Das Gedicht "An Werther" aus Goethes Trilogie der Leidenschaft

Analyse und intertextuelle Bezüge


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Forschungsstand, Struktur und methodisches Vorgehen

1. Entstehung von An Werther

2. Gedichtanalyse
2.1 Strophe I
2.2 Strophe II
2.3 Strophe III
2.4 Strophe IV
2.5 Strophe V

3. Intertextuelle Bezüge von An Werther
3.1 Die Leiden des jungen Werther
3.2 Faust. Der Tragödie erster Theil
3.3 Urworte. Orphisch
3.4 Torquato Tasso
3.5 Willkomm und Abschied

Fazit

Literaturverzeichnis

Quellen

Darstellungen

Forschungsstand, Struktur und methodisches Vorgehen

Die Bekanntheit des Gedichtes An Werther, das hier zum Thema gemacht werden soll, speist sich zu einem großen Teil daraus, in die Goethesche Trilogie der Leidenschaft[1] aufgenommen worden zu sein , eine der „überragenden Liebesdichtungen der Weltliteratur“[2]. Innerhalb der Trilogie hat die Literaturwissenschaft allerdings zeitlebens die Elegie ins Zentrum der Forschung gestellt und An Werther häufig als bloßes Präludium und Aussöhnung, ja sogar als einen etwas schwach geratenen Epilog[3] gesehen; sein Gewicht wurde entsprechend herabgemindert. Dies verwundert ob der fulminanten Rezeptionsgeschichte der Elegie wenig. Für Stefan Zweig etwa zählte sie zu den „Sternstunden der Menschheit“[4]. Dies hängt auch mit den von Goethe selbst kommunizierten romantisch-skandalösen Entstehungsumständen zusammen. Diese, darauf wird noch kurz einzugehen sein, waren gewiss ungleich spannender, als etwa die des Werther-Gedichts. So war die Forschung von Anfang an auf eine biographische Auslegung vor allem der Elegie konzentriert. Bernd Witte hat allerdings in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass sich „von einer tragischen, lebenszerrüttenden Leidenschaft“, die er als von Goethe geradezu kolportiert ansieht, in den „unmittelbaren Lebenszeugnissen nirgendwo Spuren auffinden“ ließen.[5]

Ein Forschungsüberblick zu An Werther ist zugleich – und noch mehr – wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, einer der Beschäftigung mit der Trilogie.[6] Nach den überwiegend biographischen Interpretationen der älteren ist die neuere Forschung dazu übergegangen, andere Ansatzpunkte zu finden. So versuchte etwa Marianne Wünsch zu zeigen, dass sich in der Trilogie eine „Totalkatastrophe des Sinnes“[7] ereigne, die „das nahende Ende eines Denk- und Literatursystems“[8] zeitige. In solchen Unterfangen wurde jedoch, wie Bernd Witte feststellt, ein Abstraktionsgrad erreicht, der „die spezifische historische Konkretion des Textes verfehlt“.[9]

Mit einer Gruppe von Publikationen, in denen diese „Konkretion“ im Gegenteil kaum zu wünschen übrig lässt, sind solche angesprochen, die sich der Trilogie in psychoanalytischer Perspektive zu nähern suchen. In ihnen wird allerdings teilweise dazu geneigt – da sie zuvörderst am Menschen Goethe interessiert sind –, vom Text auf die Biographie und umgekehrt zu schließen. Interessante Erkenntnisse lieferte Eckart Goebel, der ausgehend von Sigmund Freund und damit ebenfalls auf den Spuren der Psychoanalyse in der Trilogie der Leidenschaft „Sublimierung als eine Kultur fördernde Verarbeitung frustrierter Triebwünsche exemplarisch zu verstehen“[10] suchte. Für ihn figuriert An Werther allerdings aus diesem Verständnis auch unmittelbar als ein „Echo der Marienbader Situation“.[11] Ähnlich auch Rainer M. Holm-Hadulla, der in der Trilogie die Aktualisierung der alten, autobiographisch greifbaren Phantasmen der Depression und Suizidalität bei Goethe nachspürt.[12]

Selten ist jedoch, das klang bereits an, die Werther-Kanzone unabhängig von der Trilogie behandelt worden, wie Katrin Scheffer und Norman Rinkenberger in einer der neuesten und wenigen Publikationen, die sich dem Gedicht ausführlicher widmen, bemerken.[13] Dabei ist jeder der drei Texte, wie Hans Kaufmann schreibt, „aus besonderem Anlass entstanden, in sich geschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen und verstanden werden“[14]. Es erscheint daher legitim, in dieser Arbeit den Fokus einzig auf An Werther zu legen.

