Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kontextualisierung
3. Menzius
3.1 Leben
3.2 Die Staatsphilosophie
3.3 Die Anthropologie
3.4 Exkurs in die theoretische Philosophie: Freiheit und Determination
3.5 Wirken
4. Xun Zi
4.1 Leben
4.2 Die Staatsphilosophie
4.3 Die Anthropologie
4.4 Exkurs in die theoretische Philosophie: Sprachphilosophie
4.5 Wirken
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die chinesischen Denker der klassischen Zeit diskutierten ausgiebig darüber, ob sich Moral und Ethik in einer natürlichen menschlichen Anlage und Neigung zum Guten hin begründen lassen. Ty- pisch konfuzianistisch ist die optimistische und idealisierende Bejahung dieser These.1 Konfuzius, nach welchem diese chinesische Denktradition benannt wurde, lebte ungefähr 551 bis 479 v. Chr. 2 Konfuzius lebte zu unruhigen Zeiten mit instabilen gesellschaftlichen Verhältnissen, denen er die Werte der Vergangenheit gegenüber stellte, aus welchen er eine Staatslehre und Ethik mit konservativen Zügen entwickelte. Er suchte nach einer Ethik, um ein respektvolles Miteinander der Menschen zu etablieren und eine sittliche Herrschaft zu entwickeln.3 Um das Ziel der Vervoll- kommnung zu erreichen, müssen die Menschen nach den 5 konfuzianischen Tugenden - Mensch- lichkeit, Schicklichkeit, Rechtschaffenheit, Weisheit und Treue - handeln. Damit hängen Pflichten zusammen, nach welchen sich die Menschen richten müssen. Das sind bspw. der Gehorsam der Kinder gegenüber den Eltern und der Untergebenen gegenüber den Herrschern, der Jüngeren gegen- über den Älteren, der Ehefrau gegenüber ihrem Ehemann. 4 Daher lehrt der Konfuzianismus die Einordnung des Menschen in eine Hierarchie mit bestehenden Machtverhältnissen.5 Der Konfuzianismus gehört neben dem Buddhismus und dem Taoismus zu den großen chinesischen Lehren, wurde in der Han-Zeit zur Staatsdoktrin erhoben und obwohl er nach der chinesischen Re- volution 1912 seine Stellung als Staatslehre verloren hat, ist er für weite Teile der Bevölkerung noch immer die richtungsweisende Moral- und Gesellschaftslehre, an welcher sich orientiert wird.6 In überirdischen, religiösen und metaphysischen Dingen vertrat Konfuzius einen nüchternen, desin- teressierten Skeptizismus. Eine nüchterne Einstellung der Religion gegenüber war typisch konfuzia- nistisch. Beinahe alle klassischen Philosophen Chinas waren irreligiös. Dies liegt daran, dass es kei- ne ausführlich dargestellte Götterwelt in der chinesischen Kultur gab, sondern lediglich vergöttlich- te Ahnen, welche mittels traditioneller Rituale angerufen wurden.7 Obwohl der Konfuzianismus traditionell als rationalistische Denkschule eingestuft werden kann, haben sich mit seiner Entwick- lung mystische Elemente in der Staatslehre manifestiert.8
Bereits im dritten vorchristlichen Jahrhundert hatte sich die konfuzianische Tradition in 8 Richtun- gen gespalten. Innerhalb des Konfuzianismus entwickelten sich Polarisierungstendenzen bezüglich der Bewertung des Gegensatzes von Natur und Kultur.9 Die zwei wichtigsten und diesbezüglich oft als gegenteilig beschriebenen Extreme der konfuzianistischen Strömung werden von Menzius und Xun Zi gebildet, welche beide zur Zeit der streitenden Reiche lebten und lehrten.10 Diese vertraten und entwickelten den klassischen Konfuzianismus.11
Menzius vertrat eine optimistische Auffassung bezüglich der Natur des Menschen und akzentuierte die konfuzianischen Tugenden wie Menschlichkeit, Liebe und Empathie. Menzius verherrlichte die „flutende Lebensessenz“, welche als eine mystische Seinsgewissheit interpretiert und grob mit unserem „guten Gewissen“ übersetzt werden kann.12 Xun Zi hingegen, was sehr untypisch für einen Konfuzianer war, ging davon aus, dass die menschliche Natur böse ist.
