Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
A. EINLEITUNG
B. Begriffe und Grundlagen
I. Die Internationale Handelskammer
II. Incoterms
III. Privatrecht
IV. Das UN-Kaufrecht
V. Einbeziehung in Verträge
C. Die Klauseln der Incoterms 2010 mit Beispielen
I. Alle Transportarten
1. EXW
2. FCA
3. CPT
4. CIP
5. DAT
6. DAP
7. DDP
II. See- und Binnenschiffahrtstransport
1. FAS
2. FOB
3. CFR
4. CIF
D. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Struktur zum anwendbaren Recht beim internationalen Warenkauf
A. EINLEITUNG
Unsere Welt unterliegt der ständigen Veränderung. Während sich moderne Industrienationen im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Liberalisierung des Welthandels bewegen, kämpfen schwächere Nationen mit politischen Konflikten und öffnen sich nur langsam dem internationalen Warenverkehr. Kurze Produktlebenszyklen und intensiver Preiswettbewerb sorgen für immer rasantere wirtschaftliche Prozesse, die nur durch technische Fortschritte wie dem vermehrten Einsatz elektronischer Kommunikation sowie optimierter Logistikprozesse umgesetzt werden können. Doch nicht nur die Produktion und der Handel sind von dieser Geschwindigkeit betroffen - auch Kunden möchten durch schnelle Lieferzeiten an den weltumspannenden Transportnetzen partizipieren, ohne Einbußen in Sicherheit und Verlässlichkeit zu erleiden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden bedarf es einer klaren Absprache zwischen Käufer und Verkäufer, in der Rechte und Pflichten eindeutig manifestiert sind. Dies kann ausdrücklich oder stillschweigend geschehen - und es kann sich an gesetzliche Bestimmungen knüpfen, oder aber landesübliche Handelsbräuche umfassen. Neben der Festlegung der Vertragsparteien, dem Vertragsgegenstand, dem Preis, Gewährleistungsbestimmungen und weiteren Punkten bilden besonders die Lieferbedingungen einen wesentlichen Schwerpunkt: Wer hat die Kosten für Transport, Versicherung und Zoll zu tragen? Wer trägt das Risiko der zufälligen Beschädigung oder des zufälligen Verlusts? Werden solche Fragen der Gefahrtragung nur unzureichend geklärt, kann es ex post zu Missverständnissen kommen, die zeit- und kostspielige Konflikte, im schlimmsten Fall auch Gerichtsprozesse zur Folge haben. Genau hier setzten die Incoterms an: Dabei handelt es sich um standardisierte Lieferbedingungen, die von dem ICC herausgegeben werden - einer renommierten nichtstaatlichen Organisation mit Sitz in Paris, deren Mitglieder eine umfassende Sachkenntnis in der internationalen Handelspraxis aufweisen. Die Incoterms ersetzen nicht den ganzen Kaufvertrag, sondern widmen sich dem Gefahrübergang und der Verantwortlichkeit für Risiko und Kosten.[1] Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, die Incoterms 2010, also die aktuellen Regeln der ICC zur Auslegung nationaler und internationaler Handelsklauseln, vorzustellen und mit anschaulichen Beispielen zu untermauern. Sie gliedert sich wie folgt: Kapitel B klärt über Begriffe und Grundlagen auf und schafft eine notwendige Basis für das weitere Verständnis. In Kapitel C werden alle elf Klauseln erklärt und passende Beispiele angehängt. Das letzte Kapitel gibt einen Überblick über die gewonnenen Erkenntnisse, fasst diese eingängig zusammen und erlaubt einen Einblick in zukünftige Entwicklungen.