Dies soll in einem zweischrittigen methodischen Verfahren geschehen. Zunächst wird sich dem Gedicht in einer Analyse genähert, deren Ziel es sein soll, ein tieferes Verständnis und eine Argumentationsgrundlage für die weiteren Kapitel zu schaffen. Augenmerk soll dabei auch auf die Stilistik und rhetorische Gestaltung gelegt werden, die An Werther das oft nicht genügend beachtete Gepräge eines „hochartifizielle[n] Gebilde[s]“ geben und es nicht nur als „eine einfache Introduktion, sondern Introduktion und erstes Hauptstück in einem“ ansehen lassen.[15]

Der Übersichtlichkeit wegen werden erst in einem zweiten Schritt die zahlreichen intertextuellen Bezüge Goethes auf sein eigenes Werk, um die es in dieser Arbeit auch gehen soll, in einem gesonderten Kapitel thematisiert. Die Forschung hat diese bislang wenig ausführlich dargestellt.[16] Insbesondere die versteckten Bezüge zu Goethes Erlebnisgedicht Willkomm und Abschied sind von der Forschung, soweit erkennbar, noch überhaupt nicht thematisiert worden. Daher wird diese Analyse in der vorliegenden Arbeit einen besonderen Schwerpunkt bilden. Zunächst sollen jedoch die Entstehungsumstände des Gedichts skizziert werden.

1. Entstehung von An Werther

Die Entstehung des Gedichts An Werther hatte einen fast banalen Anlass. Sie erfolgte aufgrund der Bitte des Verlegers jenes Verlags, in dem 1774 Goethes Roman Die Leiden des jungen Werthers erschienen war. Dieser plante anlässlich des 50jährigen Jubiläums eine Sonderausgabe, für die Goethe eine Einleitung verfassen sollte. Anstelle einer Einleitung schrieb dieser daraufhin im März 1824 das hier zu behandelnde Gedicht. Erstmals publiziert wurde es 1825 in Leipzig in der „Neuen Ausgabe der Leiden des jungen Werther, von dem Dichter selbst eingeleitet“[17]. Hier trägt es noch nicht den Titel „An Werther“. Diesen erhält es erst in der Zusammenfügung mit Aussöhnung (entstanden August 1823 in Marienbad[18] ) und der berühmten sogenannten Marienbader Elegie (entstanden September 1823[19] ) zur Trilogie der Leidenschaft[20], welche zuerst in der Ausgabe letzter Hand von 1827 erscheint. Die Abfolge der Gedichte innerhalb des Zyklus wird nicht bestimmt durch die Entstehungschronologie, wonach die Gedichte in umgekehrter Reihenfolge zu lesen wären, sondern durch Goethes spezielle Auffassung der aristotelischen Poetik. Nach Wilkinson führte diese zu der Herausbildung der Trilogie wie sie nun vorliegt.[21] In einer Art „dreiflügelige[r] Architektur“[22] hatte sich Goethe das Großgedicht so vorgestellt, dass im ersten Gedicht eine „Exposition, in der zweiten eine Art Katastrophe, und in der dritten eine versöhnende Ausgleichung“[23] stattfinden solle.

Eine Rolle bei der Entstehung des Werther-Gedichts wird auch, obwohl dies teilweise in Zweifel gezogen wird[24], die Episode von Goethes abgewiesenem Heiratsantrag durch die 19jährige Ulrike von Levetzow gespielt haben. Wie groß die „Erschütterung“ tatsächlich war, in die der über 70jährige durch jene „Altersleidenschaft“ gestürzt wurde[25], lässt sich wohl nicht mehr feststellen. Goethe selbst war die Bitte um die erwähnte Vorrede jedenfalls „höchst willkommener Anlaß […] An Werther‘ zu schreiben“, da er noch „immer noch einen Rest jener Leidenschaft im Herzen“ trug, mit dem sich das Gedicht, wie Goethe schreibt, sodann „wie von selbst als Introduction zu jener ‚Elegie‘ gestaltet“ habe. Die Wiederverwendung des der Elegie vorangestellten Tasso-Zitats in An Werther zeigt zudem, dass sich das Gedicht schon beim Schreiben als „Introduktion“ zur Trilogie formte.[26]

2. Gedichtanalyse

2.1 Strophe I

Das Gedicht beginnt mit der Apostrophierung eines als „vielbeweint“ beschriebenen Schattens durch ein lyrisches Subjekt:

Noch einmal wagst du, vielbeweinter Schatten,

Hervor dich an das Tages-Licht (V. 1 f.)[27]

Mit dieser unvermittelten Ansprache des Schattens, der dem Ich im Tageslicht begegnet, ist zunächst die Frage nach dessen Herkunft aufgeworfen. Als Erklärung könnte die Ilias des griechischen Dichters Homer herangezogen werden; dort treten in unterschiedlichen Kontexten mehrfach Schatten auf. Unter anderem erscheint im 23. Gesang Achilleus die Seele seines getöteten Freundes Patroklos, die als eidōlon (εἴδωλον), als „Schattengebilde“ beschrieben wird.[28] So verstanden könnte der Schatten eine Erscheinung aus der Unterwelt, mithin die im Schatten manifest gewordene Erscheinung eines Toten sein.[29] Auch das Adjektiv „vielbeweint“ würde im Sinne einer Totenklage dazu passen. Das Ich, das dem Schatten gegenübertritt, scheint hingegen der Welt der Lebenden anzugehören; zumindest deutet nichts auf etwas anderes hin. Die somit gleichsam als eine „Asymmetrie von tot und lebendig“[30] konstruierte Konstellation erhält, nachdem mit „Tages-Licht“ bereits eine zeitliche Dimension geschaffen wurde, nun einen örtlichen Bezugspunkt:

Begegnest mir auf neu beblümten Matten

Und meinen Anblick scheust du nicht. (V. 3 f.)

Der Ort dieser Begegnung ist lieblich: Das Tageslicht und die blühenden Blumenwiesen scheinen dabei zunächst einen Kontrast zu dem auf diesen wandelnden dunklen Schatten darzustellen. Das emphatische „Noch einmal“ (V. 1), mit dem das Gedicht anhebt, deutet auf ein Vorher hin und somit einen gemeinsamen Bezug, den Schatten und Ich in der Vergangenheit hatten. Dies deutet unter Einbeziehung des bereits erläuterten Entstehungsanlasses des Gedichts sowie dessen Überschrift, in der Werther adressiert wird, darauf hin, dass Goethe als „implizites Ich“[31] zu seiner im Roman verstorbenen und hier gewissermaßen reinkarnierten Wertherfigur spricht.[32] Damit gestaltet sich die ungewöhnliche Form einer doppelten Fiktion der Wertherfigur. Denn sie war bereits im genannten Briefroman fiktiv und taucht nun in diesem Gedicht auf einer weiteren Fiktionsebene als Gegenüber des lyrischen Ichs auf. Gesteigert wird dies noch durch das Auftreten als gewissermaßen halblebendiges Phantom. In Strophe I fährt das lyrische Ich in der Anrede des Schatten-Werthers fort:

Es ist als ob du lebtest in der Frühe

Wo uns der Tau auf einem Feld erquickt

Und nach des Tages unwillkommner Mühe

Der Scheidesonne letzter Strahl entzückt (V. 5-8)

Über den konjunktivischen „als ob“-Vergleich (V. 5) verschwimmt in der Imagination des Ich die Grenze zwischen Lebendem und Toten: der Schatten wird gleichsam mit neuem Leben ausgestattet. Der Schatten erinnert damit erneut an das Homerische Modell der ‚Totenseele‘, das dem Lebenden „an Größ’ und Gestalt und lieblichen Augen“ einem Menschen ähnlich, entgegentritt.[33]

Die beschriebene Atmosphäre bleibt idyllisch; das Ich beschreibt geradezu einen locus amoenus: Das Bild der „neu beblümten Matten“ (V. 3) wird um den erquickenden „Tau auf Einem Feld“ (V. 6) und den entzückenden „letzte[n] Strahl“ der „Scheidesonne“ (V. 8) ergänzt. Lediglich die „Mühe“ des Tages wird als störend wahrgenommen (V. 7). Dieser Einschub ist jedoch ungleich schwächer gehalten als die Verse 6 und 7; es überwiegt eine positive, geradezu euphorische Grundstimmung, die eine zusätzliche Emphase auch durch die Voranstellung des Genitivattributes „Scheidesonne“ in Vers 7 erhält.[34]

Im 6. Vers („Wo uns der Tau auf Einem Feld erquickt“) werden Ich und Du zu einem Wir zusammengeführt. Dies ist die einzige Stelle im Gedicht, in der das Wir nur Schatten-Werther und das Ich umfasst und sich darüber hinaus auf keine weiteren Personen bezieht. In der Wahrnehmung des erquickenden Taus und „[d]er Scheidesonne letzter Strahl“ entsteht eine Situation der unbeschwerten Nähe zwischen Ich und Du. Mit dem bipolaren Kompositum „Scheidesonne“ wird jedoch bereits hier auf das Leitmotiv des Gedichts, das Dilemma von Lieben und Scheiden, vorausgedeutet: In ihm sind die „Sonne“ als Symbol für die lebensspendende Kraft[35] und das „Scheiden als letztlich todbringende Kraft“ in eine ambivalente Einheit eingeschlossen.[36] In den Schlussversen der I. Strophe (V. 9-10) findet sich das Motiv der scheidenden Sonne nun in Bezug auf Ich und Du wieder:

Zum Bleiben ich, zum Scheiden du, erkoren,

Gingst du voran – und hast nicht viel verloren (V. 9 f.)

In den parallel gesetzten Versen werden die beiden Gestalten kontrastiert. Der gemeinsame Lebensweg führte – angezeigt durch den Tempuswechsel ins Präteritum – in der Vergangenheit auseinander: das Ich war zum Bleiben, das Du zum Scheiden ausersehen. Die kunstvolle sprachliche Gestaltung der Verse erinnert dabei an eine Waagschale. Die beiden parallel gesetzten substantivierten Infinitive und die zugehörigen Pronomina („Zum Bleiben ich“ und „Zum Scheiden du“) werden in einem Isokolon mittels des anaphorischen „zum“ in einem in der Schwebe gehalten. Das den beiden eine passive Rolle zuweisende Verb „[e]rkoren“ impliziert, dass es sich dabei nicht um eigenmächtige Entscheidungen handelte, sondern um einen äußeren Einfluss. Im Schlussvers wird diese Schwebe im ersten Kolon („Gingst du voran“ V. 10) zunächst noch aufrechterhalten.[37] Der Gedankenstrich markiert eine längere Pause und betont daher den Inhalt des folgenden Kolons noch deutlicher. Das lyrische Ich stellt lakonisch, mit resignativem Sarkasmus fest, dass das Werther „nicht viel“[38] durch sein frühzeitiges Scheiden verloren habe; dies kommt einer drastischen Geringachtung der Zeitspanne gleich, die ihn von seiner Romanfigur durch dessen fiktives vorzeitiges Ableben trennt und ist nicht weniger als „die Apologie des Selbstmords“ Werthers[39]. Damit fallen die beiden Schlussverse der ersten Strophe „geradezu zugunsten von Werthers kurzer Existenz aus“[40].

[...]


[1] Im Folgenden wird die Kurzform „Trilogie“ verwendet.

[2] Müller: Trilogie, S. 159.

[3] Vgl. Egli: Aussöhnung, S. 153.

[4] Zweig: Sternstunden, S.124-133.

[5] Witte: Trilogie, S. 488.

[6] Aus dieser Forschungssituation heraus versteht sich jedoch auch die Zielsetzung dieser Arbeit.

[7] Wünsch: Zeichen – Bedeutung – Sinn, S. 141.

[8] Ebd., S. 144. Kritik dazu bei Egli: Aussöhnung, S. 188 f.

[9] Witte: Trilogie, S. 489.

[10] Goebel: Sublimierung, S. 462.

[11] Ebd., S. 470.

[12] Holm-Hadulla: Melancholie und Kreativität, S. 56.

[13] Scheffer/Rinkenberger: Goethe und Hofmannsthal, S. 10.

[14] Kaufmann: Trilogie, S. 100.

[15] Moeller: Bewegung und Differenz, S. 100.

[16] Allein Scheffer und Rinkenberger sowie Eva Hoffmann thematisieren diese extensiver. Letztere jedoch punktuell wenig zufriedenstellend. So erkennt bzw. nennt diese bedeutende Intertexte nicht. Darunter ist etwa die Zueignung aus dem 1. Teil des Faust.

[17] Vgl. Scheffer/Rinkenberger: Goethe und Hofmannsthal, S. 19.

[18] Hinck: Trilogie, S. 239.

[19] Ebd.

[20] In einem Gespräch mit Eckermann bemerkt Goethe, der Zyklus habe sich „erst nach und nach und gewissermaßen zufällig“ gebildet.

[21] Vgl. Wilkinson: Katharsis, S. 9 f.

[22] Müller: Trilogie, S. 159.

[23] Brief an Eckermann vom 1.12.1831.

[24] Vgl. den Hinweis auf die Kritik Wittes in der Einleitung dieser Arbeit. [Witte: Trilogie, S. 487]

[25] Hinck: Trilogie, S. 239 f.

[26] Kaufmann: Trilogie, S. 49.