In der Fachliteratur finden sich stets unterschiedliche und leicht variierende Jahreszahlen, welche daher im Folgenden als ungefähre Angaben zu verstehen sind.13
Aufgrund der chinesischen Schrift und Aussprache haben sich unzählige verschiedene Schreibweisen für die jeweiligen Namen etabliert. So sind bspw. „zi“, „tse“, „tzu“ und „tseu“ allesamt Wiedergabe des gleichen chinesischen Zeichens, welches eine Ehrenbezeichnung ist und mit „Meister“ übersetzt werden kann. Bei der Schreibweise der Namen orientiere ich mich an dem Verfahren für die Umschreibung von chinesischen Schriftzeichen in lateinische Buchstaben, welches 1979 vereinheitlicht und für das Ausland verbindlich wurde. Wenn ich allerdings aus Büchern mit anderer Schreibweise zitiere, werde ich die jeweilige Schreibweise übernehmen. Allerdings werde ich im Allgemeinen die beiden Philosophen „Menzius“ und „Xun Zi“ schreiben.14
Begonnen wird mit einer Kontextualisierung, um den Einstieg in das Thema zu erleichtern. Anfangs wird eine historische Einordnung der Zeit vorgenommen, gefolgt von einer kurzen Einführung in das damalige chinesische Denken allgemein, in ihr Rechtfertigungsschema, die bevorzugten The- mengebiete der chinesischen Philosophen und ihre überlieferten Werke. Der erste Philosoph, der vorgestellt wird, ist Menzius. Nach einigen kurzen Worten zu seinem Leben wird seine Staatsphilo- sophie vorgestellt. Es wird um den Erfolg von sittlichen und den Umsturz von grausamen Herr- schenden gehen, um Menzius starke Betonung des Volkes, um seine Ablehnung von kriegerischen Handlungen und seine Vorstellung von demjenigen Herrscher, welcher die Weltherrschaft erringen wird. Daran anschließend wird seine Anthropologie, also seine Lehre vom Menschen vorgestellt. Es wird Menzius´ Auffassung von der Natur (xing) des Menschen dargelegt und Menzius´ Begründungen dafür dargelegt. Folgend wird es um Menzius´ Vorstellungen bezüglich der Freiheit bzw. Unfreiheit des Menschen gehen. Im abschließenden Teil über diesen Philosophen wird sein Wirken und sein Einfluss auf die chinesische Philosophie dargelegt.
Nachdem in einigen Worten Xun Zis Lebensumstände erläutert worden sind, wird seine Staatsphilo- sophie näher betrachtet. Es geht um Xun Zis Wertschätzung der Gesetze und um seine Ablehnung von unnötiger Nostalgie. Er vertrat das gleiche Rechtfertigungsdenken, wie Menzius, wie es aller- dings auch für die klassische chinesische Philosophie üblich war. Daran anschließend wird auf Xun Zis Anthropologie eingegangen. Dabei wird Xun Zis Begriff der Natur (xing) geklärt und die Frage gestellt, wie es trotz des pessimistischen Menschenbildes Heilige und Gutheit in der Welt geben könne. Anschließend wird auf Xun Zis Definition von „Himmel“ und „Schicksal“ eingegangen und aus seiner Ethik Folgen bezüglich der Forderungen für das menschliche Handeln abgeleitet. An- schließend wird von Xun Zis Sprachphilosophie und seiner Forderung nach genauen Definitionen benutzter Begriffe die Rede sein, worauf die Einschätzung seines Wirkens und seines Einflusses auf die chinesische Philosophie folgt.
Abschließend wird ein Fazit zu ziehen sein und die Unterschiede oder aber auch eventuelle Gemeinsamkeiten der beiden behandelten Philosophen werden erläutert.