B. Begriffe und Grundlagen
I. Die Internationale Handelskammer
Auf privatrechtlicher Basis wurde die International Chamber of Commerce (ICC) im Jahre 1919 gegründet. Der Hauptsitz der weltweiten Organisation ist in Paris. Die für die Mitglieder zur Verfügung gestellten Dienstleistungsangebote nutzen mittlerweile mehr als 1500 Wirtschaftsorganisationen und über 5000 Unternehmen aus mehr als 130 Ländern. Durch neu geschaffene Handelsräume, wie etwa ASEAN, NAFTA, EU usw, übernimmt die ICC auch die Vertretung der internationalen Wirtschaft an unterschiedlichen Schaltstellen der Politik[2]. Die Erleichterung und Förderung des internationalen Handels ist eine der wichtigsten Aufgaben der ICC.[3]
II. Incoterms
International Commercial Terms (Incoterms) wurden erstmals 1936 aufgestellt.[4] Sie haben sich seit Ihrer Veröffentlichung zum wichtigsten Klauselwerk im internationalen Handel entwickelt.[5] Neuauflagen der Handelsklauseln folgten unregelmäßig in den Jahren 1953, 1967, 1980, 1990 und 2000. Die 7. Revision wurde am 01.01.2011 von der ICC publiziert. Der jeweilige Stand der Incoterms wird mit Angabe der Jahreszahl gekennzeichnet, jetzt die aktuelle Jahreszahl 2010, also „Incoterms 2010“.[6] Die allgemeine Struktur der Incoterms hat sich jedoch nicht verändert. Die Einteilung, Bezeichnungen und Abkürzungen der neu geschaffenen Incoterms 2010 bleiben bestehen[7]. Es wurden vier alte Klauseln durch die beiden neuen Klauseln „DAT“ und „DAP“ ersetzt. 2010 wurde also die Anzahl der Incoterms von 13 auf 11 Klauseln verringert. Diese 11 Klauseln teilen sich in sieben Klauseln für alle Transportarten und vier Klauseln für den See- und Binnenschifffahrtstransport auf. Durch Vereinbarung der Incoterms in Kaufverträgen wird die unterschiedliche Auslegung von Handelsklauseln in den verschiedenen Ländern vermieden oder zumindest erheblich eingeschränkt. In den meisten Ländern liegen die Klauseltexte jeweils in der dortigen Landessprache vor, was die Verständigung und Abstimmung zwischen Käufer und Verkäufer erleichtert. Bei Streitfällen z. B. vor Gericht ist aber immer der englische Originaltext verbindlich. Die Incoterms können nicht nur im internationalen Handel, sondern auch bei Inlandsgeschäften in Deutschland und im Binnenhandel der EU eingesetzt werden, wobei einzelne Verpflichtungen von Verkäufer und Käufer entfallen bzw. zu modifizieren sind (z. B. bezüglich der Zollabfertigung). Die Entwicklung der internationalen Handelspraxis erfordert in Intervallen Anpassungen der Incoterms, deren jüngste mit Wirkung zum 01.01.2011 unter der Bezeichnung „Incoterms 2010” vollzogen wurde. DAF, DES, DEQ und DDU wurden gestrichen und zwei neue Klauseln hinzugefügt: DAT, DAP[8]. Bei internationalen Kaufverträgen spielen sie eine wichtige Rolle, da sie Schwierigkeiten beseitigen können, die sich ergeben, weil vertragliche Bestimmungen nicht einheitlich verstanden werden. Es handelt sich bei den Incoterms nicht um staatliches Recht, sondern lediglich um rein privatrechtliche Regelungen da die ICC keine Rechtsetzungsbefugnis hat.[9] Die Einbeziehung der Incoterms erfolgt in der Regel durch ausdrückliche Vereinbarung. Eine stillschweigende (konkludente) Vereinbarung ist in Ausnahmen durch Handelsbrauch jedoch auch möglich.[10]
III. Privatrecht
Die Bezeichnung Internationales Privatrecht (IPR) taucht in Deutschland erstmals 1841 auf.[11] Die primäre Norm der allgemeinen Vorschriften befindet sich in Art. 3 EGBGB. Die Legaldefinition wurde neu gefasst durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die VO (EG) Nr. 864/2007 vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2401). Demzufolge ist das IPR derjenige Teil, der bestimmt, welches nationale Recht auf den Sachverhalt angewendet wird. Somit gelten aus deutscher Sicht im internationalen Warenaustausch nicht die Vorschriften des HGB/BGB, sondern die des IPR. Die Unanwendbarkeit eines neutralen Rechts ist angesichts des internationalen Warenverkehrs berechtigt[12]. Wichtigste Norm des IPR im Bereich internationaler Verträge ist die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht[13] (Rom I-VO), die mit ihrem Inkrafttreten am 17.12.2009 die Regeln des EGBGB hinsichtlich internationaler Schuldverträge ersetzt. Diese Vorschriften finden als Verordnung unmittelbare Anwendung (Art. 249 EGV) innerhalb der EU Mitgliedsstaaten, mit Ausnahme von Dänemark. Sie haben Vorrang gegenüber kollidierenden nationalen Regeln.[14] Die Rom I-VO ist somit anwendbar auf alle Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden und werden. Für alle anderen Verträge sind weiterhin die früheren Vorschriften des EGBGB (Art. 11, 12, 27-38 EGBGB) anwendbar.