[27] Alle Zitate von An Werther erfolgen nach der Frankfurter Werkedition der Trilogie der Leidenschaft. Goethe: Werke (Frankfurter Ausgabe) Abt. I, Bd. 2, S. 456-462 mit An Werther auf S. 456. Im Folgenden wird, wenn An Werther zitiert wird, nur die Versangabe in runden Klammern hinter das Zitat gesetzt.

[28] Homer: Ilias 23, V. 104 zitiert nach der Übers. von Voß: Ilias, S. 727. Die Seele eines Verstorbenen ähnelt dem lebenden Menschen in Erscheinung und Gebaren so sehr, dass Achilleus vergeblich versucht, die Seele des Patroklos zu umarmen. Vgl. Ilias 23, V. 65-67: „Jetzo kam die Seele des jammervollen Patroklos, / Ähnlich an Größ’ und Gestalt und lieblichen Augen ihm selber, / Auch an Stimm’, und wie jener den Leib mit Gewanden umhüllet“ sowie Ilias 23, V. 97 f.: „Aber wohlan, tritt näher; damit wir beid’ uns umarmend, / Auch nur kurz, die Herzen des traurigen Grams erleichtern.“ [Zitiert nach Voß: Ilias, S. 725, 727]

[29] Eine Reihe von Interpreten, so etwa Witte, sieht in dieser Zeile – da die Romanfigur Werther in Goethes Die Leiden des jungen Werthers Selbstmord begeht – geradezu eine „Totenbeschwörung“ verwirklicht. Dies übersieht aber meiner Meinung nach, dass hier kein aktiver vom Subjekt ausgehender Vorgang beschrieben wird, der dem Wesen einer Beschwörung eignet. [Vgl. Witte: Trilogie, S. 483]

[30] Hoffmann: Goethe aus Goethe, S. 41.

[31] Wünsch: Zeichen – Bedeutung – Sinn, S. 131.

[32] In diesem Sinne würde auch das „viel beweint“ auf die Erfolgsgeschichte des tragischen Werther-Romans gedeutet werden können. Vgl. Scheffer/Rinkenberger: Goethe und Hofmannsthal, S. 41. Vgl. dagegen Moeller für den „das Rezeptionsklischee der Selbstmordwelle (…) im Sinne von „vielbeweint“ nicht zu verwenden“ ist. Er übersieht dabei, dass die „Selbstmordwelle“ gar nicht zwingend in „viel beweint“ mitgedacht werden muss. Hier kann sich auch ein rein literarisch vermitteltes Bedauern ausdrücken. [Moeller: Bewegung und Differenz, S. 106]

[33] Vgl. Ilias 23, V. 65-67. Zitiert nach Voß: Ilias, S. 725.

[34] In der „Scheidesonne“ ist zugleich ein zentrales Motiv des Gedichts vorweggenommen, worauf unten noch eingegangen wird.

[35] Die Sonne erscheint in Goethes Werk als Offenbarung Gottes in der Natur; ihr Licht wird gesehen als „wirkende göttliche Lebenskraft, durch das und auf das hin gerichtet die ganze lebendige Natur lebt, wächst und wachsend sich steigert.“ [Vgl. Hölscher-Lohmeyer: Naturdenken, S. 22]

[36] Scheffer/Rinkenberger: Goethe und Hofmannsthal, S. 35. Dabei schließen sich die Gegensätze allerdings nicht aus, „sondern gehen eine Einheit auf höherer Ebene ein“. Vgl. ebd., S. 23.

[37] Vorangehen impliziert zugleich, dass „der Weg dem Ich irgendwann noch sicher bevorsteht“. Vgl. Scheffer/Rinkenberger: Goethe und Hofmannsthal, S. 23.

[38] „Nicht viel“ deutet allerdings auch auf den Altersunterschied zwischen Du und Ich hin. Das Ich hat überlebt und ist in dem Zuge auch gealtert. Vgl. Ebd., S. 23.

[39] Goebel: Sublimierung, S. 468.

[40] Hoffmann: Goethe aus Goethe, S. 19.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Das Gedicht "An Werther" aus Goethes Trilogie der Leidenschaft
Untertitel
Analyse und intertextuelle Bezüge
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Goethes Lyrik
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
30
Katalognummer
V269053
ISBN (eBook)
9783656600657
ISBN (Buch)
9783656600633
Dateigröße
610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gedicht, werther, goethes, trilogie, leidenschaft, analyse, bezüge
Arbeit zitieren
Christoph Heckl (Autor:in), 2011, Das Gedicht "An Werther" aus Goethes Trilogie der Leidenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269053

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