2. Kontextualisierung
Ein Grundmotiv der traditionellen chinesischen Philosophie ist die Rückbesinnung auf die Vergangenheit, ihre Traditionen, Werte und Kultur. Konfuzius´ Appell war stets: „Zurück zur Anständigkeit, zurück zur Kultur!“15. Um diesen Vergangenheitskult nachvollziehen zu können, ist ein kurzer Blick auf die lange Geschichte Chinas unerlässlich.16
Zu Konfuzius´ Zeiten waren drei Dynastien bekannt: Die Xia-Dynastie, die Shang-Dynastie und die Zhou-Dynastie. Die Xia-Dynastie begann um 2140 v. Chr. mit dem Amtsantritt von dem „Großen Yu“. Die Shang-Dynastie begann im 16. vorchristlichen Jahrhundert und wies bereits hochentwi- ckelte Technologien zur Herstellung von Bronzeguss und größere, befestigte Städte auf. In dieser Zeit war darüber hinaus die Zeichenschrift bereits gut entwickelt. Die darauf folgende Zhou-Dynas- tie erstreckt sich ungefähr auf den Zeitraum von 1066 bis 256 v. Chr. Zu der Zeit des Konfuzius, im 7. vorchristlichen Jahrhundert, existierte die Zhou-Herrschaft nur nominell, faktisch hatte sich das Reich in eine Reihe von Einzelstaaten gespalten. Der „Frühlings- und Herbstperiode“ von 722 bis 481 v. Chr. folgte die „Epoche der streitenden Reiche“ von ca. 481 bis 221 v. Chr. nach. Diese Zeit war die Hochzeit der klassischen, chinesischen Philosophie, in welcher auch diejenigen Philoso- phen lebten, welche im Folgenden vorgestellt werden. Dass die überlieferte klassische chinesische Philosophie in einer alten Kultur eines alten Staatswesen entstand, erklärt, dass bereits die chinesi- sche Philosophie zu ihrer Anfangszeit - wie Hubert Schleichert vergleicht - eher die Charakterzüge eines weisen, greisen Mannes trägt, als die eines neugierigen und agilen Jünglings. In der Zeit der streitenden Reiche kämpften die einzelnen, zersplitterten chinesischen Staaten um die Vormachtstel- lung in ganz China. Diese lange Zeit der dauerhaften Kämpfe wirkte sich selbstverständlich auf die Bevölkerung und somit auch auf die Philosophen und deren Fragestellungen aus: Wann sind Kriege rechtens? Was zeichnet gutes bzw. schlechtes Regieren aus? Wie und wer kann „Herrscher der Welt“ werden, also den zwischenstaatlichen Dauerkrieg beenden und somit die Macht über ganz China erringen und Frieden bringen? V. a. in der letzten Phase der Zeit der streitenden Reiche war das politische und gesellschaftliche Klima sehr unruhig. Diese Epoche endete mit dem Sieg des Staates Qin im Jahre 221 v. Chr., woraufhin in China ein zentralistischer Einheitsstaat errichtet wur- de.17
Die überlieferte bzw. erfundene Geschichte Chinas, oft sind diese beiden Sphären verwischt und es ist schwer zu sagen, was Realität und was Fiktion ist, beinhaltet viele Figuren, welche Pate stehen für Moralität bzw. Verdorbenheit. Diese Geschichten zeigen, welche Tugenden als wünschenswert und welche Charaktereigenschaften als verdammungswürdig angesehen worden sind. Diese Geschichten handeln stets von vermeintlichen Herrschern der verschiedenen Dynastien und bei diesen Geschichten ist stets das klassische Rechtfertigungsdenken anzutreffen, welches besagt, dass böse Herrscher gestürzt werden, wohingegen die moralischen Herrscher an der Macht bleiben. Zu Beginn einer neuen Dynastie waren die Herrscher stets gut und tugendhaft, wohingegen die Herrscher am Ende einer Dynastie stets gewalttätig, tyrannisch und grausam waren, weshalb diese von einer neuen Dynastie mit gutmütigen Herrschern abgelöst werden mussten.18
