Das zentrale Thema im Frühwerk Thomas Manns ist der Gegensatz zwischen künstlerischer und bürgerlicher Lebensform, zwischen Kunst und Leben. Die Novelle Der Tod in Venedig markiert den Höhepunkt und Abschluss dieser frühen Schaffensperiode Manns: „Sie war die moralisch und formal zugespitzteste und gesammeltste Gestaltung des Décadence- und Künstlerproblems, in dessen Zeichen seit Buddenbrooks meine Produktion gestanden hatte, und das mit dem Tod in Venedig tatsächlich ausgeformt war.1 Thomas Mann begann seine Arbeit an Der Tod in Venedig im Frühjahr 1911, während eines Aufenthalts auf dem Lido, bei Venedig, und hatte seine Erzählung zunächst als anspruchslose und schnell zu erledigende Arbeit geplant. Allerdings entwickelte sich die Novelle, in ihrer fast einjährigen Entstehungszeit, zu einer vielfältigen und auf unterschiedlichste Weise deutbaren Erzählung. Das 1912 erschiene Werk Manns gilt als eine seiner herausragendsten Arbeiten und soll nach den Worten seines Autors „das Leid und die tragische Verwirrung eines Künstlers [...] zeigen, der Phantasie und ‚Ernst im Spiel’ genug hat, und an den ehrgeizigen Ansprüchen, zu denen der Erfolg ihn verleitet und denen er zuletzt nicht gewachsen ist, zu Grunde geht.“2 Dieser tragische Künstler ist die Hauptfigur der Novelle, der Schriftsteller Gustav von Aschenbach. Gustav von Aschenbach trägt äußerlich die Züge des Musikers Gustav Mahlers, von dessen Tod Thomas Mann während seines Aufenthaltes in Venedig erfuhr. Darüber hinaus sind auch Anspielungen auf Manns eigene Biographie deutlich. Thomas Mann erzählt im Tod in Venedig, wie der alternde Künstler Aschenbach, der sich in einer Schaffenskrise befindet, auf der Suche nach einer neuen Kunst- und Lebenskonzeption nach Venedig reist. Dort wird er nach kurzer Zeit des Glücks und der neuen Produktivität, von Sinnlichkeit und Zügellosigkeit übermannt und verliert seine Würde als Mensch und als Künstler. 1 Thomas Mann: Gesammelte Werke, S. 150. 2 Thomas Mann: Notizbücher, S. 120.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DAS KÜNSTLERTUM GUSTAV ASCHENBACHS VOR SEINER BEGEGNUNG MIT TADZIO
- DER STRENGE, FORMBEDACHTE,,GEISTIGE' KÜNSTLER ASCHENBACH
- Die Abstammung Aschenbachs - Voraussetzung für sein Künstlertum
- Die Kindheit Gustav Aschenbachs
- Aschenbachs Werdegang als Schriftsteller
- Der jugendliche Künstler Aschenbach
- Die Arbeitsweise Aschenbachs
- Das Werk Aschenbachs - Spiegel seiner Haltung
- Aschenbachs Künstlertum
- Sein Selbstverständnis als Künstler
- Aschenbach als bürgerlich-apollinischer Künstler
- KRISENHAFTE TENDENZEN IN ASCHENBACHS KÜNSTLEREXISTENZ
- GUSTAV ASCHENBACH AUF DER SUCHE NACH EINER NEUEN KUNST- UND LEBENSKON ZEPTION
- ASCHENBACHS REISE ÜBER POLA NACH VENEDIG - ZUNEHMENDE HINWENDUNG ZUM SINNLICH-DIONYSISCHEN
- DIE ENTWICKLUNG ASCHENBACHS UND SEINES KÜNSTLERTUMS NACH SEINEM ZUSAMMENTREFFEN MIT TADZIO
- Zunehmende Harmonie von Geist und Sinnlichkeit im Wesen Aschenbachs
- Die Verschmelzung von Logos und Eros - Aschenbach als,platonischer Sokrates'
- Exkurs: Platons, Phaidros'-Dialog
- Kunstschaffen unter dem Einfluss von Schönheit und Eros
- Die dauernde Präsenz des Dionysischen - Aschenbachs unbewusste Hinwendung zum Dionysischen
- Überwältigung Aschenbachs durch das Dionysische - Sinnlichkeit und Zügellosigkeit
- Die Entwürdigung und der Untergang Gustav Aschenbachs
- SCHLUSSBETRACHTUNG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des Künstlertums Gustav von Aschenbachs in Thomas Manns Novelle „Der Tod in Venedig“. Sie untersucht, wie Aschenbachs künstlerische Identität durch seine Reise nach Venedig und seine Begegnung mit Tadzio geformt und letztlich zerstört wird.
- Der Gegensatz zwischen künstlerischer und bürgerlicher Lebensform
- Die Bedeutung des Apollinischen und Dionysischen für Aschenbachs Entwicklung
- Die Rolle der Sinnlichkeit und des Eros im künstlerischen Schaffen
- Aschenbachs Suche nach einer neuen Kunst- und Lebenskonzeption
- Der Einfluss von Schönheit und Verführung auf Aschenbachs Untergang
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext der Novelle „Der Tod in Venedig“ im Frühwerk Thomas Manns skizziert. Sie beleuchtet den Gegensatz zwischen künstlerischer und bürgerlicher Lebensform, der ein zentrales Thema in Manns frühen Werken darstellt.
Das zweite Kapitel widmet sich Aschenbachs Künstlertum vor seiner Begegnung mit Tadzio. Es untersucht seine strenge, formbedachte und emotionslose Arbeitsweise, die aus seiner Abstammung und Kindheit resultiert. Das Kapitel analysiert Aschenbachs Streben nach Ordnung und Kontrolle in seinem Leben und seiner Kunst, die er als Voraussetzung für künstlerische Produktivität sieht.
Das dritte Kapitel verfolgt Aschenbachs Reise nach Venedig und seine zunehmende Hinwendung zum Sinnlich-Dionysischen. Es zeigt, wie die Begegnung mit Tadzio Aschenbachs Gefühlswelt aufwühlt und ihn in eine Krise seiner künstlerischen und moralischen Identität führt. Das Kapitel analysiert die Auswirkungen von Eros und Schönheit auf Aschenbachs Kunst und sein Leben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen wie Künstler- und Lebensentwurf, dem Verhältnis von Geist und Sinnlichkeit, der Bedeutung von Schönheit und Verführung, dem Gegensatz von Apollinischem und Dionysischem sowie der Krise des bürgerlichen Selbstverständnisses im Kontext der frühen Moderne.
- Quote paper
- Michael Wadle (Author), 2003, Die Entwicklung Gustav von Aschenbachs und seines Künstlertums in Thomas Manns Der Tod in Venedig (1912), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26912