007) 254f

2Koziol/Welser, Bürgerliches Rech 13 255

3Siehe § 1171 ABGB

4Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 13 II 257

5Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 13 II 258

6RebhahninSchwimann,ABGB³ V (2006) § 1168 Rz 6

7RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 7

8RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 11

9Koziol/Welser, Bürgerliches Recht13 II 264

10M. Bydlinskiin Kurzkommentar zum ABGB³ (2010) § 1168 Rz 1

11RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 1

12KrejciinRummel³ (2007) § 1168 Rz 1

13RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 19

14ABGB RGBl 1916/69

15Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 13 II 264

16Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht² 247

17KrejciinRummel³ § 1168 Rz 10

18RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 21

19KrejciinRummel³ § 1168 Rz 11

20KrejciinRummel³ § 1168 Rz 3

21RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 18

22Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II 265

23KrejciinRummel³ § 1168 Rz 6

24KrejciinRummel³ § 1168 Rz 7

25KrejciinRummel³ § 1168 Rz 14

26RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 33

27KrejciinRummel³ § 1168 Rz 15

28RebhahninSchwimann,ABGB³ V § 1168 Rz 33

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Gefahrtragung beim Werkvertrag
Untertitel
Römisches Privatrecht und ABGB im Vergleich
Hochschule
Universität Wien
Note
2
Autor
Jahr
2013
Seiten
23
Katalognummer
V268219
ISBN (eBook)
9783656587262
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Römisches Recht, ABGB, Österreich, Zivilrecht, Werkvertrag, Gefahrtragung
Arbeit zitieren
Iris Reiß (Autor:in), 2013, Die Gefahrtragung beim Werkvertrag, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268219

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Gefahrtragung beim Werkvertrag



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden