In der Autobiografie-Forschung stellt ein Aspekt jener literarischen Gattung die Medialität des Erinnerns dar. Demnach ist das Erinnern im Zuge des autobiografischen Erzählens kein spontaner und medienunabhängiger Prozess. Stattdessen geht eine Vergegenwärtigung der eigenen Lebensgeschichte anhand eines Zurückgreifens auf Medien des Erinnerns wie einem Tagebuch vonstatten.
Die vorliegende Arbeit untersucht, in welchem Verhältnis Medium des Erinnerns und Autobiografie zueinander stehen. Es wird überprüft, ob bei dem Übergang vom Medium des Erinnerns zum autobiografischen Text eine Stilisierung bis Inszenierung stattfindet. Dafür werden die Differenzen beider Texte aufgezeigt. Inhalt, Reihenfolge, Detailtiefe und Wortlaut sind Aspekte, die unterschiedlich ausfallen können. Abweichungen werden ausfindig gemacht, um deutbar zu sein.
Untersuchungsgegenstand stellt das 2012 erschienene Reisebuch „Schonungslos Japanisch“ von Mona I. Thraen dar. Als detaillierte, retrospektive, persönliche Beschreibung eines einjährigen Auslandsaufenthaltes liefert das Buch das Potenzial, ein Reisebericht und gleichzeitig eine Teil-Autobiografie über einen Lebensabschnitt der Autorin zu sein. So wird in der Hausarbeit zunächst kurz die Theorie der Autobiografie und die des Reiseberichtes in Beziehung zueinander aufgezeigt und später auf das Buch transferiert.
Als Gegenstand eignet sich die gewählte Primärliteratur nicht nur, weil sie aktuell und potenziell autobiografisch ist. Zudem habe der Autorin Mona I. Thraen ein Tagebuch als Grundlage für das Reisebuch gedient, ohne dabei gänzlich die Reihenfolge der Ereignisse eingehalten oder alle Namen übernommen zu haben, worin bereits erste Differenzen zu erkennen sind. Ist „Schonungslos Japanisch“ also als Autobiografie zu betrachten, so vermag das Tagebuch ein Medium des Erinnerns zu sein. Somit müssen auch für die Medialität des Erinnerns die Theoreme aus der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung dargelegt und angewandt werden. Dafür dienen vor allem Schriften (herausgegeben) von Aleida Assmann, zu deren Forschungsschwerpunkt die Fragestellung der Arbeit passt, zusammen mit weiterer einschlägiger Literatur. Die Theorie der Medialität des Erinnerns ermöglicht schließlich, das Verhältnis zwischen Tagebuch und Reisebuch ausführlich darzustellen. Freundlicherweise stellte die Autorin Mona I. Thraen der Verfasserin An Lin dafür fünf mehrseitige, über das Auslandsjahr verteilte Auszüge aus ihrem Tagebuch zur Verfügung.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Autobiografie und Reisebericht – Überschneidung zweier Gattungen
3. Medialität des Erinnerns in der Autobiografie
4. Vom Tagebuch zur Autobiografie: „Schonungslos Japanisch“
4.1. Differenzen zwischen privatem und öffentlichem Text
4.2. Der poetologische Hintergrund: Die Inszenierung
4.3. Geschichtsinszenierung – die Frage nach der Echtheit
5. Zusammenfassung, Fazit und Ausblick
6. Literaturverzeichnis.
- Arbeit zitieren
- An Lin (Autor:in), 2014, „Alles ist ‚echt‘“. Das Phänomen der Inszenierung in „Schonungslos Japanisch“ von Mona I. Thraen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/269432