Diese Hausarbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit der Interpretation von 11 Seiten aus Scheler's Werk "Die Stellung des Menschen im Kosmos" (vgl. Scheler 1986, 79-90).
Scheler behandelt in diesem Abschnitt das Problem der menschlichen Natur und erklärt, wie bereits Kant schon vermutete, dass die physiologischen und psychischen Lebensprozesse ontologisch streng identisch sind. Ferner zeigt Scheler, entgegen Descartes' klassischer Theorie des Menschen, auf, dass diese beiden Prozesse nur zwei Betrachtungsseiten ein und desselben Lebensvorganges sind und das psychophysische Leben folglich eins ist. Der ontische Gegensatz, welcher im Menschen anzutreffen ist, ist also nicht der Gegensatz von Leib und Seele, wie Descartes es vermutet hatte, sondern der Dualismus von Geist und Leben.
Dieser Ausarbeitung vorangehend setzt Scheler sich in seinem Werk „Die Stellung des Menschen im Kosmos“ mit der Frage auseinander, in welchen Situationenseines Lebens der Mensch das Gefühl von Macht oder Ohnmacht verspürt (vgl.Scheler 1986, 73-79). In diesem Zusammenhang werden die Seinsordnungen derWelt aufgezeigt und der Mensch, als höchstes Wesen dieser Welt, der höchstenSeinsform zugeordnet, welche aber eine hohe Abhängigkeit der Natur, alsoniedrigerer Seinsformen aufweist. Folglich kann die Frage nach der Freiheit desMenschen gestellt werden. Es lässt sich schließen, dass ein Individuum in seinemHandeln nicht als frei bezeichnet werden kann, da es zur Verwirklichung seinesLebens und seiner Existenz auf die niedrigeren Seinsformen angewiesen ist. DieFrage nach der Freiheit des menschlichen Willens kann jedoch im Rahmen derAuseinandersetzung mit dem vorangegangenen Ausschnitt aus Schelers Werknicht zweifelsfrei beantwortet werden.1 Der nachstehende Aufsatz behandelt nunden darauf folgenden Ausschnitt (vgl. Scheler 1986, 79-90).
Die Mediziner, Naturforscher und Philosophen, die sich heute mit dem Problemvon Leib und Seele beschäftigen, konvergieren immer mehr zur Einheit einerGrundanschauung: „Ein und dasselbe Leben ist es, das in seinem Inneseinpsychische, in seinem Sein für andere leibliche Formgestaltung besitzt“ (Scheler1986, 81).2 In seinem Werk „Die Stellung des Menschen im Kosmos“ behandeltauch Scheler das Problem der menschlichen Natur und erklärt, wie bereits Kantschon vermutete, dass die physiologischen und psychischen Lebensprozesseontologisch streng identisch sind. Ferner zeigt Scheler, entgegen Descartes‘klassischer Theorie des Menschen, auf, dass diese beiden Prozesse nur zweiBetrachtungsseiten ein und desselben Lebensvorganges sind und daspsychophysische Leben folglich eins ist. Der ontische Gegensatz, welcher imMenschen anzutreffen ist, ist also nicht der Gegensatz von Leib und Seele, wieDescartes es vermutet hatte, sondern der Dualismus von Geist und Leben. DerGeist ist dem Gegensatz von Leib und Seele überlegen und vollzieht die zweiBetrachtungsweisen, Psychisches und Physiologisches, ein- und desselbenLebensvorgangs. Diese Argumentation soll im Folgenden näher ausgearbeitetwerden.
Zunächst kritisiert Scheler Descartes‘ klassische Theorie des Menschen, mittels derer Descartes eine große Menge an Irrtümern über die menschliche Naturverbreitete und einen Dualismus von Körper und Seele herbeiführte. Descartes‘Lehre der denkenden und ausgedehnten Substanzen impliziert, dass den Pflanzenund den Tieren die psychische Natur abgesprochen wird und dass alles, was nichtmenschliches Bewusstsein und Denken ist, rein mechanisch abläuft. Demzufolgewäre der Mensch das einzige Wesen, das aus den in Wechselwirkung stehendenSubstanzen denkend und ausgedehnt besteht. Neben dieser „widersinnigste[n]Übersteigerung“ (Scheler 1986, 80) der Sonderstellung des Menschen wird auchdie „Grundkategorie des Lebens und seiner Urphänomene“ (Scheler 1986, 80) ausder Welt ausgeschlossen. Für Descartes besteht die Welt also aus nichts als ausdenkenden Punkten und einem gewaltigen mathematisch zu erforschendenMechanismus.
Ferner kritisiert Scheler, dass Descartes von einer falschen Hirnchemie ausgehtund annimmt, dass das „Psychische nur in Bewusstsein bestehe“ (Scheler 1986,80) und ausschließlich an die Großhirnrinde gebunden sei. Somit lässt Descartesaußer Acht, dass der ganze Körper das physiologische Parallelfeld der Seele istund keineswegs nur das Gehirn. Wie Scheler sagt, kann „von einer äußerlichenZusammenbindung einer Seelensubstanz mit einer Körpersubstanz, wie sieDescartes annahm, (…) gar nicht mehr ernstlich die Rede sein“ (Scheler 1986, 81).Vor allem in der heutigen Forschung unter den verschiedenen Disziplinen derPhilosophie, Medizin und Naturwissenschaften, die sich mit dem Problem von Leibund Seele beschäftigen, spiegelt sich dieses Bild wieder, denn auch diese strebenimmer mehr zur Einheit einer Grundanschauung; physiologische undpsychologische Betrachtungen sind nicht voneinander getrennt, sondern bilden dieEinheit des Lebensvorgangs.
Die Kluft, die durch Descartes‘ Lehre also zwischen Körper und Seele entstanden ist, gilt es für Scheler zu schließen, indem er das Leben als eine Verbindung aus einer physischen und einer psychischen Seite sieht. Scheler macht deutlich, dass der physiologische und der psychologische Lebensprozess keine voneinander abtrennbaren Einzelprozesse sind, sondern diese identisch sind und sich nur phänomenal verschieden manifestieren, obgleich die phänomenologische Struktur wieder bei beiden gleich ist. Beide amechanischen Prozesse sind letztlich nur zwei Seiten ein- und desselben Lebensvollzugs.
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1 Eine nähere Ausführung dessen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und bleibt deshalb auch im Folgenden unbeantwortet.
2 Sofern nicht anders angegeben, bezieht sich diese Ausarbeitung auf Scheler (1986), S. 79 - 90.
- Arbeit zitieren
- Lena Groß (Autor:in), 2013, Max Scheler: "Die Stellung des Menschen im Kosmos" - Das Problem der menschlichen Natur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269059