Die preußische ‚Revolution von Oben’ und die ‚Meiji Restauration’ in Japan. Ähnlichkeiten und Unterschiede


Hausarbeit, 2013

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Reformen in Preußen
2.1 Gesellschaft, Verwaltung, Politik
2.2 Militär
2.3 Bildung

3. Reformen in Japan
3.1 Gesellschaft, Verwaltung, Politik
3.2 Militär
3.3 Bildung

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 14. Oktober 1806 schlug die französische Armee die Streitkräfte Preußens vernichtend bei Jena und Auerstedt. Viele Bürger begrüßten die Erorberer als Befreier, da die Franzosen das Versprechen von ‚Modernität’ mit sich führten. Es gelang dem König von Preußen mit großer Mühe, seine Macht zu erhalten, wofür er aber sein halbes Reich an Napoleon abtreten musste. Die Reformbedürftigkeit Preußens war offenkundig.[1]

47 Jahre später, am 8. Juli 1853, landete eine kleine amerikanische Flotte in Tokio und konnte die Japaner dank ihrer überlegenen Waffen dazu zwingen, den Inselstaat nach einer über 250 Jahre dauernden Periode der freiwilligen weitgehenden Isolation für ausländischen Handel zu öffnen. Japans Führer kamen zu dem Schluss, dass ihr Land dringend Reformen und Modernisierung benötigte.[2]

In beiden Staaten kam es zu Reformperioden, die in kurzer Zeit erhebliche Umwälzungen mit sich brachten. Es sind viele strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Preußischen Reformen und denen der Meiji Restaurationen zu erkennen. In beiden Reichen kam es erst zu den Umwälzungen, als die eigene Rückständigkeit durch militärische Aggression von außen aufgezeigt wurde und Reformen zur Erhaltung des Staates alternativlos wurden. Im Falle Preußens war die Situation nach der militärischen Niederlage deutlich dramatischer und dringlicher, da der Staat in unmittelbarer Auflösung begriffen war. Die Entwicklung verlief in beiden Fällen von feudalistischen Strukturen zu autoritären Beamtenstaaten, in denen das Militär eine herausragende Rolle einnahm.

Ziel der Hausarbeit soll es sein, einen Überblick über beide Prozesse zu verschaffen und Ähnlichkeiten und Unterschiede herauszustellen. Hierbei soll auch untersucht werden, in welchen Bereichen sich die japanischen Reformer am preußischen System und den Erfahrungen aus den preußischen Reformen orientierten.

Diese Arbeit wird im Folgenden die Ziele und Inhalte der jeweiligen Neuordnungen und seine Trägergruppen beschreiben. Des Weiteren wird sie untersuchen, welche Widerstände den Neuordnungen entgegenstanden, und ob es gelang, jene zu überwinden. Im Fazit sollen im Sinn der Fragestellung die Ähnlichkeiten und Unterschiede heraus- sowie Erfolge und Misserfolge der Reformer dargestellt werden – wobei sich der Vergleich auf die genannten Zeiträume beschränken soll. Ein Blick auf die Mentalitäten und die Frage, ob der Weg zu Totalitarismus und Expansionskrieg schon in diesen frühen Phasen eingeleitet wurde, kann im Rahmen dieser Hausarbeit nicht erfolgen.

Eine Schwierigkeit stellt die zeitliche Festlegung beider zu untersuchenden Zeiträume dar. In beiden Fällen lassen sich zwar die Anfänge klar benennen; aber es fällt schwer, einen Zeitpunkt für das Ende der Reformperioden festzulegen. Anfangs gab es intensive Phasen des Umbaus von Staat und Gesellschaft, die sich später abschwächten, aber noch für längere Zeit weiterliefen. In der Hausarbeit soll für Preußen der Zeitraum von der Berufung Karl Freiherrs vom Stein zum Staatsminister 1807 bis zum Tod Karl Augusts von Hardenberg 1822 gewählt werden. Der Anfang der Meiji-Restauration wird durch das Abdanken des letzten Tokugawa Shoguns und das Erlangen einer neuen Machtfülle durch den Tenno Mutsuhito 1868 festgelegt. Der zu untersuchende Zeitraum soll mit dem Inkrafttreten der Verfassung 1890 enden.