In der chinesischen Philosophie ging es nie um Wissen als Selbstzweck, Welt-, Natur- oder Kos- moserkenntnis, sondern fast ausschließlich um Themengebiete der praktischen Philosophie. Beson- ders interessiert waren die chinesischen Klassiker an Staatsphilosophie und Anthropologie, sie be- schäftigten sich mit Fragen über notwendige Charakteristika von guten / schlechten Regenten und guten / schlechten Untertanen. Sie stellten die Frage nach der richtigen Struktur einer Gesellschaft und wie man zu Macht kam. Es ging ihnen auch um die Natur des Menschen: Ist er gut oder schlecht, oder werden ihm diese Eigenschaften anerzogen und können sie wieder aberzogen wer- den? Doch es gab darüber hinaus auch Ansätze von Erkenntnistheorie, welche traditionell zu dem Bereich der theoretischen Philosophie zählt. Aber die damalige Sprach- und Erkenntnistheorie ge- wann in der klassischen chinesischen Philosophie nie so große Bedeutung wie die zuvor genannten Themenfelder. Die Klassiker behandelten ihre Themen - mit einigen Ausnahmen - nicht systema- tisch. Ihre Arbeitsweise und ihr Philosophieren ist oft aphoristisch und anekdotisch. Einige schrie- ben in Kurzgeschichten, andere in Gleichnissen und Vergleichen, andere wiederum in Dialogform. Eine Ausnahme ist Xun Zi, welcher sehr systematisch arbeitete und die von ihm behandelten The- men in einen Zusammenhang brachte.19
Von den klassischen Philosophen ist meist nur ein Buch erhalten, welches daher meist als Titel den Namen des Philosophen, welcher es verfasst haben soll, trägt. Die uns überlieferten Texte sind meist in der Han-Zeit (ca. 206 v. Chr. Bis 800 n. Chr.) oder später entstanden und enthalten, was der Herausgeber als wichtigstes Gedankengut der entsprechenden Schule ansah. Daher ist nicht klar zu trennen, welche Gedanken von dem Lehrer kommen und welche gedanklichen Weiterentwicklungen seiner Schüler mit in das Werk einflossen.20
3. Menzius
Menzius (auch: Meng Zi, Meng Ke, Mong Dsi, Mong Ko u. ä.) vertrat eine optimistische Auffas- sung bezüglich der Natur des Menschen und akzentuierte die konfuzianischen Tugenden wie Menschlichkeit, Liebe und Empathie.21 Das Buch, welches seine gesammelten Werke enthält und nach ihm benannt ist, ist vermutlich von ihm selbst verfasst. Nur einige Anmerkungen scheinen von Schülern hinzugefügt worden zu sein. Das Werk ist in dem für seine Zeit typischen Duktus verfasst, es enthält bspw. sowohl Aphorismen und Lehrsprüche als auch Berichte über Dialoge, welche Men- zius mit Herrschern geführt hat. Menzius versucht, im Gegensatz zu Konfuzius, seine Lehren in einen argumentativen Kontext zu setzen und die Richtigkeit seiner Anschauungen zu beweisen. In seinen Lehren gibt es kaum kategorische Imperative, welche - um in Immanuel Kants Sprachduktus zu bleiben - einige Handlungsmaximen kategorisch ver- oder gebieten. Menzius wägt stets ab und führt verschiedene Beispiele dafür an, dass eine Handlungsweise in der einen Situation moralisch richtig, in einer anderen wiederum moralisch falsch ist. Des Weiteren schreibt Menzius häufig in Form deskriptiver Beschreibungen, die sich allerdings zugleich als Vergleiche und Metaphern ver- stehen und als normative Ratschläge interpretieren lassen.22 Im Gegensatz zu den Lehren des Xun Zi geht es Menzius nicht so sehr um die „Sittlichkeit“ an sich, als um die „Menschlichkeit“ bzw. das „Wohlwollen“. Menzius betonte in seiner Staatslehre die Wichtigkeit des Volkes, dessen Interessen die Herrschenden stets zu berücksichtigen haben. Nach Menzius haben die Herrscher moralisch und sittlich zu sein, damit es der Bevölkerung gut geht. Seine zentralen Themenschwerpunkte drehten sich um die Staatsphilosophie, d. h. die Moral im Staat und der Herrschenden und um das Leben des Individuums. Auch hier liegt die praktische Philosophie im thematischen Zentrum.23
3.1 Leben
Menzius, welcher ungefähr 150 Jahre nach Konfuzius, von etwa 372 v. Chr. bis 289 v. Chr. lebte und als erster Nachfolger Konfuzius´ gilt, kann als moralisierender Staatsphilosoph beschrieben werden. Er entstammte einer vornehmen, wenn auch nicht reichen Familie des Staates Lu 24 und lehrte an verschiedenen Fürstenhöfen. Im Gegensatz zu Konfuzius schien Menzius viele Schüler ge- habt zu haben und bereits zu seiner Zeit erfolgreich gewesen zu sein.25 Er lebte und lehrte zu der Zeit, als Platon und Aristoteles im antiken Griechenland wirkten und ihre Lehren aufstellten.26
3.2 Die Staatsphilosophie
Menzius vertrat die oben bereits angedeutete Auffassung, dass der tugendhaft Herrschende Erfolg habe, dem niederträchtigen und grausamen hingegen zwangsläufig das Schicksal des Untergangs bevor stünde. Empirisch sieht er seine Theorie in der Gesamtheit der damals bekannten chinesischen Geschichte begründet: „Menzius sprach: ˛Alle drei Dynastien haben die Herrschaft durch Menschlichkeit erlangt und durch Unmenschlichkeit verloren...ʼ“27 Besondere Brisanz enthält dieses Zitat dadurch, dass die letzte der drei Dynastien zu Menzius´ Zeit nominell noch bestand. D. h. Menzius wollte die zu seiner Zeit Herrschenden von unmenschlicher Ausbeutung, Unterdrückung und unnötigen Kriegen abbringen, um das Wohl des Volkes willen.28
Er erklärt seine Lehre vom Erfolg des sittlich Herrschenden damit, dass ein wohlwollendes Volk für den Erfolg einer Herrschaft vonnöten ist, und für ein wohlwollendes Volk ist ein wohlwollender, sittlicher Herrschender Bedingung. Wenn der Herrschende sein Volk schlecht behandelt, kommt es zwangsläufig zu Umsturz und Rebellion:29
„Wenn ein Fürst seine Untertanen wie seine Hände oder Beine behandelt, dann werden sie ihn wie den eigenen Leib oder das eigene Herz behandeln. Wenn er sie wie Hunde und Pferde behandelt, betrachten sie ihn als einen Fremden. Wenn er sie wie Dreck oder Stroh behandelt, werden sie ihn wie einen Strauchdieb oder Räuber behandeln.“30
Menzius akzeptiert dies allerdings lediglich durch einen sittlich guten und moralischen Menschen aus der Königsfamilie oder im Notfall durch einen der höchsten Beamten des Staates 31, welcher den bisher schlechten Herrschenden ablösen soll. Dieser neue Herrschende ist dann in der Lage, ohne Gewalt und Tyrannei zu herrschen, ohne dass die Gefahr eines Umsturzes bestünde, weil ihm das Volk freiwillig nachfolgt, da „[d]as Volk […] sich der Menschlichkeit zu[wendet], so wie das Wasser nach unten fließt“32: „Wenn ein Fürst eine menschliche Regierung führt, fühlt das Volk sich mit seinen Oberen verbunden und ist bereit, für sie zu sterben.“33
In Menzius´ Staatsphilosophie nimmt das Volk, welches als notwendiges Fundament eines Staates zu betrachten ist und dessen Wohl die zentrale Stellung ein. Auch wenn der Herrschende überlegen ist und geehrt werden soll, liegt seine Daseinsberechtigung einzig und allein darin, dem Volk zu dienen und ihm materielles und moralisches Wohl zuteil werden zu lassen. Wenn der Herrschende diese Aufgabe nicht erfüllt, ist er ein schlechter und verliert seine Macht.34 Dennoch darf an dieser Stelle nicht voreilig über demokratische Tendenzen spekuliert werden. Das Volk hat nicht über Rechtsordnung und Moral, über gut und schlecht zu entscheiden. Es bedarf der Führung durch einen weisen und starken Herrschenden. Das Volk ist vergleichbar mit einer Familie, die der Regierende, vergleichbar mit dem Vater, zu beschützen hat.35