IV. Das UN-Kaufrecht
Maßgeblich für den internationalen Warenverkauf ist das UN-Kaufrecht (UNK oder United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods - CISG) vom 11.04.1980. Bisher sind 74 Staaten diesem Übereinkommen beigetreten.[15] Bei Kaufverträgen zwischen Angehörigen dieser Staaten gilt grundsätzlich das UN-Kaufrecht. Die Übereinkunft lässt den beigetretenen Staaten die Möglichkeit, einzelne Vorschriften zu modifizieren. Auch ist es den Vertragsparteien gestattet die Anwendung des UN-Kaufrechts auszuschließen. Es deckt nicht alle relevanten Gebiete des internationalen Kaufs ab. Nicht geregelt sind z. B. die wichtigen Rechtsfragen der Gültigkeit des Vertrages und einzelner Vertragsklauseln, des Eigentumsübergangs und Eigentumsvorbehalts sowie der Produkthaftung des Verkäufers. Normalfall der Nutzung des UN-Kaufrechts ist der Warenkauf zwischen gewerblichen Verkäufern aus verschiedenen Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts. Es regelt die Kaufverträge über die Lieferung von beweglichen Sachen, einige Sachen wie z. B. Schiffe sind jedoch ausgenommen. Die Rechtswahl für die Verträge zwischen zwei Mitgliedsstaaten muss, gem. Art. 1 CISG, nicht ausdrücklich vereinbart werden. Kaufverträge bei nur einem oder keinem Mitgliedsstaat müssen im Kaufvertrag das UN-Kaufrecht festlegen, damit das CISG zur Geltung kommt.[16] Das IPR wird als Kollisionsrecht bezeichnet, da es zur Anwendung kommt wenn das UN-Kaufrecht nicht genutzt werden kann.[17]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Struktur zum anwendbaren Recht beim internationalen Warenkauf[18]
V. Einbeziehung in Verträge
Aus dem (Kauf-)Vertrag zeichnet sich ab, wer Vertragspartner im Transportrecht ist. Vielfach ergibt es sich auch aus den vereinbarten Incoterms, Absender und Empfänger.[19] Incoterms beschränken sich lediglich auf die Rechte und Pflichten der Vertragspartner im Hinblick auf die Lieferung einer (beweglichen) Ware, deren Verkauf bereits abgeschlossen ist[20]. Incoterms sind nicht auf den Kaufvertrag konzentriert, sondern lediglich auf den Warentransport. Das UN-Kaufrecht hingegen ist auf den internationalen Warenverkauf ausgerichtet. Diesen deutlichen Unterschied in der Konzeption gilt es zu beachten.[21] Incoterms werden meist im Rahmen einer Lieferbedingung als Vertragsklausel miteinbezogen. Dies führt dazu, dass sie wie „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ gewertet werden. Entscheidend für die Einbeziehung der Incoterms ist immer der Vertragsschluss. Sie werden also nicht automatisch Gegenstand eines Vertrages, nur weil es sich um internationales Liefergeschäft handelt. Es sollte also ausdrücklich vermerkt werden, welche Klausel und Fassung der Incoterms eingesetzt und welcher Ort des Gefahrenübergangs gewählt wird. Werden somit bei Vertragsschluss z. B. Incoterms 2010 einbezogen, so gilt dies für den gesamten Vertrag. Ein einfacher Rechnungshinweis auf die Incoterms 2010 oder Hinweis auf den Lieferpapieren wird in der Regel erst nach Vertragsschluss gemacht, so dass er grundsätzlich unbeachtet ist. Es sei denn, die Vertragsgegenseite erkennt es nach Übersendung der Rechnung oder Erhalt der Lieferpapiere an. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten müssen bei der Entscheidung, welche Transportart gewählt wird, auch rechtliche und faktische Möglichkeiten berücksichtigt werden. Die Auswahl der Klausel ist abhängig von der Transportart, da nicht alle Incoterms kontinuierlich verwendet werden können. Wird bei, nach dem Stichtag einer Neuauflage der Incoterms, z. B. 01.01.2011, abgeschlossenen Verträgen nur der Zusatz Incoterms ohne genaue Bezeichnung der Version aufgenommen, so gilt prinzipiell die aktuell gültige Version. Anders kann dies jedoch sein, wenn der Vertrag nicht selbst die Incoterms einbezieht, sondern dies über die beigefügten allgemeinen Geschäftsbedingungen geschieht und diese allgemeinen Geschäftsbedingungen noch aus der Zeit vor dem 01.01.2011 stammen und auf die damals gültige Fassung Bezug nehmen. Daher sollte in diesen Fällen entweder eine Klarstellung im Vertrag durch Einbeziehung der Incoterms 2010 erfolgen oder die allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend angepasst werden.[22]
C. Die Klauseln der Incoterms 2010 mit Beispielen
I. Alle Transportarten
1. EXW
Der Begriff „EXW“ steht für „ex works (named place of delivery)“ bzw. “ab Werk ( benannter Lieferort)”. Eine Lieferung findet statt, sobald der Verkäufer dem Käufer die Ware am Ort des Verkäufers oder an einem anderen benannten Ort, z. B. in einem Werk, einer Fabrik oder einem Lager zur Verfügung stellt. Dabei obliegt dem Verkäufer nicht die Pflicht, die Ware auf ein abholendes Transportmittel zu verladen oder sie zur Ausfuhr freizumachen. Falls der Verkäufer die Ware jedoch verlädt, tut er dies auf Gefahr und Kosten des Käufers. Aus die sem Grund ist diese Klausel mit Bedacht zu wählen[23].
[...]
[1] Grüske, Incoterms, S. 8-11; Koether, Distributionslogistik, S. 93.
[2] Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 20 Rdn. 65ff.
[3] Bredow/Seiffert, Incoterms Kommentar, S. 1.
[4] Baumbach/Hopt Anhang 6 Rdn. 3.
[5] Lehr, Versicherungsrecht, S. 548-549.
[6] Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 13 Rdn. 36.
[7] Lenz, Die Rechtsabteilung, S. 269 Rdn. 16.
[8] ICC, Incoterms, S. 132ff.
[9] Schackmar, Die Lieferpflicht des Verkäufers, S. 71.
[10] Baumbach/Hopt Anhang 6 Rdn. 7.
[11] Kropholler, Internationales Privatrecht, § 1.
[12] Piltz, UN-Kaufrecht, S. 2ff.
[13] ABI, L 177/6.
[14] Pfeiffer, EuZW (20), S. 622.
[15] Piltz, UN-Kaufrecht, S. 1ff.
[16] Piltz, UN-Kaufrecht, S. 2ff.; Schackmar, Die Lieferpflicht des Verkäufers, S. 52.
[17] Schackmar, Die Lieferpflicht des Verkäufers, S. 36.
[18] Gildeggen/Willburger, Handelsgeschäfte, S. 31ff.
[19] Wieske, Transportrecht, S. 29.
[20] Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 19 Rdn. 62.
[21] Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 20 Rdn. 65.
[22] Grau/Markwardt, Internationale Verträge, S. 9; Grüske, Incoterms, S. 22; Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 20-21 Rdn. 70-71.
[23] Bernstorff, Incoterms Kommentar, S. 80ff. Rdn. 281ff.