Die Hausarbeit bezieht sich zu den Vorgängen in Preußen hauptsächlich auf die Überblickswerke Staatsbildung als Gesellschaftsreform von Paul Nolte und Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress von Elisabeth Fehrenbach. Hinsichtlich der Geschehnisse in Japan auf die Bücher Das moderne Japan, 1868-1952 von Gerhard Krebs und The making of modern Japan von Marius B. Jansen. Es existieren zahlreiche juristische Studien zu Preußens Einfluss auf Japans Verfassung. Die Bewertung des preußisch-deutschen Einflusses auf die japanische Regierungsstruktur ist Gegenstand unterschiedlicher Ansichten. Einige Historiker sehen in ihm einenfatalen Geburtsfehler’ des modernen Japan. Eine Mehrheit der Autoren sieht den Einfluss weniger weitreichend und negativ.[3]

2. Reformen in Preußen

Die bürgerliche Revolution hatte Frankreich umgewälzt, die Ständeordnung überwunden und die Monarchie durch eine Republik ersetzt. In Preußen beflügelten die Ereignisse und Ideen nicht nur Befürworter eines Staatsstreiches, „sondern auch […] diejenigen, die einen vorsichtigen Kurs zwischen sympathisierender Anerkennung des Fortschritts und Zurückdrängung des revolutionären Umsturzes von den deutschen Fürstenthronen steuern wollten.“[4]

Die preußische Herrscherklasse verhinderte aber alle Reformversuche. Diese konnten erst nach der militärischen Niederlagen gegen die französischen Truppen unter Bonaparte initiiert werden. Im Sommer 1806 wurde das ‚heilige römische Reich’ mit der Rheinbundakte offiziell beendet, im Oktober des nächsten Jahres marschierten die Franzosen in Berlin ein. Im Frieden von Tilsit wurde Preußen zuvor nach Fläche und Einwohnerzahl halbiert und zu einer drittrangigen Macht in Europa herabgestuft. Die Opposition des landsässigen Adels, dem zuvor entschiedensten und einflussreichsten Gegner jeglicher Veränderungen, war aufgrund der akuten Staatskrise zeitweise verstummt.

Erst jetzt wurde es den Reformern, einer kleinen, aber vorübergehend sehr einflussreichen Gruppe, möglich, zu handeln. Sie nahmen die Krise zum Anlass für tiefgreifende Veränderungen, im Sinn der Modernisierung statt Restauration.[5]

Es wurde eine Reihe von Staats- und Verwaltungsreformen angestrebt, die von gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen begleitet wurde und auf Ideen der Aufklärung beruhte. Unter den Reformern gab es sowohl Adelige als auch Bürger, ‚Liberale’ und ‚Konservative’. Laut Nolte können sie nicht als Instrument einer Klasse, des Adels oder Bürgertums interpretiert werden; und ihr Handeln sei auch nicht auf ein Klasseninteresse der Bürokratie zurückzuführen. Ihr Wirken stamme vielmehr aus einer „Identifikation mit den gedachten Interessen eines abstrakten Staates, [...] deren Durchsetzung für sie gar keine materiellen Vorteile bedeuten mußte. Insofern war auch der Idealismus der Reformer eine genuine politische Kraft.“[6]

Die Reformer stellten stets nur eine Minderheit innerhalb der Bürokratie dar und verloren ihre gestaltende Kraft zum Ende des zweiten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts im Klima der Restauration Metternichs. Zwei Männer waren für den Prozess derart wichtig, dass die Reformperiode oft nach ihnen benannt wird: Stein und Hardenberg. Beide hatten bereits vor der Katastrophe von Jena die königliche Kabinettsregierung kritisiert.[7] Karl Freiherr von Stein wurde 1807 auf Drängen Napoleons zum Staatsminister berufen. In seine nur ein Jahr währende Amtszeit fielen die wichtigsten Reformen: Die Reform der Staatsverwaltung, das Oktoberedikt über die Bauernbefreiung und die Städteordnung. Ebda. Als Napoleon erkannte, dass Stein kein Befürworter, sondern Gegner seiner Politik war, setze er sich für dessen Entlassung ein. Stein musste Preußen verlassen und wurde später Berater des russischen Zaren. Zwei Jahre später wurde Karl August von Hardenberg Staatsminister und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1822 in diesem Amt. Er setzte das von Stein begonnene Reformwerk weiter fort. Sein größtes Projekt, die Einführung einer Verfassung, erreichte er nicht. Preußens Monarch Friedrich Wilhelm III. hatte im Allgemeinen eine Abneigung gegen Umwälzungen und war an der Reformpolitik kaum beteiligt. Er ließ die Neuerer nur soweit gewähren, wie er sich von ihrem Wirken eine Stabilisierung der eigenen Herrschaft versprechen konnte. Ab 1819 trat er aktiver in die Politik ein und unterstützte offen die Reaktion.[8]

Die Reformgegner waren ähnlich heterogen wie die Reformer selbst und hauptsächlich in ihrer Ablehnung der Reformpolitik einig. Es opponierten vor allem diejenigen, die vom alten System begünstigt worden waren und durch Wegfall ihrer Privilegien viel Macht zu verlieren hatten.