Aufgrund der Epoche der streitenden Reiche, welche Menzius prägte, und der hohen Stellung, die er dem Wohl des Volkes einräumt, gibt es für Menzius keine gerechten Kriege. Doch auch hier wägt Menzius ab und kommt zu dem Schluss, dass in einigen wenigen Fällen kriegerische Handlungen gebilligt werden können, bspw. wenn das Volk freiwillig dazu bereit ist zu kämpfen.36 Nach Menzi- us kann kein Fürst, wie er es nennt, die Weltherrschaft erringen, indem er Gewalt anwendet. Die Epoche der streitenden Reiche war von der Hoffnung geprägt, dass ein Fürst über alle einander be- kriegenden Staaten siegen, damit der Zersplitterung des Reiches eine Ende bereiten und so die Welt- herrschaft erringen würde. Der einzig richtige Weg, dies zu erreichen, war nach Menzius, dass der Herrschende sein Volk durch Güte und Gerechtigkeit glücklich mache. Dies würde nach sich zie- hen, dass die Bevölkerung der Nachbarstaaten sich dem Herrschenden freiwillig unterwirft, damit auch ihr Glück und Wohlstand zuteil wird.
[...]
1 Vgl.: Kaempf, Bernard / Johann Zürcher: Geschichte des chinesischen Denkens. München 2002. S. 118.
2 Vgl.: Schleichert, Hubert: Klassische chinesische Philosophie. Eine Einführung. 2. Auflage. Frankfurt am Main 1990 . S. 25.
3 Vgl.: http://www.arte.tv/de/Konfuzianismus/386080.html (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
4 Vgl.: http://www.wissen.de/lexikon/konfuzianismus?chunk=die-konfuzianische-philosophie (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
5 Vgl.: http://www.arte.tv/de/Konfuzianismus/386080.html (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
6 Vgl.: http://www.planetsenior.de/konfuzianismus/ (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
7 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 17ff.
8 Vgl.: http://www.arte.tv/de/Konfuzianismus/386080.html (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
9 Vgl.: Wolfgang Bauer (Hrsg. von Hans van Ess): Geschichte der chinesischen Philosophie. Konfuzianismus, Daois- mus, Buddhismus. München 2001. S. 97.
10 Vgl.: Geldsetzer, Lutz / Hong Han-Ding (Übers.): Chinesisch-deutsches Lexikon der Klassiker und Schulen der chi- nesischen Philosophie. Aalen 1991. S. 103.
11 http://www.wissen.de/lexikon/konfuzianismus?chunk=die-konfuzianische-philosophie (letzte Einsicht: 15. 09. 2012).
12 Vgl.: Bauer: Chinesische Philosophie. S. 103.
13 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 10.
14 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 17.
15 Schleichert: Philosophie. S. 10.
16 Vgl.: Schleichert: Philosophie. 9f.
17 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 10f.
18 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 12f.
19 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 18f.
20 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 19f.
21 Vgl.: Bauer: Chinesische Philosophie. S. 103.
22 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 69, 73.
23 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 58.
24 Vgl.: Kaempf / Zürcher: Geschichte. S. 124.
25 Vgl.: Bauer: Chinesische Philosophie. S. 98.
26 Vgl.: Kaempf / Zürcher: Geschichte. S. 124.
27 Menzius: 4a3. Zitiert nach: Schleichert: Philosophie. S. 61.
28 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 58ff.
29 Vgl. Schleichert: Philosophie. S. 59.
30 Menzius: 4b3. Zitiert nach: Schleichert: Philosophie. S. 59.
31 Vgl.: Kaempf / Zürcher: Geschichte. S. 125.
32 Menzius: 4a9. Zitiert nach: Schleichert: Philosophie. S. 61.
33 Menzius: 1b12. Zitiert nach: Schleichert: Philosophie. S. 59.
34 Vgl. Schleichert: Philosophie. S. 62.
35 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 63ff.
36 Vgl.: Schleichert: Philosophie. S. 65ff.