Der Begriff ‚Revolution von oben‘ wird in der Geschichtswissenschaft für grundlegende Reformen von Seiten der Herrschenden um eine Revolution abzuwenden verwendet und oft auf die Preußische Reformen angewendet.

2.1 Gesellschaft, Verwaltung, Politik

„Nach dem Martini-Tage 1810 gibt es nur freie Leute“.[9] Die wichtigsten gesellschaftlichen Reformen wurden im Oktoberedikt von 1807 geregelt. Die Erbuntertänigkeit wurde abgeschafft, und die Freiheit und Freizügigkeit der Bauern wurden hergestellt. Loskaufs- und Abzugsgelder sowie Gesindezwangsdienste an Leibherrn wurden entschädigungslos abgeschafft. Der Güterverkehr sowie die Berufswahl wurden freigegeben. Hiermit entfielen Standesschranken, und das Zunftwesen verlor an Bedeutung.[10]

Verwaltungsreformen wurden von den Ministerien Steins und Hardenbergs ausgearbeitet und besaßen Vorrang vor der Verfassungsplanung. Die beiden Politiker strebten an, Vertreter der reorganisierten Stände an der Verwaltung zu beteiligen. Diese sollten an der Selbstverwaltung der Provinzen, Kreise und Städte mitwirken. „Die alte ständische Dreigliederung in Adel, Klerus und Stadtpatriziat wich der neuen dreigliedrigen Ständeordnung: Adel, Bürgertum und Bauerntum“.[11]

Das kollegial organisierte Kabinettsystem wurde mit dem Organisationsedikt vom 24.11.1808 durch das Staatsministerium ersetzt, in dem die Minister der von Stein aufgestellten Fachressorts persönlich verantwortlich waren.[12] Nach der Ernennung Hardenbergs zum Staatskanzler wurde dieser mit der ‚Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden’ von 1810 in der Position eines Premierministers allen anderen Ministern übergeordnet und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Dieselbe Verordnung schuf ebenfalls die Institution des Staatsrates, die als den Ministerien übergeordnetes Organ nach den Plänen Steins eine zentrale Stellung einnehmen und die Vereinigung von Legislative, Exekutive und Administration darstellen sollte. Hardenberg behinderte das Wirken dieses Gremiums nach Kräften und reduzierte es auf die Rolle eines Beratungsgremiums des Monarchen.[13] Viel wichtiger wurde das 1811 von und für Hardenberg eingerichtete Staatskanzleramt. Es wurde in den folgenden Jahren zum Zentrum der Reformer. Hier versammelte Hardenberg seine deutlich jüngeren Vertrauten. Von hier fand dieRevolution von oben’ statt.

[...]


[1] Vgl. Nolte, Paul: Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 23f.

[2] Vgl. Krebs, Gerhard: Das moderne Japan, S. 4f.

[3] Vgl. ebd., S. 144

[4] S. Nolte: Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 23

[5] Vgl. ebd., S. 26

[6] S. ebd., S. 27

[7] Vgl. Fehrenbach, Elisabeth: Vom Ancien Régime zum Wiener Kongress, S. 110

[8] Vgl. Nolte: Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 40

[9] Gesetzestext, zitiert nach Fehrenbach: Vom Ancien Régime, S. 116

[10] Vgl. ebd. , S. 116f.

[11] S. ebd., S. 112

[12] Vgl. Nolte: Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 49

[13] Vgl. ebd., S. 50

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die preußische ‚Revolution von Oben’ und die ‚Meiji Restauration’ in Japan. Ähnlichkeiten und Unterschiede
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
23
Katalognummer
V268300
ISBN (eBook)
9783656593119
Dateigröße
578 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Meiji Restauration, Revolution von Oben
Arbeit zitieren
Martin Weise (Autor:in), 2013, Die preußische ‚Revolution von Oben’ und die ‚Meiji Restauration’ in Japan. Ähnlichkeiten und Unterschiede, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/268300

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